Aktenzeichen AN 4 E 20.01057
VwGO § 123
BayKiBiG Art. 24
AVBayKiBiG § 27 Abs. 3
ZPO § 920 Abs. 2
Leitsatz
1. Da es sich bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens um eine gebundene rechtliche Entscheidung handelt, kann sich aus dem Ablauf der Monatsfrist des Art. 18a Abs. 8 S. 1 BayGO nicht die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ergeben, denn dem Gesetz ist eine Fiktion der Zulassung nicht zu entnehmen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Begründung eines Bürgerbegehrens ist irreführend, wenn die maßgebliche Rechtslage unzutreffend und unvollständig dargelegt wird. Für die Frage, ob eine Begründung irreführend ist, ist auf das Verständnis des unterzeichnenden Gemeindebürgers abzustellen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren einstweiligen Rechtschutz zur Absicherung der Durchführung des von ihnen vertretenen Bürgerbegehrens.
Die Antragsteller sind Einwohner im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin und Vertreter des Bürgerbegehrens „Erhalt beider Kindergärten der Gemeinde A* …“. Bis einschließlich 25. Februar 2020 sammelten sie Unterschriften für folgende Fragestellung:
„Sind sie dafür, dass beide Kindergärten der Gemeinde A* … erhalten bleiben und weiterhin betrieben werden?“
Zur Begründung des Bürgerbegehrens wird auf der Unterschriftenliste ausgeführt:
„In der näheren Umgebung von A* … sind vielerorts die Kindergartenplätze für drei- bis sechsjährige Kinder knapp und Krippenplätze nur unzureichend vorhanden. Aufgrund des gesetzlichen Anspruchs auf Kinderkrippenplätze wird nun an vielen Orten geplant, erweitert und gebaut (z.B. in …, …).
Trotz dieser Situation soll in A* … ein moderner, renovierter und gut eingerichteter Kindergarten stillgelegt werden. Dabei ist auch der verbleibende Kindergarten in T* … schon an der Grenze seiner Kapazität angelangt. Das hat bereits heute dazu geführt, dass einige Familien aus unserer Gemeinde ihre Kinder in den umliegenden Kindergärten betreuen lassen (z.B. in …, …, …, … und Markt …*). Wodurch unserer Gemeinde Kosten in Höhe von ca. 48.000 € pro Jahr entstehen! Dies geht sogar so weit, dass es in … bereits einen Aufnahmestopp für Kinder aus unserer Gemeinde gibt. Nun soll mit einer Investition von geschätzten 750.000 € der Kindergarten in T* …, der sich in einem denkmalgeschützten Gebäude befindet, umgebaut werden. Die tatsächlichen Kosten können aufgrund der bestehenden Altbausubstanz noch erheblich höher ausfallen. Es würden nur 12 Krippenplätze für ein- bis dreijährige Kinder geschaffen. Mit dieser Baumaßnahme wäre keine Erweiterung der Plätze für drei- bis sechsjährige Kinder verbunden. Es bliebe bei einem eingruppigen Kindergarten. Der Kindergarten in A* … würde dann leer stehen und dauerhaft geschlossen werden. Bisher bestand in A* … und in T* … jeweils ein eingruppiger Kindergarten und an jedem Standort konnten bis zu 25 Kinder betreut werden. Wenn es in Zukunft bei einem eingruppigen Kindergarten bleibt, wird sich an der oben genannten Auswärtsbetreuung nichts ändern, da auch nach dem Umbau nicht genügend Kindergartenplätze zur Verfügung stehen.
Wie kam es zu dieser Situation?
Die verantwortlichen Stellen in unserer Gemeinde wollen in Zukunft nur noch einen Kindergartenstandort. Die durch Krankheit des Personals in A* … entstandene Notlage hat dazu geführt, den Kindergarten A* … zu schließen. Dagegen wenden wir uns mit diesem Bürgerbegehren. Um unsere Orte der Gemeinde A* … auch in Zukunft als lebens- und liebenswerte Dörfer für junge Familien zu erhalten bitten wir um Ihre Unterschrift.“
Die Antragsteller reichten das Bürgerbegehren mit 304 Unterschriften auf 98 Unterschriftslisten am 27. Februar 2020 bei der Antragsgegnerin ein. Die Prüfung der Verwaltungsgemeinschaft ergab 301 gültige Unterschriften. Am 24. April 2020 wurde das Bürgerbegehren ohne rechtliche Aussprache vom Gemeinderat der Antragsgegnerin für unzulässig erklärt.
