Aktenzeichen 3 Ns 13 Js 11454/15
GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2
Leitsatz
1. Voraussetzung der Beleidigung einer Mehrheit einzelner Personen unter einer Kollektivbezeichnung ist, dass es sich um einen verhältnismäßig kleinen, hinsichtlich der Individualität seiner Mitglieder überschaubaren Kreis handelt, d.h. der fragliche Personenkreis muss zahlenmäßig überschaubar sein und die bezeichnete Personengruppe muss sich aufgrund bestimmter Merkmale so deutlich aus der Allgemeinheit hervorheben, dass der Kreis der Betroffenen klar umgrenzt ist. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Aufdruck “A.C.A.B.” oder “13 12” ist nicht von vornherein offensichtlich inhaltslos, sondern bringt in der hier angenommenen Bedeutung (jeweils: All Cops Are Bastards) eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck. Es handelt sich somit um eine Meinungsäußerung iSd Art. 5 Abs. 1 GG. (redaktioneller Leitsatz)
3. Besucht der Angeklagte mit den gut sichtbaren Westenaufnähern “A.C.A.B.” sowie “13 12” ein Fußballspiel, bei dem mit Polizeipräsenz zu rechnen ist, richtet sich die herabsetzende Äußerung an die Polizeibeamten, die als solche an dem konkreten Einsatz – hier Kontrolle des Eingangs – teilgenommen haben. Dies genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine personalisierende Zuordnung. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
3 Cs 13 Js 11454/15 2015-10-19 Urt AGINGOLSTADT AG Ingolstadt
Tenor
1. Die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgericht Ingolstadt vom 19.10.2015 werden verworfen mit der Maßgabe, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 60,00 Euro verurteilt wird.
Im Übrigen hat es bei dem angefochtenen Urteil sein Bewenden.
2. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Ausscheidbare Kosten und notwendige Auslagen des Angeklagten, die durch die Berufung der Staatsanwaltschaft bedingt sind, trägt die Staatskasse.
Angewandte Vorschriften:
§§ 185, 194, 52 StGB.
Gründe
I. Verfahrenshergang
Das Amtsgericht Ingolstadt verurteilte den Angeklagten am 19.10.2015 wegen Beleidigung in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 80,– Euro. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20.10.2015, eingegangen am 20.10.2015 unbeschränkte Berufung ein mit dem Ziel eines Freispruchs.
Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt legte mit Schriftsatz vom 20.10.2015, eingegangen bei Gericht am 23.10.2015, gegen das Urteil auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung ein mit dem Ziel einer höheren Strafe.
Die Berufungsbeschränkung war gemäß § 318 StPO wirksam. Die Berufungen waren gemäß §§ 312, 314 StPO zulässig und statthaft.
Die Berufung des Angeklagten hatte in der Sache insoweit Erfolg, als sie dazu führte, dass die Geldstrafe auf 50 Tagessätze á 60,– Euro festgesetzt wurde. Die Berufung der Staatsanwaltschaft hatte keinen Erfolg.
II. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse
Der Angeklagte wurde am … in …. geboren. Seine Eltern trennten sich, als der Angeklagte noch im Kindergarten war. Sein leiblicher Vater verstarb, als der Angeklagte ca. 11 Jahre alt war. Seine Mutter heiratete wieder und zog mit dem Angeklagten und seinen drei Halbgeschwistern nach Bayern. Der Angeklagte besuchte die erste Schulklasse in …., anschließend die Schule in Bayern. Er schloss die Hauptschule mit dem Qualifizierenden Hauptschulabschluss ab. Anschließend absolvierte er eine Lehre als Karosserie- und Fahrzeugbauer. Sodann leistete er den neunmonatigen Bundeswehrdienst ab. Nach einer Arbeitslosigkeit von ca. 6 Monaten war er als Produktionsmitarbeiter für acht Jahre bei …. tätig. Seit 2011 war er zunächst über eine Leiharbeitsfirma bei der Firma Audi tätig. Seit 2013 ist er bei der Firma Audi als Produktionsmitarbeiter festangestellt. Der Angeklagte verdient dort derzeit monatlich etwas mehr als 2.100,– Euro netto.
Der Angeklagte hat keine Kinder. Er ist verheiratet. Seine Ehefrau arbeitet bei der …… und erhält derzeit monatlich 1.400,– bis 1.500,– Euro. Die Miete für die gemeinsame Wohnung beträgt 720,– Euro kalt, zuzüglich monatlicher Abschlagszahlungen für Gas in Höhe von 100,– Euro und für Strom in Höhe von 66,– Euro. Der Angeklagte hat Schulden in Höhe von ca. 4.000,– Euro für einen Kredit, den er für eine Urlaubsreise und ein Strafverfahren aufgenommen hat. Hierauf zahlt er monatlich 150,– Euro. Zudem muss der Angeklagte eine weitere Geldstrafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts …., Az. 112 Js 20457/15, der am 29.01.2016 rechtskräftig wurde, bezahlen.
Der Angeklagte ist im August 2014 an Multipler Sklerose erkrankt. Wegen der damit bedingten psychischen Belastungen ist er alle vier bis sechs Wochen in ambulanter Behandlung in einer Praxis für Neurologie und Psychiatrie. Medikamente erhält er hierfür nicht. Wegen der Multiplen Sklerose nimmt er Tecfidera ein.
Der Angeklagte ist wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:
1. 22.11.1999 AG KELHEIM (D3405) -DS 109 JS 17126/99 –
Rechtskräftig seit 30.11.1999
Tatbezeichnung: Diebstahl
Datum der (letzten) Tat: 09.08.1999
Angewandte Vorschriften: STGB § 242
Geldauflage.
Erbringung von Arbeitsleistungen
2. 24.07.2000 AG KELHEIM (D3405) -DS 109 JS 9341/00 –
Rechtskräftig seit 01.08.2000
Tatbezeichnung: Diebstahl
Datum der (letzten) Tat: 09.01.2000
Angewandte Vorschriften: STGB § 242 ABS. 1
2 Freizeiten Jugendarrest.
3. 20.11.2000 AG KELHEIM (D3405) -DS 109 JS 18680/00 –
Rechtskräftig seit 28.11.2000
Tatbezeichnung: Gemeinschädliche Sachbeschädigung
Datum der (letzten) Tat: 05.12.1999
Angewandte Vorschriften: STGB § 304 ABS. 1
Wiedergutmachungspflicht.
Richterliche Weisung.
4. 22.07.2002 AG KELHEIM (D3405) -4 DS 109 JS 311/02 –
Rechtskräftig seit 30.07.2002
Tatbezeichnung: Vorsätzliches Ausüben der tatsächlichen Gewalt über einen verbotenen Gegenstand
Datum der (letzten) Tat: 28.10.2001
Angewandte Vorschriften: WAFFG § 37 ABS. 1 NR. 6, § 53 ABS. 3 NR. 3, § 56 ABS. 2
Erbringung von Arbeitsleistungen.
