Verwaltungsrecht

Kein Abschiebungsverbot hinsichtlich Sierra Leone – junger arbeitsfähiger Mann

Aktenzeichen  RN 14 K 17.34234

Datum:
10.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34624
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 2c S. 2, S. 3, S. 4
AsylG § 3, § 4
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Insbesondere in den größeren Städten Sierra Leones ist es möglich, unbehelligt von nichtstaatlichen Akteuren zu leben. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein junger und arbeitsfähiger Mann kann sich in Sierra Leone zumindest durch Gelegenheitsjobs sein Existenzminimum sichern. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige, insbesondere fristgemäß erhobene (vgl. § 74 Abs. 1 Hs. 1 AsylG) Klage ist nicht begründet. Die Entscheidung des Bundesamts, das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu verneinen und den Kläger unter Androhung seiner Abschiebung nach Sierra Leone zur Ausreise aufzufordern, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Entsprechendes gilt für die vorgenommene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Die vom Bundesamt gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG sowie den §§ 75 Nr. 12, 11 Abs. 2 AufenthG getroffenen Entscheidungen sind im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, nicht zu beanstanden.
1. Im Hinblick auf die ursprünglich begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Zuerkennung subsidiären Schutzes hat der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Insoweit ist das Verfahren mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Klageerhebung mit der Folge beendet, dass der Rechtsstreit gemäß den §§ 173 Satz 1 VwGO, 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO als nicht anhängig geworden anzusehen ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 92 VwGO, Rn. 3). Die Ziffer 2 des angegriffenen Bescheids wurde dagegen von vorneherein nicht angefochten, weshalb die Ziffern 1 bis 3 des Bescheids der Beklagten vom 6.12.2017 bestandskräftig geworden sind (vgl. VGH BW, U.v. 26.10.2016 – A 9 S 908/13 – juris).
2. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen nicht.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In diesem Zusammenhang kommt vor allem eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Frage (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris), wonach niemand unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf.
Weder der Umstand, dass das Leben des Klägers – dessen Angaben als wahr unterstellt – von seinem älteren Bruder bedroht wird, noch der Umstand, dass die wirtschaftliche Situation in Sierra Leone problematisch ist, führen dazu, dass ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK festgestellt werden könnte.
aa) Der Kläger behauptet, dass sein „verrückter“ älterer Bruder ihn töten wolle, weil es Erbstreitigkeiten im Hinblick auf das Vermögen des verstorbenen Vaters gebe. Zwar hat das Gericht schon erhebliche Zweifel daran, dass sich die vom Kläger geschilderten Ereignisse überhaupt so zugetragen haben, wie von ihm geschildert. Diese Zweifel können jedoch dahinstehen; denn selbst wenn man es als wahr unterstellt, dass der Kläger mit einer Verfolgung durch seinen älteren Bruder zu rechnen hat, so kann er dieser Verfolgung ohne weiteres dadurch entgehen, dass er sich in einen anderen Landesteil Sierra Leone niederlässt. Insoweit ist er auf eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verweisen (vgl. zur Frage des Vorhandenseins einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Rahmen des Art. 3 EMRK: EGMR, U.v. 28.06.2011 – 8319/07, 11449/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2012, 681; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris = BVerwGE 146,12).
Nach den dem Gericht vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen kann der Kläger einer möglichen Verfolgung durch Familienmitglieder jedenfalls dann entgehen, wenn er sich nicht in seiner Herkunftsregion Bo niederlässt. Insbesondere in größeren Städten – etwa in Freetown, Waterloo, Makeni, Kenema oder Port Loko -, ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger dort von nichtstaatlichen Akteuren aufgespürt werden könnte. Insbesondere in den größeren Städten Sierra Leones ist es nach der Überzeugung des Gerichts möglich, unbehelligt von nichtstaatlichen Akteuren zu leben. In der Verfassung von Sierra Leone sind uneingeschränkte Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr verankert. Auch wenn es Berichte gibt, wonach Sicherheitskräfte bei Straßensperren außerhalb der Hauptstadt Bestechungsgelder von Fahrzeuglenkern verlangen, ist doch festzustellen, dass die Regierung diese Rechte respektiert (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Sierra Leone, Wien am 3.5.2017, S. 18). Angesichts der in Sierra Leone bestehenden infrastrukturellen Mängel ist nicht einmal ansatzweise erkennbar, wie etwaige Verfolger den Kläger auffinden sollten, wenn er sich in einer größeren Stadt niederließe. In Sierra Leone existiert kein ordnungsgemäßes Zivilregister (AA, Auskunft an das Bundesamt vom 17.10.2017), so dass es selbst für staatliche Stellen schwierig sein dürfte, eine bestimmte Person in einer Großstadt ausfindig zu machen. Für nichtstaatliche Akteure dürfte dies nahezu unmöglich sein. Eine konkrete Bedrohung des Klägers durch nichtstaatliche Akteure ist deshalb nicht beachtlich wahrscheinlich. Das Gericht ist nach alledem davon überzeugt, dass sein älterer Bruder oder andere Familienmitglieder eine Rückkehr des Klägers nach Sierra Leone nicht einmal bemerken würden.
