Aktenzeichen B 6 E 18.750
Leitsatz
Die Bestimmung des § 10 Abs. 3 S. 1 AufenthG („nur“) liefe im Ergebnis weitgehend leer, wenn die ausnahmsweise zulässige Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Maßgabe des Abschnitts 5 in einem wesentlichen Teilbereich, nämlich in den Fällen des Aufenthalts aus humanitären Gründen, letztlich zur Folge hätte, dass die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 S. 1 AufenthG auch hinsichtlich anderer Aufenthaltszwecke, bei denen kein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, vollständig beseitigt wäre. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin C … W …wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller, nigerianischer Staatsangehöriger, reiste im Februar 2017, nachdem er sich seit Mai 2015 in Italien aufgehalten hatte, in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 01.03.2017 einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) mit Bescheid vom 13.12.2017 als offensichtlich unbegründet ablehnte, verbunden mit der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen sowie einer Abschiebungsandrohung nach Nigeria unter Bestimmung einer Frist von einer Woche für die freiwillige Ausreise und einer Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Am 19.04.2017 erkannte der Antragsteller die Vaterschaft zu dem aus der Schwangerschaft der nigerianischen Staatsangehörigen … zu erwartenden Kind an. Am 09.06.2017 wurde die Tochter des Antragstellers in B … geboren. Mit Bescheiden jeweils vom 12.12.2017 wurden vom Bundesamt die Asylanträge der Kindsmutter und der Tochter abgelehnt, jedoch jeweils festgestellt, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt. Diese Feststellung beruht nach der Begründung des Bescheides auf der Annahme, dass die Kindsmutter als alleinstehende Person mit einer Tochter von zurzeit nicht einmal einem Jahr, die sie zu versorgen habe, und ohne Familienangehörige, die zur Unterhaltsleistung beitragen könnten, in Nigeria einer extremen Gefahr ausgesetzt sei, da sie als sogenannte vulnerable Person nicht in der Lage sein werde, für sich und ihre Tochter eine Existenzgrundlage zu schaffen.
Am 06.06.2018 beantragte der Antragsteller unter Vorlage eines am 14.05.2018 in Rom ausgestellten nigerianischen Reisepasses beim Landratsamt B … die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Ausübung der elterlichen Sorge und des Umgangsrechts für seine Tochter. Mit einem Schreiben vom 05.06.2018 teilte die Kindsmutter dem Landratsamt B … mit, sie wolle zusammen mit dem Antragsteller die elterliche Sorge für ihre gemeinsame Tochter ausüben und wolle sein und ihr Umgangsrecht. Gegenüber der Regierung …Zentrale Ausländerbehörde (im Folgenden: ZAB) gab der Antragsteller bei einer Vorsprache am 07.06.2018 im Beisein der Kindsmutter und des Kindes an, in der Zeit von Anfang Dezember bis zur Nacht auf den 06.06.2018 in Italien gewesen zu sein. Zur Kindsmutter und dem Kind habe er in dieser Zeit telefonischen Kontakt gehabt. Auf die Frage, warum er sich nach Italien begeben habe, gab er an, schwache Nerven zu haben. Freiwillig ausreisen, um ein Visumverfahren zu durchlaufen, wolle er nicht. Ebenfalls am 07.06.2018 beantragte der Antragsteller die Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG.
Mit Bescheid vom 17.07.2018 lehnte die ZAB den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG unter Verweis auf § 10 Abs. 3 AufenthG ab.
Mit weiterem Bescheid vom 17.07.2018 lehnte die ZAB den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Duldung ab. Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 17.07.2018 legte der Antragsteller die Kopie eines bis zum 22.01.2018 gültigen italienischen „Permesso di Soggiorno“ (Aufenthaltstitel) vor.
Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 20.07.2018, beim Verwaltungsgericht Bayreuth an diesem Tag auch eingegangen, hat der Antragsteller Klage erhoben und beantragt, den Bescheid vom 17.07.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten,
– dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG
– hilfsweise eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG,
– hilfsweise eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG,
– hilfsweise eine Duldung aus familiären Gründen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu erteilen,
– hilfsweise das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ab dem Tag der Abschiebung auf Null zu reduzieren.
Die Klage wird unter dem Aktenzeichen B 6 K 18.751 geführt.
Gleichzeitig hat der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, von einer Abschiebung des Antragstellers abzusehen, bis über die Klage entschieden wurde sowie dem Antragsteller und Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.
