Aktenzeichen W 2 K 19.252
VwGO § 113 Abs. 5
BGB § 133, § 157,§ 193 , § 273, § 274
ZPO § 38 Abs. 3, § 222 Abs. 2
AEUV Art. 18
BayHZG Art. 5 Abs. 4a
GG Art. 3 Abs. 3
Leitsatz
1. Wertungen der Prüfer, die sich auf Ausführungen beziehen, die am Maßstab des fachwissenschaftlichen Meinungsstandes zu beurteilen sind, unterliegen uneingeschränkt der gerichtlichen Nachprüfung. Dagegen sind Wertungen von Prüfern, dass die konkrete Aufgabenstellung die Behandlung fachlicher Fragen verlangt, prüfungsspezifischer Natur und können deshalb nur eingeschränkt überprüft werden. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Umfang der Überprüfung ist trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes im Prüfungsrechtsstreit auf konkrete substantiierte Einwendungen beschränkt. Die Behauptung, eine als falsch bewertete Lösung sei fachlich vertretbar, muss hinreichend substantiiert sein. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Landesjustizprüfungsamtes vom 25. Juni 2018 und die Bewertungen der Aufgaben 2 und 6 der Klägerin aus dem Prüfungstermin 2018/1 der Ersten Juristischen Staatsprüfung sind rechtmäßig und verletzen (schon deswegen) die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie hat keinen Anspruch auf eine Neubewertung dieser Aufgaben (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur gerichtlichen Kontrolle von Prüfungsentscheidungen bei berufsbezogenen Prüfungen – wie der Ersten Juristischen Staatsprüfung – muss diese für einen wirkungsvollen Schutz der Berufsfreiheit zweckgerichtet, geeignet und angemessen sein (vgl. insbesondere BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 u. 213/83 – BVerfGE 84, 34). Zweck der Prüfung ist es, denjenigen Bewerbern Zugang zum angestrebten Beruf zu verwehren, die fachlichen Mindestanforderungen nicht genügen. Der Zweck der Prüfung ist nicht nur für den Umfang der Qualifikationsnachweise, sondern auch für deren Bewertung maßgebend. Daraus folgt, dass zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen im Prinzip nicht als falsch beurteilt werden und zum Nichtbestehen führen dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfragen nicht eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch bewertet werden. Eine gerichtliche Korrektur kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn sich ein Beurteilungsfehler auf die Notengebung ausgewirkt hat.
Bei prüfungsspezifischen Wertungen verbleibt der Prüfungsbehörde ein Entscheidungsspielraum, dessen gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt ist, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob der Prüfer von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat. Im Bereich fachwissenschaftlicher Prüfungsleistungen findet der Bewertungsspielraum eine weitere Grenze dort, wo ein Prüfer bei einer offenen Rechtsfrage eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung als falsch bewertet hat (BVerwG, U.v. 9.12.1992, BVerwGE 91, 262 ff.). Dabei stellt das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 5. März 2018 – 6 B 71.17 – juris, klar, dass die Wertungen der Prüfer, die sich auf Ausführungen des Prüfungsteilnehmers beziehen, die am Maßstab fachwissenschaftlichen Meinungsstandes zu beurteilen sind, uneingeschränkt der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegen. Dagegen sind nach dieser Entscheidung Wertungen von Prüfern, dass die konkrete Aufgabenstellung die Behandlung bestimmter fachlicher Fragen verlangt, rein prüfungsspezifischer Natur und können von den Gerichten nur hinsichtlich der Einhaltung des Bewertungsspielraums überprüft werden.
Dabei ist das Ausmaß der gerichtlichen Prüfung trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes im Verwaltungsprozessrecht auf konkrete substantiierte Einwendungen des Klägers beschränkt (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 853/855 S. 402 ff.). Die Behauptung, eine als falsch bewertete Lösung sei in Wirklichkeit fachlich vertretbar, muss hinreichend substantiiert sein.
Gemessen an diesen Vorgaben kann bei den angegriffenen Klausuren kein Beurteilungs- bzw. Bewertungsfehler festgestellt werden.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1.1. Die Beurteilung der Prüfungsleistung der Klägerin bei der Klausur Nr. 2, einer Aufgabe aus dem bürgerlichen Recht und dem Handelsrecht, ist rechtsfehlerfrei erfolgt.
1.1.1 Zulässigkeit des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil:
Die Klägerin rügt, dass bei ihrer Klausurlösung zu Unrecht bemängelt worden sei, dass sie die Voraussetzungen für den Erlass des Versäumnisurteils bei der Zulässigkeit des Einspruchs geprüft habe. Zudem zeige die wellenförmige Markierung des Prüfers auf den Seiten 2 bis 6, dass der Prüfer richtige Ausführungen nicht gewertet habe. Auch nach der Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren sei nicht klar, ob der Prüfer die Ausführungen auf den Seiten 2 bis 6 der Arbeit nicht doch negativ bewertet habe, was nach den Grundsätzen der sogenannten „falschen Weichenstellung“ nicht hätte erfolgen dürfen. Der Prüfer hätte diese Ausführungen als Folgefehler bewerten müssen und berücksichtigen müssen, dass die Klägerin immerhin gewisse Kenntnisse in dem geprüften Fachgebiet besitze und die weitere Gedankenführung folgerichtig gewesen sei. Der Prüfer hätte die Ausführungen angesichts der prinzipiellen inhaltlichen Richtigkeit nicht negativ bewerten dürfen.
Diese Rügen vermögen keine Beurteilungsfehler zu begründen.
Der Erstkorrektor hat vor allem im Nachprüfungsverfahren ausführlich dargelegt, dass er die wellenförmige Markierung auf den Seiten 2 bis 6 der Prüfungsarbeit nur zu dem Zweck vorgenommen habe, den Teil der Bearbeitung zu markieren, der aus systematischen Gründen an dieser Stelle unrichtig geprüft worden sei. Der Zweitkorrektor hat sich diesen Ausführungen angeschlossen. Diese Bewertung kann nicht beanstandet werden, weil die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Versäumnisurteils tatsächlich nicht zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs gehören, vgl. §§ 338, 341 ZPO. Der Prüfer hat zudem nachvollziehbar dargelegt, dass er sich dennoch mit den markierten Ausführungen inhaltlich auseinandergesetzt und in der Bewertung berücksichtigt habe. Dies geht zur Überzeugung des Gerichts auch aus der Randbemerkung auf Seite 3 und aus der Fehlermarkierung auf Seite 6 hervor. Wie die Korrektoren ausführten, könnten aus Gründen der Chancengleichheit diese zusätzlichen Ausführungen aber keine deutlich positive Bewertung rechtfertigen, da die anderen Bearbeiter der Klausur, die – systematisch korrekt – auf diese inhaltliche Prüfung der Voraussetzungen der §§ 331 bis 337 ZPO ganz verzichtet hätten, ansonsten benachteiligt würden, obwohl sie einen zutreffenderen Prüfungsansatz gewählt hätten. Diese Überlegung ist nicht sachfremd und als Frage der Gewichtung vom Beurteilungsspielraum der Prüfer umfasst.
