Arbeitsrecht

Berücksichtigung von nach § 44g SGB II dem Jobcenter zugewiesenen Beschäftigten bei der Freistellung von Personalratsmitgliedern der Stammdienststelle

Aktenzeichen  5 P 6/20

Datum:
24.11.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:241121B5P6.20.0
Spruchkörper:
5. Senat

Leitsatz

1. Die einem Jobcenter nach § 44g SGB II zugewiesenen Beschäftigten eines Berliner Bezirksamts sind jedenfalls nach Ablauf der in § 14 Abs. 2 Satz 1, 3 und 4 BPersVG bezeichneten Fristen keine berücksichtigungsfähigen Dienstkräfte des Bezirksamts im Sinne von § 43 Abs. 1 PersVG BE mehr, weil sie dort nicht länger nach Weisung des Dienststellenleiters an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitwirken.
2. Der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 PersVG BE erstreckt sich nicht auf eine Zuweisung von Beschäftigten eines Berliner Bezirksamts an ein Jobcenter nach § 44g SGB II.

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 30. Juni 2020, Az: OVG 60 PV 3.19, Beschlussvorgehend VG Berlin, 6. Dezember 2018, Az: 61 K 16.18 PVL, Beschluss

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Gründe

I
1
Die Verfahrensbeteiligten streiten darum, ob bei der Bemessung der Anzahl der Freistellungen von Personalratsmitgliedern, die dem Antragsteller zustehen, auch die durch den Beteiligten dem Jobcenter zugewiesenen Beschäftigten des Bezirksamts zu berücksichtigen sind.
2
Nachdem die Zahl der Beschäftigten des Bezirksamts unter Einschluss der dem Jobcenter zugewiesenen Personen seit September 2017 über den nach § 43 Abs. 1 PersVG BE maßgeblichen Schwellenwert für die Freistellung eines vierten Personalratsmitglieds gestiegen war, wählte der Antragsteller am 17. Januar 2018 das Personalratsmitglied Frau … in seinen Vorstand und bat den Beteiligten, sie für die Dauer der Amtsperiode des Personalrats freizustellen. Dies lehnte der Beteiligte ab. Daraufhin leitete der Antragsteller das Beschlussverfahren ein.
3
Hiermit ist der Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht erfolglos geblieben. Dieses hat darauf verwiesen, dass die dem Jobcenter zugewiesenen Beschäftigten des Bezirksamts bei der Berechnung der in der Regel beschäftigten Dienstkräfte nach § 43 Abs. 1 PersVG BE nicht mitzurechnen seien, weil diese nicht in das Bezirksamt, sondern in das Jobcenter eingegliedert seien. Eine Ausnahme lasse sich insbesondere nicht mit landesrechtlichen Besonderheiten der Wahlberechtigung bei abgeordneten Dienstkräften nach § 12 Abs. 2 PersVG BE begründen, wonach diese nur bei ihrer Stammbehörde wahlberechtigt seien. Selbst wenn man die dem Jobcenter zugewiesenen Beschäftigten wie abgeordnete Dienstkräfte im Sinne des § 12 Abs. 2 PersVG BE betrachtete, stünde der landesrechtlichen Regelung, die das Wahlrecht auf die Wahl des Personalrats der Stammdienststelle beschränke, die bundesgesetzliche Vorgabe des § 44h Abs. 2 SGB II entgegen; das danach begründete Wahlrecht könne der Landesgesetzgeber nicht einschränken. Daher sei § 12 Abs. 2 PersVG BE auf Abordnungen im Land Berlin zu beschränken und nicht auf Zuweisungen zum Jobcenter auszuweiten.
