Arbeitsrecht

Verhaltensbedingte Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung

Aktenzeichen  7 Sa 473/20

Datum:
1.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24375
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
KSchG § 1 Abs. 2
BGB § 242, § 273
BetrVG § 102
ArbGG § 67
ZPO § 282

 

Leitsatz

1. Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist geeignet, eine Kündigung, sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung, zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage (Anschluss an BAG BeckRS 2016, 66796). (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung unter Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (Anschluss an BAG BeckRS 2016, 66796 Rn. 37; BeckRS 2017, 145892 Rn. 29). (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

7 Sa 473/20 2020-09-08 Endurteil LAGNUERNBERG LArbG Nürnberg

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichtes Würzburg vom 28.05.2019 – 2 Ca 1336/18 – abgeändert.
II. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 28.01.2019 nicht als außerordentliche Kündigung zum 29.01.2019, sondern als ordentliche Kündigung erst zum 30.06.2019 aufgelöst worden ist.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.  

Gründe

A.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig.
Das Rechtsmittel der Berufung der Klägerin ist gem. § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Berufung der Beklagten ist ebenfalls zulässig.
Das Rechtsmittel der Berufung der Beklagten ist gem. § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
B.
Die Berufung der Beklagten ist begründet, soweit sie sich gegen die Stattgabe der Kündigungsschutzklage gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 28.01.2019 wendet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien findet sein Ende mit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 28.01.2019 unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Nr. 5 BGB zum 30.06.2019.
1. Die Kündigung vom 28.01.2019 ist als ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt nach § 1 Abs. 2 KSchG.
a. Eine Kündigung ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist.
b. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG, in jüngerer Zeit mit Urteil vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 -, Rn. 30, zitiert nach juris, grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Der Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist, BAG, Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16 -, Rn. 28, zitiert nach juris.
c. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, geeignet, eine Kündigung, sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung, zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung und macht ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend, unterliegt die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes nach der Rechtsprechung des BAG dem Gebot von Treu und Glauben und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es dem Arbeitnehmer, seine Arbeitsleistung wegen eines verhältnismäßig geringfügigen Lohnanspruches zurückzuhalten. Dies folgt aus einer Analogie zu § 320 Abs. 2 BGB, BAG, Urteil vom 25.10.1984 – 2 AZR 417/83 -, Rn. 29, zitiert nach juris. Die Grenze der Geringfügigkeit ist dabei jedenfalls mit einem Zahlungsrückstand von eineinhalb bis zwei Monatsvergütungen überschritten, BAG, Urteil vom 25.10.1984, a.a.O.; BAG, Urteil vom 25.10.2007 – 8 AZR 917/06 -, Rn. 52, zitiert nach juris.
Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist, BAG, Urteil vom 22.10.2015 – 2 AZR 569/14 -, Rn. 37, zitiert nach juris und BAG, Urteil vom 14.12.2017 – 2 AZR 86/17 -, Rn. 29, zitiert nach juris.
2. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die geschuldete Arbeitsleistung nach dem Ende der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit am 22.09.2018 bis zum Ausspruch der Kündigung vom 28.01.2019 nicht erbracht.
a. Dies war ein Verstoß gegen die ihr obliegende vertragliche Hauptleistungspflicht zur Arbeit nach § 611 BGB. Der Verstoß war auch beharrlich, da er über Monate hinweg fortgesetzt wurde bis zum Ausspruch der Kündigung. Der Vertragsverstoß war schließlich rechtswidrig und schuldhaft. Der Klägerin stand kein wirksam ausgeübtes Leistungsverweigerungsrecht für die Zurückbehaltung ihrer Arbeitskraft zur Seite. Im Zeitpunkt der Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes lagen Rückstände bei der Gehaltszahlung von mehr als einem Bruttomonatsentgelt nicht vor. Das Zurückbehaltungsrecht wurde ausweislich des Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29.09.2018 ausgeübt wegen rückständiger Entgeltfortzahlung für Juli und August 2018 sowie nicht ausbezahlten Urlaubsgeldes 2018. Die Beklagte schuldete der Klägerin jedoch keine Entgeltfortzahlung für Juli und August 2018 nach dem rechtskräftigen Urteil des LAG Nürnberg vom 01.10.2019 – 7 Sa 105/19 -. Zum Zeitpunkt der Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes war die Beklagte nur mit der Zahlung des Urlaubsgeldes 2018 in Höhe von 442,00 € brutto im Verzug. Dies war ein rückständiger Betrag von deutlich unter einem Bruttomonatsgehalt. Es handelt sich dabei um einen verhältnismäßig geringfügigen Betrag sowohl absolut als auch in Relation zum monatlichen Bruttoarbeitsentgelt der Klägerin. Die Klägerin war daher nach Treu und Glauben nicht berechtigt, ihre Arbeitsleistung zurückzuhalten. Darüber hinaus wurde die Beklagte nicht vor der tatsächlichen Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes zum Ausgleich der rückständigen Vergütungsbestandteile unter Gewährung einer angemessenen Zahlungsfrist aufgefordert.