5. 21.02.2003 AG KELHEIM (D3405) -4 CS 109 JS 16375/02 –
Rechtskräftig seit 08.04.2003
Tatbezeichnung: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung
Datum der (letzten) Tat: 27.04.2002
Angewandte Vorschriften: STGB § 113 ABS. 1, § 185, § 194, § 52
40 Tagessätze zu je 10,00 EUR Geldstrafe.
Der Sachverhalt des Strafbefehls lautet wie folgt:
„Am 27.04.2002 fand auf dem öffentlichen Grillplatz in der ……… in ….. eine Grillfeier von rechtsextremen Skinheads statt, bei der auch Sie anwesend waren. Aus dieser Gruppe fielen u.a. Rufe wie „Heil Hitler, Heil dem Führer, Sieg Heil“. Nach Eintreffen von Polizeikräften wurde Ihnen von den (sic!) Polizeibeamten PK Kramer die vorläufige Festnahme erklärt wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Nachdem aufgrund der Gesamtsituation mit Widerstandshandlungen zu rechnen war und Gründe der Eigensicherung dies erforderlich machten, erging gegen Sie die Anordnung, dass Sie beide Hände hinter Ihren Rücken halten sollten, damit Ihnen Handfesseln angelegt werden können. Dabei wurden Sie auch darauf hingewiesen, dass die Maßnahme unter Anwendung unmittelbaren Zwangs durchgesetzt werden würde, falls Sie der Anordnung nicht Folge leisten würden. Nachdem Sie jedoch nicht bereit waren, sich die Handfesseln anlegen zu lassen, ergriff PK … Ihre Hand und versuchte sie auf den Rücken zu drehen. Dagegen spreizten Sie sich mit aller Kraft und versuchten sich aus dem Haltegriff herauszuwinden. Als der Polizeibeamte daraufhin versuchte Sie durch Fußstellen zu Fall zu bringen, sperrten Sie sich auch hiergegen, um sich einer Fesselung zu entziehen. Erst als Sie schließlich durch ein Wegziehen der Füße zu Boden gebracht werden konnten, konnten Ihnen die Handfesseln angelegt werden.
Beim Anlegen der Handfesseln belegten Sie den Polizeibeamten PK ……. ferner mit den Worten „Du Scheißbulle, Du Drecksbulle, Du schwule Bullensau“, um dem Polizeibeamten gegenüber Ihre Missachtung auszudrücken.
Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt.“
6. 22.10.2003 AG KELHEIM (D3405) -5 LS 108 JS 19744/02 –
Tatbezeichnung: Gemeinschaftlicher Diebstahl
Datum der (letzten) Tat: 30.04.2002
Angewandte Vorschriften: STGB § 243 ABS. 1 NR. 1, § 25 ABS. 2
Verfahren eingestellt nach § 47 JGG.
7. 04.02.2004 AG KELHEIM (D3405) -CS 502 JS 1941/04 –
Rechtskräftig seit 08.03.2004
Tatbezeichnung: Beschimpfung von Bekenntnissen
Datum der (letzten) Tat: 25.12.2003
Angewandte Vorschriften: STGB § 166 ABS. 1
100 Tagessätze zu je 35,00 EUR Geldstrafe.
Einziehung.
Der Sachverhalt des Strafbefehls lautet wie folgt:
„Spätestens am 25.12.2003 gegen 10.00 Uhr brachten Sie an der Erdgeschoss-Außenwand des von Ihnen bewohnten Anwesens …… in ……. ein ca. 140 x 110 cm großes helles Leinentuch an, das folgende Aufschrift trug: „Scheinheilige Weihnachten; lasst uns das Christkind braten; Odin statt Jesus“. Um das Leinentuch brachten Sie eine bunte Christbaumbeleuchtung an, deren Zuleitung in Ihr daneben befindliches Wohnzimmerfenster führte. Zur Tatzeit war diese Beleuchtung eingeschaltet. Sie wussten, dass jedenfalls in der römisch-katholischen Kirche die Anbetung des Christkindes zu Weihnachten eine prägende Bedeutung hat und sie rechneten damit, dass sich Kirchgänger insbesondere durch die Aufforderung, das „Christkind zu braten“ in ihrem religiösen Empfindungen missachtet fühlen könnten, wie es dann hier auch geschehen ist.“
8. 18.03.2004 AG KELHEIM (D3405) -5 LS 109 JS 24330/03 –
Rechtskräftig seit 18.03.2004
Tatbezeichnung: Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte mit vorsätzlicher Körperverletzung
Datum der (letzten) Tat: 15.08.2003
Angewandte Vorschriften: STGB § 123 ABS. 1, ABS. 2, § 113 ABS. 1, ABS. 3, § 223 ABS. 1, § 230, § 52, § 53, § 55, § 56
7 Monat(e) Freiheitsstrafe.
Bewährungszeit bis 17.03.2007.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 04.02.2004+CS 502 JS 1941/04+D3405+AG KELHEIM.
Bewährungszeit verlängert bis 17.03.2008.
Bewährungszeit verlängert bis 17.09.2008.
Strafe erlassen mit Wirkung vom 24.11.2008.
Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
1. Am 15.08.2003 gegen 22.30 Uhr kam es auf dem Festplatz in ……. in der Nähe des Autoskooter zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten ……. und dem Geschädigten ……. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung schlug der Angeklagte …… dem Geschädigten mit der Faust gegen die Brust, so dass dieser nach hinten ausweichen musste. Anschließend wurde der Geschädigte von einer weiteren nicht ermittelbaren Person aus dem Kreis um die Angeklagten …. und ….in den Rücken geschlagen, so dass er zu Boden stürzte. Daraufhin stürzte sich der Angeklagte …. auf den Geschädigten gemeinsam mit noch mindestens einer anderen Person aus dem Kreise um die Angeklagten ….. und …. und schlug auf den am Boden liegenden Geschädigten …….. ein. Infolgedessen wurde der Geschädigte am rechten Arm verletzt. Er erlitt Schmerzen und war eine Woche krank.
2. Am 18.08.2003 gegen 23.55 Uhr hielt sich der Angeklagte … im Weinzelt des Volksfestes …. auf, obwohl gegen ihn, wie er wusste, bereits am 16.08.2003 ein Platzverweis sowie ein Betretungsverbot für die restliche Dauer des Volksfestes in …… ausgesprochen worden war.
Infolgedessen wurde der Angeklagte …. von PHK …. und POK …….. in Gewahrsam genommen und auf die Dienststelle der Polizeiinspektion ….. verbracht.
Auf der Dienststelle sollte der Angeklagte …. in die Haftzelle verbracht werden, was ihm auch angekündigt wurde. Unmittelbar vor der Haftzelle versetzte der Angeklagte …. dem hinter ihm stehenden PHK …. mit dem Hinterkopf einen Kopfstoß ins Gesicht. Infolgedessen erlitt der Geschädigte ….. erhebliche Schmerzen sowie eine Gehirnerschütterung, auf Grund derer er bis 24.08.2003 arbeitsunfähig krank war.
In die Haftzelle verbracht, sollten dem Angeklagten …. von POK ……und PHK….. die Springerstiefel ausgezogen werden, da dieser auf Grund der Fesselung dazu selbst nicht in der Lage war. Der Angeklagte …. versuchte, diese Vorsichtsmaßnahme zu unterbinden, indem er mit den Beinen um sich schlug.
Strafantrag wurde von der Stadt ……., vertreten durch den 1. Bürgermeister, sowie dem Geschädigten PHK …… und dessen Dienstvorgesetzten form- und fristgerecht gestellt.
Darüber hinaus hält die Staatsanwaltschaft wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten, soweit erforderlich.
9. 21.07.2004 AG KELHEIM (D3405) -6 DS 130 JS 13738/04 –
Rechtskräftig seit 21.07.2004
Tatbezeichnung: Beleidigung
Datum der (letzten) Tat: 09.04.2004
Angewandte Vorschriften: STGB § 185, § 194 ABS. 1, ABS. 3, § 56 ABS. 1
3 Monat(e) Freiheitsstrafe.
Bewährungszeit 3 Jahr(e) .