4
Der Antragsteller hat die erstinstanzliche Entscheidung mit der Beschwerde angefochten und vor dem Oberverwaltungsgericht beantragt, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und den Beteiligten zu verpflichten, das Personalratsmitglied Frau … vollumfänglich von ihrer dienstlichen Tätigkeit freizustellen, und festzustellen, dass bei der Ermittlung der gemäß § 43 Abs. 1 PersVG BE freizustellenden Anzahl der Personalratsmitglieder diejenigen Dienstkräfte zu berücksichtigen seien, die der gemeinsamen Einrichtung Jobcenter N. zugewiesen seien. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Zwar durchbreche § 12 Abs. 2 PersVG BE für die Wahlberechtigung und dort für abgeordnete Dienstkräfte das allgemeine Prinzip der Dienststellenzugehörigkeit nach Maßgabe der Eingliederung, indem abgeordnete Dienstkräfte unabhängig von der Dauer der Abordnung und abweichend von der Fristenregelung des Bundespersonalvertretungsrechts nur in ihrer Stammdienststelle wahlberechtigt seien. Es möge deshalb in der Konsequenz dieser Vorschrift und dem einheitlich zu verstehenden Begriff der Dienstkraft liegen, die weiterhin wahlberechtigten abgeordneten Dienstkräfte auch als Regeldienstkräfte der Stammdienststelle im Sinne der §§ 14 und 43 Abs. 1 PersVG BE zu berücksichtigen. Dienstrechtlich unterscheide sich die Abordnung aber von einer Zuweisung im Sinne des § 44g SGB II. Zudem sei die Regelung des § 12 Abs. 2 PersVG BE ebenso wie das Bundesrecht von der Grundvorstellung geprägt, dass eine eindeutige Zuordnung zu der einen oder anderen Dienststelle erfolgt und dort die Wahlberechtigung bestehe, nicht aber an der Stammdienststelle und der aufnehmenden Dienststelle zugleich.
5
Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der dieser nur noch beantragt, unter Abänderung bzw. Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen festzustellen, dass bei der Ermittlung der gemäß § 43 Abs. 1 PersVG BE freizustellenden Anzahl der Personalratsmitglieder diejenigen Dienstkräfte zu berücksichtigen sind, die der gemeinsamen Einrichtung Jobcenter N. zugewiesen sind. In der Sache macht er eine unrichtige Anwendung von § 43 Abs. 1 und § 12 Abs. 2 PersVG BE geltend. Auch die Senatsverwaltung für Inneres und Sport sei im Jahr 2012 davon ausgegangen, dass den Jobcentern zugewiesenen Beschäftigten der Bezirksämter ein Wahlrecht nach § 12 Abs. 2 PersVG BE (jedenfalls auch) bei der Stammdienststelle zustehe. § 12 Abs. 2 PersVG BE sei hinsichtlich des Begriffs der Abordnung weit auszulegen. Er bilde den Oberbegriff für alle Formen einer anderweitigen Beschäftigung außerhalb der eigentlichen Stammdienststelle, ohne dass es auf eine Eingliederung in diese ankomme. Selbst wenn man die Zuweisung an das Jobcenter nicht als Abordnung verstehen wolle, müsse § 12 Abs. 2 PersVG BE hierauf analog angewendet werden, da eine planwidrige Regelungslücke vorliege. Es bestehe anderenfalls eine vom Personalvertretungsrecht nicht gewollte Beteiligungslücke, weil die dem Jobcenter zugewiesenen Dienstkräfte keine Möglichkeit hätten, über einen Personalrat Einfluss auf Maßnahmen zu nehmen, die ihre Statusrechte beträfen. Diese sei auch planwidrig, weil der Gesetzgeber der Eingliederung gerade kein größeres Gewicht zugemessen habe als dem rechtlichen Band zur Stammdienststelle. Das aktive Wahlrecht solle erst bei einer Versetzung verloren gehen. Ein Verbot eines Doppelwahlrechts sei den Regelungen des Berliner Personalvertretungsgesetzes nicht zu entnehmen.
6
Der Beteiligte verteidigt den angegriffenen Beschluss.
II
7
Im Rechtsbeschwerdeverfahren verfolgt der Antragsteller nach Maßgabe des gestellten Antrags nur noch den abstrakten Feststellungsantrag weiter. Die so in statthafter Weise eingegrenzte Rechtsbeschwerde (vgl. § 91 Abs. 2 PersVG BE i.V.m. § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG) ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.