b. Ferner bedurfte es einer Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung nicht. Die Nichtaufnahme der Arbeit und die bewusste und gewollte Weigerung, die Hauptleistungspflicht der Klägerin aus dem bestehenden Arbeitsvertrag über vier Monate hinweg zu erbringen, stellt eine ganz erhebliche Pflichtverletzung der Klägerin dar. Der Klägerin musste deshalb klar sein, dass ein solches Verhalten von der Beklagten nicht toleriert werden wird.
c. Die Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles führt dazu, dass das Beendigungsinteresse der Beklagten das Interesse der Klägerin an der Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses überwiegt.
Zugunsten der Klägerin waren ihre Unterhaltspflichten und ihre langjährige Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Zu ihren Lasten fällt jedoch entscheidend ins Gewicht, dass sie über Monate hinweg rechtswidrig und schuldhaft in der Form des Vorsatzes der Arbeit ferngeblieben ist. Die ordentliche Kündigung ist vor diesem Hintergrund angemessen. Eine dauerhafte Weiterbeschäftigung der Klägerin über den 30.06.2019 hinaus ist der Beklagten nicht mehr zumutbar.
3. Die Kündigung scheitert nicht an einer fehlenden oder fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG. Bei der Beklagten bestand im Kündigungszeitpunkt kein Betriebsrat, der anzuhören gewesen wäre.
a. Gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG ist die Anhörung des Betriebsrats Wirksamkeitsvoraussetzung für jede Kündigung durch den Arbeitgeber. Anzuhören ist der Betriebsrat des Betriebs, dem der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung angehört. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist die Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates abgestuft. Im Prozess ist es Sache des Arbeitnehmers, die für ihn günstige Tatsache des Bestehens eines Betriebsrates im Kündigungszeitpunkt darzulegen und ggf. zu beweisen, mit der Folge, dass § 102 BetrVG zur Anwendung kommt. Ist ihm dies gelungen, trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine ordnungsgemäße Anhörung nach § 102 BetrVG erfolgt ist, BAG, Urteil vom 08.05.2014 – 2 AZR 1005/12 -, Rn. 31, 32, zitiert nach juris; BAG, Urteil vom 24.05.2012 – 2 AZR 62/11 -, Rn. 42, 43, zitiert nach juris; KR, 12. Auflage, § 102 BetrVG, Rdz. 252; Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 6. Auflage, § 102 BetrVG, Rn. 163.
b. Die Klägerin gehörte keinem Betrieb an, in dem im Kündigungszeitpunkt ein Betriebsrat bestanden hätte. Die Klägerin hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates bestritten. Die Beklagte hat das Bestehen eines Betriebsrates im Zeitpunkt der Kündigung bestritten. Die Klägerin hat dies mit Nichtwissen bestritten. Damit wird die Klägerin der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast zum Bestehen eines Betriebsrates im Kündigungszeitpunkt nicht gerecht.
c. Die Beklagte war nicht gehindert, in der Berufungsinstanz auf das Fehlen eines Betriebsrates in ihrem Betrieb im Kündigungszeitpunkt hinzuweisen.
aa) Das Berufungsgericht hat bei seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung zum einen die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten nach § 529 Abs. 1 Nr.1 ZPO. Zum anderen ist neues Tatsachenvorbringen zu berücksichtigen, soweit dies zulässig ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Die Zulässigkeit neuen Tatsachenvorbringens richtet sich im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren nach § 67 ArbGG. Nach § 67 Abs. 1 ArbGG bleiben Angriffs- und Verteidigungsmittel ausgeschlossen, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen wurden. Im Übrigen ist die Verwertung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nur eingeschränkt zulässig, soweit es dadurch nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits kommt nach § 67 Abs. 2 bis 4 ArbGG.
bb) Angriffs- und Verteidigungsmittel der Parteien sind hier nicht nach § 67 Abs. 1 ArbGG ausgeschlossen. Das Erstgericht hat zur Frage des Bestehens eines Betriebsrates weder im unstreitigen Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen Feststellungen getroffen. Das Erstgericht hat nach Aktenlage kein Vorbringen der Parteien als verspätet zurückgewiesen.
