Aktenzeichen M 5 E 18.4999
GG Art. 33 Abs. 2
LlbG Art. 54 Abs. 1, Art. 56 Abs. 4 S. 1
Leitsatz
1 Der Antragsgegner hat sich ausweislich der einschlägigen Beurteilungsrichtlinien (hier: Ziff. 8.2. BUBek-Pol/VS) mithin im Rahmen seines nur eingeschränkt überprüfbaren Organisationsermessens dazu entschlossen, (erst) einen mindestens sechs Monate währenden Tätigkeitszeitraum in seinen Diensten als hinreichende Tatsachengrundlage für die Erstellung einer dienstlichen Beurteilung zu werten. Dies ist sachgerecht und plausibel. (Rn. 28) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Die Entscheidung für einen Auswahlstichtag ist insbesondere in Anbetracht des großen Personalkörpers, den der Antragsgegner im Bereich der Polizei zu verwalten hat, und der damit einhergehenden Vielzahl von zu treffenden Beförderungsentscheidungen sachgerecht und nachvollziehbar. (Rn. 32) (red. LS Alexander Tauchert)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 13.648,17 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller steht als Polizeihauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11) bei dem Polizeipräsidium M. in Diensten des Antragsgegners.
Mit Schreiben vom 29. Mai 2018 (Az.: A3-0302-9-15; im Folgenden: „IMS“) teilte das Bayerische Staatsministerium des Inneren und für Integration (im Folgenden: „Staatsministerium“) mit, dass für Auswahlentscheidungen bei Stellenbesetzungen in der 3. QE ab dem 1. Oktober 2018 die periodischen Beurteilungen der Beamten zum Stichtag 31. Mai 2018 heranzuziehen seien. Auswahlentscheidungen vor dem 1. Oktober 2018 seien auf Grundlage der periodischen Beurteilung zum Stichtag 31. Mai 2015 zu treffen. Im Ergebnis bedeute dies, dass Ausschreibungen bis einschließlich dem am 1. August 2018 erscheinenden Mitteilungsblatt Nr. 14 (noch) auf Grundlage der periodischen Beurteilung zum Stichtag 31. Mai 2015 zu treffen seien. Die Bewerbungsfrist für Ausschreibungen aufgrund des am 3. September 2018 erscheinenden Mitteilungsblattes Nr. 15/16 werde erst am 4. Oktober 2014 enden, sodass für derartige Auswahlentscheidungen erstmals die periodischen Beurteilung zum Stichtag 31. Mai 2018 heranzuziehen sei. Sollte eine Auswahlentscheidung ausnahmsweise nicht rechtzeitig getroffen werden können, sei die Ausschreibung zu widerrufen und der Dienstposten erneut auszuschreiben. Nur so könne sichergestellt werden, dass die neuen Beurteilungen (Stichtag 31.5.2018) und ein sich ggf. aufgrund der neuen Beurteilungen verändertes Bewerberfeld in die Auswahlentscheidung einbezogen werden könnten.
Im Mitteilungsblatt Nr. 12 der Bayerischen Polizei (v. 2.7.2018) schrieb der Antragsgegner unter Ziffer 9.3 die Stelle einer bzw. eines „Sachbearbeiterin/Sachbearbeiter 3. QE Recht im Sachgebiet 122 – Recht (A 11/12)“ im Bereich des Bayerischen Landeskriminalamts (im Folgenden: „LKA“) aus. Bis zum Ende der Bewerbungsfrist (ein Monat zuzüglich zwei Wochen für die Weiterleitung durch andere Polizeiverbände) lagen insgesamt vier Bewerbungen vor.
Einer der Bewerber, damals Regierungsamtsrat und nunmehr Polizeiamtmann F. S., war mit Wirkung vom 1. Oktober 2017 (das auf Bl. 25 der Behördenakte genannte Datum aus dem Jahr 2018 ist wohl ein Schreibversehen) vom Bundesrechnungshof in den Bereich des LKA abgeordnet worden. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich noch in einem Statusamt A 12. Mit Wirkung zum 1. April 2018 war F. S. zu dem Antragsgegner in den Bereich des LKA (Sachgebiet 111 – Personal) versetzt worden. Ab diesem Zeitpunkt wurde er mit seinem Einverständnis zum Polizeiamtmann (Besoldungsgruppe A 11) rückernannt, da kein Dienstposten zur Verfügung stand, der eine Übernahme in ein Amt der Besoldungsgruppe A 12 möglich gemacht hätte. Für den Bewerber F. S. lag zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung hinsichtlich der streitgegenständlichen Stelle eine Anlassbeurteilung des Bundesrechnungshofs im Hinblick auf seine Tätigkeit in seinem damaligen Statusamt A 12 (Beurteilungszeitraum 1.4.2015 – 30.9.2016) vor.