8
1. Der abstrakte Feststellungsantrag ist zulässig. Ihm fehlt nach der absehbaren und zwischenzeitlich durch die Beendigung der Wahlperiode eingetretenen Erledigung des konkreten Anlassfalles insbesondere nicht das erforderliche berechtigte Interesse an der geltend gemachten Feststellung (§ 256 Abs. 1 ZPO). Nach den zwischen den Verfahrensbeteiligten auch mit Blick auf die gegenwärtigen Verhältnisse unstreitigen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist seit September 2017 die Zahl der Dienstkräfte beim Bezirksamt unter Einschluss der dem Jobcenter zugewiesenen Beschäftigten durchgehend so hoch gewesen, dass die Freistellung eines weiteren Personalratsmitglieds im Raum gestanden hat. Der Beteiligte will die Anzahl der freizustellenden Personalratsmitglieder auch weiterhin ohne die dem Jobcenter zugewiesenen Beschäftigten ermitteln. Antragsbefugnis und Rechtsschutzbedürfnis werden unter diesen Voraussetzungen auch nicht durch den Amtsantritt des neugewählten Personalrats berührt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. November 1997 – 6 P 12.95 – Buchholz 250 § 27 BPersVG Nr. 3 S. 9).
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2. Der Antrag ist indes nicht begründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 91 Abs. 2 PersVG BE i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde zu Recht insoweit zurückgewiesen, als der Antragsteller auch die Feststellung begehrt hat, dass bei der Ermittlung der Anzahl der gemäß § 43 Abs. 1 PersVG BE freizustellenden Personalratsmitglieder auch die Dienstkräfte zu berücksichtigen sind, die der gemeinsamen Einrichtung Jobcenter N. zugewiesen sind.
10
Die Verfahrensbeteiligten streiten zu Recht nicht mehr um die Frage eines Anspruchs des Antragstellers auf eine Ausnahmeentscheidung nach § 43 Abs. 2 PersVG BE. Zu klären ist allein, ob die angefochtene Entscheidung auf einer unzutreffenden Anwendung von § 43 Abs. 1 und § 12 Abs. 2 des Berliner Personalvertretungsgesetzes (PersVG BE) in der insoweit jeweils unverändert gebliebenen Fassung vom 14. Juli 1994 (GVBl. 1994, 337; 1995, 24) beruht. Dies ist nicht der Fall.
11
a) Gesetzlicher Ausgangspunkt für das geltend gemachte Feststellungsbegehren ist § 43 Abs. 1 PersVG BE. Danach sind (soweit hier von Interesse) in Dienststellen mit in der Regel 2001 bis 3000 Dienstkräften vier Personalratsmitglieder von ihrer dienstlichen Tätigkeit auf Antrag des Personalrats freizustellen. Die Zahl der (regelmäßigen) Dienstkräfte ist danach der einzige materielle Maßstab, auf den es für die Bestimmung der Zahl der Mindestfreistellungen ankommt. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der in der Vorschrift bezeichnete Schwellenwert für die Freistellung eines vierten Personalratsmitglieds bei Berücksichtigung der an das Jobcenter auf der Grundlage von § 44g SGB II zugewiesenen Beschäftigten seit mehreren Jahren und damit auch regelhaft überschritten wird. Diese Beschäftigten sind jedoch keine Dienstkräfte des Bezirksamts im Sinne des § 43 Abs. 1 PersVG BE.