cc) Angriffs- und Verteidigungsmittel der Parteien sind hier auch nicht nach § 67 Abs. 2 ArbGG ausgeschlossen. Zur Kündigungsschutzklage waren keine Fristen gesetzt worden nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ArbGG oder nach § 61a Abs. 3 oder nach § 61a Abs. 4 ArbGG. Das Erstgericht hat in der ursprünglichen Zahlungsklage nach gescheiterter Güteverhandlung vom 22.01.2019 mit Beschluss in der Güteverhandlung Termin zur streitigen Verhandlung auf den 11.04.2019 bestimmt, der Beklagten aufgegeben, bis zum 12.02.2019 auf die Klage abschließend unter Beweisantritt zu erwidern und der Klägerin aufgegeben, zum Vorbringen der Beklagten bis zum 06.03.2019 Stellung zu nehmen und abweichenden Vortrag unter Beweis zu stellen. Mit Klageerweiterung vom 06.02.2019 wandte sich die Klägerin gegen die Kündigung vom 28.01.2019. Binnen gesetzter Frist erwiderte die Beklagte auf die Zahlungsklage mit Schriftsatz vom 12.02.2019. Das Erstgericht hat in der Folgezeit nicht zur Erwiderung auf die Kündigungsschutzklage aufgefordert und insoweit auch keine Schriftsatzfrist gesetzt. Nach weiteren Klageerweiterungen nahm die Beklagte noch zu diesen Klageerweiterungen Stellung mit Schriftsatz vom 09.04.2019. In der streitigen Verhandlung vom 11.04.2019 schlossen die Parteien einen widerruflichen Vergleich. Nach Widerruf des Vergleiches verkündete das Erstgericht am 28.05.2019 sein Urteil.
dd) Angriffs- und Verteidigungsmittel der Parteien sind hier auch nicht nach § 67 Abs. 3 ArbGG i.V.m. § 282 ZPO ausgeschlossen. Die Regelung des § 282 Abs. 1 ZPO betrifft die Prozessförderungspflicht in der mündlichen Verhandlung. Diese ist hier nicht betroffen. Die Regelung des § 282 Abs. 2 ZPO betrifft Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann. Diese sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag. Zur Kündigungsschutzklage im Wege der Klageerweiterung erfolgte seitens des Erstgerichtes kein Beschluss, der dazu unter Fristsetzung zu Klageerwiderung und Replik aufgefordert hätte. Eine Anordnung nach § 129 Abs. 2 ZPO, die Verhandlung mit wechselseitigen Schriftsätzen vorzubereiten, lag nicht vor.
ee) Angriffs- und Verteidigungsmittel der Parteien sind hier auch nicht nach § 67 Abs. 4 ArbGG ausgeschlossen. Eine Verzögerung des Rechtsstreites war nicht zu besorgen.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es bei der Rüge der fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG zur Schlüssigkeit der Kündigungsschutzklage gehört, das Bestehen eines Betriebsrates im Betrieb im Kündigungszeitpunkt geltend zu machen. Zählt das Bestehen eines Betriebsrates im Kündigungszeitpunkt zur Behauptungslast des Arbeitnehmers wie auch bei der Rüge der fehlenden sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 KSchG die Erfüllung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG und die notwendige Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG seitens des Arbeitnehmers vorzutragen ist, um die Darlegungslast des Arbeitgebers auszulösen, so war ein Hinweis des Landesarbeitsgerichtes an die Klägerin veranlasst, dass der Klagevortrag insoweit unschlüssig war. Zählt dies nicht zur Behauptungslast des Arbeitnehmers, weil in der Behauptung eines Verfahrensfehlers schon der erforderliche Tatsachenvortrag zu sehen ist, dass ein Betriebsrat besteht und das Verfahren nach § 102 BetrVG durchzuführen war, so war damit die Darlegungslast der Beklagten ausgelöst und diese darauf hinzuweisen, dass sie ihrer Darlegungslast nach Aktenlage nicht genügt hat.
Dahingestellt bleiben kann auch, ob das Landesarbeitsgericht in der ersten Berufungsverhandlung die Anhörung des Betriebsrates angesprochen hat. Ist die Beteiligung des Betriebsrates angesprochen worden, so war mit dem Bestreiten des Bestehens eines Betriebsrates im Kündigungszeitpunkt durch die Beklagte und einem Bestreiten mit Nichtwissen oder einem Unstreitigstellen seitens der Klägerin die Angelegenheit entscheidungsreif. Ist die Beteiligung des Betriebsrates seitens des Landesarbeitsgerichtes nicht angesprochen worden, so haben sich die Parteien nach Aufhebung und Zurückverweisung dazu eingelassen. Die Beklagte hat wiederholt geltend gemacht, dass im Kündigungszeitpunkt ein Betriebsrat nicht bestand. Die Klägerin hat wiederholt nur geltend gemacht, dass sie dies mit Nichtwissen bestreitet, nicht aber zum Bestehen eines Betriebsrates unter Beweisantritt vorgetragen.
C.
Die Parteien tragen die Kosten des Rechtsstreites anteilig im Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens, § 92 Abs. 1 ZPO.
D.
Für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG besteht kein gesetzlich begründeter Anlass. Der Entscheidung des Gerichtes liegen die einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätze und im Übrigen die Würdigung der Umstände des Einzelfalles zugrunde.


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