bb) Ferner besteht nach der Überzeugung des Gerichts auch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Sierra Leone aufgrund der dort vorherrschenden schlechten humanitären Bedingungen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden würde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist, ist eine unmenschliche Behandlung und damit eine Verletzung des Art. 3 EMRK allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen möglich (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C.15.12 – juris = BVerwGE 146, 12; U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – juris = BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U.v. 21.1.2011 – M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 – NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 – NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 – Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 – NJOZ 2012, 952). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 28.6.2011 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 – NVwZ 2012, 681, Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Rückführung in den Herkunftsstaat „zwingend“ seien. Solche humanitären Gründe können auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein (so auch BayVGH, U.v. 19.7.2018 – 20 B 18.30800- juris, Rn. 54).
Eine derartige Gefahrensituation kann das Gericht für den Kläger, trotz der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse in seinem Heimatland nicht erkennen. Die Wirtschaft Sierra Leones ist geprägt von der Landwirtschaft (überwiegend kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft) und der Rohstoffgewinnung. Das Land ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 4,5 Milliarden US-Dollar und einem Pro-Kopf-Einkommen von ca. 700 US-Dollar im Jahr 2015 eines der ärmsten Länder der Welt und belegt nach dem Human Development Index von 2016 Rang 179 der 188 untersuchten Länder. Ein Großteil der Bevölkerung (ca. 77%) lebt in absoluter Armut und hat weniger als 2 US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Die Wirtschaft wird mit etwa 51,4% am Bruttoinlandsprodukt vom landwirtschaftlichen Sektor dominiert. Der Dienstleistungssektor trägt mit 26,6% und der Industriesektor mit 22,1% zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch, wobei bisher keine verlässlichen statistischen Daten erhoben wurden. Die Mehrheit versucht mit Gelegenheitsjobs oder als Händler/in ein Auskommen zu erwirtschaften. Die Subsistenzwirtschaft wird in Familien oft parallel oder alternativ genutzt, um den Lebensunterhalt zu sichern (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, Wien am 3.5.2017, S. 19 ff.).
Die Lebensumstände in Sierra Leone sind damit zwar äußerst schwierig. Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger in Sierra Leone ein Existenzminimum erarbeiten kann (so im Ergebnis auch: VG München, B.v. 26.9.2017 – M 21 S 17.47358 – juris). Der Kläger ist ein junger und arbeitsfähiger Mann, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass er sich zumindest durch Gelegenheitsjobs sein Existenzminimum sichern kann. Aus den von ihm im Verfahren vorgelegten Arztbriefen ergibt sich insbesondere nicht, dass der Kläger in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt ist. Die vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen stammen alle bereits aus dem Jahr 2017 und geben somit den aktuellen Gesundheitszustand, der für das vorliegende Verfahren maßgeblich ist, nicht wieder. Im Übrigen ergibt sich aus den Attesten nur, dass der Kläger im Jahr 2017 an Kopfschmerzen litt. Eine Arbeitsunfähigkeit attestieren sie nicht.
b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebeschutz nach dieser Bestimmung setzt grundsätzlich das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt.
aa) Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel nicht als allgemeine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einzustufen, sondern als individuelle Gefahr, die am Maßstab des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfen ist (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – juris = BVerwGE 127, 33 sowie U.v. 25.11.1997 – 9 C 58.96 – juris = BVerwGE 105, 383). Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, U.v. 17.10.2006, – 1 C 18.05 – juris = BVerwGE 127, 33). Im Einklang mit dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 (BGBl I S. 390 ff. vom 11.3.2016) die Sätze 2 bis 4 des § 60 Abs. 7 AufenthG eingefügt. Danach liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (Satz 2). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (Satz 3) und schließlich liegt eine ausreichende medizinische Versorgung in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 4).
