Verkehrsrecht

Begrenzung des Tattagprinzips durch absolutes Verwertungsverbot

Aktenzeichen  11 BV 18.778

Datum:
18.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43002
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 4 Abs. 5 S. 5–7, § 29 Abs. 7 S. 1, § 65
FeV § 47 Abs. 1 S. 2
VwGO § 117 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

Die Regelungen zur Berechnung des für eine behördliche Maßnahme maßgeblichen Punktestands (§ 4 Abs. 5 S. 5–7 StVG) sind im Rahmen der Rechtsfolgenregelung einer Löschung im Fahreignungsregister (§ 29 Abs. 7 S. 1 StVG) nicht anzuwenden (entgegen OVG Bautzen BeckRS 2018, 15496). Bei § 4 Abs. 5 S. 7 StVG handelt es sich nicht um eine das Verwertungsverbot durchbrechende Spezialvorschrift und die Bestimmung ist auch nicht analog anzuwenden (Anschluss an OVG Lüneburg BeckRS BeckRS 2017, 103428; entgegen OVG Bautzen BeckRS 2017, 134090). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 6 K 16.5922 2017-02-28 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2018 wird abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 24. November 2016 wird mit Ausnahme der Nummer 3 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), hat überwiegend Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 24. November 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für eine Klage gegen die Zwangsgeldandrohung fehlt dem Kläger jedoch das Rechtsschutzbedürfnis.
1. Allerdings liegt nicht der geltend gemachte Verfahrensmangel vor. In dem vom Kläger für unzureichend erachteten Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils werden der Verfahrensgegenstand bezeichnet und die Sachanträge der Beteiligten, ihr Verzicht auf mündliche Verhandlung und der Ausgang des vorangegangenen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes wiedergegeben, womit der Rechtsstreit im Kern hinreichend klar umrissen ist. Der klägerische Vortrag zur Begründung der Klage ergibt sich aus den Entscheidungsgründen, soweit ihnen das Verwaltungsgericht für seine Entscheidung Bedeutung beigemessen hat. Dies steht mit § 117 Abs. 2 Nr. 4 VwGO in Einklang, weil diese Regelung nicht zwingend eine äußere Trennung von „Tatbestand“ und „Entscheidungsgründen“ voraussetzt (vgl. BVerwG, B.v. 3.2.2017 – 9 B 15.16 – juris Rn. 3 m.w.N.; Clausing/Kimmel, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Februar 2019, Rn. 15; Kilian/Hissnauer in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 117 Rn. 73). Im Übrigen nimmt das Verwaltungsgericht in zulässiger Weise auf die Sachverhaltsdarstellung im erstinstanzlichen Beschluss des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes Bezug. Welche Vorgänge des Sach- und Streitstands der Erwähnung bedürfen, ist eine Frage des Einzelfalls (Clausing/Kimmel, a.a.O.). Wichtigstes Mittel zur Straffung des Tatbestands ist die Bezugnahme, von der nach § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO Gebrauch gemacht werden „soll“, also regelmäßig Gebrauch zu machen ist. Dabei nimmt das Gesetz im Interesse des Entlastungseffekts in Kauf, dass der Tatbestand bei intensiver Nutzung der Verweisungsmöglichkeiten für nicht am Verfahren beteiligte Dritte mitunter nicht mehr aus sich heraus verständlich ist (Clausing/Kimmel, a.a.O. Rn. 16). Auch ist den Beteiligten das nochmalige Lesen ihnen aus vorangegangenen Verfahren bereits bekannter Schriftstücke zumutbar. Die in § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO vorgesehene Möglichkeit der Bezugnahme auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen schließt eine Bezugnahme auf den Tatbestand eines in einem vorangegangenen Verfahren ergangenen Beschlusses, etwa wie hier eines Beschlusses im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes oder in einem Prozesskostenhilfeverfahren, nicht aus (Clausing/Kimmel, a.a.O. Rn. 16 Fn. 93; Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 117 Rn. 16). Speziell normierte Verweisungsmöglichkeiten (vgl. § 84 Abs. 4 und § 130b VwGO, § 77 Abs. 2 AsylG) stellen keine abschließenden Regelungen dar, sondern sind Ausprägungen schon früher anerkannter allgemeiner Grundsätze (Kraft, a.a.O.; vgl. auch BVerwG, B.v. 13.11.2011 – 3 B 38.11 – juris Rn. 1, 4; B.v. 3.12.2008 – 4 BN 25.08 – juris Rn. 9; B.v. 27.5.1988 – 9 CB 19.88 – BayVBl. 1988, 570 = juris Rn. 9).
