Baurecht

Keine wesentliche Änderung einer Windkraftanlage durch Änderung des Anlagentyps

Aktenzeichen  22 CS 16.1052 u. a.

Datum:
11.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NVwZ – 2017, 79
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG BImSchG § 15 Abs. 1 S. 1, § 16 Abs. 1 S. 1 u. 2, § 20 Abs. 2
VwGO VwGO § 146 Abs. 4

 

Leitsatz

Von der Änderung des Anlagentyps einer Windkraftanlage kann nicht ohne weiteres auf das Vorliegen einer wesentlichen Änderung (§ 16 Abs. 1 S. 2 BImSchG)geschlossen werden. Eine wesentliche Änderung liegt nicht vor, wenn durch die Typänderung keine Schallimmissionen hervorgerufen werden, die sich nicht im bereits genehmigten Rahmen halten. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 S 16.382 u.a. 2016-05-03 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Die Verfahren 22 CS 16.1052, 22 CS 16.1053, 22 CS 16.1054, 22 CS 16.1055, 22 CS 16.1056, 22 CS 16.1057, 22 CS 16.1058, 22 CS 16.1059, 22 CS 16.1060, 22 CS 16.1061, 22 CS 16.1062, 22 CS 16.1063 und 22 CS 16.1064 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II.
Der Beschluss vom 3. Mai 2016 (Az. W 4 S 16.382) und die Beschlüsse vom 4. Mai 2016 (Az. W 4 S 16.383, -.384, -.385, -.386, -.387, -.388, -.389, -.390, -.391, -.392, -.393, -.394) des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg werden geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklagen der Antragstellerin gegen die Bescheide des Landratsamts R.-G. vom 24. März 2016 (Az. 4.1-1711-20130473 und 4.1-1711-20130265) wird wiederhergestellt.
III.
Die Kosten der Verfahren in beiden Rechtszügen trägt der Antragsgegner.
IV.
Unter Änderung der jeweiligen Nr. III der angefochtenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts wird der Streitwert in den erstinstanzlichen Verfahren W 4 S 16.382, -.383, -.384, -.385, -.386, -.387, -.388, -.389, -.390, -.391 vor der Trennung auf 500.000 €, nach der Trennung auf jeweils 50.000 €, in den Verfahren W 4 S 16.392, -.393, und -.394 vor der Trennung auf 150.000 €, nach der Trennung auf jeweils 50.000 € festgesetzt. Für die Beschwerdeverfahren wird der Streitwert vor der Verbindung auf 50.000 € je Verfahren, nach der Verbindung auf 650.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der vom Antragsgegner angeordneten Stilllegung der Errichtung von Windkraftanlagen sowie gegen Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg, mit denen Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklagen gegen die Stilllegungsanordnungen abgelehnt wurden.
Mit Bescheid vom 17. November 2014 erteilte das Landratsamt R.-G. der Antragstellerin unter Anordnung des Sofortvollzugs die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zehn Windkraftanlagen des Typs Nordex N117 mit einer Nennleistung von jeweils 2,4 MW und einer Gesamthöhe von jeweils 199 m (sogenannter „Windpark …“). Im Einzelnen betrifft diese Genehmigung folgende geplante Anlagen:
– WEA 1, Fl.Nr. …, Gemarkung W…
– WEA 2, Fl.Nr. … und …, Gemarkung W…
– WEA 3, Fl.Nr. …, Gemarkung W…
– WEA 4, Fl.Nr. … und …, Gemarkung W…
– WEA 7, Fl.Nr. …, Gemarkung W…
– WEA 8, Fl.Nr. …, Gemarkung W…
– WEA 9, Fl.Nr. … und …, Gemarkung W…
– WEA 10, Fl.Nr. …, Gemarkung W…
– WEA 11, Fl.Nr. …, Gemarkung W…
– WEA 12, Fl.Nr. …, Gemarkung J…
Die Antragstellerin erhielt mit weiterem Bescheid des Landratsamtes vom 17. November 2014 gleichfalls unter Anordnung des Sofortvollzugs die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von folgenden drei Windkraftanlagen des Typs Nordex N117 mit einer Nennleistung von jeweils 2,4 MW und einer Gesamthöhe von jeweils 199 m (sogenannter „Windpark …“):
– WEA 1, Fl.Nr. …, Gemarkung J…
– WEA 2, Fl.Nr. …, Gemarkung W…
– WEA 3, Fl.Nr. …, Gemarkung W…
Mit Datum vom 17. August 2015 (betreffend den „Windpark …“) bzw. vom 21. August 2015 (bezüglich des „Windparks …“) beantragte die Antragstellerin in Bezug auf die beiden Genehmigungen vom 17. November 2014 jeweils eine Änderungsgenehmigung (§ 16 BImSchG) für einen anderen Anlagentyp (Enercon E115) mit einer Nennleistung von jeweils 3 MW und einer Gesamthöhe von jeweils 195 m. Weiter wurde jeweils ein Antrag auf Zulassung des vorzeitigen Baubeginns (§ 8 a BImSchG) gestellt. Über diese Anträge ist bislang noch nicht entschieden worden.