1.1.2 Einspruchsfrist:
Die Klägerin macht geltend, das der Erstkorrektor auf Seite 8 der Bearbeitung zu Unrecht angemerkt habe, dass die Berechnung der Einspruchsfrist nicht richtig begründet worden sei, obwohl sie das richtige Ergebnis gefunden, den Sachverhalt zutreffend auswertet und auch die einschlägigen Normen genannt habe.
Diesbezüglich wurde von den Korrektoren dahingehend Stellung genommen, dass die Berechnung der Einspruchsfrist nicht richtig begründet worden sei. Im Ergebnis habe die Klägerin zwar Recht, dass die Frist am Montag, den 12. März, ablief. Aber es habe kleinere Fehler bei der Begründung des richtigen Ergebnisses gegeben, die bei der Erstbewertung nicht sehr schwer gewichtet worden seien.
In diesen Ausführungen der Korrektoren vermag die erkennende Kammer keine Rechtsfehler erkennen. Die Klägerin hat § 188 Abs. 1 ZPO angeführt, wohl aber § 188 Abs. 1 BGB gemeint, allerdings ist, da es sich hier um eine 2-Wochen-Frist handelt, § 188 Abs. 2 BGB einschlägig. Auch die Berechnung des Fristendes auf den 11. März um 24:00 Uhr ist falsch, denn gemäß § 188 Abs. 2 BGB endet die Frist an dem Tag, welcher durch seine Benennung dem Tag entspricht, in den das Ereignis fällt. Die Zustellung der Klage war vorliegend am Samstag, den 24. Februar, so dass die Frist eigentlich am Samstag, den 10. März, endete, und das Fristende nur aufgrund von § 222 Abs. 2 ZPO (§ 193 BGB) bis Montag, 12. März, verschoben wurde.
Die unrichtige Begründung der Fristberechnung durfte negativ berücksichtigt werden, da das zutreffende Ergebnis eher zufällig von der Klägerin gefunden wurde. Fristberechnungen gehören bei der Ersten Juristischen Staatsprüfung zum Grundwissen.
1.1.3 Prüfung der Zuständigkeit des Amtsgerichts:
Die Klägerin lässt vortragen, dass ihre Nennung des Landgerichts als zuständiges Gericht nur einen Flüchtigkeitsfehler darstellen könne, da der Sachverhalt (Reparaturkosten des Lkw 4.000,00 EUR) und auch der Gesetzestext in § 23 Nr. 1 GVG eindeutig seien. Sie habe die entsprechende Norm nachweislich gesehen. Dass sie „§ 38 den Abs. 3 ZPO“ überlesen habe, sei ein weiterer Flüchtigkeitsfehler. Diese Flüchtigkeitsfehler würden keinen Wissensmangel beweisen und dürften nicht weiter schwer wiegen.
Das Gericht vermag an den Bewertungen der Korrektoren, dass die Prüfung der Zulässigkeit der Klage auf Seite 9 bis 13 deutlich mangelhaft sei, keinen Beurteilungsfehler erkennen. Die Klägerin hat die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts bejaht, obwohl der Streitwert nur 4.000,00 EUR beträgt. Dies kann kein reiner „Flüchtigkeitsfehler“ sein, da die Verfasserin auf den Seiten 10 und 11 insgesamt vier Mal das Wort „Landgericht“ schreibt und so grundsätzlich der Korrektor auch davon ausgehen muss, dass die Verfasserin das meint, was geschrieben ist. Insbesondere spricht dafür nicht die Nennung der §§ 23 und 71 Abs. 1 GVG, denn aus dem Zusammenspiel dieser Normen ergibt sich sowohl die Zuständigkeit des Landgerichts als auch die des Amtsgerichts. § 38 ZPO wird zwar geprüft, aber mit der unzutreffenden Begründung abgelehnt, dass die Voraussetzungen des § 38 Abs. 3 nicht vorliegen. Dies ist nicht vertretbar und auch ein deutlicher Fehler, da sich schon aus dem Wortlaut ergibt, dass diese Norm nur „im Übrigen“ anwendbar ist. Zudem hat die Klägerin eben nicht § 38 Abs. 1 ZPO richtig subsumiert, denn sie hat nicht begründet, warum die Parteien Kaufleute sind. Im weiteren Verlauf hat die Klägerin die Gerichtsstandvereinbarung für unwirksam gehalten, da sie nicht nach, sondern schon vor Entstehung der Streitigkeit abgeschlossen worden sei. Dafür hat sie auf § 38 Abs. 3 ZPO verwiesen. Das ist inhaltlich eindeutig falsch und kann auch zur Abwertung der Bearbeitung führen, da die Klägerin das Recht hier nicht mit Verständnis erfasst und angewendet (§ 16 JAPO) hat. Außerdem gehört es zum Grundwissen im Zivilprozessrecht, dass Gerichtsstandvereinbarungen typischerweise immer im Vorhinein getroffen werden, nämlich beim Abschluss eines Vertrages oder in den dazugehörigen allgemeinen Vertragsbedingungen.
1.1.4 Prüfung der Prozessfähigkeit:
Die Klägerin führt an, dass ihr zu Unrecht von den Korrektoren unterstellt worden sei, dass sie den Unterschied von Geschäftsführung im Innenverhältnis und im Außenverhältnis nicht gekannt habe. Dabei habe sie lediglich auf die falsche Norm abgestellt und es müsse positiv berücksichtigt werden, dass sie die Problematik der Prozessführung als solche gesehen und einer Lösung zugeführt habe. In der Bearbeitung sei eine grobe Verkennung von Geschäftsführung und Vertretung nicht erkennbar. Allein aus einem falschen Normenzitat könne dies nicht geschlossen werden.