Bewährungszeit verlängert bis 20.01.2008.
Strafe erlassen mit Wirkung vom 22.02.2008.
Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zur zugrunde:
„Am 09.04.2004 gegen 23.20 Uhr führten die Polizeibeamten …. und ….. in ……… eine Verkehrskontrolle durch. Bei dieser Kontrolle wurde festgestellt, dass der Pkw-Fahrer ……. angetrunken war. Als der Polizeibeamte PHM …. aufgrund des positiven Alko-Tests beim gesondert Verfolgten …. den Angeklagten aufforderte, die Autoschlüssel des Pkw-Fahrers ……auszuhändigen und anschließend wegzugehen, da dies eine polizeiliche Maßnahme nur gegenüber dem Pkw-Fahrer …. sei, sagte der Angeklagte zu PHM …: „Jetzt reicht’s mir aber mit Dir Penner.“
PHM …..fühlte sich dadurch – wie vom Angeklagten beabsichtigt – in seiner Ehre verletzt.
Der Polizeibeamte ….. sowie sein Dienstvorgesetzter haben form- und fristgerecht Strafantrag gestellt.“
10. 13.01.2006 AG Kelheim (D3405) -6 Cs 126 Js 26496/05 –
Rechtskräftig seit 31.01.2006
Tatbezeichnung: Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr
Datum der (letzten) Tat: 05.11.2005
Angewandte Vorschriften: StGB § 316 Abs. 1, Abs. 2
20 Tagessätze zu je 40,00 EUR Geldstrafe.
11. 08.01.2014 AG Pfaffenhofen (D5703) -2 Cs 43 Js 7603/13 –
Rechtskräftig seit 08.01.2014
Tatbezeichnung: Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr
Datum der (letzten) Tat: 19.05.2013
Angewandte Vorschriften: StGB § 316 Abs. 1, § 316 Abs. 2, § 69, § 69 a
70 Tagessätze zu je 60,00 EUR Geldstrafe.
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 07.05.2014
III. Sachverhalt
Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt vor dem 02.03.2015 bestellte der Angeklagte bei einem Versandhandel im Internet einen Aufnäher mit den Buchstaben A.C.A.B., sowie zwei Aufnäher mit den Zahlen 13 und 12. Bei der Bestellung fragte der Angeklagte schriftlich an, ob er damit Probleme kriegen würde. Er erhielt bei der Lieferung über den Versandhandel als Antwort, dass er keine Probleme bekommen würde. Diese jeweils mehrere Zentimeter großen Aufnäher befestigte er auf einer Weste links vorne auf der Brustseite, den Aufnäher A.C.A.B. relativ mittig, die beiden Zahlenaufnäher darunter. Die beiden Ziffernaufnäher ergaben dabei die Ziffernreihenfolge 1312. Auf der rechten Brustseite der Weste befinden sich zwei weitere Schriftaufnäher unbekannten Inhalts und ganz unten rechts ein Aufnäher von TSV 1860 München. Auf der linken Brustseite ganz oben befindet sich ein Schriftaufnäher „Old School“.
Am 02.03.2015 fand um 20.15 Uhr ein Fußballspiel der 2. Bundesliga zwischen dem FC Ingolstadt 04 und dem TSV 1860 München im Audi Sportpark in Ingolstadt statt. Der Angeklagte betrat am 02.03.2015 gegen 19.15 Uhr die Einlasskontrolle am Sportplatz 1 im Audi Sportpark in Ingolstadt im Gästebereich und hatte seine Weste an, auf der sich deutlich sichtbar u.a. die Aufnäher mit den Buchstaben A.C.A.B. und den Zahlen 13 12 befanden. Die Ordner bei der Einlasskontrolle wurden dabei durch eine Gruppe der VI. Bereitschaftspolizeiabteilung Dachau, die von POM ….. geführt wurde, unterstützt. Als der Polizeibeamte POM …… den Aufnäher A.C.A.B sah, ordnete er gegenüber den bei ihm stehenden POM …., PMin …….. und PM ……, die ebenfalls seiner Gruppe angehörten, an, dass der Angeklagte zu kontrollieren und durchsuchen sei. Dabei nahmen alle vier Polizeibeamten jedenfalls den Aufnäher A.C.A.B. wahr.
Der Angeklagte nahm zumindest billigend in Kauf, dass er an diesem Abend durch Polizeibeamte kontrolliert werde, weil er mit Polizeiunterstützung des Fußballspiels der 2. Bundesliga rechnen musste. Dem Angeklagten war bewusst, dass der objektive Sinngehalt der Aufnäher „All Cops Are Bastards“ bedeutete, wobei die Aufnäher 1312 insoweit ebenfalls für die Abkürzung A.C.A.B. stehen als 1. bzw. 3. bzw. 2. Buchstabe des Alphabets. Er nahm zumindest billigend in Kauf, dass die Polizeibeamten den Aufnäher A.C.A.B. und die Aufnäher 1312 als Abkürzung für „All Cops Are Bastards“ deuteten. Alle vier Polizeibeamten fühlten sich jedenfalls durch den Aufnäher A.C.A.B. in ihrer Ehre herabgewürdigt, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm.
Strafantrag wurde durch die Polizeibeamten … und … am 24.04.2015, durch die Polizeibeamtin … am 23.05.2015 und durch den Polizeibeamten …… am 24.05.2015 form- und fristgerecht gestellt. Der Dienstvorgesetzte stellte Strafantrag am 11.06.2015.
IV. Beweiswürdigung
1. Die Feststellungen zur Person des Angeklagten traf die Kammer aufgrund der Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung. Die Kammer hat keinen Grund an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Die Feststellungen zu seinem derzeitigen Entgelt, das er bei der Firma Audi erzielt, ergeben sich zudem aus den verlesenen Gehaltsabrechnungen von Dezember 2015 (Nettogehalt 2.138,80 Euro) und Januar 2016 (Nettogehalt 2.185,50 Euro).
Die Feststellungen zu den Vorstrafen des Angeklagten beruhen auf der in der Hauptverhandlung verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 12.11.2015, die von dem Angeklagten als richtig anerkannt wurde.
Die Feststellungen zu den Sachverhalten der Urteile vom 21.07.2004 und 18.03.2004 sowie den Strafbefehlen vom 04.02.2004 und 21.02.2003 ergeben sich aus den verlesenen Sachverhalten der Urteile und der Strafbefehle. Die Feststellungen zu der Verurteilung des AG …… im Verfahren 112 Js 20457/15 ergeben sich aus den Angaben des Angeklagten und dem verlesenen Entwurf des Strafbefehls (Anlage III zum Protokoll vom 16.02.2016).
2. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung zugegeben, dass er die Aufnäher bestellt hat und auf der Weste angebracht hat. Er habe bei der Bestellung schriftlich angefragt, ob er Probleme bekomme. Dies sei dann bei der Lieferung verneint worden. Es sei richtig, dass er bei dem Fußballspiel Ingolstadt gegen TSV 1860 München die Weste getragen habe. Er sei aufgrund verschiedener Urteile davon ausgegangen, dass er sich dadurch nicht strafbar mache. Er habe niemanden beleidigen wollen, schon gar nicht die vier Polizeibeamten. Große Gedanken habe er sich nicht gemacht, weil aus seiner Sicht keine Einlasskontrollen zu erwarten gewesen seien. Einer der Beamten habe ihn festgehalten und habe die anderen dann dazu gerufen. Er sehe nunmehr ein, dass es sich um keinen zeitgemäßen Protest handele. Er habe die Aufnäher von der Kutte entfernt. Er habe aussehen wollen und sich fühlen wollen, wie ein Mitglied einer Motorradgang. Zu dem Sinngehalt der Aufnäher auf seiner Weste äußerte er sich nicht.