Mit Bescheid vom 7. Mai 2020 wies die Antragsgegnerin das eingereichte Bürgerbegehren als unzulässig zurück. In den Gründen wurde zunächst ausgeführt, dass die beiden Kirchengemeinden als Träger der Kindergärten in der Vergangenheit mit Problemen des allgemeinen Fachkräftemangels zu ringen hatten. Bewerber seien durch den eingruppigen Betrieb abgeschreckt worden. Beide Kirchengemeinden hätten daher entschieden, die Trägerschaft nur noch für den Kindergarten in T* … zu übernehmen und alle Kinder aus der Gemeinde dort zu betreuen. Der Gemeinderat habe sich aus den vorgenannten Gründen hierfür ausgesprochen. Durch das Zusammenlegen erhoffe sich der Träger eine Verbesserung der Personalsituation und der Zufriedenheit bei den Eltern. Dadurch solle einer Abwanderung von Kindern entgegengewirkt werden.
Die Begründung des Bürgerbegehrens enthalte zwei für die Abstimmung relevante unzutreffende Tatsachen und verstoße daher gegen Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO. Zu keinem Zeitpunkt seien Kinder aus Kapazitätsgründen vom Kindergarten T* … abgewiesen worden. Tatsache sei, dass Eltern aus freier Entscheidung ihre Kinder in auswärtigen Einrichtungen untergebracht hätten. Weder der Träger noch die Gemeinde haben gemäß dem BayKiBiG hierauf Einfluss. In den Jahren 2016 bis 2018 sei in der Gemeinde A* … auch nur annähernd eine Kinderzahl von 50 Kindern (2 Gruppen zu je 25 Kindern) erreicht worden.
Kindergarten
A* …
Kindergarten
T* …
Kinder insgesamt
Kinder 2016
16
8
24
Kinder 2017
13
13
26
Kinder 2018
13
13
26
Vielmehr seien beide Einrichtungen mit teuren Landkinderregelungen am Leben erhalten worden. In der geplanten zweigruppigen Einrichtung sei eine Regelgruppe mit 25 Kindern zuzüglich einer bisher nicht vorhandenen Krippengruppe mit 12 Plätzen vorgesehen.
Auf den Inhalt des Bescheides wird ergänzend verwiesen.
Mit Schreiben vom 14. Mai 2020 erheben die Antragsteller Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach. Die Antragsteller beantragen weiter Der Antragsgegnerin bis zur Durchführung des Bürgerentscheids eine Sperrfrist gemäß der Bayerischen Gemeindeordnung aufzuerlegen, um die Schaffung „vollendeter Tatsachen“ zu vermeiden.
Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus, dass am 3. März 2020 die Antragsteller ein Gespräch mit dem geschäftsleitenden Beamten der Antragsgegnerin gehabt hätten. Dieser habe erklärt, dass genügend Unterschriften vorliegen und er die Zulassung des Bürgerbegehrens empfehlen werde. Die Gemeinderatssitzung am 20. März 2020 sei vom Bürgermeister mit der Begründung nicht beschlussfähig zu sein abgesagt worden. Im Rahmen der Sitzung am 6. April 2020 sei die Beschlussfassung auf die nächste Sitzung verlegt worden. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei der Vier-Wochen-Zeitraum des Art. 18a Abs. 8 Satz 1 GO überschritten gewesen. Dem Beschluss über die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens am 24. April 2020 sei am Tag davor eine inoffizielle Sitzung und Beratung vorausgegangen.
Die Antragsgegnerin behaupte zu Unrecht, dass die Passage
„Dabei ist auch der verbleibende Kindergarten in T* … schon an der Grenze seiner Kapazität angelangt. Das hat bereits heute dazu geführt, dass einige Familien aus unserer Gemeinde ihre Kinder in den umliegenden Kindergärten betreuen lassen (z.B. in …, …, …, … und Markt …*). Wodurch unserer Gemeinde Kosten in Höhe von ca. 48.000 € pro Jahr entstehen!“ eine unzutreffende Aussage enthalte. Tatsache sei, dass auf der Unterschriftenliste keinerlei Aussage enthalten sei, dass „zu keiner Zeit während des vergangenen Jahres Kinder aus Kapazitätsgründen vom Kindergarten T* … abgewiesen wurde“.