Auch diesbezüglich kann das Gericht keinen Bewertungsfehler feststellen. Die Korrektoren nahmen zu Recht einen schweren Fehler darin an, dass die Klägerin bei der Prozessfähigkeit die Alleinvertretung auf § 115 Abs. 2 HGB gestützt hat. Es hätte aber auf § 126 Abs. 2 HGB abgestellt werden müssen, denn § 115 HGB betrifft nur die Geschäftsführung. Der Unterschied zwischen Geschäftsführung im Innenverhältnis und Vertretung im Außenverhältnis gehört zu den Grundlagen des Handelsrechts und die Klägerin zeigt hierbei ein grundlegendes Missverständnis von wesentlichen Strukturen des Gesellschaftsrechts. Das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander betrifft nur diese und unterliegt deswegen ganz anderen Wertungskriterien als das Rechtsverhältnis der Gesellschafter nach außen, wo der Verkehrsschutz hinzukommt. Zudem hat die Verfasserin geprüft, ob Gefahr im Verzug vorlag, was nur im Innenverhältnis von Bedeutung sein kann, nicht aber im Außenverhältnis, wo aus Gründen des Verkehrsschutzes immer Einzelvertretungsbefugnis besteht. So kann nicht nur von einem falschen Normenzitat ausgegangen werden.
1.1.5 Falsche Schwerpunktsetzung im Rahmen der Prüfung des Kaufvertrags:
Die Klägerin führt an, dass sie bei der Prüfung des Vertragsschlusses den Schwerpunkt nicht falsch gesetzt habe, da die Frage, wer ein Angebot abgegeben habe, durchaus diskussionswürdig gewesen sei. Es sei notwendig gewesen, die einzelnen Prüfungspunkte zu untersuchen, den Sachverhalt zu subsummieren und juristisch systematisch das Vorliegen eines wirksamen Kaufvertrages zu prüfen. Ihre Ausführungen seien hier inhaltlich falsch bewertet worden, da bei der Erstprüfung von deutlichen Fehlern bei der Prüfung des Vertragsschlusses geschrieben worden sei. Zudem habe der Prüfer nicht berücksichtigt, dass die Klägerin ein sehr großes Schriftbild habe.
Diese Kritik der Korrektoren ist rechtsfehlerfrei erfolgt. Es ist nachvollziehbar, dass die Schwerpunktsetzung als misslungen bewertet wurde, da die Klägerin auf den Seiten 14 bis 18 sehr ausführlich den ursprünglichen Vertragsschluss zwischen A und H geprüft hat, obwohl dies dem Sachverhalt „H stimmte dem Geschäft zu…“ unproblematisch entnommen werden konnte. Bis auf die Problematik der Vertretung der OHG, die misslang, sind hier keine diskussionswürdigen Probleme vorhanden. Im Vergleich dazu umfasst die Prüfung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur eine halbe Seite (S. 26 unten), obwohl dort inhaltlich einer der Schwerpunkte des Falles lag und in der Klausuraufgabe sogar der Wortlaut der Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgedruckt war. Diese Prüfung fiel damit zu gering aus. Bei der Bewertung sind die Prüfer davon ausgegangen, dass die Ausführungen der Klägerin nicht inhaltlich falsch seien. Jedoch kann eine so eklatant unpassende Schwerpunktsetzung negativ berücksichtigt werden, da dies ein mangelndes Verständnis für die Anwendung des Rechts zeigt. Ein Bewertungsfehler kann in diesem Zusammenhang nicht erkannt werden.
1.1.6 Vertragsschluss erst durch Annahme des Bestätigungsschreibens:
Die Klägerin sieht einen Bewertungsfehler darin, dass ihre Prüfung des Kaufvertragsabschlusses negativ beurteilt wurde. Sie habe auf Seite 16 der Ausarbeitung zutreffend auf das telefonische Angebot des A abgestellt und aufgrund der mangelnden Vertretungsmacht die Annahme problematisiert. Die Lösung habe sie im kaufmännischen Bestätigungsschreiben gesehen, womit sie zugleich unter Beweis gestellt habe, dass sie sich mit den Regelungen des Handelsgesetzbuchs „gut“ auskenne. Die Prüfung des kaufmännischen Bestätigungsschreibens hätte etwas differenzierter ausfallen können, doch auch so sei die Prüfung zumindest in sich schlüssig und systematisch, was positiv zu bewerten sei. Dass hinsichtlich der OHG auf § 13 GmbH-Gesetz abgestellt werde, hätte in der Tat ausführlich begründet werden müssen. Dies sei jedoch im Kontext der Lösung nahezu unerheblich, weshalb dies nur begrenzt in die Bewertung einfließen dürfe.
Die Bewertungen der Korrektoren beinhalten keine Beurteilungsfehler. Der Vertragsschluss am Telefon ist nach dem Klausursachverhalt unproblematisch erfolgt. Es liegt keine überzeugende Subsumtion vor, wenn die Klägerin dagegen in der Ausarbeitung darstellt, dass in dem Telefax eine Annahme unter Änderungen gemäß § 150 Abs. 2 BGB (S. 18 oben) liegt. Wenn die Annahme des Vertrages erst durch das Bestätigungsschreiben der OHG gesehen wird, hat die Klägerin folgerichtig zu Recht geprüft, ob A dieses neue Angebot angenommen hat. Dies hat die Klägerin bejaht, da das Schreiben ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben darstellt. Die Prüfung des kaufmännischen Bestätigungsschreibens durch die Klägerin ist von den Korrektoren positiv in der Bewertung berücksichtigt worden. Dabei ist die Klausurprüfung allerdings nicht fehlerfrei erfolgt, so dass die Bewertung nicht in besonderem Maße positiv ausfallen konnte. Die Klägerin hat damit gerade nicht unter Beweis gestellt, dass sie sich mit den Regelungen des Handelsrechts „gut“ auskennt, denn sie hat einen großen Fehler gemacht, indem sie bei der Bestimmung der Kaufmannseigenschaft für die OHG auf § 13 GmbH-Gesetz abgestellt hat.