Laut Auswahlvermerk vom 26. September 2018 (Bl. 24 ff. der Behördenakte) konnte die Auswahlentscheidung in Ermangelung einer verwertbaren Beurteilung des Bewerbers F. S. nicht rechtzeitig erfolgen, sodass das Auswahlverfahren abzubrechen gewesen sei. Denn laut IMS müsse über die Stellenausschreibung bis zum 30. September 2018 entschieden und bei nicht rechtzeitiger Auswahlentscheidung die Ausschreibung widerrufen und der Dienstposten erneut ausgeschrieben werden. Die für F. S. erstellte Anlassbeurteilung des Bundesrechnungshofes könne nicht herangezogen werden, da dort sowohl hinsichtlich der Beurteilungsmerkmale als auch der Beurteilungsprädikate ein anderer Vergleichsmaßstab gegeben sei und der Bewerber F. S. zu diesem Zeitpunkt (noch) ein Amt der Besoldungsgruppe A 12 innegehabt habe. Eine erstmalige Beurteilung des Bewerbers F. S. durch den Antragsgegner nach seinem Dienstherrnwechsel scheide gem. Ziffer 8.2 Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 12. Dezember 2017 Az. IC3-0371.0-41 über Dienstliche Beurteilung, Leistungsfeststellungen nach Art. 30 und 66 BayBesG in Verbindung mit Art. 62 LlbG für die Beamten und Beamtinnen der Bayerischen Polizei und des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (Beurteilungsbekanntmachung Polizei und Verfassungsschutz – BUBek-Pol/VS) aus, da der Beamte – ohne Berücksichtigung seiner Abordnungszeiten beim Antragsgegner – noch nicht sechs Monate in Diensten des Antragsgegners gestanden habe. Das Staatsministerium habe seine gemäß Nr. 11 BuBek-Pol/VS erforderliche Zustimmung für die Erstellung einer Anlassbeurteilung des Bewerbers F. S. mit der Begründung verweigert, dass dieser seit seiner Versetzung zum LKA dort noch nicht sechs Monate Dienst geleistet habe, die Zeiten seiner Abordnung zum LKA aufgrund seines damaligen Statusamtes A 12 nicht berücksichtigt werden könnten und daher kein ausreichender Beurteilungszeitraum vorliege.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2018, dem Antragsteller am 5. Oktober 2018 zugegangen, teilte das LKA dem Antragsteller mit, dass die streitgegenständliche Stelle im Mitteilungsblatt Nr. 18 „widerrufen“ und dort unter Ziffer 11.2 neu ausgeschrieben werden würde. Dagegen legte der Antragsteller am 10. Oktober Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.
Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2018, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Antragsteller beantragt,
dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung aufzugeben, das Verfahren zur Besetzung der im Mitteilungsblatt Nr. 12 ausgeschriebenen Stelle eines „Sachbearbeiterin/Sachbearbeiter 3. QE Recht im Sachgebiet 122 – Recht beim Sachgebiet Landeskriminalamt (A 11/12)“ fortzuführen.
