Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “i Pedelec” – kein Freihaltungsbedürfnis – Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  28 W (pat) 618/11

Datum:
7.8.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die angemeldete Marke 30 2011 028 057.6
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. August 2013 durch die Vorsitzende Richterin Klante und die Richter Schwarz und Paetzold
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 12, vom 18. August 2011 wird aufgehoben.

Gründe

I.
1
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 12 vom 18. August 2011 die Anmeldung der Angabe
2
i Pedelec
3
als Wortmarke für die Waren
4
Klasse 12:
5
Fahrzeuge und deren Teile, soweit in Klasse 12 enthalten
6
Klasse 28:
7
Spiel, Spielzeug, Spiel- und Turnartikel, soweit sie in Klasse 28 enthalten sind
8
nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Angabe mit der Begründung zurückgewiesen, die angemeldete Angabe stelle für die beanspruchten Waren   eine schutzunfähige Sachangabe dar. Der Begriff “Pedelec” sei, wie auch die Anmelderin nicht bestritten habe, die in der Branche bekannte Bezeichnung für pedalbetriebenes Elektrofahrrad. Aber auch das vorangestellte abgesetzte i” habe eine weitere Sachbedeutung. Der Buchstabe “I” könne für “injection” (= Einspritzung) oder eine andere Unterteilung (etwa in der Form einer Unterserie “i”) stehen. Zwar treffe es zu, dass dem Pedelec nichts eingespritzt zu werden brauche, der Buchstabe “i”, der in der Marke nur einen zum pedelec untergeordneten Bedeutungsgehalt einnehme und nicht geeignet sei, dessen herausragend bekannte Bedeutung zu beeinflussen oder zu verdrängen, könne aber auch eine andere sachliche Unterscheidung innerhalb der Sachangabe Pedelec sein, so dass der Verkehr es nur als Hinweis auf ein Pedelec mit einer weiteren Eigenschaft verstehe.
9
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie macht im Wesentlichen geltend, die Ausführungen der Markenstelle könnten eine Zurückweisung der Anmeldemarke nicht rechtfertigen, weil  keine Feststellungen dazu getroffen worden seien, welche Produkteigenschaft mit dem vorangestellten “i” denkbarerweise assoziiert werden könnten und worin die angebliche Sachaussage eigentlich bestehen solle. Damit sei die angemeldete Angabe – trotz des schutzunfähigen Bestandteils “Pedelec” – aber in ihrer Gesamtheit schutzfähig.
10
Die Anmelderin beantragt,
11
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes,  Markenstelle für Klasse 12, vom 18. August 2011 aufzuheben.
II.
12
Die nach § 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde ist begründet. Die angemeldete Kennzeichnung ist für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen weder wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft  noch als mögliche beschreibende Angabe nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.
13
Entgegen der Auffassung der Markenstelle steht der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung nicht das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, denn die angemeldete Bezeichnung besteht nicht zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. EuGH, MarkenR 2004, 450, 453 [Rz 32] – DOUBLEMINT; MarkenR 2008, 160, 162 [Rz. 35] – HAIRTRANSFER) ausschließlich aus Zeichen oder Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können, sofern es sich hierbei um für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände handelt (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 1093, 1094 – FOR YOU; GRUR 2000, 211, 232 – FÜNFER), die hinreichend eng mit einer Ware oder Dienstleistung selbst in Bezug stehen (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 419 – Berlin Card). Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung steht daher nicht das im Allgemeininteresse liegende Ziel entgegen, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren bzw. Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke zugunsten eines Unternehmens monopolisiert werden können (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rn. 25 – CHIEMSEE; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 35, 36 – BIOMILD).
14
Zwar ist der Markenbestandteil “Pedelec”, was auch die Anmelderin nicht in Abrede stellt, die allgemein gebräuchliche Bezeichnung für ein elektrobetriebenes Fahrrad. Eine beschreibende Bedeutung käme diesem Markenbestandteil aber nur für die Waren in den Klassen 12 und 28 zu, bei denen es sich um solche Fahrräder handelt oder welche solche Fahrräder entweder als Spielzeug nachbilden oder die für solche Fahrräder oder Spielzeuge bestimmt sind. Bei den übrigen beanspruchten Waren, bei denen es sich nicht um Elektrofahrräder oder deren Nachbildung handelt oder die nicht zur Verwendung bei ihnen bestimmt sind, ist die angemeldete Bezeichnung demgegenüber ohne jede beschreibende Aussage, wobei, da es offensichtlich ist, dass diese Waren mit Pedelecs nicht zu tun haben, sie auch nicht als offensichtliche täuschende Angabe (§ 8 Abs. 2 Nr. 4, § 37 Abs. 3 MarkenG) vom Schutz ausgenommen ist.
15