1.1.7 Sachmangel/Beschaffenheitsvereinbarung, § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB:
Die Klägerin macht geltend, dass die Kritik des Erstprüfers an ihrer Bejahung einer Beschaffenheitsvereinbarung nicht haltbar sei. Er selbst habe dies als vertretbar angesehen. Es sei positiv zu bewerten, dass sie ab Seite 20 die Mangelhaftigkeit der Sache untersucht habe. Sie habe sich auf die mündliche Absprache berufen können, um eine Beschaffenheitsvereinbarung zu bejahen. Der Begriff „Technische Daten“ sei in sich nicht abgeschlossen, so dass sich darunter auch Angaben zum Motor subsumieren ließen. Zu diesem Ergebnis habe sie im Rahmen ihrer vertretbaren Auslegung nach §§ 133, 157 BGB gelangen können.
Auch hier kann kein Bewertungsfehler festgestellt werden. Die Prüfung des Nachbesserungsanspruches auf den Seiten 14 bis 26 leidet an deutlichen Fehlern. Der Erstgutachter merkte an: „Beim Sachmangel wird eine Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB angenommen, was nur mit guter Begründung vertretbar ist, da die Parteien zwar über die technischen Daten des Lkw gesprochen haben, nicht aber über die Beschaffenheit des Motors. Die Begründung des Bearbeiters ist insofern nicht besonders treffend.“ Des Weiteren machte er im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens deutlich, dass er bei der Bewertung positiv berücksichtigt habe, dass die Klägerin die Mangelhaftigkeit der Sache (des Lastwagens) prüfte. Es sei aber ein so offensichtlicher Punkt, dass das bloße Auffinden der §§ 434 ff. BGB nicht in so hohem Maße positiv zu bewerten sei, dass dies die Klausur insgesamt in den Bereich des „Ausreichend“ heben könnte. Dass eine Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliege, sei auch nach nochmaliger Überprüfung nicht vertretbar. Denn die Parteien hätten zwar über alle technischen Daten des Lastwagens gesprochen, doch dies würde zunächst wohl hauptsächlich Daten wie die Leistungsfähigkeit des Motors, die Ladekapazität, den Kilometerstand usw. umfassen. Auch bei großzügiger Auslegung des Sachverhalts sei es fernliegend, dass die Parteien konkret darüber gesprochen hätten, dass der Motor des Lastwagens „keinen Defekt“ habe, oder dass konkludent eine entsprechende Beschaffenheit des Motors vereinbart worden sei. Wenn die Verfasserin dies so begründet hätte, wäre die Bewertung allerdings positiver ausgefallen. Dabei hätte allerdings auch die Struktur des § 434 BGB mitberücksichtigt werden müssen, der in Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 das Kriterium der üblichen Beschaffenheit enthält. Unter § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB fallen daher vor allem ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarungen, während alle konkludenten Vereinbarungen unter § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zu subsummieren seien. In welchem Umfang diese tatsächlich vorhandenen Mängel der Klausurlösung in die Bewertung der Klausur einfließen, ist eine Frage des Beurteilungsspielraums und kann gerichtlich nicht überprüft werden.
1.1.8 AGB Recht:
Die Klägerin macht geltend, dass die Korrektoren zu Unrecht angemerkt hätten, dass bei der Prüfung des § 377 HGB deutliche Fehler im Bereich des AGB-Rechts vorhanden seien und eine Prüfung des § 307 HGB ganz fehle. Zudem seien diese Kritikpunkte zu umfangreich in die Bewertung eingeflossen. Sie habe richtig auf § 377 HGB abgestellt, die Normwerte ausreichend genau untersucht und die Problemstellung um die „Unverzüglichkeit“ der Rüge dargestellt. Sie habe festgestellt, dass § 377 HGB dispositives Recht sein könne, und zwar aufgrund der gesonderten Abmachung. Dies sei eine stimmige Argumentation, die gut vertretbar sei. Gut sei auch, dass die mögliche Einführung der AGB in den Vertrag auf Seite 26 behandelt werde, auch wenn diese Prüfung etwas zu kurz ausfalle.
Nach den nicht zu beanstandenden Ausführungen der Korrektoren wird § 377 HGB nicht ausreichend untersucht. Schon der Einstieg auf Seite 23 ist ungenau, wenn hier auf einen Haftungsausschluss aus § 377 HGB abgestellt wird, wobei es präziser gewesen wäre, § 377 Abs. 3 Halbsatz 2 HGB zu zitieren. Die erste Voraussetzung (S. 24 oben) wird sodann ungenau geprüft: Es muss sich nämlich nicht nur um ein Handelsgeschäft handeln, wie die Klägerin meint, sondern um ein beiderseitiges Handelsgeschäft (vgl. § 377 Abs. 1 HGB). Hier wird auch der Gutachtensstil nicht eingehalten, denn es fehlen Definition und Subsumtion. Die Klägerin schreibt lediglich den Untersatz „Dies ist hier der Fall.“. Auch die Prüfung der Kaufmannseigenschaft erfolgt hier wiederum fehlerhaft über § 13 GmbHG. Bei der Definition der Unverzüglichkeit wird § 121 BGB nicht zitiert. Von einer genauen Prüfung des § 377 HGB kann daher nicht gesprochen werden. Der Klägerin unterliefen deutliche Fehler im Bereich des AGB-Rechts. Schon die Prüfung des § 305 BGB auf Seite 26 ist fehlerhaft. Hier hätte zunächst präziser auf Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift und die darin enthaltene Definition der AGB abgestellt werden müssen. Fehlerhaft ist, dass die Prüfung der Einbeziehung der AGB fehlt. Bevor auf die inhaltliche Wirksamkeit eingegangen werden kann, ist logisch vorrangig, dass die AGB Bestandteil des Vertrages geworden sind. Zwar gelten hier im kaufmännischen Verkehr nicht die strengen Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB, sondern die allgemeinen Regeln der §§ 145 ff. BGB, doch hätte dies zumindest kurz erwähnt werden müssen. Ein grober Fehler geschah bei der Prüfung des § 308 BGB und durch die Unterlassung der Prüfung des § 307 BGB (§§ 308 und 309 BGB sind nach § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB im unternehmerischen Verkehr offensichtlich nicht anwendbar). Bei § 307 BGB hätte inhaltlich ein Schwerpunkt der Klausur gelegen, da in den vorliegenden AGB Abweichungen von den Fristen des § 377 HGB enthalten sind, bei denen fraglich und umstritten ist, ob sie eine „unangemessene Benachteiligung“ der anderen Vertragspartei darstellen oder nicht. Selbst wenn einem Bearbeiter die rechtliche Diskussion um diese Frage nicht bekannt ist, war hier schon aufgrund der Tatsache, dass in der Klausuraufgabe der Wortlaut der AGB abgedruckt wird, eindeutig erkennbar, dass eine gründliche Auseinandersetzung damit erwartet wird. Nach der Stellungnahme der Prüfer sei in der Bewertung positiv berücksichtigt worden, dass die AGB überhaupt geprüft wurden. Dies sei allerdings aufgrund der Sachverhaltsangaben in der Klausur auch leicht erkennbar gewesen. Die Prüfung der AGB als solche sei nicht ausreichend, um die Klausur deutlich positiver und insgesamt mit „ausreichend“ zu bewerten. Dafür hätte die Prüfung inhaltlich besser ausfallen müssen. Darin ist kein Bewertungsfehler erkennbar.