Der „Widerruf der ausgeschriebenen Stelle“ sei als Abbruch des bisherigen Auswahlverfahrens zu verstehen, da die Stelle erneut im Mitteilungsblatt des Antragsgegners ausgeschrieben worden sei. Weder dem Widerruf (Bl. 42 d. Behördenakte) noch dem Mitteilungsschreiben an den Antragsteller (Bl. 66 d. Behördenakte) lasse sich jedoch eine Begründung für den Abbruch entnehmen. Jedenfalls aber führe der Abbruch dazu, unerwünschte Kandidaten mit ihrer Bewerbung zu verhindern. Soweit der Abbruch damit begründet werde, einen geeigneten Kandidaten – hier in der Person des in dem bereits durchgeführten zweiten Auswahlverfahren ausgewählten Bewerbers F. S. – zum Zuge kommen zu lassen, sei dies kein durchgreifender Abbruchgrund. Denn inwiefern der später ausgewählte Bewerber F. S. wirklich geeignet sei, lasse sich nur anhand einer vergleichbaren Beurteilung ermitteln, über die F. S. nach Auffassung des Antragsgegners gerade nicht verfüge. Daraus folge, dass der Antragsgegner nach Abbruch die Bewerbung des später tatsächlich ausgewählten Bewerbers F. S. in einem sich anschließenden Verfahren zum Erfolg führen wolle. Das Risiko, eine hinreichend vergleichbare Beurteilung aufweisen zu können, die im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens verwendet werden könne, treffe jedoch den jeweiligen Bewerber selbst. Im Übrigen sei es möglich gewesen, die vorliegende Beurteilung des Bewerbers F. S. „einzuwerten“ und mit den Beurteilungen der anderen Kandidaten zu vergleichen. So stelle der Abbruch des Auswahlverfahrens faktisch die Verhinderung anderer Kandidaten dar, die über verwendbare Beurteilungen verfügten.
Der Antragsgegner – vertreten durch das LKA – hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Abbruch des Auswahlverfahrens sei in formeller wie auch in materieller Hinsicht rechtmäßig erfolgt. Der Antragsteller sei von dem Abbruch rechtzeitig und in geeigneter Form in Kenntnis gesetzt worden. Zudem seien die wesentlichen Abbruchgründe schriftlich in dem Auswahlvermerk vom 26. September 2018 (Bl. 24 ff. d. Behördenakte) dokumentiert worden. Der sachliche Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens liege darin, dass die Besetzung des hier streitgegenständlichen Beförderungsdienstposten mangels vergleichbarer Beurteilungen der Bewerber nicht in dem Sinne einer Bestenauslese habe durchgeführt werden können. Ergänzend zu den in dem Auswahlvermerk niedergelegten Gründen nimmt der Antragsgegner zu der fehlenden Vergleichbarkeit der Beurteilungen Stellung. Die Beurteilungen des Antragsgegners seien in einem Punktesystem von 0-16 Punkten, die des Bundes in einem lediglich 6-stufigen Bewertungssystem mit dem Verbalprädikat „ausgezeichnet“ bis „nicht genügend“ erstellt worden. Auch die einzelnen Beurteilungsmerkmale wiesen deutliche Unterschiede auf. Teilweise seien die in den Beurteilungen des Antragsgegners enthaltenen Einzelmerkmale (z.B. Führungserfolg, Führungspotenzial, Verhandlungsgeschick) nicht vorhanden. Der Beurteilungsmaßstab und die Beurteilungspraxis des früheren Dienstherrn seien nicht bekannt. Zudem habe der Bewerber F. S. die vorgelegte Beurteilung in einem höheren Statusamt und damit in einer anders strukturierten Vergleichsgruppe erhalten. Eine Anlassbeurteilung für diesen Bewerber hinsichtlich seiner Dienstzeit bei dem Antragsgegner habe aufgrund der geringen Beurteilungsgrundlage nicht erstellt werden können. Um diesem Bewerber eine Teilnahme am Auswahlverfahren überhaupt erst zu ermöglichen und dessen Bewerbungsverfahrensanspruch Rechnung zu tragen, sei es zwingend erforderlich gewesen, das Auswahlverfahren abzubrechen. Das Auswahlverfahren sei daher unter Berücksichtigung des IMS vom 29. Mai 2018 abzubrechen und die Stelle neu auszuschreiben gewesen. Nur so habe sichergestellt werden können, dass ein gegebenenfalls aufgrund der neuen Beurteilungen verändertes Bewerberfeld in die Auswahlentscheidung habe einbezogen werden können. Der Umstand, dass der Bewerber F. S. nicht über eine hinreichend vergleichbare Beurteilung verfügt habe, könne nicht zu seinen Lasten gewertet werden, da dies nicht seiner, sondern der Risikosphäre seines Dienstherrn zuzuordnen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig.
