Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Schadensersatz, Kaufvertrag, Fahrzeug, Marke, Kaufpreis, Mangel, Annahmeverzug, PKW, Beschaffenheit, Rechtsanwaltskosten, Prospekthaftung, Verschulden, Ersatzpflicht, Zulassung, vereinbarte Beschaffenheit, Zug um Zug, kein Anspruch

Aktenzeichen  22 O 5791/18

Datum:
6.12.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 54967
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.

Gründe

Die nur zum Teil zulässige Klage ist im Übrigen unbegründet.
A.
Die Klage ist lediglich mit dem Hilfsantrag zu Ziff. 1 sowie den Anträgen zu Ziff. 3 und Ziff. 4 zulässig.
I.
Der Hauptantrag in Ziff. 1 ist unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt ist i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein Zahlungsantrag ist grundsätzlich nur bestimmt, wenn er beziffert ist (MüKo ZPO, 5. Aufl. 2016, § 253 Rn. 95). Soweit die Klagepartei die Zug um Zug zu leistende Zahlung einer Nutzungsentschädigung in ihren Klageantrag aufnimmt, muss sie diese auch beziffern. Dies wäre ihr angesichts der Kenntnis des Kilometerstandes auf der Grundlage der eigenen angenommenen Restlaufleistung des Wagens oder aber der gerichtlich angenommenen Restlaufleistung auch ohne weiteres möglich gewesen.
II.
Für den Antrag zu Ziff. 2 fehlt es an dem gem. § 256 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse, da vorrangig die Leistungsklage zu erheben ist. Hierauf hat das Gericht die Klagepartei hingewiesen. Prozessvoraussetzung für die Feststellungsklage ist das schutzwürdige Interesse der Klägerin an alsbaldiger Feststellung. Das Feststellungsinteresse fehlt in der Regel bei einer positiven Feststellungsklage, wenn eine Klage auf fällige Leistung, insbesondere Bezifferung, wie hier möglich und zumutbar ist (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, § 256 Rn. 18).
Soweit die Klägerin meint, dass die Bezifferung deshalb nicht möglich ist, weil die Gegenseite die Nutzungsentschädigung darlegen müsse, trifft dies nicht zu, da diese sich an den gefahrenen Kilometern orientiert und es der Klägerin obliegt, diese zu benennen. Soweit die Klägerin meint, es seien nicht alle Schäden bezifferbar, da steuerliche Schäden drohen, fehlt es insoweit an ausreichendem Vortrag.
Auch der Hinweis der Klägerin auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, Az: VI ZR 506/14 vermag nicht zu überzeugen. Die Konstellation, dass eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist und die Klägerin daher in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren kann, ist hier gerade nicht gegeben. Ein Schaden in der Hauptsache ist bereits eingetreten und bezifferbar. Feststellung der Ersatzpflicht bezieht sich in der Hauptsache daher gerade nicht auf mögliche künftige Schäden. Soweit die Klagepartei behauptet, es könnten zukünftig noch unbekannte Schäden eintreten, ist der Sachvortrag völlig unsubstantiert.
Darauf, dass die Beklagte aufgrund eines Feststellungsurteils ohne Notwendigkeit einer Leistungsklage – wie bei den Sonderkonstellationen mit Behörden oder Versicherungsunternehmen – leisten würde, kann sich die Klagepartei nicht berufen, da die Beklagte weder das eine noch das andere ist. Im Übrigen ist zwischen den Parteien streitig in welcher Höhe Nutzungsentschädigung zu leisten ist. Insoweit würde nach Erlass eines Feststellungsurteils die Streitigkeit über die Höhe der zu zahlenden Nutzungsentschädigung weiter gehen. Allein hieraus ergibt sich, dass die Feststellungsklage vorliegend ungeeignet und daher unzulässig ist.
B.
Die Klage ist im Übrigen unbegründet.
I.
Die Klagepartei hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von … €.
1. Der Klagepartei steht kein Anspruch nach § 812 BGB zu, da die Klagepartei den mit der Beklagten zu 1) geschlossenen Kaufvertrag nicht wirksam angefochten hat.