Die Antragsgegnerin unterstelle die Falschheit einer Behauptung, die von den Antragstellern nie getätigt worden sei.
Zu der Passage
„Bisher bestand in A* … und in T* … jeweils ein eingruppiger Kindergarten und an jedem Standort konnten bis zu 25 Kinder betreut werden. Wenn es in Zukunft bei einem eingruppigen Kindergarten bleibt, wird sich an der oben genannten Auswärtsbetreuung nichts ändern, da auch nach dem Umbau nicht genügend Kindergartenplätze zur Verfügung stehen.“
sei auszuführen, dass die Zahlen im Bescheid sich auf die vergangenen Jahre 2016 bis 2018 beziehen. Das Bürgerbegehren sei aber 2020 gestellt worden. Von wesentlicher Bedeutung sei daher die zukünftige Entwicklung und die Geburtenraten. Die „potenziell“ vorhandenen Kinder könnten aus Kapazitätsgründen gar nicht alle im Kindergarten T* … untergebracht werden.
Selbst wenn die Begründung des Bürgerbegehrens nicht eindeutige Aussagen enthalten würden, wäre dies rechtlich nachrangig. Gemäß der gängigen Rechtsprechung komme es bei einem Bürgerbegehren zentral auf die eigentliche Fragestellung an. Allein diese werde den Abstimmenden vorgelegt.
Mit Schreiben vom 2. Juni 2020 erklärten die Antragsteller, dass sie die Schaffung vollendeter Tatsachen befürchten, da der Bürgermeister der Antragsgegnerin nicht bereit sei, die gerichtliche Klärung der Zulässigkeitsfrage des Bürgerbegehrens zuzuwarten.
Auf gerichtliche Rückfrage nehmen die Antragsteller mit Schreiben vom 16. Juni 2020 Stellung. Zur Frage, ob der kirchliche Träger nur noch bereit sei einen Kindergarten zu betreuen, verweisen sie auf einen Aushang im Schaukasten der Kirchengemeinden ab 10. November 2019, sowie im Gemeindebrief der Kirchengemeinden von Mitte März 2020. Demnach werden die Kindergärten dauerhaft zusammengelegt und am Standort T* … betreut. Dort werde das Gebäude zu einer zweigruppigen Einrichtung, mit einer Regel- und einer Krippengruppe umgebaut. Hierfür solle ein Trägerverbund gegründet werden. Während der Umbauphase werde der Kindergartenbetrieb in A* … stattfinden. Die Antragsteller führen weiter aus, dass es mithin nur noch eine Regelgruppe mit 25 Kindern geben werde. Neu geschaffen werde eine Krippengruppe mit 12 Plätzen. Weiter wird dargelegt, dass der verbleibende Kindergarten in T* … (also ein Kindergarten) an der Grenze seiner Kapazität angelangt sei. Dies werde auch aus den Zahlungen für die Auswärtsbetreuung ersichtlich. Zu den Investitionskosten von 750.000,00 EUR sei zu sagen, diese könnten eingespart werden, wenn der geschlossene und voll funktionsfähige Kindergarten in A* … weiter betrieben werde. Ferner sei dies ein gemeindliches Gebäude und der Kindergarten in T* … ein kirchliches. Die Gemeinde investiere also in ein fremdes Objekt. Ferner ergebe sich aus den Kosten für die Auswärtsbetreuung, dass die Kapazitätsgrenzen in T* … eindeutig erreicht seien.
