Aktenzeichen 2 B 67/12
§ 96 Abs 1 S 1 BBG 2009
Verfahrensgang
vorgehend Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, 6. Juli 2012, Az: 11 Bf 251/10.F, Urteil
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Verfahrensfehler (§ 69 BDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers ist unbegründet.
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Der Kläger steht als Posthauptschaffner im Dienst der Beklagten. Die Beklagte kürzte die Dienstbezüge des Klägers durch Disziplinarverfügung um ein Fünfundzwanzigstel für die Dauer von 25 Monaten, weil der Kläger seine tägliche Zustelltour mehrfach vorzeitig, d.h. vor Erreichen der täglichen Höchstarbeitszeit, beendet habe, ohne alle Sendungen ausgeliefert zu haben (Anschuldigungspunkte 1 und 3) und einen Arbeitstag unentschuldigt gefehlt habe (Anschuldigungspunkt 2).
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Auf die Anfechtungsklage hat das Oberverwaltungsgericht im Berufungsurteil anstelle der Gehaltskürzung eine Geldbuße von 500 € verhängt. Dies beruht im Wesentlichen darauf, dass das Oberverwaltungsgericht die Berücksichtigung des dritten Anschuldigungspunktes aus verfahrensrechtlichen Gründen für unzulässig gehalten hat.
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1. Die Grundsatzrüge kann keinen Erfolg haben. Es bedarf keines Revisionsverfahrens, um zu klären, dass Änderungen der Arbeitszeit nur für den künftigen Dienst, nicht aber rückwirkend für bereits verstrichene Arbeitstage Geltung beanspruchen.
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Mit der aufgeworfenen Frage macht der Kläger geltend, bei Anwendung einer später getroffenen Betriebsvereinbarung hätte er seine Zustelltour nicht vorzeitig beendet (Anschuldigungspunkt 1). Daher könne ihm nach der Meistbegünstigungsregel des § 2 Abs. 3 StGB keine Dienstpflichtverletzung vorgeworfen werden. Es liegt auf der Hand, dass dies nicht zutrifft. Ob ein Beamter seine Dienstleistungspflicht in zeitlicher Hinsicht erfüllt, ist nach den Arbeitszeitregelungen zu beurteilen, die an dem jeweiligen Arbeitstag gelten. Deren Missachtung kann nicht nachträglich durch eine Änderung des Arbeitszeitrechts ungeschehen gemacht werden.
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Die Arbeitszeit von Zustellern wird grundsätzlich in Dienstplänen festgelegt. Sie dürfen ihre Arbeit jedoch vor dem vorgesehenen Dienstzeitende beenden, wenn sämtliche Sendungen ihres Zustellungsbezirkes zugestellt sind. Umgekehrt muss ein Zusteller seinen Dienst über das vorgesehene Dienstzeitende hinaus versehen, wenn noch Sendungen zuzustellen sind. Nach der zum Tatzeitpunkt gültigen Betriebsvereinbarung hatte der Kläger in diesen Fällen eine Tages-Höchstarbeitszeit von zehn Stunden zu leisten. Diese Verpflichtung ist durch die seit 19. Dezember 2008 geltende Betriebsvereinbarung auf neun Stunden reduziert worden. Ginge man für die disziplinarrechtliche Bewertung des Verhaltens des Klägers von der nachträglich eingeführten Arbeitszeitregelung aus, läge ein Dienstvergehen nicht vor. Die danach erforderlichen neun Stunden Tagesarbeitszeit hat der Kläger geleistet.
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Nach § 2 Abs. 1 StGB bestimmt sich die Strafe nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. Ändert sich das Gesetz nachfolgend noch vor der gerichtlichen Entscheidung, ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB aber das mildeste Gesetz anzuwenden. Die Norm trifft damit eine Regelung zur Geltung von Strafgesetzen bei nachträglichen Änderungen der Strafbarkeit oder des Strafrahmens und ordnet zu Gunsten des Täters ein Meistbegünstigungsprinzip an. § 2 Abs. 3 StGB lässt damit die geänderten Vorstellungen des Gesetzgebers über Recht und Unrecht sowie die Strafwürdigkeit dem Täter auch für frühere Taten zu Gute kommen (vgl. Dannecker, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, § 2 Rn. 56). Dieser Rechtsgedanke gilt auch für die Bestimmung von Disziplinarmaßnahmen (Urteil vom 19. August 2010 – BVerwG 2 C 5.10 – Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 11 m.w.N.).
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Dies ändert aber nichts daran, dass Beamte verpflichtet sind, ihren Dienst nach den aktuell geltenden Dienstvorschriften zu verrichten. Deren nachträgliche Änderung kann sich allenfalls je nach den konkreten Umständen auf die Maßnahmebemessung auswirken. Ein Beamter war damals und ist verpflichtet, dienstliche Anordnungen seines Vorgesetzten auszuführen und dessen allgemeine Richtlinien zu befolgen. Hierzu gehört auch die Einhaltung der geltenden Arbeitszeit (§ 55 Satz 2 BBG a.F., § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG n.F.). Er war (§ 73 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F.) und ist (§ 96 Abs. 1 Satz 1 BBG) unverändert nicht berechtigt, dem Dienst ohne Genehmigung fernzubleiben oder ihn vorzeitig zu beenden. Ein für die Anwendung des Rechtsgedankens aus § 2 Abs. 3 StGB erforderlicher Wandel der gesetzgeberischen Vorstellungen über Recht und Unrecht oder die Disziplinarwürdigkeit von Verstößen gegen die Gehorsamspflicht liegt nicht vor (vgl. Urteile vom 19. August 2010 – BVerwG 2 C 5.10 – Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 11, vom 25. März 2010 – BVerwG 2 C 83.08 – BVerwGE 136, 173 = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 11 Rn. 17 und vom 25. August 2009 – BVerwG 1 D 1.08 – Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 33).