Ein Vertrag kann angefochten werden, wenn der Erklärende arglistig getäuscht wurde, § 123 BGB. Dies gilt nicht, wenn der Erklärungsempfänger sich die Täuschung nicht zurechnen lassen muss, weil sie durch einen Dritten verübt wurde, § 123 Abs. 2 BGB. Ob der Täuschende als Dritter anzusehen ist, bestimmt sich in Anlehnung an § 278 BGB und die Vorschriften über die Vertretung ohne Vertretungsmacht nach Billigkeitsgesichtspunkten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage. Die Täuschung muss sich auf objektive Tatsachen beziehen, eine Täuschung über subjektive Werturteile reicht nicht aus (BGH, Urteil vom 19. September 2006 – XI ZR 204/04 -, BGHZ 169, 109-122, NJW 07, 357).
Eine Täuschung des Klägers durch die Beklagte zu 1) als Verkäuferin ist weder substantiiert vorgetragen, noch nachgewiesen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der Vortrag der Klagepartei zum Ablauf des Kaufs (Verkaufsgespräch und dessen Inhalt) auf den Seiten 30 ff. des Schriftsatzes vom 17.09.2018 (Bl. 246 d.A.) schlicht erfunden ist, da die Klagepartei in ihrer informatorischen Anhörung angegeben hat, sie hat den streitgegenständlichen PKW vor dem Kauf als Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt bekommen und es dann, weil sie mit dem Fahrzeug zufrieden gewesen sei, übernommen. Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat bereits nicht substantiiert vorgetragen, dass die Beklagte zu 1) im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses Kenntnis von der Umschaltsoftware hatte.
Denkbar ist, dass der Kläger von anderen Personen in der Beklagten zu 1) zurechenbarer Weise über objektive Tatsachen arglistig getäuscht wurde. In Betracht kommt insoweit eine Täuschung durch die Beklagte zu 2). Diese ist jedoch Dritte im Sinne des § 123 II BGB. Denn Dritte ist jede am Geschäft unbeteiligte Person, die unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dem Kreis des Erklärungsempfängers zuzurechnen ist.
Die Beklagte zu 1) ist lediglich Vertragshändlerin der … und insoweit rechtlich selbständig, in einem anderen Markt tätig und verfolgt eigene, zum Teil anders gerichtete Interessen als die Beklagte zu 2). Die Beklagte zu 2) ist daher an dem Geschäft zwischen der Klagepartei und der Beklagten zu 1) nicht beteiligt.
Unabhängig davon, war die Anfechtung verfristet. Die Klagepartei hat die Anfechtung mit Schreiben vom 08.11.2017 ausgesprochen, die der Beklagten zu 1) am vor dem 21.11.2017 zuging. Zu diesem Zeitpunkt war die Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB bereits abgelaufen. Die Frist begann gem. § 124 Abs. 2 BGB mit Entdeckung der Täuschung, d.h. vorliegend – aufgrund des medialen Rummels – mit öffentlichem Bekanntwerden des Dieselskandals im September 2015.
2. Der hilfsweise erklärte Rücktritt hat ebenfalls nicht die Rückabwicklung des Kaufvertrags zur Folge. Gewährleistungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 1) sind verjährt.
Die streitgegenständliche Abgasrückführungsanlage stellt zwar einen Mangel der Kaufsache im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, S. 3 BGB dar. Die gesetzlich vorgeschriebenen öffentlichen Angaben des Herstellers zum Einhalten der EURO 5 Norm bezogen sich zwar nicht auf den tatsächlichen Fahrbetrieb. Der Gesetzgeber hat bewusst angeordnet, dass diese Werte auf dem Prüfstand gemessen werden, da die tatsächlichen Werte stark vom individuellen Fahrverhalten und der Fahrsituation abhängen. Der Käufer kann nach den öffentlichen Angaben des Herstellers zum Einhalten der Euro 5 Norm aber erwarten, dass die tatsächlichen Angaben zum Einhalten der Euro 5 Norm für den tatsächlichen Fahrbetrieb insoweit relevant sind, als die auf dem Prüfstand gemessenen Werte auf dem auch im realen Straßenverkehr Anwendung findenden Abgasrückführungssystem beruhen. Das Gericht ist überzeugt, dass die Werte der EURO 5 Norm bei Abschaltung des Prüfstandmodus auf dem Prüfstand vor der Durchführung des Softwareupdates nicht eingehalten worden wären. Die Beklagten haben selbst geschildert, dass durch das Softwareupdate Änderungen vorgenommen werden mussten, um die entsprechenden Grenzwerte einhalten zu können.
