Aktenzeichen 9 ZB 19.32442
VwGO § 138 Nr. 3, § 154 Abs. 2
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsatz
1 Mit einem im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gerichteten Vorbringen wird im Asylrechtsstreit kein in § 78 Abs. 3 AsylG genannter Zulassungsgrund dargetan (Bestätigung von VGH München BeckRS 2019, 8708). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 14 K 17.32472 2019-05-17 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Kläger gibt an, Staatsangehöriger Sierra Leones zu sein und begehrt die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 17. Mai 2019 wies das Verwaltungsgericht seine Klage ab. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der auf alle Zulassungsgründe des § 78 Abs. 3 AsylG gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2019 – 9 ZB 18.31719 – juris Rn. 2). Dem wird das gesamte Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
a) Die Frage, ob die Poro-Society in Sierra Leone als nichtstaatlicher Akteur i.S.d. § 3c AsylG landesweit tätig ist und der Kläger von deren Mitgliedern Gewalt i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG zu befürchten hat, ist bereits nicht entscheidungserheblich. Denn das Verwaltungsgericht hat anhand der Ausführungen des Klägers, dass Mitglieder der Poro-Society nach ihm gesucht und ihn einmal in Freetown angetroffen hätten, eine Verfolgungshandlung verneint. Es hat zudem die mittels schwarzer Magie oder mittels eines Zaubergewehres vorgetragenen Verfolgungshandlungen dem Bereich des Aberglaubens zugeordnet. Im Übrigen setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht mit den vom Verwaltungsgericht eingeführten Erkenntnismitteln auseinander, wonach es Geheimbünden aufgrund verschiedener Umstände nicht möglich ist, Personen, die sich nach ihrem Vortrag einer Aufnahme in die Geheimgesellschaft entzogen haben, zu finden. Ein Fall der im Zulassungsvorbringen angeführten Auskunft des Auswärtigen Amtes, dass Personen verfolgt werden, wenn sie über die Society geredet haben, liegt beim Kläger nach seinem eigenen Vortrag offensichtlich nicht vor.
b) Soweit der Kläger ausführt, dass Wohnraum schwer zu finden sei und es nach wie vor willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen gebe, wird schon keine konkrete Frage formuliert. Die im Zulassungsantrag erstmals aufgeworfene Frage, ob der Kläger bei Bekanntwerden der Asylantragstellung mit politischer Verfolgung rechnen muss, genügt den Darlegungsanforderungen ebenfalls nicht, da sich dem Zulassungsvorbringen insoweit keine Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit entnehmen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2019 – 9 ZB 18.32531 – juris Rn. 7).
c) Die Frage, „muss angesichts der Tatsache, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung am Rande des Existenzminimums lebt, zu dem Vorhanden – oder Nichtvorhandensein von Familienangehörige bzw. einer Großfamilie keine Feststellungen getroffen wurden, davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger zumindest sein Existenzminimum sicher kann oder muss davon ausgegangen werden, dass angesichts der Gesamtumstände und auch den speziellen Umstände beim Kläger bei einer Rückkehr davon ausgegangen werden muss, dass er unter dem Existenzminimum (und somit unter den inländischen Maßstäben unter Verstoß eines selbstbestimmten würdevollen Lebens) bleiben muss“, zeigt keine über den Einzelfall des Klägers hinausreichende Bedeutung auf. Die Frage einer familiären Unterstützung war für das Verwaltungsgericht bereits nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auf die schwierigen Lebensbedingungen in Sierra Leone abgestellt und ist auf dieser Basis zu der Einschätzung gelangt, dass sich der Kläger als junger, weitestgehend gesunder und arbeitsfähiger Mann aufgrund seiner Schulbildung und beruflichen Erfahrungen im Fall der Rückkehr in sein Heimatland ein zumutbares Existenzminimum erwirtschaften könne. Dem wird im Zulassungsvorbringen nicht substantiiert entgegen getreten. Der Kläger wendet sich vielmehr im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Damit wird kein in § 78 Abs. 3 AsylG genannter Zulassungsgrund dargetan (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2019 – 9 ZB 19.30847 – juris Rn. 4).
2. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) wird überhaupt nicht dargelegt. Dem Zulassungsvorbringen lässt sich über die bloße Benennung des Zulassungsgrundes schon kein Rechtssatz oder verallgemeinerungsfähiger Tatsachensatz entnehmen, den das Verwaltungsgericht abweichend von einem der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten übergeordneten Gerichte aufgestellt haben soll (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2017 – 9 ZB 15.30129 – juris Rn. 10). Im Übrigen zielt der Vortrag vielmehr auf eine Gehörsrüge sowie auf die Würdigung des Sachverhalts und der getroffenen Feststellungen durch das Verwaltungsgericht ab. Die Abweichung ausschließlich bei der Beurteilung des Einzelfalls oder eine Ergebnisdivergenz und unrichtige Anwendung eines Rechtssatzes genügt aber ebenso wenig für die Darlegung einer Divergenzrüge wie eine fehlerhafte Sachverhaltsaufklärung und Rechtsanwendung (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2017 – 9 ZB 15.30129 – juris Rn. 11)
3. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG).
Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die allgemein schlechte Wirtschaftslage und der harten Existenzbedingungen darauf abgestellt, dass sich der Kläger aufgrund seiner individuellen Umstände und Erfahrungen ein zumutbares Existenzminimum erwirtschaften könne. Das Zulassungsvorbringen zeigt insoweit keine Anhaltspunkte auf, dass die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze missachtet. Vielmehr wendet sich der Kläger mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht hätte Feststellungen treffen müssen, ob der Kläger im Falle einer Rückkehr mit Unterstützung einer Familie bzw. Freunden rechnen kann bzw. darf, im Gewand einer Gehörsrüge gegen die Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht, womit jedoch kein im Asylverfahrensrecht vorgesehener Zulassungsgrund angesprochen wird (vgl. BayVGH, B.v. 9.10.2018 – 9 ZB 16.30738 – juris Rn. 6). Mit den im Zulassungsvorbringen angeführten Informationen, die mit den vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Erkenntnismitteln nicht in Widerspruch stehen, wird nicht aufgezeigt, dass sich dem Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).