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Die vom Kläger in Bezug genommene Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung dagegen betrifft die Frage, welche Anordnungen zur zeitlichen Dienstleistungspflicht für den Kläger gelten. Sie konkretisieren damit den Inhalt seiner Dienstleistungspflicht. Diese Vorgaben haben sich geändert. Während der Kläger im Jahr 2004 noch verpflichtet war, eine Höchst-Tagesarbeitszeit von zehn Stunden zu erbringen, ist dieser Umfang durch die später geänderte Betriebsvereinbarung reduziert worden. Die Tatsache, dass der Kläger nach der seit 19. Dezember 2008 geltenden Betriebsvereinbarung nur noch eine Höchst- Tagesarbeitszeit von neun Stunden zu erbringen hat und unter Geltung dieser Anordnung ein Zustellabbruch nach neun Stunden zulässig ist, ändert aber nichts daran, dass der Kläger am 21. April 2004 eine Höchst-Tagesarbeitszeit von zehn Stunden zu erbringen hatte und ein vorzeitiges Dienstende damit nicht den gültigen Anordnungen entsprach.
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2. Der Kläger hat keine Verfahrensmängel (vgl. § 69 BDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) dargelegt.
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a) Der behauptete Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat die von der Beklagten verhängte Disziplinarmaßnahme nicht verschärft, sondern von einer Gehaltskürzung auf eine Geldbuße abgemildert.
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Soweit die Beschwerde darauf verweist, das Verwaltungsgericht habe den Schwerpunkt der Verfehlungen in den Zustellabbrüchen (Vorwurf 3) gesehen, deren Einbeziehung das Oberverwaltungsgericht als unzulässig angesehen habe, ist damit kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot aufgezeigt. Aus dem nach § 3 BDG anwendbaren § 129 VwGO folgt zwar, dass die Änderungsbefugnis des Berufungsgerichts an die Anträge gebunden ist, so dass der Tenor insoweit nicht mehr zu Lasten des Berufungsführers abgeändert werden kann. Eine Bindungswirkung für einzelne Begründungselemente folgt aus der Anordnung indes nicht (vgl. hierzu etwa Blanke, in: Sodan/Ziekow, VwGO- Großkommentar, 3. Aufl. 2010, § 129 Rn. 5 m.w.N.). Eine abweichende Einschätzung zum Gewicht der einzelnen Dienstvergehen ist dem Berufungsgericht durch § 129 VwGO daher nicht verwehrt.
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Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht gemäß § 60 Abs. 3 BDG auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Disziplinarentscheidung überprüft. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Gericht nicht darauf beschränkt, rechtswidrige Verfügungen aufzuheben. Es trifft in Anwendung der in § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG niedergelegten Grundsätze vielmehr eine eigene Bemessungsentscheidung (Urteil vom 15. Dezember 2005 – BVerwG 2 A 4.04 – Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1 Rn. 23). Unter Beachtung des Verschlechterungsverbots kann das Gericht die angefochtene Disziplinarverfügung daher auch abändern, wenn es die vom Dienstherrn festgelegte Maßnahme für unangemessen hält. Dies gilt auch im Berufungsverfahren (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG).
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b) Soweit mit der Beschwerde vorgetragen wird, das Oberverwaltungsgericht habe die Angaben zum Grund des vorzeitigen Abbruchs des Dienstes am 21. April 2004 nicht zutreffend gewürdigt, ist ein Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht aufgezeigt.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Angabe des Klägers, er sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, die Zustelltour zu beenden, zur Kenntnis genommen und sich mit ihr ausführlich auseinander gesetzt (S. 26 ff. des Urteils). Eine Verletzung des Gebotes der Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO ist damit weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Aus Art 103 Abs. 1 GG folgt nicht, dass der klägerische Vortrag einem Gerichtsurteil als zutreffend zugrunde gelegt werden muss.
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Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zeigt die Beschwerde indes nicht auf. Sie begnügt sich vielmehr damit, ihre Einschätzung an die Stelle derjenigen des Oberverwaltungsgerichts zu setzen. Damit ist den Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensfehlers nicht genügt.
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c) Entsprechendes gilt für die vom Kläger beanstandete Würdigung seines Vortrags, er sei irrtümlich davon ausgegangen, am 24. Mai 2004 nicht zum Dienst eingeteilt gewesen zu sein. Mit dem Vorbringen, eine andere Würdigung der Angaben des Klägers und der Zeugen sei durchaus denkbar, ist kein Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dargelegt.
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Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert (Beschluss vom 18. November 2008 – BVerwG 2 B 63.08 – Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 27 f.).
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Einen derartigen Verfahrensmangel zeigt die Beschwerde nicht auf. Mit dem Vortrag, aus dem Sachverhalt hätten auch andere Schlussfolgerungen gezogen werden können, wird vielmehr nur die Würdigung selbst in Frage gestellt. Verfahrensfehlerhaft könnte dies nur dann sein, wenn die Schlussfolgerung bereits aus Gründen der Logik nicht gezogen werden könnte (Beschluss vom 26. Oktober 2011 – BVerwG 2 B 4.11 – juris Rn. 12). Derartiges behauptet auch die Beschwerde nicht.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil sich die Höhe der Gerichtskosten streitwertunabhängig aus dem Gesetz ergibt (vgl. § 78 Satz 1 BDG i.V.m. Nr. 15 und 62 des Gebührenverzeichnisses der Anlage zu diesem Gesetz).