1.1.9 Aufrechnung:
Die Klägerin macht geltend, dass zu wenig berücksichtigt worden sei, dass sie die Thematik der Aufrechnung gesehen, bearbeitet und einem vertretbaren Ergebnis zugeführt habe. Dies sei zwingend positiv zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob auch ein anderer Lösungsweg möglich gewesen wäre. Zudem wird in der Klagebegründung vorgetragen, dass es bei der Bearbeitung einer Klausur im Gutachtensstil nicht üblich sei, auf alle Voraussetzungen einer Norm einzugehen. Wenn die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit einer Norm nicht gegeben seien, wozu hier schon ein fehlendes Tatbestandsmerkmal ausreiche, seien weitere Ausführungen hierzu verfehlt. Diese wären schließlich nur noch abstrakter Natur.
Der Erstprüfer führte diesbezüglich aus, dass in der Bewertung positiv berücksichtigt worden sei, dass die Klägerin die Verjährung der Gegenforderung gesehen und die Aufrechnung deswegen abgelehnt habe. Bei der fehlenden Prüfung der Gleichartigkeit der Forderung handele es sich nicht nur um einen „anderen Lösungsweg“. Vielmehr sei die Gleichartigkeit der Forderung genauso eine Voraussetzung der Aufrechnung wie die Unverjährtheit. Bei der Bearbeitung einer Klausuraufgabe im Gutachtenstil sei es durchaus üblich, auf alle Voraussetzungen einer Norm einzugehen. Wenn die Aufrechnung aus zwei Gründen scheitert, wäre es daher besser gewesen, auch beide Gründe zu prüfen. Die fehlende Gleichartigkeit sei vorliegend auch leicht erkennbar gewesen, da ein Anspruch auf Reparatur, den die Klägerin bejaht, offensichtlich nicht mit einem Anspruch auf Geldzahlung gleichartig sei. Die fehlende Prüfung der Gleichartigkeit sei aber nur als kleine Unvollständigkeit und nicht als Fehler gewertet worden. Die Gegenrechte des A aus dem Verkauf des Anhängers hätten auch über §§ 273, 274 BGB (Zurückbehaltungsrecht) geprüft werden müssen. Diese Auslassung stelle nicht nur einen anderen Lösungsweg, sondern einen zusätzlichen Prüfungspunkt dar, der im Gutachten hätte berücksichtigt werden müssen. Wenn eine Aufrechnung nicht möglich sei, könne immer noch geprüft werden, ob als Minus nicht ein Zurückbehaltungsrecht bestehe. Dies sei aber nur als eine kleine Lücke gewertet worden, nicht als Fehler. Diese Einschätzung ist bewertungsfehlerfrei.
1.1.10 Der Erfüllungsort des Nacherfüllungsanspruches:
Die Klägerin lässt vortragen, dass es im Rahmen der Prüfung des Erfüllungsorts des Nacherfüllungsanspruches zumindest positiv hätte berücksichtigt werden müsse, dass die Klägerin auf die Hohl-/Bring- und Schickschuld verwiesen habe. Diese Darstellung stehe zumindest im thematischen Zusammenhang mit dem Erfüllungsort und müsse insofern bei der Bewertung Berücksichtigung finden.
Dagegen wird von den Korrektoren zu Recht eingewandt, dass die Klägerin den Erfüllungsort des Nacherfüllungsanspruches nicht diskutiert habe und dies ein weiterer Schwerpunkt der Klausur gewesen sei. Die Erwähnung der Kategorie „Hohlschuld“ auf Seite 29 der Bearbeitung sei sehr wohl berücksichtigt worden. Dies könne die Bewertung der Leistung aber nicht ändern, da eine Diskussion des Erfüllungsortes der Nacherfüllung in der Bearbeitung fehle und dies einen deutlichen Fehler in der Bearbeitung darstellen würde. Die Erwähnung der Hohlschuld sei zwar ein guter Ansatz, bleibe aber ohne die Zitierung des § 269 Abs. 1 BGB, woraus sich ergebe, dass gesetzlicher Regelfall eine Hohlschuld sei, etwas unsubstantiiert. Im Übrigen würde bei der Frage des Erfüllungsorts der Nacherfüllung viele verschiedene Meinungen in Rechtsprechung und Lehre diskutiert, von denen zumindest einige kurz hätten diskutiert werden müssen. Dabei wäre auch auf die Bedeutung des insoweit wichtigen § 439 Abs. 2 BGB einzugehen gewesen. Es handele sich hierbei um ein Standardproblem, das in allen üblichen Lehrbüchern für Kaufrecht enthalten sei, und auf das im Klausursachverhalt deutlich hingewiesen worden sei. An dieser Einschätzung sind keine Bewertungsfehler erkennbar.
1.1.11 Methodische Fehler, Obersätze fehlen:
Die Klägerin macht geltend, dass zu Unrecht moniert worden sei, dass die Klausur nicht vollständig methodisch überzeuge. Die Prüfer merken an, dass häufig Obersätze fehlten oder durch bloße Überschriften ersetzt worden seien. Dabei seien nach Ansicht der Klägerin in der Bearbeitung zahlreiche Beispiele für eine gelungene Darstellung des Prüfungsaufbaus vorhanden (z.B. auf S. 14, 20 und 22). Die überproportional negative Bewertung durch die Korrektoren müsse angepasst werden.