Laut der Klagebegründung richtet sich die Klage gegen beide Bescheide vom 17.07.2018. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung nach § 36 Abs. 2 AufenthG. Die Erteilung müsse trotz der Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 AufenthG erfolgen; das bedeute, vom Erfordernis der vorherigen Ausreise müsse hier abgesehen werden, weil der Antragsteller Vater einer 1-jährigen Tochter sei und durch das Erfordernis des regulären Visum-Verfahrens die Ausübung seines Umgangsrechtes und der elterlichen Sorge vereitelt werde. Ein Verweis auf die Durchführung des regulären Visum-Verfahrens sei vorliegend unverhältnismäßig und unzumutbar. Insoweit sei zu beachten, dass eine Familienzusammenführung im regulären Visum-Verfahren bereits an den fehlenden Voraussetzungen scheitere. Die Kindsmutter schaffe es in absehbarer Zeit nicht, den Lebensunterhalt für alle zu sichern. Somit könne auch nicht für ausreichenden Wohnraum gesorgt werden. Die Kindsmutter besuche derzeit die Schule und könne keiner regulären Arbeit nachgehen. Zudem könne sie wenig bis gar keine Deutschkenntnisse vorweisen. Ferner müsse für die Beantragung eines Visums ein Termin bei der zuständigen Auslandsvertretung, hier beim Generalkonsulat Lagos in Nigeria, beantragt werden. Ein solcher Termin sei nicht absehbar. Wolle man einen Termin für die Beantragung eines Visums bei dem Generalkonsulat online buchen, erscheine: „Es sind zur Zeit leider keine Termine verfügbar. Neue Termine werden in regelmäßigen Abständen freigeschaltet.“ Darüber hinaus betrage nach Informationen auf der Website des Generalkonsulates die Bearbeitungszeit für Kurzzeit-/Schengenvisa in der Regel 14 Tage ab Antragstellung, Flughafen-Transitvisa benötigten 2 bis 3 Wochentage, Studentenvisa mehrere Monate und Visa für eine Familienzusammenführung in der Regel bis zu 6 Monaten. Die Dauer der Trennung sei somit nicht absehbar. Auch eine nur vorübergehende Trennung könne unzumutbar sein, wenn die Folgen ein hohes Gewicht hätten, weil ein noch sehr kleines Kind betroffen sei, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen könne und diese als endgültigen Verlust erfahre. Dies sei bei der Tochter des Antragstellers der Fall, auch wenn dieser die letzten Monate ihres Lebens in Italien verbracht habe. Gerade aus diesem Grund sei dem Kind nicht verständlich zu machen, dass der Vater sie nur vorübergehend verlasse. Eine weitere Trennung sei nicht zumutbar, das Kind würde aller Wahrscheinlichkeit nach annehmen, dass der Vater sie nunmehr endgültig verlasse. Hierzu werde auf Art. 9 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention verwiesen, wonach die Trennung eines Kindes von seinen Eltern nur zum Wohl des Kindes erfolgen dürfe. Die Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seinem Kind könne nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, da zugunsten der Kindsmutter ein Abschiebungsverbot festgestellt worden sei mit der Folge, dass sie nicht darauf verwiesen werden könne, die Lebensgemeinschaft in Nigeria zu leben. Ergänzend sei auf § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV hinzuweisen, sofern die Abschiebung des Antragstellers nach § 60a AufenthG ausgesetzt werde. Nach alledem sei dem Antragsteller die Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG zu erteilen. Hilfsweise habe der Antragsteller Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, da ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Betracht komme. Denn eine Abschiebung des Antragstellers führe zu einem unzulässigen Eingriff in die Rechte des Kindes. Hilfsweise habe der Antragsteller Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, weil seine Ausreise wegen der Unzumutbarkeit der Trennung von seiner Tochter tatsächlich und rechtlich unmöglich sei. Hilfsweise sei dem Antragsteller eine Duldung zu erteilen, weil eine Trennung der Familie nicht zulässig sei. Hilfsweise sei das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot ab dem Tag der Abschiebung auf Null zu reduzieren, da die im Asylbescheid festgesetzte Befristung auf 30 Monate eine unzumutbare Trennung der Familie bedeuten würde. Da nach alledem die Erfolgsaussichten der Klage zumindest offen seien, sei dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor einer Abschiebung stattzugeben.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und er beigezogenen Ausländerakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgend dargestellten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Infolgedessen kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwaltes gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das zu sichernde Recht bzw. das streitige Rechtsverhältnis, der Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit vorläufigen Rechtsschutzes, der Anordnungsgrund, sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch darauf, bis zur Entscheidung im Klageverfahren nicht abgeschoben zu werden, glaubhaft gemacht, weil allen Anhaltspunkten nach die Abschiebungsvoraussetzungen des § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG – vollziehbare Ausreisepflicht, Ablauf der im Asylbescheid gewährten Ausreisefrist und Überwachungsbedürftigkeit der Ausreise (§ 58 Abs. 3 Nrn. 2 und 7 AufenthG) – vorliegen und keine Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gemäß § 60a AufenthG ersichtlich sind. Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
Danach wäre der Antragsgegner aus rechtlichen Gründen zur vorläufigen Duldung des Antragstellers einstweilen zu verpflichten, wenn keine Aufenthaltserlaubnis erteilt würde, obwohl allem Anschein nach ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne vorherige Ausreise bestünde. In diesem Fall wäre es nicht zumutbar, den Antragsteller auf die Möglichkeit zu verweisen, seinen Anspruch vom Herkunftsland aus zu verfolgen. Die Vaterschaft des Antragstellers zu seiner nigerianischen Tochter, die zusammen mit ihrer nigerianischen Mutter unter dem Schutz eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG im Bundesgebiet lebt, vermag aber allen Anhaltspunkten nach keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu begründen.