Der rechtswidrige Abbruch eines Auswahlverfahrens verletzt den grundrechtsgleichen Bewerbungsverfahrensanspruch gem. Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland – GG. Daher können die Bewerber bereits diese Maßnahme einer gerichtlichen Überprüfung zuführen, obwohl sie nur vorbereitenden Charakter für eine neue Ausschreibung besitzt. Im Interesse des Dienstherrn wie auch der Bewerber an einer zeitnahen Klärung, in welchem Auswahlverfahren die Stelle vergeben wird, kann effektiver Rechtsschutz nicht durch eine Hauptsacheklage erreicht werden. Primärrechtsschutz kann daher alleine im Wege eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO mit dem Ziel geltend gemacht werden, den Dienstherrn zur Fortführung des Stellenbesetzungsverfahrens zu verpflichten (BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 2 C 6.11 – juris Rn. 12; U.v. 3.12.2014 – 2 A 3.13 – juris Rn. 21 ff.; BayVGH, B.v. 11.8.2015 – 6 CE 15.1379 – juris Rn. 7).
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch unbegründet, da dem Antragsteller kein Anordnungsanspruch zur Seite steht. Der Antragsgegner hat das durch die Ausschreibung vom 2. Juli 2018 eröffnete Auswahlverfahren rechtmäßig abgebrochen. Damit ist der Bewerbungsverfahrensanspruch, dessen Sicherung der Antragsteller begehrt, erloschen.
a) Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dafür muss sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) als auch ein Anordnungsanspruch vorliegen, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache.
b) Der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgende Bewerbungsverfahrensanspruch gibt Bewerbern um ein öffentliches Amt, hier das (Beförderungs-)Amt eines Sachbearbeiters der 3. QE im Sachgebiet Recht (Besoldungsgruppe A 11/ A 12), ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Die Bewerbung darf nur aus Gründen abgelehnt werden, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind. Der Bewerbungsverfahrensanspruch ist auf ein konkretes Stellenbesetzungsverfahren für die Vergabe eines bestimmten höheren Statusamtes gerichtet, das möglichst zeitnah nach der Auswahlentscheidung durch Beförderung des ausgewählten Bewerbers besetzt werden soll (BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 2 C 6.11 – juris Rn. 10). Aus dieser Verfahrensabhängigkeit folgt, dass der Anspruch erlischt, wenn das Verfahren rechtmäßig beendet wird.
Das Bewerbungsverfahren kann jedoch auch durch einen wirksamen Abbruch beendet werden, wenn der Dienstherr die Stelle zwar weiterhin vergeben will, hierfür aber ein neues Auswahlverfahren für erforderlich hält. Wirksam ist diese Entscheidung aber nur, wenn sie rechtmäßig ist. Dazu bedarf es eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG genügt (BVerfG, B.v. 28.11.2011 – 2 BvR 1181/11 – juris Rn. 22). Dem Dienstherrn kommt allerdings hinsichtlich der Beendigung eines eingeleiteten Auswahlverfahrens ein weites organisations- und verwaltungspolitisches Ermessen zu (BVerfG, B.v. 24.9.2015 – 2 BvR 1686/15 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 2 C 6/11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 5.4.2019 – 3 CE 19.314 – juris Rn. 9 f.). Er kann ein Stellenbesetzungsverfahren abbrechen, wenn kein Bewerber seinen Erwartungen entspricht (BVerwG, U.v. 26.1.2012 a.a.O.) oder wenn er sich entschließt, mit dem Ziel der bestmöglichen Besetzung der Beförderungsstelle einen breiteren Interessentenkreis anzusprechen, weil er den einzigen Bewerber nicht uneingeschränkt für geeignet hält (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.1996 – 2 C 21.95; U.v. 22.7.1999 – 2 C 14.98 – jew. juris) oder wenn seit der ersten Ausschreibung ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist und er den Bewerberkreis aktualisieren und vergrößern will (NdsOVG, B.v. 14.9.2006 – 5 ME 219/06 – juris). Gleiches gilt, wenn die Stelle neu zugeschnitten werden soll (BVerwG, B.v. 27.2.2014 – 1 WB 7.13; BayVGH, B.v. 13.6.2007 – 3 CE 07.807 – jew. juris). Darüber hinaus sind weitere Fallgestaltungen für einen mit personalwirtschaftlichen Argumenten sachlich begründeten Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens denkbar (BayVGH, B.v. 18.2.2011 – 3 CE 10. 2443 – juris Rn. 38; B.v. 1.2.2012 – 3 CE 11.2725 – juris Rn. 24, Inkrafttreten neuer ermessensbindender Richtlinien; zum Ganzen: Hofmann in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand: 12/2018, § 19 LBG NRW Rn. 32 m.w.N.). In formeller Hinsicht müssen die maßgeblichen Gründe für den Abbruch jedenfalls dann, wenn sie sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergeben, schriftlich dokumentiert und die Bewerber von dem Abbruch rechtzeitig und in geeigneter Form in Kenntnis gesetzt werden (BVerfG, B.v. 24.9.2015 – 2 BvR 1686/15 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 2 C 6.11 – juris Rn. 19). Genügt die Abbruchentscheidung diesen Vorgaben nicht, ist sie unwirksam und das in Gang gesetzte Auswahlverfahren nach dessen Maßgaben fortzuführen. Eine Neuausschreibung darf dann nicht erfolgen (BVerwG, B.v. 3.12.2014 – 2 A 3.13 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 13.1.2015 – 6 CE 14.2444 – juris Rn. 7 f. m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieser Anforderungen ist der streitgegenständliche Abbruch des Auswahlverfahrens nicht zu beanstanden.
