Verwaltungsrecht

Kein Abschiebungsverbot für Kläger aus Elfenbeinküste

Aktenzeichen  W 2 K 19.31841

Datum:
13.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34662
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG § 3d, § 3e, § 4 Abs. 3
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Ivorische Staatsbürger können sich gefahrlos im gesamten Staatsgebiet der Elfenbeinküste niederlassen. Zumindest gesunde junge Männer haben dort grundsätzlich die Möglichkeit, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen (Rn. 22). (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG sind gesundheitliche Beeinträchtigungen nur soweit relevant, wie sie absehbar zu einer Verelendung des Betroffenen führen würden, ohne dass dieser von einem sozialen Netzwerk aufgefangen würde oder seine Schwierigkeiten durch die Aufbietung eigener Kräfte abwenden könnte (Rn. 25). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit eines Beteiligten verhandelt werden konnte, ist unbegründet.
Der Bundesamtsbescheid vom 23. September 2019 ist im verfahrensgegenständlichen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
1. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Feststellung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten.
Es liegen keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG in seiner Person vor. Die Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung in die Elfenbeinküste und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind ebenfalls rechtmäßig.
Auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffen Bundesamtsbescheid, die sich das erkennende Gericht gemäß § 77 Abs. 2 AsylG zu eigen macht, wird Bezug genommen. Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist danach unzulässig, wenn ihm im Zielstaat unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder wenn im Einzelfall andere in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2000 – 9 C 34/99 -, juris Rn. 11).
Durch die angeblichen Nachstellungen des reichen und mächtigen Mannes, dessen Kakaufelder abgebrannt seien, lassen sich – selbst bei Wahrunterstellung – keine realen Gefahren einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ableiten. Der Kläger ist in seinem Heimatland auf die ivorischen Sicherheitsbehörden zu verweisen, wo er wirksamen und nicht nur vorübergehenden Schutz vor der Bedrohung finden kann, vgl. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3d AsylG. Bezüglich der Schutzwilligkeit und der Schutzbereitschaft des ivorischen Staates wird auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid verwiesen. Die pauschale Behauptung des Klägers, dass er nicht zur Polizei gegangen sei, weil dies für ihn nicht erfolgversprechend gewesen sei, kann nicht nachvollzogen werden.
Darüber hinaus könnte sich der Kläger in einem anderen Landesteil oder in einem der vielen Ballungsräume in der Elfenbeinküste niederlassen. Dort müsste er nach Überzeugung des Gerichts sich nicht vor den Nachstellungen des reichen Mannes fürchten, weil er ihn nicht ausfindig machen könnte. Nach der aktuellen Auskunftslage können sich die Staatsbürger gefahrlos im gesamten Staatsgebiet der Elfenbeinküste niederlassen. Sie haben dort, zumindest als junger gesunder Mann, grundsätzlich die Möglichkeit, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Beim Kläger sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die dem widersprechen würden.
Aus der vom Kläger vorgetragenen „Krankheit“ in Form von Bauchschmerzen lässt sich – selbst bei Wahrunterstellung – auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und sozialen Situation in der Elfenbeinküste keine reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ableiten.
Zwar können unter bestimmten Umständen auch schlechte humanitäre Bedingungen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Ist die schlechte humanitäre Lage weder dem Staat noch den Konfliktparteien zuzurechnen, sondern bedingt durch die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, kommt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann in Betracht, wenn ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Klägers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Klägers im Herkunftsland hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 27.5.2008 – 26565/05, U.v. 28.6.2011 – 8319/07).
Solche Umstände liegen zur Überzeugung des Gerichtes beim Kläger jedoch nicht vor. Weder die in das Verfahren einbezogenen Akte des Bundeamtes, noch der schriftsätzliche Vortrag des Klägers, noch seine Einlassungen in der mündlichen Verhandlung oder sein dortiges Verhalten und Erscheinungsbild konnten Anknüpfungspunkte für den Verdacht einer konkreten Erkrankung liefern. Zudem konnte der insoweit beweisbelastete Kläger kein ärztliches Attest vorlegen, aus dem sich entsprechende Anhaltspunkte für eine seine Leistungs- und Arbeitsfähigkeit dauerhaft mindernde Erkrankung hätten entnehmen lassen. Eine weitere Aufklärung im Wege der Amtsermittlung war nicht geboten. Denn angesichts der rechtlich vorgesehenen und auch tatsächlich gewährleisteten medizinischen Versorgungslage im Ankerzentrum, dem der Kläger zugewiesen ist, ist zur Überzeugung des Gerichts sichergestellt, dass Erkrankungen – jedenfalls in einem für ein Abschiebungsverbot relevanten Schweregrad – dort erkannt und soweit diagnostiziert werden, dass sich daraus jedenfalls Anknüpfungspunkte für eine etwa bestehende Grunderkrankung ableiten lassen. Im Umkehrschluss kann aus dem Fehlen einer solchen Diagnose zur Überzeugung des Gerichts zuverlässig geschlossen werden, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen in einem für ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot relevantem Schweregrad nicht vorliegen. Denn auch im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG sind gesundheitliche Beeinträchtigungen nur soweit relevant, wie sie absehbar zu einer Verelendung des Betroffenen führen würden, ohne dass dieser von einem sozialen Netzwerk aufgefangen würde oder es durch die Aufbietung eigener Kräfte abwenden könnte. Es ist nicht davon auszugehen, dass dem Kläger aus seinen unspezifischen Gesundheitsbeschwerden tatsächlich Nachteile auf dem Arbeitsmarkt in der Elfenbeinküste erwachsen würden. Selbst ohne familiäre Unterstützung könnte der Kläger – soweit ihm aus seinen behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen Nachteile gegenüber vergleichbar gering qualifizierten Arbeitssuchenden in der Elfenbeinküste erwachsen würden – bei einer Rückkehr etwaige Gefahren im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG abwenden, indem er die monetären wie nicht-monetären Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt, wie sie von europäischer-, Bundes- und Länderseite in diversen Programmen angeboten werden, abwenden. Dabei ist es unerheblich, dass diese Hilfen teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedarf grundsätzlich des Schutzes in der Bundesrepublik Deutschland nicht, wer eine geltend gemachte Gefährdung im Zielstaat durch zumutbares eigenes Verhalten – wozu insbesondere die freiwillige Ausreise und Rückkehr in den Heimatstaat gehört – abwenden kann (BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38/96 – juris). Außergewöhnliche Umstände, die über die allgemeinen Lebensumstände in der Elfenbeinküste hinausgehen und nicht durch die Inanspruchnahme von Rückkehrbeihilfen abgefedert werden könnten, liegen in der Person des Klägers nicht vor.
2. Auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 7 des Bescheids) sind keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
Somit hatte die Klage insgesamt keinen Erfolg.
3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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