Steuerrecht

Schätzung der Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung

Aktenzeichen  1 K 1200/16

Datum:
4.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 136606
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
AO § 162

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

Die Klage ist unzulässig, da das Klagebegehren nicht innerhalb der Frist des § 65 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO bezeichnet wurde und keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
1. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss eine Klage unter anderem den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Genügt die Klage diesen Erfordernissen nicht, so kann der Senatsvorsitzende oder der Berichterstatter des Finanzgerichts dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen. Wird diese Frist versäumt, so ist die Klage – vorbehaltlich der Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – endgültig unzulässig.
Wie weit das Klagebegehren einer Klage im Einzelnen zu substantiieren ist, hängt von den Umständen des Falles ab, insbesondere von dem Inhalt des angefochtenen Verwaltungsaktes, der Steuerart und der Klageart. Entscheidend ist, ob das Gericht durch die Angaben des Klägers in die Lage versetzt wird, zu erkennen, worin die den Kläger treffende Rechtsverletzung nach deren Ansicht liegt (BFH-Beschlüsse vom 30.04.2001 VII B 325/00, BFH/NV 2001, 1227; vom 17.01.2002 VI B 114/01, BStBl II 2002, 306). Der Gegenstand des Klagebegehrens kann auch im Wege der Auslegung und unter Rückgriff auf die Steuerakten festgestellt werden (BFH-Beschluss vom 20.09.2002 IV B 198/01, BFH/NV 2003, 190, m.w.N.).
Grundsätzlich nicht ausreichend sind die Ankündigung eines Sachvortrags, die Ankündigung einer nachzureichenden Steuererklärung, der allgemeine Hinweis, die Besteuerungsgrundlagen seien zu hoch geschätzt worden, oder der Antrag auf „Aufhebung“ eines Schätzungsbescheides, wenn der Sache nach erkennbar und typischerweise eine Herabsetzung der Steuer nach Maßgabe von noch abzugebenden Steuererklärungen begehrt wird (BFH-Urteil vom 08.07.1998 I R 23/97, BStBl II 1998, 628). Das Klagebegehren ist auch dann nicht ausreichend bezeichnet, wenn vorgetragen wird, dass der Steuerbescheid in verschiedenen (nicht näher bezeichneten) Positionen unrichtig sei (BFH-Beschluss vom 23.10.2008 X B 138/08, n.v.).
2. Die erhobene Klage lässt nicht erkennen, in welchem Umfang der angefochtene Bescheid korrigiert werden soll. Der Kläger hat das Klagebegehren nicht bis zum Ablauf der Ausschlussfrist am 10.01.2017 bezeichnet.
Nach der richterlichen Verfügung gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO erfolgte keine Konkretisierung des Klagebegehrens innerhalb der gesetzten Frist gegenüber dem Finanzgericht. Das Klagebegehren ergibt sich weder aus der Klageschrift noch aus weiteren Schreiben. Die Schriftsätze des Klägers beschränken sich darauf, die Frist zur Einreichung von Unterlagen um drei bis sechs Monate zu verlängern. Es fehlt somit an einer substantiierten Darlegung des Klägers, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt.
Eine zeitnahe Sachprüfung und Entscheidung durch das Gericht wird nur durch eine Stellungnahme gegenüber dem Gericht ermöglicht. Bei Gericht ging kein solches Schreiben des Klägers ein. Eine Konkretisierung gegenüber dem Finanzamt, die im Übrigen hierfür nicht ausreichend wäre (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 11.06.1999 V B 168/98, BFH/NV 1999, 1501), befindet sich ebenfalls nicht in den Akten.
Das Klagebegehren kann aber auch nicht aus anderen Unterlagen entnommen werden. Die Einkommensteuererklärung samt Anlagen – auch die Grundstücke in den Erläuterungen zur Anlage L -, die der Kläger im Einspruchsverfahren gegen den Schätzungsbescheid vom 12.12.2006 eingereicht hatte, wurde dem angegriffenen Steuerbescheid im Wesentlichen zugrunde gelegt.
Die Einspruchsentscheidung und die Steuerakten geben jeweils nur einen Hinweis darauf, dass der Kläger Nachfragen zur Ermittlung der Einkünfte gem. § 13a EStG gestellt hatte. Ein konkretes Vorbringen des Klägers im Einspruchsverfahren, dass und in welchem Umfang die Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen gem. § 13a EStG fehlerhaft sei, geht daraus nicht hervor. Im Übrigen nahm der Kläger auch nicht auf ein Vorbringen im Einspruchsverfahren Bezug.