In einer Besprechung mit Vertretern des Landratsamtes und der Antragstellerin am 20. Oktober 2015 wurde unter anderem festgestellt, dass „die erteilte Genehmigung Erdarbeiten und vorbereitende Maßnahmen für die Fundamentierung (Bodentausch)“ einschließe. Mit den vorbereitenden Maßnahmen solle Anfang November begonnen werden. Sobald Erdarbeiten erfolgten, werde die Baubeginnsanzeige vorgelegt.
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2015 an das Landratsamt beantragte die Antragstellerin die Durchführung eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens (§ 16 Abs. 2 i. V. m. § 19 BImSchG) und die Anordnung des Sofortvollzugs der zu erteilenden Genehmigung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO).
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin teilte dem Landratsamt mit Schreiben vom 4. März 2016 unter der Zwischenüberschrift „Durchführung eines Anzeigeverfahrens gemäß § 15 BImSchG […]“ mit, dass die „im Windpark … gelegenen“ strittigen Windkraftanlagen keiner Änderungsgenehmigung bedürften, da aus immissionsschutzrechtlicher Sicht keine wesentliche Änderung im Sinne des § 16 BImSchG vorliege.
In zwei Stellungnahmen jeweils vom 17. März 2016 teilte der Sachbereich technischer Umweltschutz im Landratsamt mit, dass gegen die Errichtung der zehn Windkraftanlagen des „Windparks …“ bzw. der drei Anlagen des „Windparks …“ bei Beachtung bestimmter Auflagen keine Bedenken bestünden.
Das Landratsamt teilte den Bevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreiben vom 24. März 2016 mit, aus seiner Sicht sei die Anlagentyp-Änderung wesentlich und bedürfe deshalb einer Genehmigung nach § 16 BImSchG. Es würden nicht nur einzelne Anlagenteile, sondern die komplette Anlage geändert. Die Enercon-Windkraftanlagen würden unter Berücksichtigung der Unsicherheitszuschläge einen höheren Schallleistungspegel aufweisen. Schädliche Umwelteinwirkungen könnten neben Lärm- und Schattenimmissionen auch Einträge in den Boden sein.
Mit Bescheid jeweils vom 24. März 2016 ordnete das Landratsamt gegenüber der Antragstellerin die sofortige Einstellung sämtlicher Bauarbeiten/vorbereitenden Maßnahmen zur Errichtung von Windkraftanlagen an den Standorten in den Windparks „…“ und „…“ an. Der Sofortvollzug dieser Anordnungen wurde jeweils angeordnet. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, bei einer Baukontrolle am Standort WEA 11 sei festgestellt worden, dass am Rand der teilweise ausgehobenen Baugrube (die Tiefe betrage ca. 1,50 m im Mittel) eine Baumaschine mit Kettenlaufwerk (vermutlich ein Bohrgerät) abgestellt worden sei. Der Grund der Baugrube sei mit Schotter abgedeckt und verdichtet worden. Es sei zu erwarten, dass an diesem Standort bzw. an den anderen Standorten in den Windparks „…“ und „…“ weitere Maßnahmen durchgeführt würden. Diese Arbeiten seien von der jeweiligen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 17. November 2014 für den Anlagentyp Nordex N117 nicht gedeckt. Über den Antrag auf Genehmigung nach § 16 BImSchG für den Typwechsel (Enercon E115) sei noch nicht entschieden worden. Die Unterbindung widerrechtlicher Bauarbeiten gehöre zu den Aufgaben der Bauaufsichtsbehörde und sei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im öffentlichen Interesse notwendig. Dabei solle unter anderem auch verhindert werden, dass baurechtswidrige Zustände geschaffen und verfestigt würden, die eine unter Umständen erforderliche spätere Beseitigung erschweren würden. Die Einstellung der Bauarbeiten sei daher im vorliegenden Fall gemäß Art. 75 Abs. 1 BayBO zu verfügen gewesen.