2. Weiter ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass für die Klage gegen die Zwangsgeldandrohung das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Dieses ist u.a. dann zu verneinen, wenn der angestrebte Rechtsschutz die Rechtsstellung des Rechtsschutzsuchenden nicht verbessert, d.h. selbst bei Erfolg keinen Vorteil bringt (Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Vorbemerkung § 40 Rn. 94). Dies ist hier der Fall, nachdem sich die Zwangsgeldandrohung vom 24. November 2016 mit der freiwilligen Abgabe des Führerscheins am 2. Dezember 2016 bei der Behörde erledigt und diese nicht zu erkennen gegeben hat, dass sie entgegen Art. 37 Abs. 4 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) das Zwangsgeld auf der Grundlage dieser Zwangsgeldandrohung gleichwohl beizutreiben beabsichtigt (stRspr des Senats, vgl. BayVGH, B.v. 26.4.2012 – 11 CS 12.650 – juris Rn. 13 m.w.N.). Mit der faktischen Vollziehung der Abgabeverpflichtung ist diese Zwangsgeldandrohung „verbraucht“. Sie kann daher nicht mehr Grundlage einer künftigen Vollstreckung sein, selbst wenn die Beklagte, wie der Kläger annimmt, eine weitere Vollstreckung beabsichtigen würde.
3. Im Übrigen ist die Klage begründet, weil die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Mai 2016 (BGBl I S. 1217), nicht vorliegen. Zwar hatte die Fahrerlaubnisbehörde vor Entziehung der Fahrerlaubnis die nach dem Stufensystem des § 4 Abs. 6 Satz 1 und 2 StVG vorgesehenen Maßnahmen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 StVG ergriffen, allerdings betrug im maßgeblichen Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis der Punktestand des Klägers im Fahreignungs-Bewertungssystem keine acht Punkte mehr.
a) Das Verfahren nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG ist eingehalten worden. Nach der Einführung des Fahreignungs-Bewertungssystems zum 1. Mai 2014 hatte der Kläger mit einem gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG umgerechneten Punktestand von vier Punkten automatisch die erste Maßnahmestufe erreicht (vgl. Begr zum ÄndG vom 28.8.2013 BT-Drs. 17/12636, S. 50; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 4 StVG Rn. 65), ohne dass eine Ermahnung nach neuem Recht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG) erforderlich gewesen wäre (vgl. § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 2 und 3 StVG; OVG Hamburg, B.v. 16.11.2015 – 4 Bs 207/15 – DÖV 2016, 227 = juris Rn. 20; SächsOVG, B.v. 7.7.2015 – 3 B 118/15 – LKV 2015, 468 = juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 7.1.2015 – 11 CS 14.2653 – juris Rn. 9). Der Kläger war mit Schreiben vom 7. November 2013 nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 StVG a.F. verwarnt worden, wobei die fehlerhafte Ersatzzustellung der Verwarnung am vormaligen Wohnsitz im Elternhaus gemäß Art. 9 VwZVG durch tatsächlichen Zugang geheilt worden ist. Auch wenn – wie der Kläger behauptet – sein Büro oder sein Vater für die Überweisung des Bußgelds gesorgt haben, zeigt der von ihm unterzeichnete Antrag vom 19. Februar 2014, dass er die seiner Mutter am 12. November 2013 ausgehändigte Verwarnung vom 7. November 2013 mit dem Hinweis auf eine Punktereduzierung durch Teilnahme an einem freiwilligen Aufbauseminar tatsächlich erhalten hat. Im Hinblick auf diesen Sachverhalt hätte es dem Kläger oblegen, plausibel darzutun, wie es im zeitlichen Zusammenhang mit der Verwarnung ohne deren Kenntnis zu einem Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für ein Einzelseminar gekommen sein soll. Seine Behauptungen, er habe weder die Überweisung des Bußgelds noch der Verwarnungsgebühr am 2. Dezember 2013 veranlasst, obwohl er als Auftraggeber in den Buchungsdaten aufscheint, erklären dies nicht. Im Übrigen ist auch in der eidesstattlichen Versicherung vom 20. Juni 2016 nicht die Rede davon, dass er die Verwarnung nicht erhalten habe, sondern dass er sich nicht daran erinnere, wobei die Erklärung für das fehlende Erinnerungsvermögen, die Verwarnung sei nicht an seine Wohnanschrift zugestellt worden, nicht nachvollziehbar ist.
b) Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist jedoch rechtswidrig, weil die Beklagte bei ihrer Entscheidung Ordnungswidrigkeiten berücksichtigt hat, die dem Kläger gemäß § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr zum Zweck der Beurteilung der Fahreignung (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 StVG) vorgehalten bzw. zu seinem Nachteil verwertet werden durften. Dem steht nicht das in § 4 Abs. 5 Satz 5 und 7 StVG geregelte Tattagsprinzip entgegen, nach dem im Rahmen der Entziehung der Fahrerlaubnis bei der Berechnung der Punktzahl nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem auf den Zeitpunkt der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit abzustellen ist.
Nach der Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 StVG werden Entscheidungen, die nach § 28 Abs. 3 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden und nicht von Nr. 1 erfasst sind, bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach den Bestimmungen des § 29 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung getilgt und gelöscht. Die vom Kläger am 22. August 2011, 24. März 2012, 15. und 16. Mai 2013 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten sind bis zum Ablauf des 30. April 2014, hier bis 11. Oktober 2013, im Verkehrszentralregister gespeichert worden. Für ihre Tilgungsreife ist der am 15. Mai 2013 begangene Rotlichtverstoß maßgeblich, der vor Inkrafttreten der neuen Punkteregelung zum 1. Mai 2014 zuletzt rechtskräftig geahndet worden ist, nämlich am 25. September 2013. Er war nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 3 StVG in der vom 1. Januar bis 20. Juni 2013 geltenden Fassung in zwei Jahren ab Rechtskraft der Entscheidung, also am 25. September 2015, zu tilgen. Nach § 29 Abs. 7 Satz 1, 2 StVG a.F. (nunmehr § 29 Abs. 6 Satz 1, 2 StVG) wäre dieser Verkehrsverstoß nach einer sog. Überliegefrist von einem weiteren Jahr, also am 25. September 2016, zu löschen gewesen.
Nach § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG dürfen die Tat und die Entscheidung dem Betroffenen für die Zwecke des § 28 Abs. 2 StVG, darunter die Entziehung der Fahrerlaubnis, nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn eine Eintragung im Fahreignungsregister gelöscht ist. Gleichwohl hat die Beklagte zeitlich nach Ablauf der Überliegefrist dem Kläger die Fahrerlaubnis unter Verwertung der bereits gelöschten bzw. zu löschenden Taten entzogen. Hierin ist ein Verstoß gegen das in § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG ohne Einschränkungen angeordnete Verwertungsverbot zu sehen.