3. a) Die Feststellungen zur Bestellung der Aufnäher und seiner bei der Bestellung getätigten Anfrage und der Antwort darauf beruhen auf den Angaben des Angeklagten, an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen.
b) Die Feststellungen zu der Weste und der auf ihr befindlichen Aufnäher ergeben sich – soweit sie über die Angaben des Angeklagten hinausgehen – aus den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern. Aus den Lichtbildern ergibt sich die Anordnung der Aufnäher. Der Angeklagte hat glaubhaft bestätigt, dass diese Bilder anlässlich des Polizeieinsatzes gefertigt wurden. Zur Ergänzung der Beschreibung der Lichtbilder wird auf die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder der Akte Bl. 15/16 Bezug genommen.
c) Die Feststellung, dass am Abend des 02.03.2015 ein Fußballspiel zwischen FC Ingolstadt und TSV 1860 München am Sportplatz 1 im Audi Sportpark in Ingolstadt stattgefunden hat, die Ordner durch Polizeikräfte unterstützt wurden, dass der Angeklagte nach Wahrnehmung des Aufnähers „A.C.A.B.“ kontrolliert wurde und die Aufnäher durch die Polizeibeamten wahrgenommen wurden, wird durch die Aussagen der glaubhaften Polizeibeamten POM …., POM ….., PMin …. und PM … bestätigt.
Der Zeuge ….. gab an, dass er am 02.03.2015 bei dem Spiel 1860 gegen Ingolstadt in Ingolstadt in der Funktion des Gruppenführers der 24. Hundertschaft der VI. Bereitschaftspolizeiabteilung Dachau zur Unterstützung der Ordner bei Einlasskontrollen wegen Pyrotechnik eingesetzt war. Er habe den Angeklagten gegen 19.00 Uhr bei der Einlasskontrolle mit einem A.C.A.B.-Aufnäher gesehen. Er habe ihn angesprochen und belehrt. Danach seien die Folgemaßnahmen abgeklärt worden. Er sei 1,0 m bis 1,5 m von dem Angeklagten weggestanden, als dieser durch die Einlasskontrolle gegangen sei. Aufgrund der Entfernung sei er sich hinsichtlich der Beschriftung zunächst nicht sicher gewesen, so dass er die Kontrolle durch seine Kollegen angeordnet habe. Der Angeklagte habe keine Probleme gemacht.
Bei einem solchen Spiel mit „1860“, sei meistens mehr Polizei da. Es sei bekannt, dass dann vermehrt Pyrotechnik eingebracht werden solle. Er sei der Meinung, wenn jemand auf ein Fußballspiel gehe und bewusst so etwas trage, dass er dann die Polizeibeamten persönlich angehe. Er fühle sich beleidigt, da der Angeklagte gewusst habe, dass sie, die Polizisten, da seien.
Der Zeuge …. gab an, dass er bei dem selben Spiel bei der Einlasskontrolle eingesetzt gewesen sei. Der Angeklagte sei ca. eine Stunde vor Spielbeginn alleine gekommen. Er sei mit der Lederweste durch den Detektor gegangen. Er selbst sei ca. 6 m bis 7 m vom Angeklagten weg gestanden. Dem Kollegen ….. sei die Buchstabenfolge A.C.A.B. und die Ziffernfolge 1312 aufgefallen. Deshalb sei er von ……. zusammen mit ….. darauf aufmerksam gemacht worden. Sie hätten dann den Angeklagten kontrolliert, belehrt und durchsucht. Er habe den Angeklagten dann zusammen mit der Kollegin ….. zur Gefangenensammelstelle gebracht. Der Angeklagte sei dort letztendlich wieder entlassen worden. Der Angeklagte sei kooperativ gewesen. Er habe gesagt, dass er dies wegen dem Bundesverfassungsgericht darf und keine Beleidigung sei.
Er sei sich nicht sicher, ob ihm die Aufnäher alleine aufgefallen wären. Die vier Polizeibeamten hätten sich besprochen und Strafantrag gestellt. Der Angeklagte habe gewusst, dass dort Polizeibeamte seien.
Der Zeuge …. gab an, dass er ebenfalls bei dem Fußballspiel als Polizeibeamter bei der Kontrolle der Eingänge eingeteilt gewesen sei. Dies sei beim speziellen Gästeeingang gewesen. Es habe sich um ein Spiel mit höherem Risiko gehandelt, da bei Spielen des TSV 1860 München oft Pyrotechnik eingebracht werde und daher erhöhte Polizeipräsenz bestehe. Dies sei ihnen vor dem Spiel noch einmal erklärt worden. Ca. eine Stunde vor Spielbeginn habe der Kollege ….. den Aufnäher A.C.A.B. auf der linken Seite des Angeklagten entdeckt. Der Zeuge selbst sei neben dem Kollegen ….. gestanden, ca. 1,5 m bis 2 m entfernt vom Angeklagten. Er habe aber in dem Moment nicht in die Richtung des Angeklagten gesehen. Er habe zusammen mit dem Kollegen ….. die Identität des Angeklagten festgestellt, ihn belehrt und durchsucht. Der Angeklagte sei sich sicher gewesen, dass er sich nicht strafbar gemacht habe, weil er niemanden beleidige. Er habe genau gewusst, was die Aufnäher bedeuteten. Der Angeklagte sei nicht aggressiv gewesen und habe sich gegen die Maßnahme nicht gewehrt.
Der Zeuge erklärte, er nehme die Entschuldigung des Angeklagten nicht an.
Die Zeugin …. gab an, dass sie ebenfalls dort als Polizeibeamtin eingeteilt gewesen sei. Der Kollege …..aber die Aufnäher A.C.A.B. und 1312 festgestellt. Sie sei gegenüber von dem Kollegen ….. gestanden. Von alleine hätte sie den Angeklagte nicht gesehen. Sie habe den Aufnäher 1312 nicht wahrgenommen. Der Angeklagte sei belehrt, durchsucht und identifiziert worden. Er sei von ihr und dem Kollegen …. zur Gefangenensammelstelle gebracht worden. Der Angeklagte sei ohne größere Probleme mitgekommen, habe aber zunächst ein bisschen unwillig gewirkt. Es könne sein, dass er sich auf ein Bundesverfassungsgerichtsurteil berufen habe. Das habe sie aber nicht mitbekommen.