Die Antragstellerin erhob Anfechtungsklagen gegen die Bescheide vom 24. März 2016 (Az. W 4 K 16.369 bis -.381) und beantragte die Wiederherstellung von deren aufschiebender Wirkung.
Mit Beschlüssen jeweils vom 3. Mai 2016 und 4. Mai 2016 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg diese Anträge ab. Die in den nachgenannten Verfahren (im Klammerzusatz das jeweilige Aktenzeichen des entsprechenden Beschwerdeverfahrens) ergangenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts betreffen die Bescheide vom 24. März 2016 jeweils bezogen auf eine der strittigen Windkraftanlagen im Einzelnen wie folgt:
Bescheid betreffend den „Windpark …“: WEA 1: W 4 S 16.382 (22 CS 16.1052); WEA 2: -.383 (-.1053); WEA 3: -.384 (-.1054); WEA 4: -.385 (-.1055); WEA 7: -.386 (-.1056); WEA 8: -.387 (-.1057); WEA 9: -.388 (-.1058); WEA 10: -.389 (-.1059); WEA 11: -.390 (-.1060); WEA 12: -.391 (-.1061);
Bescheid betreffend den „Windpark …“: WEA 1: W 4 S 16.392 (22 CS 16.1062); WEA 2: -393 (-.1063); WEA 3: -394 (-.1064).
In den Beschlussgründen wurde jeweils im Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage für die angeordnete Baueinstellung sei hier § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG und nicht Art. 75 Abs. 1 BayBO. Das streitgegenständliche Vorhaben sei formell illegal. Die strittigen Windkraftanlagen könnten mit dem geänderten Anlagentyp nicht auf Grundlage der Genehmigungen vom 17. November 2014 errichtet werden. Eine Änderungsanzeige gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BImSchG sei vorliegend nicht ausreichend, um das Vorhaben zu legalisieren. Es könne zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass durch den Typenwechsel erhebliche nachteilige Auswirkungen hervorgerufen würden.
Der Antragsteller hat jeweils Beschwerde eingelegt und beantragt,
unter Aufhebung des jeweiligen Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 3. Mai 2016 bzw. vom 4. Mai 2016 die aufschiebende Wirkung der gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 24. März 2016 erhobenen Anfechtungsklagen in Bezug auf den jeweiligen Bescheid des Antragsgegners vom 24. März 2016 wiederherzustellen.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der Baueinstellungsverfügungen würden nicht vorliegen. Es fehle bereits an der formellen Rechtswidrigkeit der Vorhaben, da alle 13 streitgegenständlichen Windkraftanlagen auf Basis der am 17. November 2014 erteilten Genehmigungen im Wege einer Anzeige nach § 15 BImSchG errichtet werden könnten. In den angefochtenen Beschlüssen des Verwaltungsgerichts und in den Begründungen der streitgegenständlichen Bescheide würden keine möglichen nachteiligen Auswirkungen durch den Typenwechsel genannt, geschweige denn deren mögliche Nachteiligkeit oder Erheblichkeit thematisiert. Der geänderte Anlagentyp bleibe in seinen Anlagenparametern gegenüber dem ursprünglichen Typ zurück. In schallschutztechnischer Hinsicht entstünden durch den Typenwechsel keine nachteiligen Auswirkungen im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG; vielmehr würden die beantragten Anlagen in Bezug auf den maximalen Schallleistungspegel (inklusive Sicherheitszuschlägen) hinter dem genehmigten Anlagentyp zurückbleiben. Die Ergebnisse der zwischenzeitlich durchgeführten Dreifachvermessung seien bei der Beurteilung des Schallleistungspegels zugrunde zu legen. Auch im Hinblick auf den Schattenwurf lägen keine Anhaltspunkte für nachteilige Auswirkungen des neuen Anlagentyps vor. Auch durch von dem an einigen Standorten nunmehr geplanten Verfahren zur Baugrundverdichtung mittels Rüttelstopfverdichtung und in artenschutzrechtlicher Hinsicht gingen von dem neuen Anlagentyp keine nachteiligen Auswirkungen aus. Durch den Herstellerwechsel verringere sich zudem der Gesamtflächenverbrauch sowohl bei den temporären wie auch den dauerhaft verbleibenden Flächen. Zudem sei der Baustopp zumindest insoweit unverhältnismäßig, als er undifferenziert sämtliche Anlagenstandorte erfasse und die neuen Anlagen offenkundig materiell genehmigungsfähig seien.