Europarecht

Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 7 KraftStG

Aktenzeichen  6 K 424/17

Datum:
6.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 42356
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
KraftStG § 2 Abs. 2, § 3 Nr. 7 S. 2
FGO § 101, § 115 Abs. 2 Nr. 2, § 135 Abs. 1, § 143 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Das Hauptzollamt hat zu Recht den Erlass eines geänderten Kfz-Steuerbescheides, der eine Befreiung von der Kfz-Steuer vorsieht, abgelehnt (vgl. § 101 FGO).
Die von der Klägerin für den Sattelanhänger mit dem amtlichen Kennzeichen … begehrte Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 7 a) KraftStG kommt weder bei Prüfung als begünstigter Kraftfahrzeuganhänger noch als Sonderfahrzeug in Betracht
I. Nach § 3 Nr. 7 KraftStG ist von der Steuer befreit das Halten von Zugmaschinen (ausgenommen Sattelzugmaschinen), Sonderfahrzeugen, Kraftfahrzeuganhängern hinter Zugmaschinen oder Sonderfahrzeugen und einachsigen Kraftfahrzeuganhängern (ausgenommen Sattelanhänger, aber einschließlich der zweiachsigen Anhänger mit einem Achsabstand von weniger als einem Meter), solange diese Fahrzeuge ausschließlich
a) in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben,
(…) verwendet werden.
Als Sonderfahrzeuge gelten Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit ihnen fest verbundenen Einrichtungen nur für die bezeichneten Verwendungszwecke geeignet und bestimmt sind. Die Steuerbefreiung nach Buchstabe a wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Land- oder Forstwirt land- oder forstwirtschaftliche Erzeugnisse von einer örtlichen Sammelstelle zu einem Verwertungs- oder Verarbeitungsbetrieb, land- oder forstwirtschaftliche Bedarfsgüter vom Bahnhof zur örtlichen Lagereinrichtung oder Holz vom forstwirtschaftlichen Betrieb aus befördert (§ 3 Nr. 7 S. 2 und 3 KraftStG).
II.
Für das Hauptzollamt sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG für die Beurteilung der Schadstoff-, Kohlendioxid- und Geräuschemissionen, anderer Bemessungsgrundlagen technischer Art sowie der Fahrzeugklassen und Aufbauarten die Feststellungen der Zulassungsbehörden verbindlich.
Damit ist die Einstufung als Sattelanhänger durch die Zulassungsbehörde für das Hauptzollamt verbindlich.
III.
Sattelanhänger sind nicht nach § 3 Nr. 7 KraftStG begünstigte Anhänger.
1. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich – grammatikalisch betrachtet – nicht eindeutig, ob sich der Klammerzusatz „ausgenommen Sattelanhänger, aber einschließlich …“ nur auf die unmittelbar vorgenannten einachsigen Kraftfahrzeuganhänger oder auch auf die Kraftfahrzeuganhänger hinter Zugmaschinen oder Sonderfahrzeugen bezieht.
2. Bei Auslegung der Vorschrift entsprechend ihrer Entstehungsgeschichte wird deutlich, dass Sattelanhänger nicht als Anhänger nach § 3 Nr. 7 KraftStG begünstigt sind.
Das Kraftfahrzeugsteuergesetz in der Fassung vom 17.03.1964 (BGBl I, 145) enthält erstmals die hier in Frage stehende Ausnahme von Sattelanhängern von der Steuerbefreiung (§ 2 Nr. 6 KraftStG 1964).
a) Die Vorgängerregelung im Kraftfahrzeugsteuergesetz 1961 (BGBl I, 1) lautete in § 2 Nr. 6 KraftStG 1961 wie folgt:
„Von der Steuer befreit ist das Halten von
Nr. 6
Zugmaschinen, Sonderfahrzeugen und Anhängern hinter Zugmaschinen oder Sonderfahrzeugen, solange die Fahrzeuge ausschließlich in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden. Als Sonderfahrzeuge gelten Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart oder ihren besonderen Einrichtungen ausschließlich für die Verwendung in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben geeignet und bestimmt sind;
b) In der vierten Legislaturperiode wurde hierzu ein Änderungsantrag eingebracht (vgl. BTDrs. IV/902 (neu)). Im Bericht des Finanzausschusses vom 17.05.1963 (BTDrs. IV/1281) wurde von diesem vorgeschlagen, Kraftfahrzeuganhänger einschließlich der Sattelanhänger zu begünstigen. Dieser Vorschlag erfolgte im Hinblick auf das seinerzeit kürzlich bekannt gewordene Urteil des BFH vom 30.01.1963 II 69/62 U, wonach Sattelzugmaschinen nicht mehr unter die bisherige Befreiungsvorschrift fielen. Der Finanzausschuss sah die Einbeziehung der Sattelzugmaschinen und der Sattelanhänger in die Befreiungsvorschrift mit Rücksicht auf Milchtransporte nach Berlin, die weitgehend mit Sattelzügen durchgeführt würden, ausdrücklich vor.