Die Kammer hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben der vier Zeugen. Diese haben ihre Beobachtungen während der dienstlichen Verrichtung getätigt. Die Angaben der Zeugen stimmen im Wesentlichen überein. Alle vier Zeugen machten ihre Angaben ruhig und nachvollziehbar. Sie stimmen darüber hinaus mit den Angaben des Angeklagten überein. Die Zeugen machten auch Angaben, die den Angeklagten entlasten könnten. So gab der Zeuge …. von sich aus an, zunächst hinsichtlich der Aufschrift A.C.A.B. nicht sicher gewesen zu sein und die anderen Aufnäher 1312 zunächst nicht bemerkt zu haben. Die anderen Zeugen gaben an, die Aufnäher zunächst nicht bemerkt zu haben. Alle Zeugen gaben an, dass sich der Angeklagte insgesamt kooperativ verhalten habe. Bis auf den Zeugen …. nahmen alle Zeugen die Entschuldigung des Angeklagten an. All dies spricht für die Richtigkeit der Wahrnehmungen und Angaben der Zeugen.
d) Die Feststellung, dass sich alle vier Polizeibeamten in ihrer Ehre herabgesetzt gefühlt haben, ergibt sich aus den Aussagen der glaubhaften Zeugen ………………. Alle vier Zeugen gaben übereinstimmend an, dass sie sich besprochen hatten und entschieden haben, Strafantrag zu stellen. Alle vier Polizeibeamten gaben an, dass sie sich durch diese Aufnäher mit der Bedeutung „All Cops Are Bastards“ in ihrer Ehre herabgesetzt fühlen, da sie lediglich ihrer Arbeit als Polizeibeamte machen und sich deshalb dadurch beleidigt fühlen. Die Polizeibeamten ………… gaben zudem an, dass sie die Entschuldigung des Angeklagten annehmen würden, aber sich dennoch beleidigt fühlen und den Strafantrag aufrechterhalten.
e) Die Feststellungen zu den gestellten Strafanträgen ergeben sich aus den Angaben der vier Polizeibeamten, die die Strafantragstellung jeweils bestätigten.
f) Die Feststellung, dass der Angeklagte mit Kontrollen durch Polizisten bei dem Stadionbesuch rechnen musste, ergeben sich entgegen seinen Angaben aus folgendem: Der Angeklagte hat auf seiner Weste auch einen Aufnäher des TSV 1860 München angebracht. Er hat glaubhaft angegeben, die Weste für Stadionbesuche gefertigt zu haben sowie, dass er dort wie ein Mitglied einer Motorradgang aussehen wollte. Aus der Einlassung des Angeklagten ergibt sich schon, dass dem Angeklagten die Abläufe an Stadien bekannt sind. Als jedenfalls nicht ganz unbedarftem Stadionbesucher musste ihm aufgrund seiner Erfahrungen klar sein, dass Polizisten die Sicherheitskräfte und Ordner unterstützen. Alle Polizeibeamten haben zudem angegeben, dass solche Kontrollen durch Polizisten bei Spielen des TSV 1860 vermehrt stattfinden, da dort häufig mit Einbringen von Pyrotechnik zu rechnen sei. Als Unterstützer des TSV 1860 München musste dem Angeklagten dies aufgrund eigener früheren Wahrnehmungen bekannt sein. Auf die Einordnung als High-risk-Spiel kam es insoweit nicht mehr an.
V. Schuldspruch
Der Angeklagte hat sich der Beleidigung gemäß § 185 Abs. 1 StGB in vier tateinheitlichen Fällen strafbar gemacht.
1. Der Tatbestand der Beleidigung erfordert die gewollte Kundgabe der Missachtung, Geringschätzung oder Nichtbeachtung eines anderen, d.h. deren Manifestation durch ein Verhalten mit einem entsprechenden Erklärungswert, gleichgültig, ob es sich dabei um Äußerungen durch Wort, Schrift, Bild, Gesten, symbolische Handlungen oder Tätlichkeiten handelt. Hierbei ist maßgeblich dafür, ob eine Äußerung die Missachtung eines anderen zum Ausdruck bringt, nicht, wie der Täter sie versteht oder wie der Empfänger sie tatsächlich verstanden hat, sondern wie er sie verstehen durfte, d.h. ihr durch Auslegung zu ermittelnder objektiver Sinngehalt. Es ist hierbei die Gesamtheit der äußeren und inneren Umstände zu berücksichtigen, insbesondere Ton, Alter, Stellung, persönliche Eigenschaften und Beziehungen der Beteiligten, die Anschauungsweise der beteiligten Kreise und ihrer Gewöhnung an bestimmte Redewendungen, die Ortsüblichkeit bestimmter Ausdrücke und die Umstände, unter denen die Äußerung erfolgt ist (vgl. OLG München, 18.12.2013, Az. 4 OLG 13 Ss 571/13 zitiert nach jportal.bydn.de).
Unter diesen Umständen war der Schriftzug A.C.A.B. – im Übrigen auch der Schriftzug 1312, der in Zahlen für die gleichen Anfangsbuchstaben steht – als „All Cops Are Bastards“, d.h. „Alle Polizisten sind Bastarde“ zu verstehen.
Nach dem objektiven Sinngehalt, wie ein unbefangener verständiger Dritter diese versteht, ist von dieser Bedeutung auszugehen. Zu sehen ist hier, dass der Ausdruck nur schriftlich verwandt wurde und als Aufnäher auf einer Weste zum Anlass eines Spiels der 2. Fußballbundesliga getragen wurde. Aus dem verlesenen Wikipedia-Eintrag ergibt sich, dass die bekannte Deutung für A.C.A.B. aus dem britischen Sprachgebrauch kommt und „All cops are bastards“ bedeutet. Aus dem Wikipediaeintrag ergibt sich auch, dass in der Linken Szene einige Menschen dies als „All cops are Bullshit“ oder „All colors are beautyful“ oder „All communists are beautyful“ verwenden. In der Punk- und Fußballkultur ist auch die Bedeutung „Acht Cola, Acht Bier“, bei Autonomen die Abwandlung „Autonome Chaoten argumentieren besser“ möglich. Das Gleiche gilt für die Deutung „Allways carry a bible“ und „all chicks are beautyful“.
Für den objektiven Sinngehalt als „All Cops Are Bastards“ spricht somit schon, dass diese Auslegung die verbreiteste ist. Mit dieser Bedeutung wird der Begriff auch in der Musikszene verwandt. Für diesen objektiven Sinngehalt spricht hier auch, dass der Angeklagte nicht nur A.C.A.B. verwendet hat, sondern auch die Zahlen 1312, und die Aufnäher zentral platziert hat, so dass diese Aussage besondere Wichtigkeit erzielen sollte. Daher scheiden Spaßerklärungen, wie z.B. „All chicks are beautyful“ oder „Acht Cola, acht Bier“ aus. Der Angeklagte hat dies auch extra auf eine Jacke genäht, auf der sich sonst neben einem Aufnäher des TSV 1860 München auch ein „Old School“ Aufnäher befand, der in der Fanszene als Aufforderung zu verstehen ist, bei der „alten Schule“ zu bleiben, insbesondere nicht dem Kommerz zu verfallen. Auch dies zeigt, dass hier nach dem objektiven Sinngehalt nicht von einer belanglosen Aussage und keiner linken Parole ausgegangen werden soll. Zu sehen ist auch, dass der Angeklagte ausweislich der verlesenen Urteile nicht der Linken-Szene angehört hat und keine Erkenntnisse dafür bestehen, dass er dies nunmehr tut. Es handelte sich nicht um eine Demonstration bei der eine politische Aussage zu erwarten gewesen wäre. Daher scheiden Deutungen aus der linken Szene im Gesamtzusammenhang aus. Vielmehr ist zu sehen ist, dass der Angeklagte diese Weste im Fußballstation getragen hat, in der sich auch Polizeibeamte befanden. Damit scheidet auch eine religiöse Deutung nach dem objektiven Sinngehalt aus. Unter diesen Umständen – insbesondere der Ortsüblichkeit und dem situativen Gebrauch – durfte und musste ein unbefangener verständiger Dritter diese Buchstaben- und Zahlenfolge so verstehen, dass damit „All Cops Are Bastards“ gemeint war. Ein Verständnis als „All Cops Are Bullshit“ würde nichts an der strafrechtlichen Beurteilung ändern. Aus alldem ergeben sich die Feststellungen zum objektiven Sinngehalt der Aufnäher.
