Verwaltungsrecht

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  M 28 K 17.30224

Datum:
18.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 50486
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Ein Vortrag eines Asylbewerbers, der mit den feststehenden Tatsachen in seinem Heimatland nicht zu vereinbaren ist, begründet erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt des Vortrages des Asylbewerbers. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Kostenentscheidung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2018 verhandeln und entscheiden konnte, weil die Beklagte rechtzeitig und unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 VwGO geladen worden ist, ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung der jeweils entgegenstehenden Ziffern des angegriffenen Bescheides die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutz zuzuerkennen oder zu seinen Gunsten ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Das Bundesamt hat den Asylantrag zu Recht vollumfänglich abgelehnt.
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Das Gericht muss hinsichtlich eines vom Asylsuchenden geltend gemachten individuellen Verfolgungsschicksals die volle Überzeugung von der Wahrheit erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Herkunftsstaat befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu. Demgemäß setzt ein Asylanspruch bzw. die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, gegenüber dem Tatgericht einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen. Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen (vgl. BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 – juris Rn. 11). Werden im Laufe des Verfahrens ohne plausible Erklärung unterschiedliche Angaben gemacht, enthält das Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche, erscheinen die Darstellungen nach den Erkenntnismaterialien, der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar oder wird das Vorbringen im Laufe des Verfahrens ohne ausreichende Begründung erweitert oder gesteigert und insbesondere ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren eingeführt, so kann den Aussagen in der Regel kein Glauben geschenkt werden.
Dies vorausgeschickt hat das Gericht erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der klägerischen Ausführungen. Die Schilderungen des Klägers sind widersprüchlich und nicht plausibel. Insbesondere lassen sich die Daten seiner Schilderungen nicht mit feststehenden Tatsachen vereinbaren. Der Kläger erklärte, seine Gruppe innerhalb der Komala-Partei sei während der Trauerfeier zum Tod des dritten schiitischen Imams, Aschura, aufgeflogen. Im selben Jahr – nach den Angaben des Klägers beim Bundesamt im Jahr 2015 – sei er dann geflohen. Die Trauerfeier Aschura fand, wie dem Gericht aus einem anderen Verfahren sowie aus allgemein zugänglichen Quellen bekannt ist, im Jahr 2015 am 23. Oktober statt, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger längst in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.
Das Vorbringen des Klägers zu den Geschehnissen rund um die Aufdeckung seiner Tätigkeiten ist ebenfalls widersprüchlich. So erklärte der Kläger einerseits, sie seien bei der Verteilung von Broschüren durch seinen Freund . . P* . aufgeflogen. Andererseits behauptete er später, er wisse gar nicht genau, wie sein Freund aufgeflogen sei und woher dieser davon wisse, weil der Freund ihm gesagt habe, er solle nicht so viele Fragen stellen. Nach einer weiteren Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung sei es ein anderer Freund gewesen, den er im Internet kennengelernt habe und der den Kläger – zu einem Zeitpunkt, als dieser schon in Deutschland gewesen sei – denunziert habe. Widersprüchlich sind auch die Erklärungen des Klägers zu seinem Freund M* . Während der Kläger beim Bundesamt noch ausgeführt hat, dass sein Kumpel . M* . bereits früher im Iran festgenommen worden sei, nach seiner Entlassung in den Irak gegangen sei und anschließend von dort in die Schweiz emigriert sei, erklärte er in der mündlichen Verhandlung, sein Freund M* . sei auch nach seiner Haftentlassung Mitglied der kleinen Gruppe gewesen, die im Iran zusammengearbeitet habe, habe sich folglich nach wie vor im Iran aufgehalten.
Nach alldem ist das Vorbringen des Klägers widersprüchlich, in sich wenig schlüssig und insgesamt unglaubhaft.
Schließlich konnte die Einzelrichterin auch sonst bei der ausführlichen Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung weder inhaltlich noch nach der Art und Weise des persönlichen Vortrags des Klägers – und sei es auf Grund eines einzelnen, besonders prägnanten sachlichen Details oder auf Grund einer besonders überzeugenden Darstellung auch nur eines einzelnen, ggf. nebensächlichen Aspekts durch die Klagepartei – nicht die Überzeugung davon gewinnen, dass zu den Gründen der Ausreise aus dem Iran tatsächlich wahrheitsgemäß vorgetragen wird. Insbesondere hatte die Einzelrichterin nach dem persönlichen Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass der Kläger tatsächlich einer von ihm als ernsthaft und bedrohlich empfundenen Gefahr gleichsam im letzten Moment entronnen sein könnte.
Aus einer Gesamtschau der vorgenannten Aspekte ergibt sich deshalb, dass der Kläger nach Überzeugung der Einzelrichterin unverfolgt und ungefährdet aus dem Iran ausgereist ist.
Die (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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