In einem weiteren Bericht des Finanzausschusses vom 03.12.1963 (BTDrs. IV/1690) vollzog dieser eine Kehrtwendung. Die Sattelzugmaschinen und Sattelanhänger wurden ausdrücklich von der Befreiung ausgenommen. Zur Begründung führte der Finanzausschuss an, es habe sich ergeben, dass die bisher vorgeschlagene Fassung gewerbliche Unternehmen in erheblich größerem Maße begünstige und mehr Einnahmeausfälle zur Folge haben würde, als bei den früheren Beratungen bekannt gewesen sei. Die Vorschrift solle aber nach ihrem Sinn und Zweck so weit wie nur möglich auf den Bereich der Land- und Forstwirtschaft beschränkt bleiben. Der Finanzausschuss schlage deshalb vor, die Steuerbefreiung außer für Zugmaschinen und Sonderfahrzeuge nicht für Kraftfahrzeug-Anhänger schlechthin, sondern grundsätzlich nur – dem geltenden Recht entsprechend – für Anhänger hinter Zugmaschinen und Sonderfahrzeugen gelten zu lassen. Eine Ausnahme sei im Interesse vieler landwirtschaftlicher Betriebe nur für einachsige Kraftfahrzeug-Anhänger erforderlich; diese sollten bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen ohne Rücksicht auf die Art des ziehenden Fahrzeuges steuerfrei sein, könnten also z. B. ohne nachteilige steuerliche Folgen auch hinter Personenkraftwagen mitgeführt werden. Abweichend von der Fassung in Drucksache IV/1281 sollten außerdem Sattelzugmaschinen und Sattelanhänger von der Steuerbefreiung ausgeschlossen werden. Diese Einschränkung sei für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft ohne Bedeutung und führe – entgegen der zunächst bestehenden Befürchtung – auch für den Milchtransport nach Berlin nicht zu einer zusätzlichen Belastung, weil die in diesem Verkehr eingesetzten Sattelzüge auch nach geltendem Recht steuerpflichtig gewesen seien.
3. Das Kraftfahrzeugsteuergesetz erhielt in § 2 Nr. 6 in der Fassung vom 17.03.1964 (BGBl I, 145) weitgehend die vom Finanzausschuss vorgeschlagene Formulierung, nämlich:
6. Zugmaschinen (ausgenommen Sattelzugmaschinen), Sonderfahrzeugen, Kraftfahrzeug-Anhängern hinter Zugmaschinen oder Sonderfahrzeugen und einachsigen Kraftfahrzeug-Anhängern (ausgenommen Sattelanhänger), solange diese Fahrzeuge ausschließlich
a) in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben,
(…) verwendet werden.
4. Diese Formulierung entspricht im Wesentlichen der heute gültigen und auf den Streitfall anzuwendenden Fassung. Durch das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1979 (BGBl I, 132) wurde die Begünstigung der land- und forstwirtschaftlich verwendeten Fahrzeuge zu § 3 Nr. 7 umnummeriert, durch Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung schadstoffarmer Personenkraftwagen vom 22.12.1989 (BGBl I, 2436) wurde der Klammerzusatz um die Regelung hinsichtlich der zweiachsigen Anhänger mit einem Achsabstand von weniger als einem Meter ergänzt.
5. Nach dem Verständnis des Senats bezieht sich die Ausnahme der Sattelzuganhänger auf alle Kraftfahrzeuganhänger.
Aus der historischen Entwicklung der Vorschrift und insbesondere aus den aus den Berichten des Finanzausschusses deutlich ersichtlichen Beweggründen und Absichten des Gesetzgebers geht hervor, dass Sattelzugmaschinen und Sattelanhänger an sich nicht begünstigt werden sollten.
Die Gesetzesformulierung kann daher nicht dahingehend verstanden werden, dass sich der Klammerzusatz „ausgenommen Sattelanhänger“ nur auf die einachsigen Kraftfahrzeuganhänger bezieht. Die gesonderte Aufnahme dieser Anhänger in die Befreiungsvorschrift war, wie oben ausgeführt, dadurch motiviert, dass diese ohne Rücksicht auf die Art des ziehenden Fahrzeugs steuerfrei sein sollten.
Hiervon geht auch die Kommentierung in Strodthoff, KraftStG, § 3 Rz. 74, aus.
6. Auf eine Fallgruppenbildung innerhalb der in § 3 Nr. 7 KraftStG genannten Anhänger, wie von der Klägerin vorgenommen, kommt es daher nicht an.
7. Der Senat verkennt nicht, dass sich die Verhältnisse der landwirtschaftlich genutzten Fahrzeuge, darunter auch Zugmaschinen und Anhänger, seit 1964 deutlich verändert haben. Insbesondere die Einschätzung des Finanzausschusses (BRDrs. IV/1690), wonach der Ausschluss von Sattelzugmaschinen und Sattelanhängern von der Begünstigung für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft ohne Bedeutung sei, entspricht nicht mehr heutigen Gegebenheiten. Vielmehr kommen derartige Fahrzeuge auch in landwirtschaftlichen Betrieben zum Einsatz (vgl. nur zur Produktübersicht von Sattelanhängern zur landwirtschaftlichen Verwendung bspw. fl.-agrartechnik.de, k…ag, k1-nutzfahrzeuge.de, w.-fahrzeugbau.de, k2.de, sowie t..man.de und a…de zu entsprechenden Sattelzugmaschinen).