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, wonach sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers zum Familiennachzug eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist, scheitert unabhängig davon, ob die allgemeinen (§ 5 AufenthG) und besonderen Erteilungsvoraussetzungen erfüllt sind, an § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, wonach einem Ausländer, dessen Asylantrag, wie der des Antragstellers, unanfechtbar abgelehnt worden ist, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen gemäß §§ 22 bis 26 AufenthG) erteilt werden darf. Zwar findet diese Erteilungssperre gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung. Die Ausnahmeregelung in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG erfasst aber nur strikte Rechtsansprüche auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben und bei denen alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind (BVerwG, Urteil vom 16.02.2012 – 1 B 22/11, Rn. 4, juris). Die Ermessensvorschrift des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG („kann“) vermittelt auch bei Vorliegen der allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen keinen derart strikten Rechtsanspruch.
Aus seiner Vaterschaft kann der Antragsteller auch kein humanitäres Aufenthaltsrecht gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG in Verbindung mit § 60 Abs. 5 AufenthG, Art. 8 EMRK oder § 25 Abs. 5 AufenthG herleiten. Die im Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes geregelten Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen scheiden für den im Abschnitt 6 des Gesetzes geregelten Aufenthalt aus familiären Gründen aus. Die Bestimmung des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG („nur“) liefe im Ergebnis weitgehend leer, wenn die ausnahmsweise zulässige Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Maßgabe des Abschnitts 5 in einem wesentlichen Teilbereich, nämlich in den Fällen des Aufenthalts aus humanitären Gründen, letztlich zur Folge hätte, dass die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auch hinsichtlich anderer Aufenthaltszwecke, bei denen kein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, vollständig beseitigt wäre (so zutreffend Dienelt in Bergmann/ Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018 § 10, Rn. 35). Ein Rückgriff auf humanitäre Aufenthaltstitel zur Legalisierung des Aufenthalts aus familiären Gründen im Anwendungsbereich des § 10 Abs. 3 AufenthG ist auch bei Ausnahmekonstellationen (OVG Berlin-Brandenburg Urteil vom 09.06.2011 – OVG 2 B 2.10, juris Rn. 34 „ausnahmsweise“) im Hinblick auf den ab 01.08.2015 gültigen § 25b AufenthG nicht veranlasst (zur Problematik siehe BayVGH, Beschluss vom 06.02.2018 – 19 CE 16.1611, Rn. 13). Stehen ausnahmsweise wegen besonderer familiärer Umstände Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK einer Abschiebung entgegen, kann dem durch die Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, die bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 25b AufenthG in eine Aufenthaltserlaubnis münden soll, angemessen Rechnung getragen werden.
Vorliegend erweist sich die zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht aber nicht als unvereinbar mit Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK. Diese Bestimmungen vermitteln keinen grundrechtlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet, verpflichten bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen jedoch zu einer verhältnismäßigen Berücksichtigung der familiären Bindungen im Bundesgebiet. Zwar stellen grundsätzlich Fälle, in denen kleine Kinder von ihren Eltern oder auf gegenseitige ständige Unterstützung angewiesene Familienangehörige voneinander getrennt werden, Eingriffe in dessen Schutzbereich dar (vgl. Hailbronner, Asyl- und Ausländerrecht, Rn. 1235). Ein rechtswidriger Eingriff ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Die Abschiebung des Antragstellers ist jedenfalls verhältnismäßig. Die Abschiebung dient dem erlaubten Zweck der Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht durch erlaubte und angemessene Mittel.
Die Abschiebung des Antragstellers ist auch in Anbetracht seiner Vaterschaftsanerkennung allen Anhaltspunkten nach verhältnismäßig, sodass ein rechtswidriger Eingriff nicht vorliegt. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, eine von Verantwortungsbewusstsein getragene familiäre Lebensgemeinschaft mit seinem Kind begründen zu wollen. Dagegen spricht nach dem gegenwärtigen Sach- und Kenntnisstand die Tatsache, dass sich der Antragsteller, als seine Tochter gerade einmal ein halbes Jahr alt war, wegen „schwacher Nerven“ nach Italien begeben und dort ein halbes Jahr lang aufgehalten hat. Sollte der Antragsteller entgegen dem durch dieses Verhalten erweckten Anschein nun doch die Absicht haben, sich verantwortungsbewusst um sein Kind zu kümmern, ist dies allem Anschein nach auch in Nigeria möglich. Denn nach dem gegenwärtigen Sach- und Kenntnisstand sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die dagegen sprechen würden, dass der Kläger, die Kindsmutter und das Kind gemeinsam als Familie und Beistandsgemeinschaft nach Nigeria zurückkehren.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach die Antragstellerin als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (halber Auffangstreitwert).