Die Feststellung der Korrektoren, dass in der Arbeit der Klägerin der Gutachtensstil mehrfach nicht eingehalten werde, ist nachvollziehbar. Abweichend vom Erstvotum des Erstkorrektors müsse die Kritik nicht „häufig“, sondern „mehrfach“ heißen. Dies hat der Erstkorrektor im Nachprüfungsverfahren auch zutreffend klargestellt. Zudem hat er allerdings auch deutlich gemacht, dass die richtigen Teile der Bearbeitung die Fehler nicht kompensieren könnten. Der Gutachtensstil sei in Klausurbearbeitungen nämlich durchgängig einzuhalten. So bleibe es dabei, dass die Klausur methodisch nicht vollständig überzeugen könne. Schon bei der Erstkorrektur sei keine deutliche Abwertung damit verbunden gewesen, da die Fehler im Gutachtensstil nur in Teilen der Bearbeitung auftreten. Eine andere Bewertung könne sich deswegen bei der Nachprüfung nicht ergeben. Diese Bewertung ist nicht zu beanstanden.
1.2. Auch die Bewertung der Prüfungsleistung der Klägerin bei der Klausur Nr. 6, einer Aufgabe aus dem öffentlichen Recht, ist rechtsfehlerfrei erfolgt.
1.2.1 Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges:
Die Klägerin lässt vortragen, dass ihre Prüfung der Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges zu Unrecht von den Korrektoren kritisiert worden sei. Sie habe knapp die Voraussetzungen der modifizierten Subjekttheorie und der Subordinationstheorie dargestellt und sei zu dem Schluss gekommen, dass die einschlägige Norm einen Hoheitsträger berechtige und verpflichte, so dass eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliege. So habe sie auf Seite 2 der Bearbeitung deutlich auf die Subordinationstheorie Bezug genommen und konstatiert: „Diese Norm berechtigt und verpflichtet einen Hoheitsträger, die Hochschule, gegen den Bürger vorzugehen.“ Somit habe sie das Bestehen des Subordinationsverhältnisses herausgearbeitet.
Der Erstprüfer blieb im Nachprüfungsverfahren bei seiner Kritik und erörterte, warum die Prüfung der Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges zwar vorhanden aber mängelbehaftet sei, da wesentliche Tatbestandsmerkmale, nämlich die Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliege, nicht geglückt sei, denn die herangezogenen Abgrenzungstheorien seien nicht trennhaft unterschieden worden. Die Subordinationstheorie stelle nicht auf die Qualität von Normen, sondern auf das Verhältnis der an einem Rechtsverhältnis Beteiligten ab. Hingegen stelle die modifizierte Subjekttheorie auf die Zuordnungssubjekte der jeweiligen Rechtsnormen ab. Die Klägerin habe in der Prüfungsaufgabe für beide Theorien pauschal auf die streitentscheidende Norm abgestellt und überdies eine Definition verwendet, die nach dem Schrifttum nur für die modifizierte Subjekttheorie herangezogen werde. Die Prüfung sei daher nicht genau genug und dieser Mangel an Präzision könne negativ in die Prüfungsbewertung einfließen.
Diese Bewertung ist rechtsfehlerfrei. Die Klägerin führte auf Seite 1 und 2 ihrer Ausarbeitung aus, dass eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliege, wenn die streitentscheidenden Normen öffentlich-rechtlicher Natur seien, sie müssten sowohl nach der modifizierten Subjekttheorie als auch nach der Subordinationstheorie einen Hoheitsträger berechtigen und verpflichten. Dies ist unzutreffend und kann – im gegebenen geringen Umfang – negativ in die Bewertung einfließen.
1.2.2 Statthafter Antrag, § 123 Abs. 5 VwGO, fehlt:
Die Klägerin macht geltend, dass die Prüfer zu Unrecht kritisiert hätten, dass die Arbeit bei der Untersuchung der statthaften Antragsart nicht auf § 123 Abs. 5 VwGO eingegangen und die Prüfung im Übrigen recht oberflächlich ausgefallen sei. Dabei habe sie § 80 VwGO ausdrücklich benannt (Seite 4). Sie habe erkannt, dass entscheidend sei, ob hinsichtlich eines Verwaltungsaktes die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden solle. Dieses Muster habe die Klägerin verfolgt, so dass die Systematik von ihr erfasst und dargestellt worden sei. Deshalb könne dieses Versäumnis nicht sehr schwer wiegen. Auch habe sie erkannt, dass von einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ausgegangen werde.
Das Gericht stimmt diesbezüglich mit der Beurteilung der Prüfer überein. Die Norm des § 123 Abs. 5 VwGO ist für den Vorrang des Verfahrens nach § 80 bzw. § 80a VwGO im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes wichtig. Das Fehlen der Prüfung und Erwähnung dieser Norm darf daher mit entsprechendem Gewicht in die Bewertung einfließen. Die Prüfung ist zudem nicht sonderlich vertieft ausgefallen, wobei aber positiv berücksichtigt wurde, dass das Ergebnis der Prüfung zutreffend ausfiel. In welchem Umfang diese Mängel in die Bewertung einfließen, muss dem Beurteilungsspielraum der Prüfer vorbehalten bleiben und kann gerichtlich nicht überprüft werden.
1.2.3 Antragsbefugnis:
Die Klägerin führt an, dass die Bearbeitung der Antragsbefugnis zu Unrecht kritisiert worden sei. Zwar sei sie etwas knapp ausgefallen, habe jedoch die wesentlichen Prüfungspunkte beinhaltet, so dass sie noch gut verwertbar sei. Der Anordnungsgrund sei zutreffend erkannt und erörtert, während der Anordnungsanspruch vertretbar auf das Gesetz gestützt werde.
Der Erstkorrektor nimmt im Nachprüfungsverfahren dazu Stellung, dass es positiv berücksichtigt worden sei, dass der Prüfungspunkt „Antragsbefugnis“ überhaupt angesprochen wurde. Ebenso, dass der gewählte Ansatz, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen müsse, vertretbar sei. Allerdings enthalte die Prüfung des Merkmals Anordnungsanspruch Ungenauigkeiten bzw. Unklarheiten, denn die Klägerin habe nicht deutlich gemacht, dass es hier allein auf die Möglichkeit der Geltendmachung ankomme. Dies dürfe in die Bewertung eingestellt werden.
Das Gericht kann darin keinen Bewertungsfehler erkennen. Auch die Anmerkung des Korrektors auf Seite 6 „Inwiefern“ ist inhaltlich nicht falsch. Hier hatte die Klägerin versäumt auszuführen, warum aus einer Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 18 AEUV ein Anspruch auf Zulassung zum Studium folgen könne. Daher konnte von der Klägerin zu diesem Punkt weitere Ausführungen erwartet werden, was mit er Bemerkung „inwiefern“ zum Ausdruck kam.
