Aktenzeichen I ZR 119/09
§ 8 Abs 1 UWG
§ 8 Abs 4 UWG
§ 17a Abs 3 S 1 GVG
§ 17a Abs 3 S 2 GVG
§ 17a Abs 4 GVG
Verfahrensgang
vorgehend OLG München, 2. Juli 2009, Az: 29 U 3744/08vorgehend LG München I, 10. Juni 2008, Az: 9 HKO 63/08
Tenor
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Gründe
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I. Die Beklagte, eine niederländische Versandapotheke, bietet gesetzlich versicherten Kunden in Deutschland, die bei ihr Rezepte über verschreibungspflichtige Arzneimittel einlösen, einen sogenannten Garantie-Bonus in Höhe von 3% des Preises des jeweiligen Medikaments, mindestens aber 2,50 € und höchstens 15 € an.
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Der Kläger, der Bayerische Apothekerverband e.V., in dem rund 2.700 selbständige Apotheker organisiert sind, sieht dieses Bonussystem als – wie er zuletzt klargestellt, in erster Linie – wegen Verstoßes gegen die arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften, in zweiter Linie wegen unangemessener unsachlicher Beeinflussung der Verbraucher und höchst hilfsweise wegen Verstoßes gegen das heilmittelwerberechtliche Zuwendungsverbot unlauter und unzulässig an.
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Soweit der Rechtsstreit in die Rechtsmittelinstanzen gelangt ist, hat der Kläger beantragt, es der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
Kunden aus Deutschland bei der Vorlage eines Privatrezeptes über ein in Deutschland verschreibungspflichtiges Arzneimittel einen Bonus in Höhe von 2,50 € bis 15 € anzubieten und/oder zu gewähren und/oder hierfür zu werben und/oder werben zu lassen.
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Darüber hinaus hat der Kläger ihm vorprozessual entstandene Abmahnkosten in Höhe von 2.759,60 € nebst Zinsen erstattet verlangt.
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Das Landgericht hat der Klage im vollen Umfang stattgegeben. Die von der Beklagten dagegen im Umfang der vorstehend wiedergegebenen Klageanträge eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, hat die Beklagte ihren im zweiten Rechtszug erfolglosen Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.
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In der mündlichen Revisionsverhandlung hat die Beklagte erklärt, dass sie sich nach der Klärung der Streitfrage durch den Gesetzgeber, ob ihre Versandhandelstätigkeit in Deutschland unter die deutschen Preisbindungsvorschriften fällt, selbstverständlich an das deutsche Gesetz hält. Die Klägerin hat daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat der Erledigungserklärung zugestimmt.
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II. Nach der – auch im Revisionsverfahren noch möglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2010 – I ZR 86/09, GRUR-RR 2011, 291 Rn. 6 mwN) – Erklärung der Klägerin, dass die Hauptsache erledigt sei, ist, nachdem die Beklagte der Erledigungserklärung zugestimmt hat, gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Dabei ist maßgeblich, ob die Revision Erfolg gehabt hätte, wenn es nicht zur Erledigung der Hauptsache gekommen wäre (BGH, GRUR-RR 2011, 291 Rn. 8 mwN). Da das Rechtsmittel der Beklagten im Streitfall keinen Erfolg gehabt hätte, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen. Das Berufungsgericht hat zutreffend ein im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers verneint (dazu sogleich unter II 1). Mit Recht hat es ferner angenommen, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht bereits im Zeitpunkt seiner Entscheidung auch für im Wege des Versandhandels nach Deutschland eingeführte Arzneimittel galt (dazu unter II 2) – und die weiteren Voraussetzungen für den Klageanspruch, soweit die Klägerin ihn auf §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG, § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 AMPreisV gestützt hatte, ebenfalls erfüllt waren (dazu unter II 3). Die Wiederholungsgefahr als materiellrechtliche Voraussetzung für den in die Zukunft gerichteten klagegegenständlichen Verletzungsunterlassungsanspruch war auch nicht schon mit dem Inkrafttreten des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG nF weggefallen (dazu unter II 4).
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1. Das Berufungsgericht hat mit Recht ein im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers verneint.
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a) Das Berufungsgericht hat ein Interesse des Klägers, das die gesonderte Inanspruchnahme der Beklagten im Blick auf privat krankenversicherte Personen einerseits und gesetzlich krankenversicherte Personen andererseits rechtfertigte und damit der Annahme eines Rechtsmissbrauchs gemäß § 8 Abs. 4 UWG entgegenstand, darin gesehen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung damit rechnen musste, dass die Beklagte im Blick auf ihr beanstandetes Verhalten gegenüber den gesetzlich krankenversicherten Personen die Zulässigkeit des Rechtswegs rügen würde. Die Rechtslage sei erst durch den nach Erhebung der Klagen im vorliegenden Rechtsstreit einerseits und im wegen Bonuszahlungen an gesetzlich krankenversicherte Personen geführten Rechtsstreit andererseits durch die Senatsentscheidung “Treuebonus” geklärt worden, wo ausgesprochen worden sei, dass für einen Streit über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Sonderzahlungen eines Apothekers an krankenversicherte Personen bei Einlösung von Rezepten auch insoweit, als die Gewährung von Bonuszahlungen an gesetzlich versicherte Personen in Rede stehe, der Rechtsweg zu den Zivilgerichten nach § 13 GVG eröffnet ist (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2008 – I ZB 8/07, GRUR 2008, 447 Rn. 12 ff., 16 bis 19 = WRP 2008, 675).