Die Antragsgegnerin beantragt durch ihren anwaltlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 10. Juni 2020
Die Anträge werden abgelehnt.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, der Kindergarten A* … sei seit Anfang 2019 wegen Personalmangels geschlossen. Die Kinder werden seither in T* … betreut. Seit 2007 werden gemäß Einwohnerstatistik der Antragsgegnerin jährlich zwischen drei bis neun Kinder geboren. Bis 31. Dezember 2018 seien die Kindergärten jeweils eingruppig geführt worden, bei einer maximalen Gruppengröße von 25 Kindern. Krippenplätze, das heißt Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter zwei Jahren, gebe es im Gemeindegebiet nicht. Man habe bislang stets alle Kinder aufnehmen können, die einen Betreuungsplatz in Anspruch nehmen wollten. Die maximale Gruppengröße sei in den letzten Jahren in keinem der Kindergärten erreicht worden. Aufgrund der geringen Gruppengröße haben die Kindergärten Förderungen des Freistaates nach Art. 24 BayKiBiG, § 27 Abs. 3 AVBayKiBiG in Anspruch genommen (Landkindergartenregelung). Durch Zusammelegung der Kindergärten werde die Betriebskostenförderung von durchschnittlich 92.293,00 EUR pro Jahr auf durchschnittlich 58.633,00 EUR pro Jahr reduziert, da jedenfalls die Zuschüsse wegen Nichterreichen der Gruppengröße nicht mehr auszuzahlen seien. Der Betrieb der Kindergärten sei in den vergangenen Jahren nur unter Schwierigkeiten aufrechtzuerhalten gewesen. Aufgrund des Fachkräftemangels sei es nicht möglich gewesen ausreichend Erzieher einzustellen. Ferner sei es aus räumlichen und personellen Gründen nicht möglich gewesen, eine Krippenbetreuung anzubieten. Diese werde jedoch vermehrt nachgefragt und dies sei der Grund, weshalb vermehrt Betreuungsplätze außerhalb angefragt werden. Die Kirchenvorstände A* … und T* … haben daher in Abstimmung mit der Antragsgegnerin und der Landeskirche entschieden, die beiden eingruppigen Einrichtungen zu einer zweigruppigen Einrichtung zusammenzulegen.
Das Bürgerbegehren sei auf den Erhalt zweier Kindergärten gerichtet. Die Antragsgegnerin sei jedoch nicht Trägerin der Kindergärten, so dass die Schließung außerhalb ihres Einflussbereichs liege. Der Kindergarten (Gemeinde) A* … sei bereits im Januar 2019 geschlossen worden. Der Eilantrag könne damit eine Sicherung des Bürgerbegehrens nicht erreichen. Folge könne allenfalls sein, dass die Antragsgegnerin einen neuen Träger für den geschlossenen Kindergarten findet oder den Kindergarten in eigener Trägerschaft betreibt. Damit fehle es aber bereits an einem Anordnungsgrund. Es sei auch sonst nicht ersichtlich, welche Maßnahmen der Antragsgegnerin dazu führen könnten, einer erfolgreichen Klage der Antragsteller entgegenzustehen.
Das Bürgerbegehren genüge selbst bei wohlwollender Auslegung nicht den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen der Abstimmungsfreiheit (Art. 7 Abs. 2, 12 Abs. 3 BV), aus der ein Täuschungs- und Irreführungsverbot folge. Die Begründung enthalte unzutreffende, jedenfalls objektiv irreführende Angaben, im Hinblick auf die tatsächlichen Gruppengrößen beider Kindergärten sowie Kosten, die für den Betrieb der Kindergärten entstehen. Sie sei mit den von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für die Begründung eines Bürgerbegehrens nicht vereinbar (BayVGH, U.v. 17.5.2017 – Az. 4 B 16.1856).
Fehlerhaft werde behauptet, dass aufgrund fehlender Betreuungsplätze Kosten in Höhe von ca. 48.000,00 EUR pro Jahr entstehen. Dieser Betrag sei zwar insgesamt an auswärtige Träger geflossen. Dem stehe jedoch eine Betriebskostenförderung in Höhe von 33.700,00 EUR gegenüber. Die Kosten entstehen ferner unabhängig davon, ob die Kinder in einem auswärtigen Kindergarten oder in A* … betreut werden. Ferner sei die Behauptung irreführend, da suggeriert werde, durch die Schließung eines Kindergartens käme es zu Mehrkosten. Vielmehr führe die Schließung eines Kindergartens zu einer Reduzierung des Betriebskostenzuschusses von wenigstens 32.600,00 EUR pro Jahr.
Fehlerhaft sei zudem die in der Begründung des Bürgerbegehrens aufgestellte Behauptung, dass in der Vergangenheit Kinder aus Kapazitätsgründen vom Kindergarten T* … abgewiesen worden seien. Auch unter Berücksichtigung der Neugeborenen werde die Regelgröße von 25 Kindern pro Gruppe auch in Zukunft nicht erreicht werden. Es werden daher nach dem Umbau auch genügend Plätze zur Verfügung stehen. Die Behauptung sei ferner irreführend, da 12 Krippenplätze geschaffen werden sollen. Ferner bestehe die Möglichkeit bei Bedarf eine weitere Regelgruppe zu bilden.