2. Diese Bezeichnung ist auch ehrenrührig. Die Kammer verkennt im Hinblick auf den verlesenen Eintrag aus Wikipedia zum Begriff Bastard nicht, dass dieser Begriff früher nicht als Schimpfwort verwendet wurde. Im Laufe der Geschichte hat sich aber dieser Begriff als Schimpfwort herauskristallisiert, im Hinblick darauf, dass Uneheliche (Bastarde) aus Sicht der Adeligen unreinen Blutes waren, also minderwertiger. Hinzu kommt der Aspekt von Schmutzigkeit/Sündhaftigkeit außerehelicher Kinder. Deshalb ist nach dem objektiven Sinn halt die Formulierung „All Cops Are Bastards“ als ehrverletzend anzusehen. Die vier Polizeibeamten haben nach ihren Aussagen die Aufnäher auch mit dieser Bedeutung und als ehrverletzend verstanden.
3. Der Angeklagte hat diese Äußerung A.C.A.B. durch das Tragen der Weste mit deutlich sichtbarem Schriftzug gegenüber den Geschädigten kundgetan. Diese Zeichen waren zentral in mehreren Zentimeter großen Aufnähern auf der Weste aufgebracht. Insoweit wird auf die in Augenschein genommenen Lichtbilder Bl. 15/16 Bezug genommen.
Diese Äußerung und Kundgabe ist gegenüber allen vier Polizeibeamten erfolgt. Allein der Umstand, dass zunächst der Zeuge …., weil in der Mitte stehend, den Schriftzug wahrgenommen hat, ändert nichts daran, dass die Kundgabe gegenüber allen vier Polizeibeamten, die letztendlich alle den Schriftzug A.C.A.B. wahrgenommen haben, erfolgt ist. Die Erklärung erfolgte somit auch gegenüber den drei hinzugeholten Beamten, die dies bei der Kontrolle wahrnahmen.
4. Die vier Geschädigten sind als Personengemeinschaft unter einer Kollektivbezeichnung beleidigt worden.
Voraussetzung der Beleidigung einer Mehrheit einzelner Personen unter einer Kollektivbezeichnung ist, dass es sich um einen verhältnismäßig kleinen, hinsichtlich der Individualität seiner Mitglieder überschaubaren Kreis handelt, d.h. der fragliche Personenkreis muss zahlenmäßig überschaubar sein und die bezeichnete Personengruppe muss sich aufgrund bestimmter Merkmale so deutlich aus der Allgemeinheit hervorheben, dass der Kreis der Betroffenen klar umgrenzt ist (vgl. OLG München aaO.). Das ist hier der Fall.
Hier ist zu sehen, dass sich die herabsetzende Äußerung an die Polizeibeamten gerichtet hat, die als solche an dem konkreten Einsatz – hier Kontrolle des Eingangs – teilgenommen haben. Damit hebt sich diese Gruppierung deutlich von der Allgemeinheit heraus und ist von überschaubarer Anzahl.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte in Kenntnis der Bedeutung des Schriftzugs die Weste getragen hat und sich bewusst war, bei dem Besuch des Fußballspiels auf Polizeibeamte zu treffen, die zur Kontrolle abgestellt sind und sich somit die Äußerung an diese Polizeibeamte richten sollte. Der Angeklagte gibt zwar selbst nicht an, wie er die Bedeutung gemeint hat. Zu sehen ist aber, dass er selbst angegeben hat, beim Versandhändler nachgefragt zu haben, ob er Probleme bekommen könnte. Dies spricht dafür, dass er selbst die Zeichen so verstanden hat, wie es dem weitverbreiteten Sinngehalt entspricht, nämlich „All Cops Are Bastards“. Sonst wäre eine Nachfrage nicht verständlich. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
Die Polizeibeamten haben übereinstimmend angegeben, dass bei einem Fußballspiel der 2. Bundesliga immer mit Polizeipräsenz zu rechnen ist und dies – im Hinblick auf die Problematik des Pyrotechnikeintrags – erst recht für ein Spiel des TSV 1860 gilt. Aus dem Tragen der Weste mit dem Aufnäher TSV 1860 München ergibt sich wie gezeigt, dass der Angeklagte Fußballfan dieses Clubs ist. Dem Angeklagte musste wie gezeigt als Fußballfan klar sein, dass bei solchen Fußballspielen mit Polizeipräsenz auch an den Eingangsbereichen zu rechnen ist und er durch die Verwendung der Weste mit den Aufnähern gerade bei ihm mit Kontrollen durch die hierfür abgestellten Polizeibeamten zu rechnen ist .
Die Kammer verkennt nicht, dass sich die Auslegung des § 185 StGB und insbesondere des Merkmals der Personenmehrheit und der Kollektivbezeichnung nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben richtet. Die strafrechtliche Verurteilung gemäß § 185 StGB greift in die Freiheit der Meinungsäußerung ein. Meinungen sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet. Sie enthalten sein Urteil über Sachverhalte, Ideen oder Personen. Sie genießen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird (vgl. Bundesverfassungsgericht vom 06.02.2015, NJW 2015, 2022).
Der Aufdruck A.C.A.B. oder 13 12 ist nicht von vornherein offensichtlich inhaltslos, sondern bringt – in der hier angenommenen Bedeutung – eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck. Es handelt sich somit um eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG.
Die Kammer ist sich bewusst, dass der Eingriff in die Meinungsfreiheit durch die Auslegung des Strafgesetzes so interpretiert werden muss, dass der prinzipielle Gehalt dieses Grundrechts in jedem Fall gewahrt bleibt. Die Meinungsfreiheit ist jedoch dann nicht geschützt, wenn eine Meinungsäußerung die Betroffenen ungerechtfertigt in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der durch sie geschützten persönlichen Ehre verletzt. Dabei kann unter bestimmten Umständen auch ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs geschützt sein (Bundesverfassungsgericht a.a.O.). Dabei hat die Kammer nicht übersehen, dass eine auf Angehörige einer Gruppe im allgemeinen bezogene Äußerung nicht allein deswegen als eine auf eine hinreichende überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln ist, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeinen Gattung bezeichneten Personenkreises bildet (Bundesverfassungsgericht a.a.O.). Hier ist es aber so, dass sich der Angeklagte vorsätzlich in eine Situation begeben hat, in der er damit rechnen musste, mit einiger Sicherheit auf bestimmte Polizeibeamte zu treffen. Insoweit ist die personalisierende Zuordnung gewahrt. Nach Auffassung der Kammer muss es insoweit ausreichen, dass der Angeklagte billigend in Kauf nahm, dass er mit einiger Sicherheit am Stadion auf Polizeibeamte treffen würde, die für die Ordnung und Sicherheit zuständig sind. Anders als in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall, in dem die damalige Angeklagte lediglich zufällig zweimal von Polizeibeamten in ihrem Wohnort angetroffen wurde, hat der Angeklagte hier bewusst seine Weste, auf der er die Aufnäher angebracht hatte, angezogen, um in ein Fußballstadion mit einem Fassungsvermögen von 15.000 Zuschauern zu gehen, bei dem er mit der Anwesenheit einer Anzahl von Polizeibeamten mit einiger Sicherheit rechnen musste und diese billigend in Kauf nahm. Damit handelt es sich bei der Gruppe der Polizeibeamten, die ihn kontrollierte und die er beleidigte, auch nicht um eine bloße Teilgruppe aller Polizeibeamten, sondern konkret diejenigen, die ihn kontrollieren würden und hebt diese so aus der Allgemeinheit heraus.