Die Regelungen zur Berechnung des für eine behördliche Maßnahme maßgeblichen Punktestands (§ 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG) sind im Rahmen der Rechtsfolgenregelung einer Löschung im Fahreignungsregister (§ 29 Abs. 7 Satz 1 StVG) nicht anzuwenden (a.A. SächsOVG, B.v. 9.7.2018 – 3 B 131/18 – VRS 134, 21 = juris Rn. 10 f.; Koehl, SVR 2018, 54/57). Nach § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG bleiben spätere Verringerungen des Punktestands aufgrund von Tilgungen bei der Berechnung des Punktestands im Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 5 und 6 StVG) unberücksichtigt. Es stellt keinen durch Gesetzesauslegung auszuräumenden Wertungswiderspruch, sondern eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Begrenzung des für die Berechnung des Punktestands maßgeblichen Tattagsprinzips dar, wenn diese Bestimmung für ihren Regelungsbereich tatbestandlich an die Tilgung bzw. Tilgungsreife anknüpft und § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG an die nach Eintritt der Tilgungsreife, nämlich nach Ablauf der Überliegefrist erfolgende Löschung. Der Senat teilt die Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (B.v. 22.2.2017 – 12 ME 240/16 – juris Ls., Rn. 13), dass es sich bei § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG nicht um eine das Verwertungsverbot durchbrechende Spezialvorschrift handelt (a.A. SächsOVG, B.v. 29.11.2017 – 3 B 274/17 – NJW 2018, 1337 = juris Rn. 15) und die Bestimmung auch nicht analog anzuwenden ist. Weder den Gesetzgebungsmaterialien noch dem Regelungszusammenhang oder den dem Gesetz zugrunde liegenden Wertungen lassen sich Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Durchbrechung des Verwertungsverbots entnehmen (vgl. Dauer, a.a.O. § 4 StVG Rn. 83a a.E.; Kalus, DAR 2019, 169 /175). Vielmehr ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/ 12636, 19 f.), dass der Gesetzgeber das Abwarten einer einjährigen Überliegefrist als ausreichende „Optimierungsmöglichkeit“ erachtet hat, um das Risiko rein taktisch motivierter Rechtsmittel zu begrenzen und die retrospektive Feststellung des maßgeblichen Punktestands im Fahreignungsregister hinreichend zu sichern. Er war sich dessen bewusst, dass „bei der jetzt vorgesehenen Lösung“ „dieses Risiko geringer“ (BT-Drs. 17/12636, 20), also gerade nicht ausgeschlossen ist. Dies impliziert aber, dass nach Auffassung des Gesetzgebers die Löschung einer Eintragung nach Ablauf der Überliegefrist ein absolutes Verwertungsverbot nach sich ziehen und das für die Berechnung des Punktestands maßgebliche Tattagsprinzip in § 4 Abs. 5 Satz 5 und 7 StVG hierdurch eine Begrenzung erfahren sollte.
Die von der Beklagten angeführten, zur früheren Rechtslage ergangenen Entscheidungen des Senats und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg sind auf das neu geregelte Verwertungsverbot, das anders als vordem nicht mehr an den Eintritt der Tilgungsreife, sondern an die Löschung anknüpft, nicht übertragbar. Die Neuregelung unterscheidet nunmehr zwischen dem Eintritt der Tilgungsreife, mit der eine Verwertung eingeschränkt zulässig bleibt (vgl. § 29 Abs. 6 StVG), und der Löschung, mit der eine Verwertung zum Zwecke der Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Wortlaut des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG ausdrücklich unzulässig ist.
c) Damit war auch die Nebenverfügung in Nummer 2 des angefochtenen Bescheids, die Verpflichtung zur unverzüglichen Ablieferung des Führerscheins gemäß § 3 Abs. 2 StVG, § 47 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Mai 2013 (BGBl I S. 1084), aufzuheben.
4. Dem Antrag, die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten für notwendig zu erklären, kann mangels Rechtsgrundlage nicht entsprochen werden. Eine derartige Erklärung, die § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO lediglich für das Vorverfahren vorsieht, ist im Verwaltungsprozess aber auch nicht erforderlich, weil die außergerichtlichen Kosten einschließlich der anwaltlichen Vertretung im gerichtlichen Verfahren gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO stets erstattungsfähig sind.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 und 3 VwGO. Die Klage gegen die Zwangsgeldandrohung betrifft im Verhältnis zur Anfechtung der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Ablieferungsanordnung nur einen untergeordneten Gegenstand (vgl. die Empfehlung in Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
6. Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage, in welchem Verhältnis § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG und § 29 Abs. 7 StVG stehen bzw. ob das in § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG verankerte Tattagsprinzip durch das Verwertungsverbot aus § 29 Abs. 7 StVG eingeschränkt wird, zuzulassen. Die Klärung dieser zwischen verschiedenen Oberverwaltungsgerichten streitigen, höchstrichterlich bisher nicht geklärten Frage in einem Revisionsverfahren kann dazu dienen, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern.

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