Sollte der zweite Kindergarten durch die Gemeinde selbst getragen werden, so müsste die Antragsgegnerin die Personal- und Sachkosten übernehmen. Künftig solle in dem Kindergarten eine Regelgruppe für Kinder ab drei Jahren sowie eine Krippengruppe geschaffen werden. Insgesamt stehen damit 37 Betreuungsplätze zur Verfügung. Auch eine weitere Gruppe könne am Kindergartenstandort T* … geschaffen werden, falls dies notwendig werden sollte. Weiter gebe es Überlegungen zur Schaffung einer Hortgruppe im leerstehenden Kindergartengebäude Alesheim.
Mit weiterem Schreiben vom 23. Juni 2020 lässt die Antragsgegnerin erneut vortragen, dass der Kindergarten in A* … bereits seit Januar 2019 geschlossen sei.
Die Antragsteller nehmen per Mail-Nachricht, bei Gericht eingegangen am 29. Juni 2020, erneut Stellung. Das Bürgerbegehren sei bereits deswegen für zulässig zu erklären, weil die Monatsfrist des Art. 18a Abs. 8 Satz 1 GO abgelaufen sei. Die Antragsteller erkennen bei der Antragserwiderung in vielen Punkten keinen Zusammenhang zu ihrer Klage. Die Fragestellung sei im Ergebnis zulässig. Bei dem Kostenbetrag von 48.000,00 EUR gehe es den Antragstellern vor allem darum, eine zukünftige Entwicklung der Betreuungskosten aufzuzeigen. Für das Haushaltsjahr 2020 seien bereits 71.000,00 EUR veranschlagt. Von einer Abweisung von Kindern habe das Bürgerbegehren nie gesprochen. Der Kindergarten T* … werde mit einer Ausnahmegenehmigung des Jugendamtes betrieben, weil die Regelgruppengröße überschritten worden sei. Damit sei die Kapazitätsgrenze nicht nur erreicht, sondern überschritten. Hierauf erwidert die Antragsgegnerin erneut mit Schreiben vom 30. Juni 2020.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet, da die Antragsteller die Zulässigkeit des abzusichernden Bürgerbegehrens nicht glaubhaft machen konnten. Das Bürgerbegehren leidet voraussichtlich an einem unheilbaren Begründungsmangel.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands (Satz 1) die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl der Anordnungsanspruch, das heißt der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz begehrt, als auch der Anordnungsgrund, der sich insbesondere aus der Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Anordnung ergibt, nach § 920 Abs. 2 i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen.
1. Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig.
a) Der Antrag richtet sich auf die Absicherung eines (behaupteten) Anspruchs auf Zulassung des von den Antragstellern vertretenen Bürgerbegehrens entsprechend Art. 18 Abs. 9 GO. Ob eine einstweilige Anordnung aufgrund bestehenden Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes anzuordnen ist, ist eine Frage der Begründetheit. Die Fragestellung des Bürgerbegehrens ist indessen nicht auf ein Ziel gerichtet, dessen Umsetzung bereits auf der Ebene der Zulässigkeit als unmöglich erscheint.
Zwar trägt die Antragsgegnerin vor, dass die Einrichtung in A* … bereits seit Januar 2019 geschlossen ist. Aufgrund des Umstandes, dass die Rechtsgrundlage für die neue Trägerschaft ausweislich der von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen rechtlich noch nicht geklärt ist und aufgrund der offenen Formulierung der Fragestellung des Bürgerbegehrens erscheint jedenfalls nicht offenkundig, dass die Antragsteller mit einer entsprechenden Entscheidung ihre Rechtsstellung nicht verbessern können. Die Antragsgegnerin hatte am Prozess der Schließung der Einrichtung in A* … jedenfalls politisch Anteil, wie sie selbst vorträgt. Das Bürgerbegehren ist insoweit jedenfalls zumindest auf Geltendmachung des Einflusses bei diesem Prozess gerichtet, den der Gemeinderat schon in der Vergangenheit hatte.
b) Da die Entscheidung über die Zulassung des Bürgerbegehrens eine gebundene Entscheidung ist (Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 29. EL Mai 2018, Art. 18a Rn. 32), kommt es für den Anspruch der Antragsteller nicht darauf an, ob der Ablehnungsbescheid vom 7. Mai 2020 auf einem rechtmäßigen Stadtratsbeschluss beruht. In der Hauptsache wird allein die Frage zu entscheiden sein, ob ein materieller Anspruch auf Zulassung des Bürgerbegehrens besteht.
Nicht streitrelevant ist daher, ob eine Aussprache unter Verstoß des in Art. 52 GO zum Ausdruck kommenden Öffentlichkeitsgrundsatzes stattgefunden hat. Nur zur Vollständigkeit wird die Antragsgegnerin daran erinnert, dass eine Verlagerung der eigentlichen Sachdiskussion in vorbereitende Besprechungen unzulässig ist (Jung in BeckOK KommunalR Bayern, Stand: 1.6.2020, Art. 52 GO Rn. 17 unter Verweis auf BayVGH, B.v. 20.4.2015 – 4 CS 15.1381 – juris).
Da es sich bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens um eine gebundene rechtliche Entscheidung handelt, kann sich aus dem Ablauf der Monatsfrist des Art. 18a Abs. 8 Satz 1 GO nicht die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ergeben (Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 29. EL Mai 2018, Art. 18a Rn. 34). Eine Fiktion der Zulassung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auch Art. 18a Abs. 4 GO spricht ausdrücklich von „Zulässigkeit (…) festgestellt“. Das Versäumen der Monatsfrist könnte ggf. Auswirkungen auf die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage haben, worauf es vorliegend aber nicht ankommt.
2. Ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht, da die gesetzmäßigen Vertreter keinen Anspruch auf Zulassung des eingereichten Bürgerbegehrens haben. Die Begründung des Bürgerbegehrens entspricht nicht den gesetzlichen Voraussetzungen. Die rechtlichen Hintergründe zu dem Bürgerbegehren enthalten zumindest irreführende Darstellungen. Beim unterzeichnenden Bürger wurde somit ein falscher Eindruck erweckt.
a) Nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO muss das Bürgerbegehren insbesondere eine Begründung enthalten. Die Bürger sollen so die Möglichkeit erhalten, in Grundzügen zu erfahren, wieso eine bestimmte Frage zur Abstimmung gestellt werden soll. Es soll ihnen ermöglichen, sich mit den Zielen des Bürgerbegehrens und den damit enthaltenen Problemen auseinanderzusetzen (vgl. Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Ziff. 13.04, S. 18 f.).
Die Vorschrift regelt dabei nicht nur das Erfordernis einer Begründung. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass diese Begründung verfassungsrechtlich gewisse Mindestanforderungen hinsichtlich ihrer Richtigkeit erfüllen muss. Der unterzeichnende Gemeindebürger muss Bedeutung und Tragweite der Unterschriftsleistung erkennen können. Dazu gehört, dass er durch den vorgelegten Begründungstext nicht in wesentlichen Punkten in die Irre geführt wird, insbesondere, weil die maßgebliche Rechtslage unzutreffend und unvollständig dargelegt wird (BayVGH, st. Rspr. z.B. U.v. 4.7.2016, 4 BV 16.105 – juris Rn. 27 f. m.w.N.). Da sich die Begründung an den unterzeichnenden Bürger richtet, ist für die Bestimmung der Frage der Irreführung auf dessen Sichtweise abzustellen.
b) Diesen Anforderungen wird das streitgegenständliche Bürgerbegehren nicht gerecht. Vielmehr ist die Begründung jedenfalls zumindest irreführend. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Irreführung sich nicht in einer unzutreffenden Behauptung erschöpft, sondern vielmehr auch dann vorliegt, wenn die Begründung eine inhaltlich unzutreffende Andeutung enthält oder Umstände nur einseitig darstellt. Das ist vorliegend hinsichtlich der Aussage zu den Kapazitäten des Kindergartens (aa) und hinsichtlich der Darstellung der Kosten (bb) der Fall. Darüber hinaus existieren weitere offene Fragen (cc), zu denen noch keine Aussage getroffen werden kann.
aa) Die in dem Bürgerbegehren aufgestellte Behauptung zur Erreichung der Kapazitätsgrenze ist nach derzeitigem Sachstand zumindest irreführend. Die Antragsteller konnten Gegenteiliges mit ihren Ausführungen nicht glaubhaft machen.