Das Gericht geht darüber hinaus mit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass die Vorgaben des § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG nicht nur bei der Beurteilung eines inländischen Abschiebungshindernisses, insbesondere einer Reiseunfähigkeit, sondern auch im Rahmen der Prüfung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses Anwendung finden (so auch: BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 10 ZB 16.30735 – juris, Rn. 6 ff.; OVG Bremen, B.v. 13.6.2018 – 2 LA 60/17 – juris; OVG LSA, B.v. 28.9.2017 – 2 L 85/17 – juris; OVG Hamburg, B.v. 23.9.2016 – 1 Bs 100/16 – juris; VG Hamburg, B.v. 2.2.2017 – 2 AE 686/17 – juris; VG Augsburg, B.v. 6.6.2016 – Au 6 S 16.30662 – juris; VG Gelsenkirchen, U.v. 10.5.2016 – 6a K 3120/15.A – juris). Nach diesen Vorschriften ist eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft zu machen. Die ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
Aus den vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen ergibt sich nicht, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers im Falle seiner Abschiebung nach Sierra Leone so dramatisch verschlechtern würde, dass er in eine akute Leibes- oder Lebensgefahr geraten würde. Aus den vorgelegten ärztlichen Äußerungen ergibt sich letztendlich nur, dass der Kläger im Jahr 2017 häufig an Kopfschmerzen litt. Wie sich der Gesundheitszustand zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung darstellt (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) ist den veralteten Arztbriefen nicht zu entnehmen. Aufgrund der Angaben, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, drängt sich jedoch die Vermutung auf, dass der Gesundheitszustand des Klägers stabil und unproblematisch ist. Der Kläger gab an, er sei immer noch in ärztlicher Behandlung und er bekomme auch Medikamente. Er wisse allerdings nicht, wie diese heißen. Wenn die Medikamente zu Ende gehen, müsse er zum Arzt gehen, damit er neue verschrieben bekomme. Nähere Angaben konnte er nicht machen. Hier wird deutlich, dass der Kläger nicht an ernsthaften oder gar lebensbedrohlichen Erkrankungen leidet. Wäre dies der Fall, hätte man erwarten müssen, dass er entsprechende Nachweise vorliegt. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben zu seinem Gesundheitszustand in Verbindung mit den veralteten ärztlichen Stellungnahmen genügen den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Sätze 2 bis 4 AufenthG jedenfalls in keiner Weise, weshalb gemäß § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG die Vermutung gilt, dass gesundheitliche Gründe einer Abschiebung nicht entgegenstehen.
bb) Beruft sich ein Ausländer auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG gebieten danach die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wenn einer extremen Lebensgefahr oder einer extremen Gefahr der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit entgegen gewirkt werden muss, was dann der Fall ist, wenn der Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert oder erheblichen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt sein würde (BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9.95 – juris, Rn. 14 = BVerwGE 99, 324, U.v. 19.11.1996 – 1 C 6.95 – juris, Rn. 34 = BVerwGE 102, 249 sowie U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – juris, Rn. 16 = BVerwGE 115, 1). Eine derartige Gefahrensituation kann sich grundsätzlich auch aus den harten Existenzbedingungen und der Versorgungslage im Herkunftsstaat ergeben.
Eine derartige Gefahr besteht jedoch nicht, was bereits oben unter Nr. 2 a) bb) dargestellt wurde.
3. Die in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Sie beruht auf den §§ 34 Abs. 1 AsylG, 59 AufenthG. Die dem Kläger gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen beruht auf § 38 Abs. 1 AsylG.
4. Die in Ziffer 6 des angegriffenen Bescheids ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ist gleichfalls rechtmäßig. Die Beklagte musste nach den §§ 11 Abs. 2 Sätze 1 und 4, 75 Nr. 12 AufenthG eine Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG treffen. Über die Länge der Frist wird gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Ermessensfehler sind hier nicht ersichtlich. Grundsätzlich darf die Frist gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nicht überschreiten. Hier hat das Bundesamt diese maximale Frist zur Hälfte ausgeschöpft, was nicht zu beanstanden ist. Besonderer Umstände, die eine kürzere Frist gebieten würden, sind von der Klägerseite weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, folgt die Kostenentscheidung aus § 155 Abs. 2 VwGO und im Übrigen aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.
Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

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