Aber auch in Beziehung auf Elektrofahrräder, für welche “Pedelec” eine beschreibende Bedeutung haben kann, käme die Annahme einer Schutzunfähigkeit nur in Betracht, wenn die Anmeldemarke in ihrer Gesamtheit eine beschreibende Angabe darstellen würde.  Anhaltspunkte dafür, dass auch der weitere Markenbestandteil, nämlich der dem Wort “Pedelec” vorangestellte Buchstabe “i” als Sachangabe für mögliche Eigenschaften der beanspruchten Waren in Betracht kommt, sind aber von der Markenstelle nicht festgestellt worden; auch der Senat vermochte hierzu tatsächliche Umstände, welche eine solche mögliche beschreibende Bedeutung für die hier in Rede stehenden Fahr- und Spielzeuge zumindest nahe legen, nicht festzustellen.
16
Dass “i” möglicherweise für “injection”, also für die Einspritztechnik bei Kraftfahrzeugen stehen kann, kann dabei für Elektrofahrräder, wie die Markenstelle selbst ausgeführt hat, keinerlei Sachaussage treffen, da bei ihnen mangels Verbrennungsmotors der Einsatz der Einspritztechnik nicht vorstellbar ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Buchstabe “i” für solche speziellen Fahrräder anderweitig als mögliche Merkmalsangabe in Betracht kommt, sind ebenfalls nicht ersichtlich.
17
Soweit die Markenstelle einen beschreibenden Inhalt des Buchstabens “i” ohne nähere Darlegung auf die konkret beanspruchten Waren nur allgemein und pauschal behauptet hat, reicht die nur abstrakte Möglichkeit, wie die Anmelderin zutreffend beanstandet hat, für die Verneinung der nach §§ 8, 37 MarkenG konkret zu prüfenden Schutzfähigkeit nicht aus. Der Senat vermochte aber auch bei einer eigenen Recherche nichts zu ermitteln, was eine die hier beanspruchten Waren konkret beschreibende Bedeutung nahelegen würde. Zwar könnte der Buchstabe “i” grundsätzlich mit allen englischen oder deutschen Begriffen in Verbindung gebracht werden (vgl. hierzu etwa die Diskussion über die Bedeutung des “i” bei der Marke “iphone” in Diskussionsforen des Internets, vgl. hierzu etwa http://www.gutefrage.net/frage/fuer-was-steht-das-i-in-iphone und http://www.help-ster.de/iphone-die-bedeutung-des-begriffs-verstehen_122198), die mit diesem Buchstaben beginnen und möglicherweise Merkmale der beanspruchten Waren beschreiben; das allein reicht aber, wenn der Buchstabe “i” als Abkürzung für diese Begriffe nicht verwendet wird, für die Annahme, hiermit werde nur auf ein mögliches Merkmal der beanspruchten Waren hingewiesen, nicht aus, weil es insoweit an dem erforderlichen  unmittelbaren Bezug dieses Markenbestandteils zu den beanspruchten Waren fehlt (vgl. BGH a. a. O. – Berlin Card), der sich für den Verkehr vielmehr erst aufgrund einer phantasievollen analysierenden Betrachtung ergäbe, zu welcher der Verkehr aber nach ständiger Rechtsprechung gerade nicht neigt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1992, 515, 516 – Vamos; BGH GRUR 195, 408, 409 – PROTECH).
18
Zwar käme in Bezug auf Software und sie einsetzende Dienstleistungen der Buchstabe “i” möglicherweise als Abkürzung für “internet” oder “information” in Betracht (so etwa EuG, Urteil vom 16.12.2010, Az. T-0161/09 – ilink; HABM, Entscheidung vom 18.07.2004, Az. R 682/02-2 – I-CARD; Entscheidung vom 15.04.2007, Az. R 1494/06-1 – iDesigner; Entscheidung vom 14.02.2008, Az. R 660/07-1 – i-player; Entscheidung vom 6.11.2012, Az. R 612/12-2 – iGOLF; BPatG, Beschluss vom 11.01.2011, Az. 33 W (pat) 130/09 – iFINANCE; Beschluss vom 26.01.2011, Az. 26 W (pat) 508/10 – i.store; sämtliche vorgenannten Entscheidungen veröffentlicht auf https://www.pavis-proma.de), in Bezug auf Elektrofahrräder macht eine solche Interpretation des Buchstabens “i”, sofern sie überhaupt naheliegt (vgl. hierzu zutr. BPatG, Beschluss vom 26.05.2009, Az. 33 W (pat) 110/07 – IPAY), als “internet” oder “information” aber erkennbar keinen Sinn. Sonstige Anhaltspunkte dafür, dass der Buchstabe “i” in Bezug auf (Elektro-) Fahrräder als Abkürzung für diese beschreibenden Begriffe verwendet wird oder gar üblich ist, sind nicht zu finden. Damit kann aber die Annahme der Markenstelle, die Anmeldemarke bestehe ausschließlich aus beschreibenden Angaben, nicht einmal für alle Einzelbestandteile, geschweige denn für ihre Kombination belegt werden. Damit scheidet eine Zurückweisung der Anmeldemarke nach §§ 37, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aber aus.
19
Aus denselben Gründen ist die angemeldete Bezeichnung entgegen der Ansicht der  Markenstelle auch nicht nach § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen. Denn Anhaltspunkte, dass der Verkehr die Anmeldemarke möglichweise vordergründig nur als glatt beschreibende Angabe verstünde, bestehen selbst für unter das Warenverzeichnis fallende (Elektro-) Fahrräder wegen des vorangestellten Buchstabens “i”, der aufgrund seiner Stellung am Markenanfang auch nicht übersehen oder überhört werden kann, nicht. Damit liegt es trotz des glatt beschreibenden Bestandteils “Pedelec” für den Verkehr aber nahe, die Anmeldemarke in ihrer Gesamtheit, welche der Prüfung der Schutzfähigkeit zugrunde zu legen ist, selbst bei (Elektro-) Fahrrädern, erst recht aber bei den übrigen beanspruchten Waren, nur als Marke und nicht als im Vordergrund stehende beschreibende Angabe aufzufassen. Damit kann der Anmeldemarke aber das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft letztlich nicht abgesprochen werden.
20
Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke zu Unrecht die Eintragung wegen der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG  versagt hat, war auf die Beschwerde der Anmelderin der Beschluss der Markenstelle aufzuheben.


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