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner sei mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass zutreffende Rechtsgrundlage für die streitbefangenen Einstellungsverfügungen vom 24. März 2016 § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG sei. Typischer Anwendungsfall der lediglich anzeigepflichtigen Änderung nach § 15 BImSchG sei der Austausch von einzelnen Anlagenteilen. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die komplette Windkraftanlage ausgetauscht werde. Diese Änderung sei schon allein wegen ihres Umfangs als wesentlich im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG anzusehen, weil hierdurch nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden könnten bzw. jedenfalls nicht ausgeschlossen seien. Dass hier die Frage, ob der neue Anlagentyp den Genehmigungsvoraussetzungen genüge, selbst wenn Standort und Höhe annähernd unverändert bleiben würden, neu aufgeworfen werde, sei unzweifelhaft zu bejahen. Sämtliche von der Anlage ausgehenden Immissionen und sonstigen Effekte seien unmittelbarer Prüfungsgegenstand. Die neuen Erkenntnisse im Bereich Artenschutz könnten im Genehmigungsverfahren betreffend die Windkraftanlagen des geänderten Typs nicht unberücksichtigt bleiben. Die Genehmigungsbehörde habe den Sach- und Rechtsstand zugrunde zu legen, wie er sich im Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag darstelle. Der neue Anlagentyp sei von der Antragstellerin u. a. gewählt worden, um in Schwachwindgebieten eine bessere Ausbeute bei der Energieerzeugung zu erreichen. Vor diesem Hintergrund sei anzumerken, dass sich durch den Typwechsel mit hoher Wahrscheinlichkeit die Anzahl der Betriebsstunden pro Anlage und Jahr gegenüber dem bisher geplanten Anlagentyp erhöhen werde. Bei einer Zunahme der Betriebsstunden erhöhe sich das Kollisionsrisiko für Vögel und Fledermäuse. Folglich habe der Typwechsel auch Auswirkungen auf die naturschutzfachliche Beurteilung, die für die Entscheidung über die Genehmigung von Bedeutung sei. Was die zeitliche Betriebsdauer angehe, stünden daher auch zusätzliche Lärmimmissionen im Raum, die von den geänderten Anlagen ausgingen. Im Übrigen habe die Antragstellerin einen Antrag nach § 16 Abs. 4 BImSchG gestellt, woran sie sich festhalten lassen müsse.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Aus den innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründen ergeben sich durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg. Diese Entscheidungen sind dahingehend abzuändern, dass die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 24. März 2016 erhobenen Anfechtungsklagen wiederherzustellen ist.
1. Die Beurteilung der Stilllegungsanordnungen vom 24. März 2016 erfolgt am Maßstab des § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG. Gemäß dieser Befugnisnorm soll die zuständige Behörde die Stilllegung oder Beseitigung einer Anlage u. a. dann anordnen, wenn diese ohne die erforderliche Genehmigung wesentlich geändert wird. Ziel der hier getroffenen Anordnungen ist ausweislich der Bescheidsgründe die Durchsetzung der Genehmigungspflicht nach § 16 BImSchG, der nach Ansicht des Antragsgegners die von der Antragstellerin beabsichtigte Typenänderung der am 17. November 2014 genehmigten Windkraftanlagen unterliegt. Diese Zielsetzung des Antragsgegners wurde auch im vorliegenden Verfahren bestätigt.