12
Was unter einer Dienstkraft nach § 43 Abs. 1 PersVG BE zu verstehen ist, ergibt sich aus der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 PersVG BE. Dienstkräfte im Sinne des Gesetzes sind danach die Angestellten, Arbeiter und Beamten einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass zur weiteren Auslegung dieses landesrechtlichen Begriffs auf die Auslegung des § 4 Abs. 1 BPersVG (a.F.) zurückzugreifen ist. Als Dienstkraft anzusehen ist danach nur derjenige, der persönlich auf der Grundlage eines Beamtenverhältnisses, eines Beschäftigungsverhältnisses, das nach dem in Betracht kommenden besonderen Tarif- oder Dienstordnungsrecht begründet worden ist, oder eines Berufsausbildungsverhältnisses in eine Dienststelle, einen Betrieb der öffentlichen Hand oder eine sonstige öffentliche Einrichtung eingegliedert ist und der durch seine Tätigkeit an der Erfüllung der dieser Einrichtung gestellten öffentlichen Aufgabe mitwirkt oder sich im Rahmen einer Berufsausbildung auf eine solche Mitwirkung vorbereitet. Im Verhältnis zur Eingliederung in eine Dienststelle ist für den Begriffsinhalt der “Dienstkraft” eine etwa fortbestehende (rechtliche) Zuständigkeit einer anderen Dienststelle beispielsweise in Bezug auf Personalentscheidungen – vorbehaltlich einer anderen gesetzlichen Regelung – kein beachtlicher Gesichtspunkt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 1991 – 6 P 8.89 – Buchholz 251.2 § 12 BlnPersVG Nr. 1 S. 7 f. m.w.N.).
13
Dass der Eingliederung eines einschlägigen Beschäftigten in eine Dienststelle eine ausschlaggebende Bedeutung für den Begriff der Dienstkraft nach § 43 Abs. 1 PersVG BE beizumessen ist, kommt unabhängig hiervon auch im Wortlaut dieser Vorschrift zum Ausdruck. Denn dort wird auf “Dienststellen mit in der Regel X Dienstkräften” abgestellt. Mit dieser Wendung wird sprachlich unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass es auf die Zahl derjenigen Personen ankommen soll, die als Dienstkräfte einer Dienststelle zugeordnet (“mit”) sind, für welche der Personalrat zu bilden ist. Für die Bestimmung des relevanten Personenkreises kommt es auf die Zahl der dienststellenangehörigen und damit der in eine Dienststelle eingegliederten Beschäftigten an (vgl. zu § 16 Abs. 1 BPersVG : BVerwG, Beschluss vom 11. Oktober 2013 – 6 PB 27.13 – Buchholz 250 § 88 BPersVG Nr. 1 Rn. 8, 10 m.w.N.).
14
Hiervon ausgehend sind die dem Jobcenter zugewiesenen Beschäftigten des Bezirksamts, obgleich es sich bei ihnen weiterhin um Beamte oder Angestellte des Landes Berlin handelt (§ 44g Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 SGB II), jedenfalls nach Ablauf der in § 14 Abs. 2 Satz 1, 3 und 4 BPersVG bezeichneten Fristen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. November 2012 – 6 PB 14.12 – Buchholz 250 § 48 BPersVG Nr. 1 Rn. 5 und 9) keine berücksichtigungsfähigen Dienstkräfte des Bezirksamts im Sinne von § 43 Abs. 1 PersVG BE mehr, weil sie dort nicht länger nach Weisung des Dienststellenleiters an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitwirken. Auf den Umstand, ob und in welchem Umfang das Bezirksamt nach wie vor für mitbestimmungspflichtige Maßnahmen in Bezug auf die dem Jobcenter zugewiesenen Beschäftigten zuständig ist, kommt es hier nicht an.
15
b) Diesem Ergebnis steht für die hier in Rede stehende Fallgestaltung die Regelung des § 12 Abs. 2 PersVG BE nicht entgegen. Danach sind abgeordnete Dienstkräfte, Beamte im Vorbereitungsdienst und Dienstkräfte in entsprechender Ausbildung nur bei ihrer Stammbehörde wahlberechtigt.