Die maßgebliche Stelle in der Begründung führt insbesondere aus, der Kindergarten in A* … solle stillgelegt werden und der verbleibende Kindergarten in T* … sei schon an der Grenze seiner Kapazität angelangt. Das habe bereits heute dazu geführt, dass einige Familien aus der Gemeinde ihre Kinder in den umliegenden Kindergärten betreuen lassen.
Die Antragsteller sind der Interpretation der Antragsgegnerin, dass damit behauptet werde, es werden Kinder abgewiesen, entgegengetreten. Auf gerichtliche Rückfrage haben die Antragsteller betont, dass ihre Aussage hinsichtlich der Kapazitätsgrenze unter Zugrundlegung der Kapazität eines Kindergartens gemeint sei. Das Erreichen der Kapazität ergebe sich aus den Zahlungen für die Auswärtsbetreuung.
Auf Grundlage der im Bescheid vom 7. Mai 2020 genannten Zahlen für 2017 und 2018 ist die Aussage, dass der eingruppige Kindergarten in T* … an der Grenze seiner Kapazität ist, wörtlich genommen – unter Einbeziehung der Gesamtzahl der Kinder – wohl korrekt. Für 2017 und 2018 gibt die Antragsgegnerin jeweils 26 Kinder insgesamt an. Die Zahlen 2019 wurden (in dieser Form) nicht vorgelegt. Die Antragsgegnerin betont ferner selbst, dass der Kindergarten in A* … seit Januar 2019 (und damit zur Zeit der Unterschriftensammlung) geschlossen ist.
Ungeachtet dessen entsteht beim unterzeichnenden Bürger ein irreführender Eindruck. Denn dieser soll mit seiner Unterschrift ja gerade (final) erreichen, dass der Kindergarten in A* … erhalten bleibt und weiterbetrieben wird. Dass dieser Kindergarten in der Begründung der Antragsteller bereits „herausgerechnet“ ist, ist für den Bürger nicht ersichtlich. Vielmehr entsteht das Bild, dass eine jetzt bestehende vollständige Auslastung weiter verschärft werden soll. Dieses Bild wird insbesondere hervorgerufen durch die Ankündigung, der Kindergarten in A* … solle „stillgelegt“ werden und der Kindergarten in T* … sei „schon“ an der Grenze der Kapazität, so dass Eltern ihre Kinder anderswo hingeben, wobei „auch“ nach dem Umbau des Kindergartens in T* … nicht genügend Kindergartenplätze zur Verfügung stünden.
Für ein informiertes Gesamtbild der Bürger kommt dabei nicht hinreichend zum Ausdruck, dass der Kindergarten in A* … bereits geschlossen ist und nunmehr eine endgültige Stilllegung droht. Die Auslastung des Kindergartens in T* … wurde erst mit der Schließung des Kindergartens in A* … erreicht und war nicht schon vorher da. Dieser Eindruck wird jedoch vermittelt.
Verschärft wird die Irreführung durch die Aussagen zu den Kapazitäten ferner durch die Behauptung, die Eltern haben aufgrund der Kapazitätsauslastung ihre Kinder nicht in die Kindergärten der Gemeinde A* … gegeben. Es ist der Antragsgegnerin zumindest soweit beizupflichten, dass diese Aussage auf das Erreichen einer absoluten Grenze (im Gegensatz zur tatsächlichen „Regelgruppengröße“) hindeutet, so dass die Eltern gezwungen waren, ihre Kinder woanders betreuen zu lassen. Nicht hinreichend zum Ausdruck kommt weiter die Entscheidungsfreiheit der Eltern. Diese treffen selbständig die Entscheidung darüber, wo ihre Kinder betreut werden. Die Frage der Auslastung des Kindergartens ist dabei nur ein Aspekt, der aber als entscheidend dargestellt wird. Dazu gehören indessen weitere Umstände, die möglicherweise auch mit der fehlenden Betreuungsmöglichkeit in A* … selbst zu tun haben können. Möglicherweise ist der Grund aber auch die fehlende Krippenbetreuung, wenn Eltern mehrere Kinder haben und sie nicht an unterschiedlichen Einrichtungen betreuen lassen möchten. Diese soll von der Gemeinde aber gerade angegangen werden. All das kann letztendlich dahingestellt bleiben. Die in der Begründung insgesamt getroffenen Aussagen machen nach derzeitigem Sachstand einen irreführenden Eindruck.
bb) Das Bürgerbegehren ist nach Sachstand zum Entscheidungszeitpunkt weiter unzulässig begründet hinsichtlich der Darstellung des Kostenaufwandes. Die Darstellung erscheint einseitig und verzerrend.