Entgegen der Auffassung der Verteidigung handelt es sich hier auch um „bestimmte“ Polizeibeamte im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2015. Es kann nicht gefordert sein, dass man die Polizeibeamten namentlich kannte, die man beleidigen will. Es ist ausreichend, dass sich die Individualität auch aus der Auslegung ergibt. Hier war es so, dass sich die Kundgabe der Missachtung genau gegen die Polizeibeamten richten sollte, mit deren Aufeinandertreffen er mit einiger Sicherheit rechnen musste und billigend in Kauf nahm. Die Polizeibeamten haben übereinstimmend angegeben, dass sie mit grünem Schutzanzug ausgestattet waren und einen Helm bei sich führten, aber nicht an hatten, somit als Polizeibeamte erkennbar waren. Damit handelt es sich um eine individuelle Personengruppe, die sich durch die Kundgabe bestimmt hat und bestimmen lässt. Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass der bloße Aufenthalt im öffentlichen Raum nicht ausreicht. Wie gezeigt, handelt es sich aber gerade nicht um diesen bloßen Aufenthalt. Eine enge, rein wörtliche Auslegung des durch das Bundesverfassungsgericht benutzten Begriffes „bestimmte“ Personen im Sinne einer namentlichen Identifizierung durch den Täter würde den ebenfalls verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Ehre und damit auch der Menschenwürde der Polizeibeamten, die hier ihren Dienst für die Allgemeinheit verrichteten und die sich – wie die Zeugen übereinstimmend angegeben haben – dadurch verletzt fühlen, nicht ausreichend gewährleisten. Nach alledem ergibt sich, dass der Kreis der Personen klar umgrenzt war.
5. Der Angeklagte hat auch vorsätzlich gehandelt. Wie gezeigt, kannte der Angeklagte die Bedeutung der Aufschrift A.C.A.B. im Sinne von „All Cops Are Bastards“, d.h. alle Polizisten sind Bastarde. Er musste – wie gezeigt – bei dem Besuch des Fußballspiels mit der Anwesenheit einer größeren Zahl von Polizeibeamten rechnen und nahm billigend in Kauf, dass er bei seinem Gang in das Stadion auf einzelne Polizeibeamte treffen wird. Aufgrund der Platzierung der Aufschriften und dem Umstand, dass es sich um mehrere Aufschriften mit gleichem Bedeutungsinhalt handelte, war ihm auch bewusst und er nahm zumindest billigend in Kauf, dass Polizeibeamte diese wahrnehmen und sich darin stören würden. Aus dem Umstand, dass die drei Polizeibeamten …… und ….. dies zunächst nicht wahrgenommen hatten und der Zeuge ……. sich erst noch vergewissern musste, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dem Angeklagten war von vornherein klar, dass er mit einem Aufeinandertreffen in unmittelbarer Nähe mit Polizeibeamten rechnen musste und nahm dies jedenfalls billigend in Kauf. Der Angeklagte nahm somit zumindest billigend in Kauf alle vier Beamten zu beleidigen. Dem Angeklagten ging es auch um die Diffamierung und persönlicher Herabsetzung der vier Polizeibeamten. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Angeklagte mehrfach angegeben hat, keine Polizeibeamten beleidigen zu wollen und schon gar nicht diese Polizeibeamten. Der Angeklagte konnte aber auch auf vielfaches Nachfragen nicht erklären, warum er denn dann diese Aufnäher bestellt, angebracht und an diesem Tag getragen hat. Dem Angeklagten war auch schon bei der Bestellung der Aufnahme nach eigenen Angaben bewusst, dass es zu Problemen kommen könnte, sonst hätte er nicht nachgefragt. Der Angeklagte hatte – wenn auch mehr als zehn Jahre zurückliegend – bereits Polizeibeamte beleidigt. Die objektive Sinnbedeutung ist wie gezeigt als Ehrherabsetzung auszulegen. Nach alledem ist die Kammer zumindest davon überzeugt, dass der Angeklagte die Diffamierung und persönliche Herabsetzung der Polizeibeamten, die ihn kontrollieren würden, billigend in Kauf genommen hat.
Auf alledem beruhen auch die Feststellungen zum subjektiven Tatbestand.
6. Der Angeklagte hat auch nicht in einem Tatbestandsirrtum gehandelt. Dem Angeklagten war die Bedeutung von A.C.A.B., wie gezeigt, klar und ihm war auch klar, dass er diese Kundgabe gegenüber Polizeibeamten machte.
Der Angeklagte handelte allerdings in einem Verbotsirrtum. Dem Angeklagten ist jedenfalls nicht zu widerlegen, dass er im Hinblick auf frühere Urteile bzw. die Auskunft des Versandhändlers gemeint hat, nichts Strafbares zu machen.
Dieser Irrtum wäre jedoch vermeidbar gewesen. Ein Irrtum ist vermeidbar, wenn dem Täter zum Zeitpunkt der Tathandlung sein Vorhaben unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse hätte Anlass geben müssen, über dessen mögliche Rechtswidrigkeit nachzudenken oder sich zu erkundigen, und er auf diesem Wege zur Unrechtseinsicht gekommen wäre. Dabei muss der Täter sein Gewissen anspannen und alle seine Erkenntniskräfte und sittlichen Wertvorstellungen einsetzen und zwar auf der Grundlage der Vorstellungen seiner Rechtsgemeinschaft. Dabei kommt es auf die jeweils konkreten Umstände an, sowie auf die Verhältnisse und die Persönlichkeit des Täters (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 17 Rdnr. 7 ff). Hier ist zu sehen, dass der Angeklagte bereits wegen Beleidigungsdelikten vorbestraft war. Sein Bildungsstand nach Durchführung einer Lehre ist auch so, dass er solche Dinge verstehen kann. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen, die es zu dieser Frage gibt und auch zum Tatzeitpunkt gab, wäre der Angeklagte verpflichtet gewesen, Rechtsrat einzuholen (vgl. Fischer aaO. § 17 Rdnr. 9). Allein aus der verlesenen Auskunft aus anwalt.de vom August 2014, die im Internet allgemein abrufbar ist, ergibt sich, dass unterschiedliche Gerichte zu unterschiedlichen Entscheidungen gekommen sind. Auch die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 6. Februar 2015 hat daran nichts geändert, zumal in dieser Bundesverfassungsgerichtsentscheidung gerade klargestellt ist, dass es darauf ankommen könnte, ob sich jemand vorsätzlich in eine Situation begeben hat, in der er damit rechnen musste, mit einiger Sicherheit auf bestimmte Polizeibeamte zu treffen. Daher konnte weder die Erkundigung aus früheren Urteilen, noch die Erkundigung beim Lieferanten, der jedenfalls ein wirtschaftliches Interesse an der Verbreitung der Aufnäher hat, zur Vermeidung eines Irrtums ausreichen. Der Angeklagte wäre daher verpflichtet gewesen, objektiven Rechtsrat aus der Gruppe der rechtsberatenden Berufe zu erholen. Dies hat er nach eigenem Bekunden aber nicht getan.
VI. Strafzumessung
1. Beleidigung eröffnet einen Strafrahmen gemäß § 185 StGB von Geldstrafe bis Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr.