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b) Diese Sichtweise entspricht der Senatsrechtsprechung, wonach ein sachlicher Grund für die Erhebung gesonderter Klagen sprechen und daher der Annahme eines Rechtsmissbrauchs gemäß § 8 Abs. 4 UWG entgegenstehen kann, wenn die rechtliche Beurteilung oder die Beweisbarkeit des jeweiligen Wettbewerbsverstoßes unterschiedlich sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2009 – I ZR 14/07, GRUR 2009, 1180 Rn. 20 – 0,00 Grundgebühr; Urteil vom 22. Oktober 2009 – I ZR 58/07, GRUR 2010, 454 Rn. 21 = WRP 2010, 640 -Klassenlotterie). Ein Grund für die Erhebung gesonderter Klagen kann sich insbesondere daraus ergeben, dass sich die Rechtsdurchsetzung in der einen Hinsicht anders – und insbesondere zeitaufwendiger – gestalten kann als in der anderen Hinsicht und daher bei Erhebung einer einheitlichen Klage die – gerade bei in die Zukunft gerichteten Unterlassungsansprüchen relevante – Gefahr besteht, dass ein an sich ohne viel Aufwand durchsetzbarer Anspruch zunächst nicht ausgeurteilt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Prozesstrennung gemäß § 145 ZPO zwar möglich ist, aber im nicht überprüfbaren und auch nicht mit Rechtsmitteln anfechtbaren Ermessen des Prozessgerichts liegt. Dies gilt im besonderen Maße, wenn die beklagte Partei die Zulässigkeit des Rechtswegs rügt (§ 17a Abs. 3 Satz 2 GVG) und diese Frage daher vorab – gegebenenfalls durch drei Instanzen – geprüft werden muss (vgl. § 17a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 GVG).
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2. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat die ihm vom erkennenden Senat in der Sache “Sparen Sie beim Medikamenteneinkauf! I” (I ZR 72/08) mit Beschluss vom 9. September 2010 (GRUR 2010, 1130 = WRP 2010, 1485) vorgelegte Rechtsfrage, ob die deutschen Vorschriften für den Apothekenabgabepreis auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben, bejaht (GmS-OGB, Beschluss vom 22. August 2012 – GmS-OGB 1/10, BGHZ 194, 354 Rn. 12 ff.). In Übereinstimmung damit hat der Gesetzgeber durch die mit Wirkung vom 26. Oktober 2012 in Kraft getretene Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG zusätzlich klargestellt, dass die aufgrund von § 78 Abs. 1 Satz 1 AMG erlassene Arzneimittelpreisverordnung auch für gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbrachte Arzneimittel gilt.
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3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass auch die weiteren Voraussetzungen für den auf §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG, § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 AMPreisV gestützten Klageanspruch erfüllt sind, entspricht der Senatsrechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2010 – I ZR 193/07, GRUR 2010, 1136 Rn. 16 bis 22 = WRP 2010, 1482 – UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE) und wird auch von der Revision nicht beanstandet. Wie der Senat mittlerweile entschieden hat, ist ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen, wenn der Wert der für den Bezug eines Arzneimittels gewährten Werbegabe einen Euro übersteigt (BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 – I ZR 98/12, GRUR 2013, 1264 Rn. 18 ff., 20 = WRP 2013, 1587 – RezeptBonus).
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4. Die Begehungsgefahr – hier in Form der Wiederholungsgefahr – ist eine materiell-rechtliche Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 – I ZR 180/07, GRUR 2010, 455 Rn. 16 = WRP 2010, 746 – Stumme Verkäufer II; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 8 Rn. 1.10, jeweils mwN). Die für den Verletzungsunterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr kann dabei auch ohne Abgabe einer hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung dann wegfallen, wenn der Verstoß unter der Geltung einer zweifelhaften Rechtslage erfolgt ist, diese Zweifel aber durch eine Gesetzesänderung beseitigt sind und außer Frage steht, dass das beanstandete Verhalten verboten ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2001 – I ZR 29/99, GRUR 2002, 717, 719 = WRP 2002, 679 – Vertretung der Anwalts-GmbH; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rn. 1.43, jeweils mwN). Die zuletzt genannte Voraussetzung war im Streitfall erst dadurch erfüllt, dass die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung erklärt hat, dass sie sich nach der Klärung der Streitfrage durch den Gesetzgeber, ob ihre Versandhandelstätigkeit in Deutschland unter die deutschen Preisbindungsvorschriften fällt, selbstverständlich an das deutsche Gesetz hält. Zuvor hatte die Beklagte stets den Standpunkt vertreten, dass der Anwendung dieser Vorschriften auf im Wege des Versandhandels aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach Deutschland eingeführte Arzneimittel das primäre Unionsrecht entgegenstünde.
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Grabinski Löffler