3. Die Ausschlussfrist war nicht auf das Schreiben vom 12.12.2016 oder den Antrag vom 10.01.2017 hin zu verlängern.
Zwar kann auch eine gem. § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzte Ausschlussfrist verlängert werden. Dies setzt jedoch voraus, dass der Kläger mit dem Fristverlängerungsantrag erhebliche Gründe glaubhaft macht (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO). Die Glaubhaftmachung erheblicher Gründe für die Verlängerung einer gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzten Frist obliegt dem Antragsteller im Rahmen einer gesteigerten Mitwirkungspflicht. Diese Pflicht zur Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) schränkt den im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz ein (BFH-Beschluss vom 01.08.1996 XI B 149-150/95, BFH/NV 1997, 131).
Selbst wenn man auch das Schreiben vom 12.12.2016 als Antrag auslegen würde, hat der Kläger in den beiden Schreiben weder erhebliche Gründe vorgetragen noch diese durch ein ärztliches Attest glaubhaft gemacht. Seine psychische Erkrankung ist keine plötzlich aufgetretene Erkrankung, die ihn an dem Einhalten der Frist hindert. Der Kläger wies bereits in seinem Schreiben vom 10.05.2012 an das Finanzamt auf den Zusammenbruch vom 04.02.2011 hin. Seitdem begründet er immer wieder in seinen Verfahren Fristverlängerungsanträge gegenüber dem Finanzgericht mit dieser Erkrankung, so dass es das Finanzgericht für angezeigt hielt, ihm anzuraten, einen Steuerberater zur Erledigung seiner steuerlichen Angelegenheiten zu beauftragen. Seinen aktuellen Gesundheitszustand als erheblichen Grund für eine Verlängerung hat er im Übrigen auch nicht durch ein ärztliches Attest glaubhaft gemacht.
4. Dem Kläger ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 65 Abs. 2 Satz 3 FGO i.V.m. § 56 Abse. 1 und 2 FGO zu gewähren.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, ein gesetzliche Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). Gem. § 56 Abs. 2 FGO ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 FGO).
Zum einen ist der allgemeine Hinweis in der mündlichen Verhandlung auf das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung nicht als Antrag nach § 56 Abs. 2 FGO zu werten. Selbst wenn man diesen Hinweis als Antrag auslegen würde, wäre dieser nicht rechtzeitig gestellt.
Die Antragsfrist beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses, d.h. mit dem Zeitpunkt, in dem die Ursache der Verhinderung behoben oder das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr unverschuldet ist (z.B. BFH VII B 64/99, BFH/NV 1999, 1633). Das ist regelmäßig der Zeitpunkt, in dem der Kläger von der Fristversäumung Kenntnis erlangt und in dem er somit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls frühestens den Antrag bei Gericht stellen kann. Dies ist nach Aktenlage spätestens der 20.01.2017, da er in seinem damaligen Schreiben auf das Schreiben des Gerichts vom 11.01.2017 Bezug nimmt, in dem die Berichterstatterin die Verlängerung der Ausschlussfrist abgelehnt und auf die Versäumung der Frist hingewiesen hat.
Der Kläger hat innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses, d.h. bis Freitag, den 03.02.2017, keinen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt. Er hat auch keine erheblichen Gründe zur Begründung seines Antrags vorgetragen und glaubhaft gemacht. Da er innerhalb der Zwei-Wochen-Frist das Klagebegehren ebenfalls nicht bezeichnet hat, ist auch aus diesem Grund keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ohne einen ausdrücklichen Antrag (§ 56 Abs. 2 Satz 4 FGO) zu gewähren.
5. Die Klage ist wegen Versäumung der Ausschlussfrist und mangels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand endgültig unzulässig geworden. Der Vortrag in der mündlichen Verhandlung zu den begehrten Änderungen, die im Einzelnen nicht weiter begründet oder belegt wurden, war nicht mehr zu berücksichtigen.
6. Die Kosten des Verfahrens sind dem Kläger aufzuerlegen, da er unterlegen ist (§ 135 Abs. 1 FGO).

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