Verwaltungsrecht

Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen unrichtiger oder unvollständiger Übersetzung durch einen Dolmetscher

Aktenzeichen  13a ZB 16.30368

Datum:
20.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 108397
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen unrichtiger oder unvollständiger Übersetzung durch einen Dolmetscher kann im Zulassungsverfahren nicht mehr geltend machen werden, wenn die angeblichen Übersetzungsmängel nicht schon in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gerügt wurden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 K 16.30746 2016-08-16 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da der Zulassungsantrag aus nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Soweit sich der Kläger zunächst auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) beruft, macht er keinen der in § 78 Abs. 3 AsylG genannten Zulassungsgründe geltend. Hierauf ist der Kläger mit gerichtlichem Anschreiben vom 23. September 2016 hingewiesen worden, woraufhin von Seiten des Klägers keine Reaktion erfolgte.
Soweit der Kläger geltend macht, er sei minderjährig und es bestünden erhebliche Zweifel am Geburtsjahr 1997, rügt er sinngemäß das Vorliegen eines Verfahrensmangels nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG in Verbindung mit § 138 Nr. 4 VwGO. Allerdings ist dieser Verfahrensfehler nicht gegeben, da der Kläger nach der Amtsbescheinigung des Amtsgerichts Günzburg – Familiengericht – vom 30. Dezember 2015 am 31. Dezember 1997 geboren ist und damit am 31. Dezember 2015 volljährig wurde. Der Kläger war damit bereits bei seiner Antragstellung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 5. März 2016 handlungsfähig nach § 12 Abs. 1 AsylG und im anschließenden Klageverfahren prozessfähig nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.
Soweit der Kläger geltend macht, sowohl bei seiner Anhörung am 25. April 2016 beim Bundesamt als auch bei seiner informatorischen Anhörung durch das Verwaltungsgericht am 16. August 2016 sei lediglich ein Dolmetscher für „Dari“ anwesend gewesen, obwohl er ausschließlich „Paschtu“ spreche, wodurch sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden sei, macht er zwar einen möglichen Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO geltend. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen unrichtiger oder unvollständiger Übersetzung durch einen Dolmetscher kann der Kläger im Zulassungsverfahren (aber) nicht mehr geltend machen, weil er die angeblichen Übersetzungsmängel nicht schon in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gerügt hat. Ein Prozessbeteiligter kann seinen Zulassungsantrag nur dann auf die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör stützen, wenn er zuvor die nach Lage der Sache gegebenen prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (OVG NW, B.v. 5.9.2016 – 13 A 1697/16.A – AuAS 2016, 225 Rn. 26; BayVGH, B.v. 4.11.2014 – 10 ZB 14.1768 – juris Rn. 9). Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 16. August 2016 haben der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter gegenüber dem Verwaltungsgericht weder gerügt, dass es bei der Übersetzung durch den Dolmetscher zu Verständigungsproblemen gekommen sei, noch haben sie einen Unterbrechungs- oder Vertagungsantrag mit der Begründung gestellt, dass der Kläger einen anderen Dolmetscher wünsche (vgl. BayVGH, B.v. 4.11.2014 a.a.O.; OVG NW, B.v. 30.11.2009 – 12 A 1115/08 – juris Rn. 5; B.v. 6.8.2003 – 11 A 381/03.A – AuAS 2004, 11 = juris Rn. 19; NdsOVG, B.v. 24.7.2006 – 5 LA 306/05 – juris Rn. 5).
Auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe seiner Entscheidung veraltete Berichte zur Sicherheitslage zu Grunde gelegt und nicht die aktuelle Lage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung berücksichtigt, führt nicht zur Zulassung der Berufung. Im Hinblick darauf, dass das Verwaltungsgericht den zum Zeitpunkt seiner Entscheidung vorhandenen aktuellsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes herangezogen hat (UA S. 6) und der Kläger selbst keine anderen Berichte oder Erkenntnisquellen benennt, trifft der Vorwurf schon tatsächlich nicht zu. Versteht man den klägerischen Vortrag dahingehend, das Verwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, kann der Kläger mit dem Einwand der Aufklärungsrüge nicht gehört werden, weil Verstöße gegen die Aufklärungspflicht nicht zu den in § 138 VwGO bezeichneten Verfahrensmängeln gehören, auf die der Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG gestützt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2012 – 14 ZB 11.30140 – juris Rn. 4 m.w.N.). Auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des rechtlichen Gehörs bleibt das Vorbringen ohne Erfolg, da das rechtliche Gehör im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes gewährleistet, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG, B.v. 21.4.1982 – 2 BvR 810/81 – BVerfGE 60, 305/310). Die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO berührt den Regelungsgehalt des Art. 103 Abs. 1 GG nicht; denn der Grundsatz des rechtlichen Gehörs stellt nur sicher, dass das Gericht die Ausführungen der Beteiligten würdigt. Art. 103 Abs. 1 GG gibt den am Prozess Beteiligten jedoch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht Tatsachen erst beschafft oder von sich aus Beweis erhebt (BVerfG, B.v. 2.12.1969 – 2 BvR 320/69 – BVerfGE 27, 248/251; BayVerfGH, E.v. 13.3.1981 – Vf. 93-VI-78 – VerfGH 34, 47 = BayVBl 1981, 529). Aufklärungspflichten, die über die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen hinausgehen, sich zu dem der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt zu äußern, sind, auch wenn sie im einfachen Prozessrecht verankert sind, nicht von der Schutzwirkung des Rechts auf Gehör umfasst (BayVerfGH, E.v. 29.1.2014 – Vf. 18-VI-12 – BayVBl 2014, 448).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

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