In diesem Zusammenhang ist auch ein Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 14.03.2018 (8 K 3180/16 Verk (juris); Rev. BFH III R 20/18) zu sehen, das im Fall eines laut Zulassungsbescheinigung als LOF.Sattelzugmaschine eingestuften Fahrzeugs den Anwendungsbereich des § 3 Nr. 7 KraftStG im Weg der teleologischen Reduktion dergestalt begrenzt hat, dass der Ausschluss von der Kraftfahrzeugsteuerbefreiung eine für spezifisch land- und forstwirtschaftliche Verwendung umgerüstete und zulassungsrechtlich entsprechend ausgewiesene Sattelzugmaschine nicht erfasst. Das Finanzgericht Düsseldorf ist davon ausgegangen, dass das Halten eines derartig eingestuften Fahrzeugs steuerbegünstigt ist.
Im Streitfall kommt nach Auffassung des Senats wegen der verbindlichen Einstufung des Fahrzeugs als Sattelanhänger und wegen des bei Auslegung der Vorschrift des § 3 Nr. 7 KraftStG heranzuziehenden eindeutigen Willens des Gesetzgebers eine andere Beurteilung als unter III. 5. dargestellt nicht in Betracht.
IV.
Der Sattelanhänger ist auch nicht als Sonderfahrzeug von der Kfz-Steuer befreit.
1. Der Wortlaut des § 3 Nr. 7 KraftStG und der im Gesetzgebungsverfahren deutlich gewordene Wille des Gesetzgebers, land- und forstwirtschaftliche Betriebe zu begünstigen, setzen dem Anwendungsbereich der Vorschrift enge Grenzen (BFH-Urteile vom 02.12.2003 VII R 26/02, BStBl II 2004, 525; vom 22.06.2004 VII R 42/03, BStBl II 2004, 903; vom 16.07.2014 II R 39/12, BFH/NV 2014, 1863, und BFH-Beschluss vom 16.06.2008 II B 83/07, BFH/NV 2008, 1706).
Als Sonderfahrzeuge gelten danach nur solche Fahrzeuge, die sich objektiv nur für den begünstigten Zweck eignen, ohne dass bei ihnen eine anderweitige „sinnvoll-praktische“ Verwendung tatsächlich in Betracht kommt, es sei denn, diese andere Verwendung erscheint angesichts der Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs entgegen seiner vorgegebenen Bestimmung und eigentlichen Eignung „völlig zweckfremd“ (BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1706, m.w.N.).
Die enge Beziehung zu den Tätigkeiten, die zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören und dessen Wesen gerade ausmachen (Nutzung des Bodens für die Erzeugung von Produkten durch Aufzucht von Pflanzen und Tieren, vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2004, 903), rechtfertigt danach eine Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer für Fahrzeuge, die ausschließlich geeignet und bestimmt sind, „ihrer Art nach“ nur in der Land- oder Forstwirtschaft anfallende Leistungen zu erbringen. Fahrzeuge, die auch in Betrieben eingesetzt werden können, die keine landwirtschaftlichen Betriebe sind, sind demnach keine Sonderfahrzeuge für die Landwirtschaft i.S. des § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a KraftStG (BFH-Urteil vom 16.07.2014 II R 39/12, BFH/NV 2014, 1863; BFH-Urteil in BStBl II 2004, 525). Der BFH stellt hierzu auf die abstrakte Verwendungsmöglichkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs für Betriebe, die keine land- und forstwirtschaftlichen Betriebe sind, ab. Nur eine völlig zweckfremde Nutzungsmöglichkeit bleibt bei der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Würdigung unberücksichtigt (BFH-Urteil vom 16.07.2014 II R 39/12, BFH/NV 2014, 1863 m.w.N.).
2. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass sich das streitgegenständliche Fahrzeug objektiv nur für den begünstigten Zweck der Land- und Forstwirtschaft eignet, ohne dass eine anderweitige „sinnvoll-praktische“ Verwendung tatsächlich in Betracht kommt.
Der von der Klägerin verwendete Anhänger „K. SKM 35/3, Kipper offener Kasten“ ist kein Fahrzeug, das ausschließlich geeignet und bestimmt ist, seiner Art nach nur in der Land- oder Forstwirtschaft anfallende Leistungen zu erbringen. Es ist ebenso möglich, dass der Sattelanhänger auch zur Beförderung von anderen Gütern in Gewerbebetrieben eingesetzt werden kann.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist es unerheblich, dass das Fahrzeug, wie vorgetragen, im konkreten Streitfall nur im landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin verwendet wird. Die Rechtsprechung stellt auf die abstrakte Verwendungsmöglichkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs für Betriebe, die keine land- und forstwirtschaftlichen Betriebe sind, ab.
Die Revision wird im Hinblick auf eine Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Bezug auf die Steuerbegünstigung von Sattelzugmaschinen und Sattelanhänger zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 135 Abs. 1,143 Abs. 1 FGO.

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