16
Die genannte Vorschrift, die mit der Einbeziehung abgeordneter Beschäftigter über die Parallelvorschrift in § 14 Abs. 3 BPersVG hinausgeht, betrifft zwar unmittelbar nur das aktive Wahlrecht zum Personalrat. Da die Wahlberechtigung jedoch gemäß § 12 Abs. 1 PersVG BE die Dienstkrafteigenschaft voraussetzt, lässt sich § 12 Abs. 2 PersVG BE mittelbar auch die Aussage entnehmen, dass die dort erfassten Personen während der fraglichen Abordnungs- oder Ausbildungszeiten Dienstkräfte der Stammbehörde bleiben. Aus § 12 Abs. 2 PersVG BE ergibt sich ferner, dass ihre vorübergehende Tätigkeit in einer anderen Dienststelle die Eingliederung in der bisherigen Dienststelle nicht beseitigt. Die Vorschrift besagt damit, dass im Fall einer Abordnung der rechtlichen Bindung zur Stammbehörde ein größeres Gewicht zugemessen wird als der tatsächlichen Beschäftigung bzw. Eingliederung bei einer anderen Dienststelle (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. September 2003 – 6 P 2.03 – BVerwGE 119, 64 ).
17
Unabhängig davon, inwieweit sich aus einer danach anzunehmenden fortbestehenden Eingliederung in die Stammdienststelle Auswirkungen auf die Auslegung von § 43 Abs. 1 PersVG BE ergeben, sind solche jedenfalls für die hier in Rede stehende Fallgestaltung einer Zuweisung von Beschäftigten eines Bezirksamts an ein Jobcenter ausgeschlossen, weil der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 PersVG BE sich von vornherein nicht auf eine solche Zuweisung erstreckt (aa). Auch eine analoge Anwendung des § 12 Abs. 2 PersVG BE hierauf scheidet aus (bb).
18
aa) Ungeachtet der Frage, ob eine Zuweisung von Beschäftigten eines Bezirksamts an ein Jobcenter nach § 44g SGB II überhaupt als Abordnung im Sinne des § 12 Abs. 2 PersVG BE aufgefasst werden kann, ist der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf solche Konstellationen beschränkt, die der Berliner Landesgesetzgeber hinsichtlich der Wahlberechtigung umfassend selbst regeln kann. Sie greift also dann nicht, wenn durch das Berliner Landesrecht ein Wahlrecht zum Personalrat der Beschäftigungsdienststelle in den in § 12 Abs. 2 PersVG BE genannten Fällen mangels einer entsprechenden Gesetzgebungskompetenz nicht ausgeschlossen werden kann. Da aber auch die Regelung des Personalvertretungsrechts der gemeinsamen Einrichtungen im Sinne von § 44b SGB II nach Art. 91e Abs. 3 GG in die weit zu verstehende ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes fällt (vgl. BT-Drs. 17/1554 S. 5; BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 – 2 BvR 1641/11 – BVerfGE 137, 108 Rn. 142), gilt § 12 Abs. 2 PersVG BE für die einem Jobcenter zugewiesenen Beschäftigten der Berliner Landesverwaltung von vornherein nicht. Dies ergibt eine Auslegung der Vorschrift insbesondere anhand ihres Wortlauts und ihrer systematischen Struktur.
19
Dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 PersVG BE nach lassen sich der Vorschrift zwei Regelungsaussagen entnehmen. Sie bestimmt zunächst, dass Bedienstete in einem Abordnungs- oder Ausbildungsverhältnis das Wahlrecht zum Personalrat ihrer Stammdienststelle behalten. Zum anderen folgt aus der Verwendung des Wortes “nur”, dass dieses Wahlrecht exklusiv eingeräumt, also gleichzeitig und als Konsequenz dieser Einräumung ein (weiteres) Wahlrecht bei der Beschäftigungsbehörde ausgeschlossen wird. Der danach bestehende Zusammenhang beider Regelungsteile ist nicht trennbar, wofür neben dem Wortlaut mit Blick auf die Systematik auch die Normstruktur spricht. Denn der Berliner Gesetzgeber hat die normativen Aussagen über das jeweilige Wahlrecht – anders als im Fall des § 14 Abs. 2 Satz 1 BPersVG – innerhalb des Normtextes nicht auf zwei Gliederungsebenen aufgeteilt, sondern beide in ein- und demselben nicht weiter untergliederten Satz zusammengefasst. Daraus ergibt sich, dass die Einräumung des Wahlrechts bei der Stammdienststelle durch § 12 Abs. 2 PersVG BE nur so weit reicht, wie mit ihr auch das Wahlrecht bei der Beschäftigungsbehörde ausgeschlossen wird.
20
Die Entstehungsgeschichte der Norm steht dieser Auslegung nicht entgegen; ihr Sinn und Zweck stützt sie. Die in § 12 Abs. 2 PersVG BE enthaltene Regelung, einschließlich ihrer Erstreckung auch auf abgeordnete Beschäftigte, war bereits in der Ursprungsfassung des Gesetzes vom 21. März 1957 (damals § 7 Abs. 2 PersVG BE) enthalten. Den Motiven ist hierzu allein zu entnehmen, dass der Berliner Gesetzgeber grundsätzlich eine Übernahme des Bundesrechts beabsichtigte. Ein Grund für die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Regelung im Vergleich zum Bundesrecht (im Jahr 1957: § 9 Abs. 3 PersVG) wurde allerdings nicht angegeben (vgl. Abgh.-Drs. 2/756 S. 12). Mit Blick hierauf dient § 12 Abs. 2 PersVG BE seinem Sinn und Zweck nach – wie auch die parallele bundesrechtliche Regelung – dazu, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass in den erfassten Fällen die Einräumung eines Wahlrechts bei der Beschäftigungsdienststelle wegen einer vorübergehenden oder sogar absehbar nur kurzfristigen Tätigkeit und einer damit dort fraglichen Eingliederung nicht sinnvoll erscheint und stattdessen aus Gründen der Praktikabilität und Rechtssicherheit die alleinige Zuweisung eines dauerhaften Wahlrechts bei der Stammbehörde erfolgt (vgl. BT-Drs. 2/1189 S. 4; BVerwG, Beschlüsse vom 13. September 2002 – 6 P 4.02 – Buchholz 250 § 82 BPersVG Nr. 17 S. 11 f. und vom 18. September 2003 – 6 P 2.03 – BVerwGE 119, 64 ; Dörner, in: Richardi/Dörner/Weber, 5. Aufl. 2020, BPersVG, § 13 Rn. 36; Behmenburg, in: BeckOK BPersVG, Ricken, 7. Edition , § 14 Rn. 31). Hieraus ergibt sich aber nur, dass die Funktion des Fortbestehens des Wahlrechts bei der Stammbehörde darin besteht, den Wegfall eines als nicht praktikabel oder nicht opportun angesehenen Wahlrechts bei der Beschäftigungsdienststelle auszugleichen. Es bedeutet nicht, dass ein Wahlrecht bei der Stammdienststelle auch dann zu gewähren ist, wenn das Wahlrecht bei der Beschäftigungsdienststelle gerade nicht zugleich ausgeschlossen wird.
21
Eine beispielsweise § 112 LPersVG NRW entsprechende Regelung, auf deren Grundlage im Fall einer Zuweisung nach § 44b SGB II das Wahlrecht zum Personalrat der abgebenden Dienststelle ungeachtet eines ebenfalls eingeräumten Wahlrechts bei der Beschäftigungsdienststelle bestehen bleibt, oder eine solche, nach der wie im Fall des § 4 Abs. 1 Satz 2 LPVG BW auch einer anderen Stelle, etwa einem Jobcenter, zugewiesene Personen weiter als Beschäftigte der Stammdienststelle gelten (vgl. dazu LT-Drs. 15/4224 S. 85), enthält das Berliner Landesrecht im Übrigen nicht.
22
bb) Die Regelung des § 12 Abs. 2 PersVG BE ist auch nicht – wie der Antragsteller meint – analog auf die Wahlberechtigung von Beschäftigten eines Bezirksamts anzuwenden, die über den Bereich der landesinternen Verwaltung hinaus nach § 44g SGB II einem Jobcenter zugewiesen sind.
23
Jede Art der gesetzesimmanenten richterlichen Rechtsfortbildung – hier die Analogie – setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine eigene Lösung ersetzen. Ob eine Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten. Eine solche Lücke ist im Wege der Gesamtanalogie zu schließen, wenn mehreren gesetzlichen Bestimmungen, die an verschiedene Tatbestände anknüpfen, ein “allgemeiner Rechtsgrundsatz” entnommen werden kann, der auf den im Gesetz nicht geregelten Tatbestand wertungsmäßig ebenso zutrifft wie auf die geregelten Tatbestände (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. September 2015 – 5 P 12.14 – Buchholz 250 § 13 BPersVG Nr. 6 Rn. 34 m.w.N.). Daran gemessen ist zwar eine Beteiligungslücke, nicht aber deren Planwidrigkeit zu bejahen.
24
(1) Sinn und Zweck des Personalvertretungsrechts ist es, der Gesamtheit der Beschäftigten über die von ihnen zu bildenden Vertretungsorgane eine Möglichkeit zur Einflussnahme auf die sie betreffenden innerdienstlichen Angelegenheiten unter Wahrung der verfassungsrechtlichen Grenzen zu geben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. September 2015 – 5 P 12.14 – Buchholz 250 § 13 BPersVG Nr. 6 Rn. 35). Das ist im Falle der einem Jobcenter zugewiesenen Beschäftigten des Landes Berlin insofern nicht lückenlos gewährleistet, als nach § 44d Abs. 4 SGB II die Befugnisse zur Begründung und Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse der dem Jobcenter zugewiesenen Beschäftigten weiterhin in der Zuständigkeit der abgebenden Dienstherren und Arbeitgeber verbleiben, die die dort gebildeten Personalvertretungen zu beteiligen haben (§ 44h Abs. 5 SGB II). Mangels einer – wie bereits dargelegt – fortbestehenden Eingliederung in die Stammdienststelle haben die Betroffenen aber ihre Wahlberechtigung beim Bezirksamt nach § 12 Abs. 1, § 3 Abs. 1 PersVG BE grundsätzlich verloren (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Januar 2018 – OVG 60 PV 5.17 – juris Rn. 24 ff. m.w.N.; Germelmann/Binkert/Germelmann, PersVG BE, 3. Aufl. 2010, § 12 Rn. 6) und damit auch keine Möglichkeit, auf die Zusammensetzung des dortigen Personalrats durch diesen Einfluss auf die Maßnahmen zu nehmen, die ihre Statusrechte berühren.
25
(2) Diese Beteiligungslücke ist indes nicht planwidrig, weil sich dem Berliner Personalvertretungsgesetz schon nicht entnehmen lässt, dass dieses ausnahmslos eine lückenlose personalvertretungsrechtliche Beteiligung der Beschäftigten hinsichtlich der sie betreffenden innerdienstlichen Maßnahmen über die jeweiligen Vertretungsorgane beabsichtigt, was verfassungsrechtlich auch nicht erforderlich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2013 – 6 PB 17.12 – Buchholz 250 § 13 BPersVG Nr. 5 Rn. 10). Dies ergibt sich ohne Weiteres bereits aus der hier in Rede stehenden Regelung des § 12 Abs. 2 PersVG BE selbst, die es insbesondere im Fall einer Abordnung innerhalb des Bereichs der Berliner Landesverwaltung ausdrücklich vorsieht, dass die hiervon betroffenen Beschäftigten gerade nicht umfassend Einfluss auf die sie betreffenden innerdienstlichen Angelegenheiten erhalten, weil sie vom Wahlrecht zum Personalrat ihrer Beschäftigungsdienststelle ausgeschlossen sind. Danach hat der Berliner Gesetzgeber personalvertretungsrechtliche Beteiligungslücken im Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 PersVG BE bewusst in Kauf genommen. Unbeschadet dessen sind keinerlei Anhaltspunkte für einen Plan des Gesetzgebers erkennbar, die Regelung des § 12 Abs. 2 PersVG BE, soweit sie sich auf die Wahlberechtigung in der Stammdienststelle bezieht, auf Abordnungen oder auch Zuweisungen über den landesinternen Bereich hinaus zu erstrecken.


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