Die in § 437 BGB genannten Mängelrechte des Klägers sind jedoch verjährt.
Die regelmäßige Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche beträgt zwei Jahre und beginnt mit der Ablieferung der Sache, § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB.
Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 17.11.2014 übergeben (vgl. Anlage K 1). Verjährung der Gewährleistungsansprüche trat entsprechend § 187 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 17.11.2016 ein. Die Geltendmachung erfolgte jedoch erst mit Schreiben vom 08.11.2017. Auf die Frage, ob zwischen den Parteien eine kürzere Gewährleistungsfrist vereinbart wurde, kommt es mithin nicht an.
Wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen hat, greift statt dessen die dreijährige regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem der Käufer von den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte Kenntnis erlangen müssen, § 438 Abs. 3 S. 1 BGB.
Der Kläger wurde indes von der Beklagten zu 1) nicht arglistig getäuscht. Anders als im Falle des § 123 Abs. 2 BGB stellt § 438 Abs. 3 BGB auf die arglistige Täuschung durch den Verkäufer ab. Arglist liegt nur vor, wenn der Verkäufer den Mangel kennt oder für möglich hält und mit deren Unrichtigkeit rechnet (Palandt-Weidenkaff, BGB, 77. Auflage, § 444 BGB, Rdnr. 11 m.w.N.), fahrlässige Unkenntnis genügt nicht. Soweit nicht ein Erfüllungsgehilfe des Verkäufers bei Vertragsschluss den Käufer arglistig getäuscht hat, ist eine Täuschung durch einen Dritten dem Verkäufer diesbezüglich nicht zuzurechnen. Die Beklagte zu 2) als Herstellerin des Motors war in Bezug auf Abschluss und Erfüllung des streitgegenständlichen Gebrauchtwagenvertrags nicht als Erfüllungsgehilfe der Beklagten zu 1) tätig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Vorlieferant des Verkäufers nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer; ebenso ist auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft (BGH, Urteil vom 02. April 2014 – VIII ZR 46/13 -, zitiert nach juris, m.w.N.).
3. Auch ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten ist nicht gegeben. Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat nicht substantiiert dargelegt oder nachgewiesen, dass die Beklagte zu 1) Kenntnis von der Manipulationssoftware hatte. Eine Zurechnung der Kenntnis der Beklagten zu 2) ist nicht möglich. § 166 Abs. 2 BGB greift insoweit nicht. Im Hinblick auf den Kaufvertrag ist die Beklagte zu 1) keine Vertreterin der Beklagten zu 2).
4. Die zum Kapitalmarktrecht entwickelten Grundsätze der Prospekthaftung im weiteren Sinne nach §§ 311, 241 BGB greifen im Kaufrecht nicht. Im Übrigen hat die Klagepartei auch nicht dargelegt, auf welchen Prospekt sie beim Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs konkret vertraut haben will, insbesondere, da die Klagepartei in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, den streitgegenständlichen PKW übernommen zu haben, da sie mit ihm zufrieden gewesen sei. Insoweit scheint es fernliegend, dass irgendeine Art eines Prospekts, eines Flyers oder ähnlichem dem Kauf zugrunde gelegen hat.
II.
Mangels begründetem Hauptanspruch befindet sich die Beklagte zu 1) auch nicht im Annahmeverzug und es besteht kein Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.
III.
Mangels Vortrags zu einer außergerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 2) kann die Klagepartei auch die insoweit geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren nicht verlangen.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
D.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
E.
Der Streitwert war in Höhe des begehrten Kaufpreises anzusetzen (§ 48 GKG, § 3 ZPO).

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