2. Die von der Antragstellerin erhobenen Einwände gegen das Vorliegen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht der streitgegenständlichen Anlagenänderung greifen durch. Die von ihr beabsichtigte Errichtung eines anderen Anlagentyps stellt nach derzeitigem Kenntnisstand keine genehmigungsbedürftige wesentliche Änderung im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG dar.
a) Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG bedarf die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage der Genehmigung, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können. Bereits nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG reicht es für das Vorliegen des Genehmigungserfordernisses aus, wenn solche Folgen einer Anlagenänderung nach dem Maßstab praktischer Vernunft nicht ausgeschlossen sind (BayVGH, B.v. 14.9.2015 – 22 CS 15.1509 – Rn. 21 m. w. N.). Dafür spricht auch ein Umkehrschluss aus § 16 Abs. 1 Satz 2 BImSchG, wonach eine Genehmigung nicht erforderlich ist, wenn durch die Änderung hervorgerufene nachteilige Auswirkungen offensichtlich gering sind und die Erfüllung der sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ergebenden Anforderungen sichergestellt ist. Die zwingende Durchführung eines Genehmigungsverfahrens soll die zuständigen Behörden gerade in die Lage versetzen zu prüfen, inwieweit auch bei Vornahme der betreffenden Änderungen die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt werden.
b) Die Antragstellerin hat nachvollziehbar dargelegt, dass keine von der Typenänderung bei den geplanten Windkraftanlagen ausgehenden nachteiligen Auswirkungen im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zu erwarten sind.
aa) Das Verwaltungsgericht ist in den angefochtenen Beschlüssen (z. B. Beschlussabdruck im Verfahren W 4 S 16.382, S. 17) davon ausgegangen, dass erhebliche nachteilige Auswirkungen schon deshalb zu besorgen sind, weil der Antragsteller nicht nur einzelne Anlagenteile ändern, sondern eine gänzlich andere Anlage errichten will. Es kann jedoch hier nicht ohne weiteres von der Änderung des Anlagentyps auf das Vorliegen einer wesentlichen Änderung geschlossen werden. Zwar können geänderte technische Daten des neu geplanten Anlagentyps isoliert betrachtet den Eindruck hervorrufen, dass sich hieraus nachteilige Auswirkungen ergeben können, die für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können. Dies gilt hier insbesondere angesichts der erhöhten Nennleistung dieses Anlagentyps, die z. B. ein Indiz für einen möglicherweise erhöhten Schallleistungspegel dieses Windkraftanlagentyps hätte sein können. Allerdings sind bei der Prüfung des Genehmigungserfordernisses einer Anlagenänderung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 und 2 BImSchG auch weitere Erkenntnisse über die Auswirkungen eines bestimmten Anlagentyps zu berücksichtigen. Hier ist aufgrund des vorliegenden Kenntnisstands davon auszugehen, dass durch die Typänderung keine Schallimmissionen hervorgerufen werden, die sich nicht im Rahmen des nach den Genehmigungsbescheiden vom 17. November 2014 zulässigen Maßes halten würden. Demnach liegt jedenfalls gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 BImSchG keine genehmigungsbedürftige wesentliche Änderung vor.
Der Fachbereich technischer Umweltschutz des Landratsamtes hat in Stellungnahmen vom 17. März 2016 (für „Windpark …“ Bl. 103 bis 106, für „Windpark …“ Bl. 340 bis 342 der jeweiligen Verfahrensakte) angenommen, dass die geplanten Windkraftanlagen des neuen Anlagentypus unter Berücksichtigung statistischer Unsicherheiten einen maximalen Schallleistungspegel von 107,5 dB(A) aufweisen würden. Dies hätte den in den Bescheiden vom 17. November 2014 festgelegten zulässigen Schallleistungspegel von 107,1 dB(A) inklusive der erforderlichen Sicherheitszuschläge nur geringfügig überschritten. In den genannten Stellungnahmen vom 17. März 2016 wurde gleichzeitig festgestellt, dass der von der Antragstellerin beauftragte Gutachter zum Ergebnis kommt, dass an allen betrachteten Immissionsorten die Anforderungen der TA Lärm eingehalten werden können. Bereits diese Einschätzung spricht dafür, dass die mit der Typänderung verbundene veränderte Immissionsbelastung nicht für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich ist. Dies wird durch die Dreifachvermessung des betreffenden Anlagentyps bestätigt (vgl. schalltechnischen Bericht über eine Dreifachvermessung des Typs Enercon E-115 vom 8.4.2016, Anlage Ast 12). Danach kann ein maximaler Schallleistungspegel von 104,8 dB(A) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 2,1 dB zugrunde gelegt werden. Die Antragstellerin hat vor diesem Hintergrund schlüssig dargelegt, dass sämtliche streitgegenständlichen Anlagen aufgrund der Typänderung prognostisch hinter den in den Genehmigungen vom 17. November 2014 zugrunde gelegten Lärmprognosen zurückbleiben und damit auch die entsprechenden Genehmigungsauflagen deutlicher einhalten können als im Falle des ursprünglichen Anlagentyps. Der Antragsgegner ist dem nicht mit konkretem Vortrag entgegen getreten.
bb) Es ist nicht ersichtlich, inwieweit eine Bodenverdichtung mithilfe sogenannter Rüttelstopfsäulen an mehreren der geplanten Windkraftanlagen-Standorte überhaupt eine Änderung im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG darstellt. Es ist nach summarischer Prüfung im Eilverfahren davon auszugehen, dass die Durchführung der Rüttelstopfverdichtung im Einklang mit den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen vom 17. November 2014 steht. Zwar sehen die Planunterlagen, die Gegenstand dieser Genehmigungen sind, als Fundamente für die zu errichtenden Windkraftanlagen sogenannte Flachgründungen vor, worauf das Verwaltungsgericht in den angefochtenen Entscheidungen (z. B. Beschlussabdruck im Verfahren W 4 S 16.382, S. 15) zutreffend hinweist. Allerdings spricht vieles für die Sichtweise des Antragstellers, wonach es sich bei dieser Form der Bodenverdichtung um eine – wenngleich tief in das Erdreich eingreifende – Tiefbaumaßnahme handelt, die von einer Tiefengründung im Sinne einer Fundamentierung der betreffenden Windkraftanlage mittels Bohrpfählen zu unterscheiden ist, also der genehmigten Flachgründung näher kommt als einer Tiefengründung im herkömmlichen Sinn. Auch werden in den Angaben in den jeweiligen Genehmigungsunterlagen zur vorgesehenen Flachgründung (Nr. 3.1.3. der Antragsunterlagen), die den Genehmigungen vom 17. November 2014 zugrunde liegen, lediglich bestimmte Anforderungen an den Baugrund definiert, ohne für den Fall diesbezüglicher Defizite der natürlichen Bodenbeschaffenheit ein Verfahren zur Bodenverbesserung zu beschreiben. Im Übrigen wird in den Genehmigungsbescheiden vom 17. November 2014 darauf hingewiesen (S. 21 des Bescheids zum „Windpark …“ und S. 25 des Bescheids zum „Windpark …“), dass das Wasserwirtschaftsamt erneut beteiligt werden müsse, wenn statt der in den Antragsunterlagen beschriebenen Flachgründung eine andere Gründungsart vorgesehen sei. Dies spricht dafür, dass aus Sicht der Genehmigungsbehörde auch im Falle einer Tiefengründung lediglich diese erneute Abstimmung mit der zuständigen Fachbehörde, nicht dagegen ein Antrag auf Erteilung einer Änderungsgenehmigung für erforderlich angesehen wurde. Der Antragsgegner ist dieser Auslegung nicht entgegengetreten. Er hat lediglich darauf hingewiesen, dass Arbeiten zur Einbringung von Rüttelstopfsäulen am Standort der geplanten Windkraftanlage WEA 11 zu einem Zeitpunkt eingeleitet wurden, zu dem noch keine positive Rückmeldung des zuständigen Wasserwirtschaftsamtes zu dieser Maßnahme vorgelegen habe. Dies bedeutet allenfalls, dass gegen eine Maßgabe der Genehmigungsbescheide verstoßen worden sein könnte. Insofern ist anzumerken, dass die Antragstellerin mittlerweile eine Mitteilung des Wasserwirtschaftsamts Bad Kissingen vom 14. Juni 2016 vorgelegt hat, in dem das Einverständnis mit der geplanten Bodengrundverbesserung mittels Rüttelstopfsäulen erteilt wird.
cc) Weiter hat der Antragsgegner nicht schlüssig dargetan und ist auch sonst nicht erkennbar, inwiefern die vorgesehene Änderung des Windkraftanlagen-Typs nachteilige Auswirkungen im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zeitigen könnte, weil mit ihm ein erhöhtes Tötungsrisiko im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatschG verbunden wäre. Es handelt sich hierbei gegebenenfalls nicht um Auswirkungen, die im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu prüfen wären, auf den es in diesem Zusammenhang allein ankommt. Die Stilllegungsanordnung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG stellt hier kein geeignetes Instrument dar, um etwaigen durch das Vorhaben der Antragstellerin aufgeworfenen artenschutzrechtlichen Problemen zu begegnen.
dd) Der Antragsgegner hat auch keine sonstigen nachteiligen Auswirkungen der Änderung des Windkraftanlagen-Typs konkret vorgetragen, die für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein könnten. Aufgrund der seit August 2015 vorliegenden Anträge nach § 16 BImSchG wäre er hierzu gegebenenfalls in der Lage. Für eine im Wesentlichen abgeschlossene Prüfung dieser Anträge spricht der Hinweis des Antragsgegners, über diese sei aufgrund neuer artenschutzrechtlicher Erkenntnisse noch nicht entschieden worden (vgl. z. B. Schreiben des Landratsamtes an die Regierung von Unterfranken vom 21.3.2016, Bl. 365 bis 368 der Verfahrensakte zum „Windpark …“); von sonstigen noch offenen Prüfungspunkten ist in diesem Zusammenhang nicht die Rede.
c) Der Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG ist auch nicht deshalb erfüllt, weil im August 2015 Anträge auf Erteilung von Änderungsgenehmigungen gestellt wurden.
Die Befugnisnorm des § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG setzt voraus, dass die Änderung einer Anlage ohne die erforderliche Genehmigung erfolgt. Es ist insoweit nicht ausreichend, dass lediglich die Erteilung einer entsprechenden Änderungsgenehmigung beantragt wurde; erforderlich ist vielmehr eine gesetzliche Genehmigungspflicht. Wie vorstehend ausgeführt ist die beantragte Genehmigung für den beabsichtigten Typwechsel der geplanten Windkraftanlagen nicht erforderlich. Die Beantragung einer fakultativen Genehmigung nach § 16 Abs. 4 BImSchG – bei Fehlen einer Genehmigungspflicht – zielt gerade nicht auf eine „erforderliche“ Genehmigung im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG ab.
3. Da die angefochtenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts wegen der vorgenannten durchgreifenden Bedenken keinen Bestand haben können, ist eine erneute Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse einerseits und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers andererseits vorzunehmen. Da der Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG, welcher den Bescheiden vom 24. März 2016 als Befugnisnorm zugrunde liegt, nicht erfüllt ist, werden die Anfechtungsklagen des Antragstellers nach derzeitigem Sachstand voraussichtlich erfolgreich sein. Es ist daher sachgerecht, die aufschiebende Wirkung dieser Klagen wiederherzustellen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwert: § 47 Abs. 1 und Abs. 2, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5, 19.1.2, 19.1.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18.7.2013. Die in der Hauptsache streitgegenständlichen Stilllegungsverfügungen betreffen nicht die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen schlechthin. Vielmehr werden hier durch die Stilllegungsverfügungen (lediglich) die Errichtung von Anlagen eines anderen Typs verzögert und damit verbundene Nachteile verursacht. Im Hinblick darauf erscheint die Festsetzung eines Streitwerts in gerundeter Höhe der Hälfte des Betrags als angemessen, wie er sich nach den vorstehenden Ziffern des Streitwertkatalogs im Falle einer in der Hauptsache streitgegenständlichen immissionsschutzrechtlichen Stilllegungsverfügung ergibt.

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