2. Anhaltspunkte für eine erheblich verminderte oder gar ausgeschlossene Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit des Angeklagten ergaben sich nicht. Allein die alle 6 Wochen stattfindende ambulante Behandlung des Angeklagten wegen Depressionen aufgrund der Erkrankung an multipler Sklerose rechtfertigt eine erhebliche Verminderung der Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit nicht. Der Angeklagte hat selbst angegeben lediglich Medikamente wegen der Multiplen Sklerose zu erhalten, die im August 2014 erstmals diagnostiziert wurde. Er ist ausweislich der Gehaltsbescheinigung voll arbeitsfähig. Die Kammer verkennt zwar nicht, dass der Angeklagte nunmehr erstmals wieder nach einem Intervall von ca. 10 Jahren mit einem Kundgabedelikt auffällig geworden ist. Dies begründet aber keine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit. Der Angeklagte hat selbst glaubhaft angegeben, dass er gehandelt hat, nachdem er sich hinsichtlich der Frage, ob es Probleme gäbe, erkundigt hat. Er hat auch nicht in einem Affektzustand oder spontan gehandelt. Anhaltspunkte, dass er durch die Erkrankungen in seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit in erheblicher Weise vermindert war, ergeben sich nach alledem nicht und wurden durch den anwaltlich verteidigten Angeklagten auch nicht behauptet.
3. Die Kammer hat jedoch gemäß § 17 StGB den Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Dabei hat die Kammer nach ihrem Ermessen berücksichtigt, dass es unterschiedliche Entscheidungen gibt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auslegungsbedürftig ist. Daher ist der Verbotsirrtum zwar – wie gezeigt – vermeidbar, allerdings erscheint es im Hinblick auf die genannten Umstände angemessen den Strafrahmen zu mildern.
4. Bei der Strafzumessung war zu Gunsten des Angeklagten neben dem Vorliegen des Verbotsirrtums auch zu sehen, dass der Angeklagte hinsichtlich des Sachverhalts vollumfänglich geständig war. Er hat auch glaubhaft angegeben, dass er sein Verhalten bedauert. Der Angeklagte hat glaubhaft ausgeführt, dass er die Aufnäher vernichtet hat. Die Polizeibeamten haben übereinstimmend angegeben, dass der Angeklagte kooperativ war und zur Gefangenensammelstelle mitgegangen ist. Die Polizeibeamten haben bestätigt, dass der Angeklagte von sich aus angegeben hat, dass er sich nicht für strafbar hält. Der Angeklagte hat sich bei den Polizeibeamten entschuldigt, die ganz überwiegend die Entschuldigung auch angenommen haben. Entscheidend insoweit ist für die Kammer aber, dass der Angeklagte sich bei allen Polizeibeamten entschuldigt hat. Zu sehen ist auch, dass es sich bei der Beleidigung um eine Kollektivbeleidigung gehandelt hat, und nicht der einzelne Polizeibeamte direkt namentlich angesprochen wurde. Der Angeklagte befand und befindet sich aufgrund seiner Erkrankung in einer psychisch angespannten Situation, wenn diese auch nicht für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 20, 21 StGB genügt. Der Angeklagte hat die Beleidigung der konkreten Personen auch nur billigend in Kauf genommen.
5. Zu Lasten des Angeklagten waren die Vielzahl der – auch einschlägigen – Vorstrafen zu berücksichtigen, wenn auch die einschlägigen Verurteilungen mehr als zehn Jahre zurückliegen. Es handelte sich hier aber um keine strafmildernd zu wertende Spontanhandlung, sondern der Angeklagte hat die Beleidigung durch Bestellung und Aufnähen der Aufnäher erst ermöglicht. Insgesamt wurden 4 Polizeibeamten beleidigt, wenn auch zu sehen ist, dass drei Beamte die Schilder zunächst nicht bemerkt haben.
6. Unter Berücksichtigung aller zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten sprechenden Umstände und unter Berücksichtigung des gemilderten Strafrahmens erschien der Kammer eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen als tat- und schuldangemessen.
7. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes ergab sich aus dem Einkommen des Angeklagten. Dabei war zu sehen, dass der Angeklagte keine Unterhaltspflichten hat, nachdem seine Ehefrau selbst ein nicht unerhebliches Einkommen erzielt. Die Kammer ist von dem Einkommen des Angeklagten von ca. 2.100,– Euro monatlich netto ausgegangen und hat die Schuldentilgung in Höhe von 150,– Euro monatlich zu seinen Gunsten berücksichtigt. Es hat auch, wenn auch nicht bezifferte, gewisse Mehraufwendungen durch die Krankheit der Multiplen Sklerose berücksichtigt. Unter diesen Umständen war der einzelne Tagessatz auf 60,– Euro festzusetzen.
8. Die Kammer hat davon abgesehen eine Gesamtstrafe mit der Strafe aus der in der Hauptverhandlung zu Tage getretenen Verurteilung aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Kelheim zu 112 Js 20457/15 zu bilden. Der Angeklagte hat erstmals in der Hauptverhandlung kurz vor Schluss der Beweisaufnahme berichtet, dass wenige Tage vor der Hauptverhandlung in diesem Verfahren ein Strafbefehl in einem weiteren Verfahren rechtskräftig geworden ist. In der Hauptverhandlung konnte sodann lediglich ein Entwurf dieses Strafbefehls erholt werden, da bei der zuständigen Staatsanwaltschaft die zuständigen Stellen bereits Dienstschluss hatten. Es konnte daher nicht festgestellt werden, wann und in welcher Form dieser Entwurf erlassen wurde. Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, ob der Strafbefehl mit den Rechtsfolgen des Entwurfes erlassen wurde. Es konnten auch keine Akten beigezogen werden. Die Entscheidung war noch nicht im vorliegenden Bundeszentralregisterauszug enthalten. Der Angeklagte konnte die Entscheidung ebenfalls nicht vorlegen. Zur Vermeidung einer Unterbrechung des entscheidungsreifen Verfahrens und eines erheblichen Zeitaufwands war im Hinblick auf diesen unvorhergesehen Umstand von einer Entscheidung über die Gesamtstrafenbildung abzusehen (vgl. Fischer, StGB 63. Auflage, § 55 StGB Rn. 35 m.w.N.). Eine Entscheidung hierüber bleibt gegebenenfalls dem zuständigen Gericht im Beschluss Weg vorbehalten.
VII. Kosten
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO. Im Hinblick auf § 473 Abs. 2 StPO waren der Staatskasse die Mehrkosten ihrer eingelegten Berufung, die vollumfänglich verworfen wurde, aufzuerlegen. Trotz des Teilerfolges der erheblichen Verringerung der Geldstrafe war die Gerichtsgebühr nicht zu ermäßigen und die notwendigen Auslagen des Angeklagten auch nicht teilweise der Staatskasse aufzuerlegen. Diese Belastung des Angeklagten erschien nicht unbillig im Sinne des § 473 Abs. 4 StPO. Der Angeklagte hat über seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung deutlich gemacht, dass er im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2015 in jedem Fall einen Freispruch anstrebt. Schon deshalb ist nicht davon auszugehen, dass der Angeklagte die im Berufungsverfahren verhängte Geldstrafe bereits in 1. Instanz akzeptiert hätte (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 473 Rdnr. 26).
– Riedel Vorsitzender Richter am Landgericht Unterschriebenes Urteil zur Geschäftsstelle gelangt am
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle