Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für nigerianische Staatsangehörige

Aktenzeichen  M 32 K 19.31707

Datum:
6.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 58766
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3e, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

1. Eine drohende Genitalverstümmelung stellt grundsätzlich eine zu berücksichtigende, an das Geschlecht anknüpfende Verfolgung dar (vgl. VG München, Urt. v. 19.2.2019 – M 13 K 18.30616 -; VG Würzburg, Urt. v. 21.12.2018 – W 10 K 18.31682 -; VG Augsburg, Urt. v. 13.12.2017 – Au 7 K 17.30060 -; VG Regensburg, Urt. v. 28.3.2017 – RN 5 K 16.32429 -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 22.11.2017 – 9a K 5898/17.A -; VG Düsseldorf, Urt. v. 15.5.2018 – 27 K 10646/17.A -). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht anknüpft(vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 20.8.2015 – A 7 K 1575/14 -; VG Düsseldorf, Urt. v. 15.5.2018 – 27 K 10646/17.A -). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Parteien über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Parteien ordnungsgemäß geladen worden waren (Die Kläger müssen die Zustellung gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylG gegen sich gelten lassen; die Beklagte hat mit allgemeiner Prozesserklärung vom 27. Juni 2017 auf die Einhaltung der Ladungsfrist und die förmliche Ladung gegen Empfangsbekenntnis verzichtet) und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässigen Klagen haben in der Sache keinen Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) als rechtmäßig dar und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klage ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) oder die Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) liegen nicht vor; es besteht auch kein Anspruch auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) vor. Rechtmäßig ist auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes (§ 11 AufenthG). Die Klagen waren daher abzuweisen.
Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und führt ergänzend aus:
1. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft besteht für die Kläger nicht.
a) Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2. außerhalb des Landes befindet,
a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will
und kein Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 bis 4 AsylG vorliegt.
Weitere Einzelheiten zum Begriff der Verfolgung, den maßgeblichen Verfolgungsgründen sowie zu den in Betracht kommenden Verfolgungs- und Schutzakteuren und der sog. inländischen Fluchtalternative regeln die §§ 3a bis 3e AsylG.
Dabei gilt für die Verfolgungsprognose der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser setzt voraus, dass bei zusammenfassender Würdigung des zur Prüfung stehenden Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann und eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – juris Rn. 22; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33/07 – juris Rn. 37). Der Vorverfolgte wird dabei nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. Nr. L 337 S. 9) [Qualifikations-RL] privilegiert durch die – durch stichhaltige Gründe widerlegbare – Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung oder Schädigung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris Rn. 23).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.1990 – 2 BvR 1095/90 – juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Kriterien liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vor. Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass den Klägern bei einer Rückkehr bzw. Einreise nach Nigeria Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG droht.
In Bezug auf die von der Klägerin zu 1) vorgetragene Behauptung, bei einer Rückkehr nach Nigeria drohe ihr und ihrer Tochter, der Klägerin zu 5) die Beschneidung, kann das Gericht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung feststellen.
Zwar stellt eine drohende Genitalverstümmelung grundsätzlich eine im Rahmen der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG zu berücksichtigende, an das Geschlecht anknüpfende Verfolgung – insbesondere im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 6 AsylG – dar (vgl. VG München, U.v. 19.2.2019 – M 13 K 18.30616 – noch nicht veröffentlicht; VG Würzburg, U.v. 21.12.2018 – W 10 K 18.31682 – juris Rn. 35 f.; VG Augsburg, U.v. 13.12.2017 – Au 7 K 17.30060 – juris Rn. 55; VG Regensburg, U.v. 28.3.2017 – RN 5 K 16.32429 – juris Rn. 17; VG Gelsenkirchen, B.v. 22.11.2017 – 9a K 5898/17.A – juris Rn. 17; VG Düsseldorf, U.v. 15.5.2018 – 27 K 10646/17.A – juris Rn. 24 ff.. m.w.N.). Mit § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG a.E. wurde klargestellt, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch vorliegen kann, wenn sie allein an das Geschlecht anknüpft. Dadurch sollten gerade auch Sachverhaltskonstellationen wie eine drohende Genitalverstümmelung erfasst werden (vgl. VG Stuttgart, U.v. 20.8.2015 – A 7 K 1575/14 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 15.5.2018 – 27 K 10646/17.A – juris Rn. 28). Das Gericht geht nach den vorliegenden Erkenntnismitteln davon aus, dass die Genitalverstümmelung von Mädchen und jungen Frauen in Nigeria nach wie vor praktiziert wird und verbreitet ist, auch wenn sie im Mai 2015 vom damaligen Präsidenten Nigerias verboten wurde, in einigen Bundesstaaten inzwischen unter Strafe gestellt wurde, verschiedene Aufklärungskampagnen versuchen, einen Bewusstseinswandel einzuleiten und die Tendenz zur Beschneidung über die Generationen hinweg rückläufig ist (vgl. zum Ganzen z.B. ACCORD vom 21.6.2011 – Nigeria: Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsversorgung, S. 6 ff.; Auswärtiges Amt, Lagebericht, Stand: Oktober 2018, S. 5, 15; EASO Country of Origin Information Report, Nigeria Country Focus, Juni 2017, S. 37 ff.; UK Home Office, Country Policy and Information Note – Nigeria: Female Genital Mutilation, Februar 2017, S. 8 ff.; 28toomany, Country Profile: FGM in Nigeria, Oktober 2016, S. 3, 7 ff.; IRB – Immigration and Refugee Board of Canada – Nigeria, Prevalence of female genital mutilation, September 2016; IRB – Nigeria, Whether parents can refuse female genital mutilation for their daughters, November 2012; VG Augsburg, U.v. 21.6.2017 – Au 7 K 16.31586 – juris Rn. 54). Obgleich die Schätzungen zur Verbreitung auseinandergehen, dürften aktuell etwa 25% der Frauen zwischen 15 und 49 beschnitten sein, wobei die Tendenz rückläufig ist. Das Beschneidungsalter variiert dabei von kurz nach der Geburt bis zum Erwachsenenalter und ist abhängig von der jeweiligen Ethnie. Hinsichtlich der Beschneidungspraxis bestehen insgesamt große Unterschiede je nach Region, Volksgruppe und Bildungsstand sowie zwischen Stadt und Land. Beschneidungen finden regelmäßig auf Veranlassung, jedenfalls aber mit Einverständnis der Eltern bzw. des insoweit meist maßgeblichen Vaters statt. Regelmäßig können die Eltern eine Genitalverstümmelung von Töchtern gegen den Willen der Eltern auch verhindern, wenngleich dies mit erheblichen innerfamiliären Auseinandersetzungen bis hin zur Ausgrenzung aus dem familiären Verband einhergehen kann, weil der soziale Druck der Großfamilie zur Durchführung einer Genitalverstümmelung mit Blick auf traditionelle Überlieferungen und Erwartungen, etwa bezüglich der „Heiratsfähigkeit“ junger Frauen sehr groß sein kann. Letztlich kann aber auch nicht völlig ausgeschlossen werden, dass in Einzelfällen auch gegen den Willen der Eltern auf Veranlassung von Verwandten eine Beschneidung durchgeführt wird. Dieses verbleibende Risiko kann aber – bei Ablehnung einer Genitalverstümmelung durch die Eltern – jedenfalls dann mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, wenn sich die betreffende Familie fernab der Großfamilien, von denen die Gefahr einer Beschneidung von Töchtern ausgehen könnte (oft ist dies nur die Familie väterlicherseits), niederlässt, wenngleich dies dann einen völligen Bruch mit der jeweiligen Herkunftsfamilie bedeutet (vgl. u.a. EASO Country of Origin Information Report, Nigeria Country Focus, Juni 2017, S. 37 ff.; IRB – Nigeria, Whether parents can refuse female genital mutilation for their daughters, November 2012; UK Home Office, Country Policy and Information Note – Nigeria: Female Genital Mutilation, Februar 2017, S. 8 ff.).
Jedoch konnte die Klägerin zu 1) nicht glaubhaft machen, dass ihr und ihrer Tochter bei einer Rückkehr nach Nigeria mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Genitalverstümmelung droht.
Wie im Bescheid des Bundesamts ausgeführt ist, erscheint es – zumindest ohne weitere Angaben – unwahrscheinlich, dass im Heimatort der Klägerin zu 1), in Benin City, – gegen den Willen der Eltern bzw. der Klägerin zu 1) – „von der Stadt gewählte Leute“ die Beschneidung durchführen sollen, obwohl die Beschneidung in Nigeria verboten ist. Ungewöhnlich erscheint nach den bisherigen Erkenntnissen des Gerichts auch der von der Klägerin zu 1) angegebene Zeitpunkt der Beschneidung – bei Frauen sechs Monate nach der ersten Geburt eines Kindes. Von diesen Angaben ausgehend hätte der Klägerin zu 1) sechs Monate nach der Geburt ihres Sohns …, des Klägers zu 2), also ab 3. März 2007 die Beschneidung gedroht. Dennoch ist die Klägerin zu 1) nach ihren eigenen Angaben erst 13 Monate nach Geburt ihres ersten Kindes, im Oktober 2007, aus Nigeria ausgereist, um der Beschneidung zu entgehen. Angesichts dieses nicht unerheblichen Zeitraums bis zur Ausreise nach der Geburt des Klägers zu 2) erscheinen die Angaben der Klägerin zu 1) bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt, dass ihre Mutter sie „an einem anderen Ort“ versteckt habe, ohne nähere Angaben für das Gericht nicht nachvollziehbar und damit das gesamte Vorbringen unglaubhaft. Nachfragen zur Überprüfung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Klägerin zu 1) waren dem Gericht nicht möglich, da die Klägerin zu 1) nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Dies geht zu Ihren Lasten. Nicht nachvollziehbar ist auch die Behauptung, der 2017 geborenen Klägerin zu 5) drohe in Nigeria die Beschneidung, da nach dem Vorbingen der Klägerin zu 1) Mädchen erst sechs Monate nach der Geburt eines Kinds die Beschneidung drohe. Ebenso fehlen nähere Angaben zum Verfolgungsschicksal der Kläger zu 2) bis 4).
Insgesamt ist das Gericht deshalb nicht davon überzeugt, dass den Klägern zu 1) bis 5) mit einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung bei einer Rückkehr bzw. Einreise nach Nigeria droht.
Abgesehen davon ist es für die Kläger möglich und zumutbar, bei einer Rückkehr bzw. Einreise nach Nigeria in einen anderen Landesteil und insbesondere in eine nigerianische Großstadt zu ziehen, um dort internen Schutz i.S.d. § 3e AsylG zu finden (sog. inländische Fluchtalternative) und insoweit hinreichend sicher vor künftiger Verfolgung zu sein.
Nach § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn ihm keine landesweite Verfolgung droht, er also in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und die Voraussetzungen des § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG gegeben sind. Die Beantwortung der Frage des Bestehens einer inländischen Fluchtalternative hängt damit wesentlich von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den individuellen Verhältnissen des jeweiligen Klägers ab, vgl. § 3e Abs. 2 AsylG i.V.m. Art. 4 Qualifikations-RL (vgl. BayVGH, B.v. 25.2.2019 – 13a ZB 18.32487 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Wie sich aus dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Stand: Oktober 2018, S. 16 f.), ergibt, besteht grundsätzlich in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil Nigerias und in eine der nigerianischen Millionenstädte auszuweichen. Es wurde von Klägerseite nicht ansatzweise glaubhaft gemacht, dass und weshalb bei einer unterstellten nunmehrigen Rückkehr bzw. Einreise der Kläger in ihr Herkunftsland, in dem kein funktionierendes Meldesystem und auch kein zentrales Fahndungssystem (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 27.11.2017 – 27 K 8651/17.A – juris Rn. 34 m.w.N.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Nigeria, Gesamtaktualisierung am 7.8.2017, S. 61) existieren, die Möglichkeit und hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Kläger auch bei einer Niederlassung in einer der großen und anonymen Städte Nigerias aufgefunden werden könnten.
Auch kann von den Klägern vernünftigerweise erwartet werden, dass sie sich in einem anderen Landesteil Nigerias bzw. in einer der Millionenstädte niederlassen (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 a.E. AsylG). Von einem Ausländer kann „vernünftigerweise erwartet werden“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, wenn am Ort des internen Schutzes seine Existenzsicherung gewährleistet ist. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 20, BVerwG, U.v. 29.5.2008 – 10 C 11.07 – juris Rn. 35; OVG NW, U.v. 26.8.2014 – 13 A 2998/11.A – juris Rn. 190 ff.; VGH BW, U.v. 16.10.2017 – A 11 S 512/17 – juris Rn. 83 ff.).
Ein verfolgungssicherer Ort bietet erwerbsfähigen Personen eine zumutbare Schutzalternative etwa dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt Erforderliche erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor, ausgeübt werden können. Nicht zumutbar ist hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Ein verfolgungssicherer Ort, an dem selbst das Existenzminimum nur durch derartiges kriminelles Handeln erlangt werden kann, bietet keinen internen Schutz (vgl. OVG NW, B.v. 6.6.2016 – 13 A 1882/15.A – juris Rn. 9 m.w.N.).
Zwar wird im Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Stand: Oktober 2018, S. 16) ausgeführt, dass ein Ausweichen in andere Landesteile mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein könne, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben. Angesichts der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage, ethnischem Ressentiment und der Bedeutung groß-familiärer Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft sei es für viele Menschen schwer, an Orten ohne ein bestehendes soziales Netz erfolgreich Fuß zu fassen. Die möglicherweise für die Kläger schwierigere wirtschaftliche Situation außerhalb des früheren Lebensumfelds in einer anderen nigerianischen Großstadt oder in einem anderen Landesteil steht hier der Zumutbarkeit aber nicht entgegen. Das Gericht geht davon aus, dass auch dort die Existenzgrundlage für die Bevölkerung, somit auch für die Kläger, sicherzustellen ist. Es ist damit hinreichend sicher, dass die junge, arbeitsfähige und über Schulbildung sowie zumindest in Spanien erworbene Berufserfahrung verfügende Klägerin zu 1) im Fall einer Rückkehr nach Nigeria auch in einer anderen nigerianischen Großstadt bzw. in einem anderen Landesteil in der Lage sein wird, trotz Betreuungsaufwand für ihre Kinder durch Arbeitsaufnahme jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das Existenzminimum für sich und ihre Kinder, die Kläger zu 2) bis 5), sicherzustellen (vgl. zu den Anforderungen an die Sicherung des Existenzminimums auch BVerwG, U.v. 1.2.2007 – 1 C 24/06 – juris Rn. 11; dazu näher siehe 3.a)).
2. Ferner sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach einer der Alternativen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylG nicht gegeben.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei neben der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Dabei muss die Art der Behandlung oder Bestrafung eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG). Für die Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG gelten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
Gemessen daran haben die Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Im Herkunftsstaat erlitten die Kläger zu 1) und 2) keinen ernsthaften Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG; weshalb den Klägern zu 1) mit 5) bei der Rückkehr bzw. Einreise nach Nigeria ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG drohen würde, ergibt sich aus dem Vorbringen der Kläger nicht. Die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) wurde für die Kläger nicht ausdrücklich geltend gemacht und erscheint auch nicht beachtlich wahrscheinlich. Es droht ihnen auch keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG (zu den Begriffen vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 156 ff.) durch einen Verfolgungsakteur i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG. Insoweit wird auf die Ausführungen zur Prüfung des Flüchtlingsschutzes verwiesen. Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts) liegen nicht vor, da in Nigeria gegenwärtig kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, bei dem die drohenden allgemeinen Gefahren eine derart hohe Dichte bzw. einen derart hohen Grad aufweisen, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib und Leben ausgesetzt ist (zu den rechtlichen Maßstäben einschl. des lokalen Anknüpfungspunktes vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 15,17,18; BayVGH, B.v. 9.1.2015 – 13a ZB 14.30449 – juris Rn. 10). Glaubhafte individuelle gefahrerhöhende Umstände, aufgrund derer die Schutzsuchenden zusätzlich der Gefahr gezielter Gewalttaten infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wären, wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
Im Übrigen steht den Klägern – wie oben ausgeführt – die Möglichkeit internen Schutzes offen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG).
3. Es besteht für die Kläger auch kein Anspruch auf die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2018 – 13a B 18.30632 – juris Rn. 26; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 25).
Unter dem Begriff der unmenschlichen Behandlung ist die vorsätzliche und beständige Verursachung körperlicher Verletzungen oder physischen oder psychischen Leids zu verstehen, während bei einer erniedrigenden Behandlung nicht die Zufügung von Schmerzen, sondern die Demütigung im Vordergrund steht.
Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2018 – 13a B 18.30632 – juris Rn. 26). Dies ist immer dann anzunehmen, wenn diese Verhältnisse ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger nichtstaatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, beruhen, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will (EGMR, Urteile vom 21.01.2011 – 30696/09 – (M.S.S./Belgien und Griechenland), NVwZ 2011, 413 und vom 28.06.2011 – 8319/07 und 11449/07 – (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681). Aber auch dann, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, weil es an einem verantwortlichen Akteur fehlt und „nichtstaatliche“ Gefahren für Leib und Leben im Zielgebiet aufgrund prekärer Lebensbedingungen vorliegen, können schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet dennoch in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK als unmenschliche Behandlung zu qualifizieren sein (BVerwG, U.v. 13.06.2013 – 10 C 13.12 – Rn. 24 f.; VGH B​W, U.v. 24.07.2013 – A 11 S 697/13 – juris Rn. 79 ff.).
Für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse im Zielstaat ist – wie im Rahmen von §§ 3 ff. und § 4 Asylgesetz – der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Auch im Rahmen des Art. 3 EMRK ist nach der Rechtsprechung des EGMR eine tatsächliche Gefahr („real risk“) erforderlich, aber auch ausreichend, d.h. es muss eine ausreichende reale, nicht nur auf bloßen Spekulationen gegründete Gefahr bestehen. Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen dabei ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreichen; diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn der Ausländer nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls im Zielstaat der Abschiebung seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten kann (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 11). Bei „nichtstaatlichen“ Gefahren für Leib und Leben ist ein sehr hohes Gefahrenniveau erforderlich ist; nur dann liegt ein „ganz außergewöhnlicher Fall“ vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind (BayVGH, U.v. 21.11.2018 – 13a B 18.30632 – juris Rn. 27 m.w.N.). Des Weiteren ist für die Beurteilung, ob außerordentliche Umstände vorliegen, die nach Art. 3 EMRK eine Abschiebung des Ausländers verbieten, grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen (BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 26).
Ausgangspunkt für die Gefahrenprognose ist eine möglichst realitätsnahe, wenngleich notwendig hypothetische Rückkehrsituation. Erforderlich ist eine Gesamtschau und auf den konkreten Einzelfall bezogene Prüfung unter Berücksichtigung objektiver Gesichtspunkte.
Zwar sind die allgemeinen Lebensbedingungen in Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Staat Afrikas mit ca. 200 Millionen Einwohnern, schwierig. Es besteht aber dennoch für Rückkehrer in Nigeria die Möglichkeit, ökonomisch eigenständig zu leben und ohne Hilfe Dritter zu überleben. Das Gericht verkennt nicht, dass nach der derzeitigen Erkenntnislage die allgemeine wirtschaftliche und soziale Lage für die Mehrheit der Bevölkerung in Nigeria problematisch ist. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung, nach den vorliegenden Erkenntnissen ca. 70% der Bevölkerung, lebt am Existenzminimum (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, Stand: Oktober 2018, S. 8, 21), der größte Teil der Bevölkerung hat nur unter erschwerten Bedingungen Zugang zu Wasser und Strom, es existiert kein staatlich organisiertes Hilfsnetz für Bedürftige und Leistungen der allgemeinen Kranken- und Rentenversicherung kommen nur Beschäftigen im formellen Sektor und damit schätzungsweise nur 10% der Bevölkerung zugute. Die medizinische Versorgung ist zudem gerade auf dem Land mangelhaft und liegt auch in den Großstädten in der Regel unter europäischem Standard (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, Stand: Oktober 2018, S. 22). Ferner ist die Situation für alleinstehende Frauen in Nigeria – und damit auch für deren Kinder – nach den vorliegenden Erkenntnismitteln besonders schwierig. So ist davon auszugehen, dass sie trotz der in der Verfassung verankerten Gleichberechtigung von Mann und Frau in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt und diskriminiert werden. Da es in Nigeria keine staatliche finanzielle oder soziale Unterstützung gibt, sind alleinstehende Frauen meist von finanziellen Zuwendungen durch die (Groß-)Familie, Nachbarn oder Freunde abhängig. Jedoch ist es auch für den Personenkreis der alleinstehenden Frauen nicht unmöglich bzw. ausgeschlossen, sich eine wirtschaftliche Grundexistenz zu schaffen und ohne Hilfe Dritter zu überleben, so etwa im Südwesten des Landes und in den Städten, in denen alleinstehende Frauen eher akzeptiert werden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, Stand: September 2017, S. 16 f. sowie Stand: Oktober 2018, S. 14 f.). Auch insoweit kann nur in besonders gelagerten Einzelfällen ein Abschiebungsverbot bestehen (vgl. VG Aachen, U.v. 24.5.2012 – 2 K 2051/10.A – juris Rn. 32).
Vorliegend bestehen jedoch keine ernstlichen Zweifel daran, dass bei den Klägern kein außergewöhnlicher Fall vorliegt, bei dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung zwingend sind. Wie bereits oben festgestellt, erachtet das erkennende Gericht den Vortrag der Kläger in Bezug auf die geltend gemachte Beschneidungsgefahr nicht als glaubhaft. Unter Berücksichtigung der oben ausgeführten Erwägungen sind im Ergebnis keine durchgreifenden Gründe erkennbar, die dagegen sprechen würden, dass die Klägerin zu 1) im Fall einer Rückkehr mit ihren Kindern in der Lage sein wird, etwa durch eine Arbeitsaufnahme der Klägerin zu 1) ein Einkommen zu erzielen, um damit den Lebensunterhalt für die Kläger zu finanzieren. Die Klägerin zu 1) ist jung, erwerbsfähig, hat eine Schulbildung genossen, Erfahrung als Reinigungskraft und keine gesundheitlichen Einschränkungen. Daraus ist zu schließen, dass ihr auch in Nigeria die Aufnahme einer praktischen beruflichen Tätigkeit möglich sein wird, mit der sie auch ohne fremde Hilfe das in Art. 3 EMRK geschützte Existenzminimum für sich und ihre Kinder erwirtschaften kann.
Insgesamt liegen daher die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht vor. Auch die Verletzung anderer Menschenrechte und Grundfreiheiten der EMRK kann angesichts des klägerischen Vortrags und der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel nicht festgestellt werden.
b) Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Umständen sie beruht. Für die Annahme einer „konkreten“ Gefahr im Sinne dieser Vorschrift genügt aber nicht die bloße Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die geschützten Rechtsgüter zu werden. Vielmehr ist insoweit der Maßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ anzuwenden und zwar unabhängig davon, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Zudem muss eine auf den Einzelfall bezogene, individuell bestimmte und erhebliche, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretende Gefährdungssituation vorliegen und es muss sich um Gefahren handeln, die dem Ausländer landesweit drohen, denen er sich also nicht durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann. Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen liegt dabei nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst also nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen.
Gefahren, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppen allgemein ausgesetzt ist bzw. sind, werden indes allein bei Entscheidungen über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG berücksichtigt. Allgemeine Gefahren in diesem Sinn unterfallen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individualisierbar zu treffen drohen. Angesichts der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG kann ein Ausländer daher in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nur dann beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr in sein Heimatland aufgrund der dortigen Existenzbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre oder sonst eine individuelle existenzielle Gefahr für ihn besteht. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 zu gewähren. Die Abschiebung muss somit ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen“ ausgeliefert würde und sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren würden.
Somit gewährt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter dem Gesichtspunkt der extremen Gefahrenlage keinen weitergehenden Schutz, als es § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK tut. Liegen also – wie hier – die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante, extreme Gefahrenlage aus.
Hiervon ausgehend vermag das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen klägerischen Vortrags keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Kläger i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei ihrer Rückkehr in ihr Heimatland zu erkennen.
5. Gegen die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung bestehen keine Bedenken.
Auch an der Rechtmäßigkeit der Befristungsentscheidung gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG bestehen keine Zweifel. Dass nach § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AufenthG n.F. ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gesondert angeordnet werden muss, macht den Bescheid vom 25. April 2019 nicht fehlerhaft, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur früheren Rechtslage war in einer behördlichen Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 a.F. regelmäßig auch die Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots von bestimmter Dauer zu sehen (vgl. BayVGH, B.v. 11.9.2019 – 10 C 18.1821 – juris Rn. 13; BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21/17 – juris Rn. 25ff.; a.a.O., B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 72; a.a.O., U.v. 25.7.2017 – 1 C 13.17 – juris Rn. 23).
Die Klagen waren daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG und mit dem Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO abzuweisen.

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