1.2.4 Rechtsschutzbedürfnis:
Die Klägerin trägt vor, dass nicht negativ hätte berücksichtigt werden dürfen, dass eine Erörterung der möglichen Verfristung im Rahmen der Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses fehlt, weil diese nicht zwingend notwendig gewesen sei. Nach den Angaben im Sachverhalt habe eine Verfristung eindeutig und offensichtlich nicht vorgelegen. Die Prüfung müsse damit als vollständig gewertet werden.
Die Argumentation der Prüfer, dass gerade aufgrund der expliziten Nennung der Datumsangaben im Sachverhalt es nicht überflüssig gewesen sei, auf die Frage der Verfristung der Verpflichtungsklage einzugehen, ist nicht fehlerbehaftet. Auch schied eine Verfristung nicht offensichtlich aus. Das Fehlen dieses nach den Hinweisen im Aufgabentext nicht unerheblichen Prüfungspunktes konnte daher negativ in die Notengebung einfließen. Die Wertungen von Prüfern, dass die konkrete Aufgabenstellung die Behandlung bestimmter fachlicher Fragen verlangt, sind rein prüfungsspezifischer Natur und können von den Gerichten nur hinsichtlich der Einhaltung des Bewertungsspielraum überprüft werden. Hinweise auf ein Überschreiten des Bewertungsspielraums sind hier nicht ersichtlich.
1.2.5 Unzutreffenden Obersatz der Prüfung der Begründetheit:
Die Klägerin hält die Kritik der Prüfer, dass ihr Obersatz bei der Prüfung der Begründetheit unzutreffend sei, für verfehlt. Dieser Obersatz gebe inhaltlich prinzipiell nur wieder, dass der Antrag erfolgreich sei, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen gegeben seien und er begründet sei. Dies müsse auch positiv bewertet werden.
Die Bewertung, dass es bei der Prüfung der Erfolgsaussichten eines Antrags nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht vertretbar ist, auf § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO abzustellen, ist zutreffend. Der gewählte Obersatz zielt auf die Situation einer Anfechtungsklage ab und nicht auf die Situation einer Verpflichtungsklage. Es ist erforderlich, die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zu prüfen. Daneben hat die Klägerin mit der Formulierung „…wenn A im Rahmen einer summarischen Prüfung einen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft geltend macht.“ die Prüfung der Begründetheit des Antrages auf die summarische Prüfung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes gestützt, was zu ungenau ist. Diese Mängel durften im genannten geringen Umfang in die Bewertung einfließen.
1.2.6 Prüfung des Anordnungsanspruchs:
Die Klägerin hält die Anmerkung des Erstgutachters für falsch, dass bei der Prüfung des Anordnungsanspruchs in unzutreffender Weise auf die formelle und materielle Rechtswidrigkeit des Bescheids abgestellt worden sei und dies unzutreffend sei, da es auf jeden Fall auf einen Anspruch des A auf Zulassung zum Studium ankomme. Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie im Ergebnis doch das richtige geprüft habe, nämlich die Frage, ob der Ablehnungsbescheid formell und materiell rechtmäßig gewesen sei. Dieser Prüfungsansatz sei vertretbar und müsse insoweit auch zwingend positiv bewertet werden.
Die Prüfer stellen im Nachprüfungsverfahren klar, dass die Klägerin in der Prüfungseinleitung die Prüfung des Anspruchs des A nicht zwingend angelegt habe. Es fehle schon an der Nennung der einschlägigen Anspruchsgrundlage für das Begehren des A. Es werde auch nicht auf die weiteren Voraussetzungen eines Zulassungsanspruchs nach dem Bayerischen Hochschulzulassungsgesetzes eingegangen. So treffe es nicht zu, dass nach der Lösung der Antragstellerin das Richtige geprüft wurde. Denn die Untersuchung der Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides sage nichts über einen Anspruch des A aus, weil der Anspruch auch aus Gründen scheitern könne, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer etwaigen Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheides stünden. Zwar werde in der Literatur die Prüfung anhand der Rechtswidrigkeit des Bescheids akzeptiert, aber dennoch müsse immer ein Anspruch geprüft werden. Daneben sei zu konstatieren, dass, selbst wenn man den Prüfungsaufbau der Klägerin folgt, die Abfolge der Prüfung in (1.) Rechtmäßigkeit des Bescheides und (2.) Verstoß gegen höherrangiges Recht aufbautechnisch falsch sei, da die Frage eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht schon unter (1.) Rechtmäßigkeit des Bescheides hätte angesprochen werden müssen. Zudem leide die Untersuchung, wie im Votum aufgezeigt, an so gravierenden Defiziten und Oberflächlichkeiten, dass diese Prüfung nicht mehr durchschnittlichen Anforderungen als genügend angesehen werden könne.
Hier ist kein Bewertungsfehler ersichtlich. Beide Prüfer haben im Nachprüfungsverfahren anerkannt, dass der Aufbau der Begründetheitsprüfung anhand der Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheids vertretbar ist, wobei aber neben anderen Defiziten vor allem die fehlende Prüfung eines Zulassungsanspruchs so schwer wiegt, dass keine höhere Benotung gerechtfertigt wäre.
1.2.7 Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Art. 5 Abs. 4a BayHZG:
Die Klägerin moniert, dass die Prüfer bei der Untersuchung der Rechtmäßigkeit des Bescheides zu Unrecht kritisiert hätten, dass auf die eigentliche und zentrale Frage, ob Art. 5 Abs. 4a BayHZG verfassungsgemäß bzw. unionsrechtskonform sei, nicht mit der nötigen Tiefe eingegangen worden sei. Dabei habe die Klägerin die Prüfung konsequent nach dem Gutachtensstil aufgebaut und untersucht, ob A tatsächlich die Anforderungen erfülle und ob die Hochschule solche Durchschnittsnoten überhaupt festsetzen dürfe. Sie sei im angemessen knappen Umfang auf die Gründe der Hochschule eingegangen, die Zulassungswerte zu erlassen, und auch auf das Ermessen und die Verhältnismäßigkeit. Im direkten Anschluss an die kurzen und guten Ausführungen habe sie auf Seite 19 der Bearbeitung das wichtige Thema, den Verstoß gegen höherrangiges Recht, bearbeitet. Diese Prüfung sei nicht oberflächlich ausgefallen, sondern sei ebenso sauber aufgebaut wie die Prüfung davor. Dabei werde ein Verstoß gegen Art. 18 AEUV aufgrund der Ungleichbehandlung des A als Österreicher im Vergleich zu Deutschen gesehen und bejaht. Eine tiefergehende und ausführlichere Erläuterung der Möglichkeiten zur Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung wäre zwar möglich gewesen, sei aber in Anbetracht des Umstandes, dass in der nachfolgenden Prüfung noch auf die Fragen der Ungleichbehandlung eingegangen werde, nicht schwer anzulasten.