c) Zum einen ist der Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens durch den Auswahlvermerk (v. 26.9.2018, Bl. 24 ff. d. Behördenakte) formell ausreichend dokumentiert. Dort wird ausdrücklich erläutert, dass „mangels vorliegender Beurteilung eines Bewerbers“ eine Auswahlentscheidung bis zu dem vom Staatsministerium festgelegten Zeitpunkt (30.9.2018) nicht möglich und die Ausschreibung daher zu widerrufen bzw. das Auswahlverfahren abzubrechen sei.
d) Der Antragsteller wurde mit Schreiben des Antragsgegners vom 1. Oktober 2018 über den Abbruch des Auswahlverfahrens auch rechtzeitig und in geeigneter Form in Kenntnis gesetzt.
e) Die schriftlich dokumentierte Begründung des Dienstherrn stellt zudem einen sachlichen Grund dar, der den Abbruch des Auswahlverfahrens und die Neuausschreibung der Stelle materiell rechtfertigt.
(1) Zum einen liegen nicht für alle Bewerber – nämlich nicht für den Bewerber F. S. – hinreichend aktuelle Beurteilungen vor. Denn F. S. hat seit dem 1. April 2018 ein Statusamt der Besoldungsgruppe A 11 (Polizeiamtmann) inne. Die seitens F. S. in dem Auswahlverfahren vorgelegte Anlassbeurteilung des Bundesrechnungshofs – Prüfungsamtes des Bundes M. – (Beurteilungszeitraum 1.4.2015 – 30.9.2016) bezog sich jedoch auf seine dortige Tätigkeit in dem Statusamt A 12 (Regierungsamtsrat). Eine Beurteilung in seinem aktuellen Statusamt lag zu dem Zeitpunkt, in welchem die Auswahlentscheidung zu treffen war, für F. S. nicht vor. Er konnte daher mangels aktueller Beurteilung nicht leistungs- und statusgerecht in die Auswahlentscheidung miteinbezogen werden. Zur Gewährleistung des Grundsatzes der Bestenauslese gem. Art. 33 Abs. 2 GG war es – wenn ggf. auch nicht zwingend geboten – so doch jedenfalls sachgerecht, dem Bewerber F. S., dessen Eignung für das angestrebte Amt nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte, die Einbeziehung in das Auswahlverfahren durch Abbruch und Neuausschreibung zu ermöglichen (vgl. BVerfG, B.v. 24.9.2015 – 2 BvR 1686/15 – juris Rn. 19).
Aufgrund der fehlenden Aktualität (abweichendes Statusamt) der vorgelegten Beurteilung des Bewerbers F. S. kann auch dahinstehen, ob die vorgelegte, durch eine Bundesbehörde erstellte (Anlass-)Beurteilung des Bewerbers F. S. hinsichtlich Beurteilungssystematik und -kriterien von denen des Antragsgegners derart abweicht, dass ein Vergleich nicht möglich ist. Dementsprechend war auch nicht weiter der Frage nachzugehen, warum F. S. keine zeitlich aktuellere Beurteilung für seine Zeit in Diensten des Bundes (v. 1.10.2016 bis zu seinem Dienstherrenwechsel zum 1.4.2018) vorgelegt hat; auch eine derartige Beurteilung wäre nicht auf sein aktuelles Statusamt bezogen.