Die Begründung des Bürgerbegehrens enthält Aussagen zu den finanziellen Belastungen der Gemeinde im Zusammenhang mit dem Entscheidungsstand. Dazu gehört die Behauptung, es entstünden jährliche Kosten von ca. 48.000,00 EUR, und die Darstellung der Investitionskosten für den Standort T* … von 750.000,00 EUR.
Die gerichtliche Rückfrage hat bei den Antragstellern ergeben, dass die Investitionskosten eingespart werden könnten, wenn der Kindergarten in A* … weiterbetrieben werden würde. Die Aussage zu 48.000,00 EUR ergebe sich aus der Ausgabenaufstellung der Gemeinde für 2019. Die Antragsgegnerin erwidert, dass es sich bei dem Betrag von 48.000,00 EUR um keine zusätzliche Belastung handele und ferner der staatliche Förderbetrag gegenzurechnen sei.
In der Gesamtschau hinterlassen die Zahlen in der Begründung bei dem Bürger den Eindruck, es werde unnötig Geld ausgegeben. Daher ist der Gesichtspunkt, ob Kosten in Höhe von 48.000,00 EUR immer oder nur deswegen anfallen, weil die Kinder auswärts betreut werden, relevant. Das gilt auch unter Berücksichtigung eines möglichen Interesses der Gemeindebürger, die Aufwendungen für Einrichtungen in der eigenen Gemeinde ausgeben zu wollen.
Unklar bleibt ferner, weshalb die Umbaukosten von geplant 750.000,00 EUR für den Kindergarten in T* … überhaupt erwähnt werden und wie diese im Zusammenhang zur geplanten endgültigen Schließung des Kindergartens in A* … stehen. Die Umbaukosten werden zwar in Bezug gesetzt zu der Schaffung neuer Krippenplätze. Hiergegen richten sich die Antragsteller mit ihrem Bürgerbegehren aber nicht. Wieso die Umbaukosten in T* … durch Beibehaltung beider Kindergärten nicht mehr erforderlich sein sollen, bleibt offen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Begründungsteils, wonach der Kindergarten T* … umgebaut, das Gebäude in A* … nun aber nicht mehr genutzt werden soll.
Der naheliegende Zusammenhang, dass durch die Schließung eines Kindergartens zunächst Kosten eingespart werden, wird verschwiegen. Vielmehr werden nur einseitig die Kostenaufwendungen durch die geplanten Maßnahmen dargestellt.
cc) Ferner enthält der Rechtsstreit weitere Punkte, auf die ggf. im Rahmen der Hauptsache einzugehen sein wird.
Dazu gehört zunächst die Fragestellung des Bürgerbegehrens. Ein Bürgerentscheid muss auf eine Entscheidung gerichtet sein. Die Reichweite der durch die Fragestellung zu treffenden Entscheidung wird durch das Bürgerbegehren nicht offengelegt. Die Kindergärten werden in kirchlicher Trägerschaft betrieben. Die Möglichkeit der Einflussnahme durch die Antragsgegnerin ist daher begrenzt. Für den Fall, dass die Kirchengemeinden nicht bereit sind, den Standort in A* … weiter zu betreiben, bleibt vor dem Hintergrund eines positiven Bürgerentscheids unklar, ob die Gemeinde sodann ggf. eine eigene Trägerschaft anstreben müsste. Letzteres hätte erhebliche Folgen und es stellt sich die Frage, ob das Bürgerbegehren die Antragsteller insoweit ausreichend autorisiert.
Weiter stellt sich das Gericht die an dieser Stelle nicht zu klärende Frage, ob eine Entscheidung, die sich wie die vorliegende an einem tatsächlichen Bedarf ausrichtet, nicht auch zwingend die zukünftige Entwicklung des Bedarfes mit aufzeigen muss. Die von der Antragsgegnerin vorgelegten Zahlen deuten auf gleichbleibenden Betreuungsbedarf der zu betreuenden Kinder in den nächsten Jahren hin. Für die Frage, ob auch zukünftig zwei Kindergartenstandorte vorzuhalten sind, erscheint diese Information als wesentlich.
3. Damit war der Antrag abzulehnen. Die Antragsteller haben nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert ergibt sich § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.