Die Prüfer machten deutlich, dass es zugunsten der Klägerin schon berücksichtigt worden sei, dass sie auf Art. 5 Abs. 4a BayHZG als maßgeblichen Ablehnungsgrund für den Zulassungsanspruch des A eingegangen sei. Das Votum des Erstkorrektors beziehe sich nicht auf die Aspekte der Bearbeitung auf Seiten 12 bis 16 und werte diese Bearbeitung auch nicht negativ. Diese Fragen hätten aufbautechnisch allerdings schon auf Seite 11 der Bearbeitung angesprochen werden müssen. Die Prüfung der Anwendbarkeit des Unionrechts auf Seite 16 sei ohne konkreten normativen Anknüpfungspunkt erfolgt. Die Ausführungen zur Anwendbarkeit des Unionsrechts und zur Verwerfungskompetenz der Verwaltung bzw. des Bundesverfassungsgerichts auf Seite 18 f. hätten lehrbuchartigen Charakter, ohne die gutachtliche Bearbeitung konkret fallbezogen voranzutreiben. Auf das Unionsrecht als Ganzes wird nicht eingegangen. Des Weiteren sei die Prüfungsabfolge zu beanstanden. Die Prüfung des Art. 18 AEUV (S. 19/20) falle mit einer Textseite sehr oberflächlich aus. Der Frage, und dies sei sehr zentral, ob eine Diskriminierung des A möglichweise gerechtfertigt sei, werde nicht nachgegangen. Dies könne auch nicht bei der Prüfung des Art. 12 GG nachgeholt worden sein, da die Rechtfertigung einer Diskriminierung nach Art. 18 AEUV nicht in jeder Hinsicht deckungsgleich mit einer Rechtfertigung von Gleichheitsverstößen nach nationalen Vorschriften sei. Des Weiteren werde Art. 12 und Art. 3 GG nicht vertieft geprüft. Die besondere dogmatische Struktur des Rechts auf Teilhabe werde nicht erkannt, was jedoch eine Kernfrage der Aufgabenstellung war. Stattdessen werde ein Eingriff nach Art. 12 Abs. 1 GG nach dem herkömmlichen Aufbaumodell geprüft, was hier in der Fallkonstellation nicht zielführend gewesen sei. Außerdem werde Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG überhaupt nicht angesprochen.
Diesbezüglich sind keine Beurteilungsfehler erkennbar. Die Argumentation der Prüfer ist nachvollziehbar und von ihrem Beurteilungsspielraum gedeckt.
1.2.8 Prüfung der Verhältnismäßigkeit:
Die Klägerin wendet ein, dass die Prüfer zu Unrecht ihre Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit des Art. 5 Abs. 4a BayHZG als zu oberflächlich erachtet hätten. Sie ist der Meinung, dass sie diese wichtige Thematik zumindest kurz dargestellt und besprochen habe und dies doch positiv zu bewerten sei. Sie habe damit gezeigt, dass sie die Schwerpunkte des Falles erkannt und einer Lösung zugeführt habe.
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Korrektoren die Prüfung der Verhältnismäßigkeit als viel zu knapp bewerteten. Die Aspekte der Geeignetheit und Erforderlichkeit werden in einem Satz abgehandelt, was gerade im Blick auf die Erforderlichkeit unangemessen kurz ist. Im Sachverhalt sind einige Stichpunkte (z.B. Ingenieurmangel, Schaden für die Wirtschaft) für die Prüfung eines sachlichen Differenzierungsgrundes im Rahmen der Rechtfertigung genannt, ohne dass die Klägerin diese aufgegriffen hätte. Daher ist auch hier kein Bewertungsfehler erkennbar. Im Übrigen gehört die Frage, im welchem Umfang Ausführungen zu den einzelnen Prüfungspunkten erwartet werden kann, zu dem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Bewertungsspielraum der Prüfer (vgl. oben).
1.2.9 Gewichtung der positiven Aspekte der Bearbeitung:
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die positiven Aspekte ihrer Arbeit nicht im erforderlichen Umfang bei der Bewertung berücksichtigt worden seien. Sie habe die Schwerpunkte der Arbeit zur Sprache gebracht und behandelt. Die Prüfer hätten erkannt, dass Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit des Art. 5 Abs. 4a BayHZG vorhanden gewesen seien. So könne die zum Teil berechtigte Kritik an ihrer Arbeit nicht derart schwerwiegend in die Bewertung einfließen, wie es vorliegend geschehen sei.
Die Korrektoren stellen dar, dass den zahlreichen Lücken und erheblichen Mängel keine (angeblich) so gewichtigen positiven Aspekte gegenüberstünden, dass diese ausgeglichen würden. Soweit positive Aspekte bei der Bearbeitung festgestellt wurden, wie z.B. der Gutachtensstil oder die strukturierte Herleitung, seien diese positiv in die Bewertung eingeflossen. Im Hinblick auf die Wahrung eines einheitlichen Bewertungsmaßstabes sei eine abweichende Bewertung nicht möglich.
Auch diese Bewertungsrüge kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Die Klägerin beabsichtigt eine nicht zulässige eigenständige Bewertung ihrer Arbeit durch das Gericht. Wie die Vorzüge und Defizite der Bearbeitung letztlich zu bewerten sind, ist ausschließlich Sache der Prüfer unter Zugrundelegung des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums. Wie oben dargelegt, verbleibt der Prüfungsbehörde bei prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum, dessen gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt ist, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob der Prüfer von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat. Die Gewichtung eines Fehlers bewegt sich innerhalb des Bewertungsspielraums der Korrektoren (BVerwG, B.v. 2.6.1998 – 6 B 78/79 – juris). Es sind keine Hinweise vorhanden, dass die Prüfer diesen Bewertungsspielraum überschritten hätten.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit dieser Kostenentscheidung auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.