(2) Es begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, dass der Antragsgegner, in dessen Diensten F. S. seit 1. April 2018 tätig ist, für diesen anlässlich des streitgegenständlichen Auswahlverfahrens keine (Anlass-)Beurteilung erstellt hat.
Denn ausweislich der einschlägigen Beurteilungsrichtlinien des Antragsgegners (Ziff. 8.2. BUBek-Pol/VS) ist eine Beurteilung nach einem Dienstherrenwechsel erst sechs Monate nach dem Wechsel zu erstellen. Der Antragsgegner hat sich mithin im Rahmen seines nur eingeschränkt überprüfbaren Organisationsermessens dazu entschlossen, (erst) einen mindestens sechs Monate währenden Tätigkeitszeitraum in seinen Diensten als hinreichende Tatsachengrundlage für die Erstellung einer dienstlichen Beurteilung zu werten. Dies ist sachgerecht und plausibel.
Auch eine Anlassbeurteilung gem. Art. 54 Abs. 1 Satz 1 LlbG war nicht zwingend zu erstellen. Denn eine solche bedarf gem. Ziff. 11 BUBek-Pol/VS der Zustimmung des Staatsministeriums, die jedoch plausibler- und damit zulässigerweise unter Bezugnahme auf die zu geringe Tätigkeitsdauer des Bewerbers F. S. in Diensten des Antragsgegners in dem für die Beurteilung relevanten Statusamt A 11 verweigert wurde.
(3) Ebenso ist rechtlich nichts dagegen einzuwenden, dass sich der Antragsgegner gegen eine Verlängerung der Entscheidungs- bzw. Bewerbungsfrist für das streitgegenständliche Auswahlverfahren über den 31. September 2018 hinaus und damit gegen ein Zuwarten bis zu der Erstellung der notwendigen (Anlass-)Beurteilung für den Bewerber F. S. entschieden hat. Denn andernfalls hätte der Antragsgegner den festgelegten einheitlichen Verwendungsbeginn der „neuen“ periodischen Beurteilungen zum 1. Oktober 2018 nicht einhalten können.
Der durch das Schreiben des Staatsministeriums vom 29. Mai 2018 festgelegte Auswahlstichtag war im Vorhinein abstrakt-generell unter Verweis auf den durch Verwaltungsvorschriften festzulegenden Verwendungsbeginn periodischer Beurteilungen (vgl. Art. 56 Abs. 4 Satz 1 LlbG, Ziff. 9 Satz 3 Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 13.7.2009, Az. 21-P 1003/1-023-19 952/09 – Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht – VV-BeamtR) und damit willkürfrei festgelegt. Das Anordnungsschreiben des Staatsministeriums war aufgrund der darin enthaltenen Regelung der allgemeinen Verfahrensweise als Verwaltungsvorschrift einzustufen. Der darin festgelegte Verwendungsbeginn bedingt, dass für die Leistungsfeststellung bei Stellenentscheidungen bis zu diesem Zeitpunkt auf die dienstliche Beurteilung des vorangegangenen Beurteilungszeitraums abzustellen ist, obwohl die nächste Beurteilungsperiode bereits abgelaufen ist und – soweit bereits erstellt -die neue Beurteilung zur Leistungsfeststellung herangezogen werden könnte. Angesichts des relativ kurzen Zeitraums, in dem die dienstlichen Beurteilungen betreffend die vorangegangene, überholte Beurteilungsperiode noch Geltung erlangen, bestehen keine Bedenken dahingehend, dass die Regelung des Art. 56 Abs. 4 Satz 1 LlbG bzw. die Festlegung eines entsprechenden Verwendungsbeginns gegen das verfassungsrechtlich verankerte Leistungsprinzip verstoßen könnte (vgl. VG München, B.v. 3.11.2015 – M 5 E 15.3254 – juris Rn. 28). Der Antragsgegner hat durch die Festlegung des Auswahlstichtags mithin fehlerfrei von dem ihm bei der organisatorischen Ausgestaltung des Auswahlverfahrens – unter Beachtung des Leistungsgrundsatzes – zukommenden weiten verwaltungspolitischen Ermessen Gebrauch gemacht (vgl. BVerfG, B.v. 24.9.2015 – 2 BvR 1686/15 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 5.4.2019 – 3 CE 19.314 – juris Rn. 16; B.v. 11.8.2015 – 6 CE 15.1379 – juris).
Die Entscheidung für einen Auswahlstichtag ist insbesondere in Anbetracht des großen Personalkörpers, den der Antragsgegner im Bereich der Polizei zu verwalten hat, und der damit einhergehenden Vielzahl von zu treffenden Beförderungsentscheidungen sachgerecht und nachvollziehbar. Im Hinblick auf den bis zur beabsichtigten Erstellung der Beurteilung für den Bewerber F. S. eintretenden „einheitlichen Verwendungsbeginn“ der „neuen“ Beurteilungen ist es aufgrund des Leistungsprinzips unter Umständen sogar geboten, den Bewerberkreis im Wege einer neuen Ausschreibung zu aktualisieren (BayVGH, B.v. 5.4.2019 – 3 CE 19.314 – juris Rn. 16). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Abbruch sachwidrig allein der Benachteiligung oder Bevorzugung eines Bewerbers dienen könnte. Dass und warum der Antragsgegner eine Beförderung des Antragstellers verhindern wollen sollte, erschließt sich dem Gericht nicht.
Darüber hinaus gewährleistet Art. 33 Abs. 2 GG keinen Schutz davor, dass sich die Stellenbesetzung verzögert bzw. weitere Bewerber in das Auswahlverfahren einbezogen werden (vgl. BVerfG, B.v. 25.1.2017 – 2 BvR 2076/16 – juris Rn. 26; BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 2 C 6.11 – BVerwGE 145, 185 Rn. 28 ff.). Aus Art. 33 Abs. 2 GG folgt insbesondere kein schützenswertes „Konkurrentenverhinderungsinteresse“ eines Bewerbers (BayVGH, B.v. 5.4.2019 – 3 CE 19.314 – juris Rn. 17).
3. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. dem Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit, nämlich ein Viertel der ruhegehaltsfähigen Jahresbezüge des Antragstellers im angestrebten Amt [(6×4.259,66 EUR) + (6×4.371,63EUR) + 2.805,16 EUR; davon ¼].
Dabei war auch die jährliche Sonderzahlung gem. Art. 82, 83 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Bayerisches Besoldungsgesetz (BayBesG) mitanzusetzen (a.A. BayVGH, B.v. 11.8.2017 – 3 CS 17.512 – BeckRS 2017, 121542 Rn. 7). Ihre Ausklammerung bei der Streitwertberechnung würde dem ausdrücklichen, anlässlich der Änderung des § 52 GKG geäußerten Willen des Gesetzgebers widersprechen: „Soweit Sonderzuwendungen gezahlt werden, sind diese in dem Jahresbetrag enthalten“ (Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz, BT-Drucks. 17/11471 S. 246 Zu Buchstabe b Abs. 3). Die damalige Änderung der beamtenrechtlichen Streitwertberechnung gem. § 52 GKG war u.a. dem Umstand geschuldet, dass „mittlerweile (…) die Sonderzuwendungen je nach Bundesland unterschiedlich reduziert und zum Teil – wie auch beim Bund – in die monatlichen Bezüge eingerechnet worden (waren)“ (Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, a.a.O. S. 246 Zu Buchstabe b Abs. 3). Mit der Abkehr von der bis dato geltenden Streitwertberechnung in Höhe des 13-fachen Endgrundgehalts (pauschal die durchschnittlich in einem Jahr zu gewährenden Bezüge einschließlich der jährlichen Sonderzahlung) wollte der Gesetzgeber daher allein den (im Zuge der Föderalismusreform) unterschiedlich ausgestalteten Besoldungssystemen in Bund und Ländern Rechnung tragen. An der grundsätzlichen Berücksichtigung der jährlichen Sonderzahlung bei der Streitwertermittlung sollte sich hingegen nichts ändern (Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, a.a.O. S. 246 Zu Buchstabe b Abs. 2). Im Übrigen wird auch Ruhestandsbeamten eine jährliche Sonderzahlung gewährt, vgl. Art. 75, 76 BayBeamtVG.