Aktenzeichen S 4 VL 35/18
Leitsatz
Die Verpflichtung zum treuen Dienen gebietet es jedem Wehrpflichtigen, Zeit- oder Berufssoldaten, im Dienst und außerhalb des Dienstes zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr beizutragen und alles zu unterlassen, was diese in ihrem Aufgabenbereich schwächen könnte. Dieser Verpflichtung ist der Soldat durch seine ehrverletzenden und beleidigenden Äußerungen nicht gerecht geworden, da diese als eine entwürdigende Behandlung Untergebener zu bewerten sind. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Gegen den Soldaten wird wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von 48 Monaten in Verbindung mit einer Kürzung seiner jeweiligen monatlichen Dienstbezüge um 1/20 für die Dauer von 36 Monaten verhängt.
2. Er trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der heute 54 Jahre alte Soldat erwarb im Juni 1985 das Abitur. Auf der Grundlage seiner Bewerbung für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr vom 15. September 1984 und seiner Verpflichtungserklärung vom 27. Januar 1985 wurde er zum 1. Juli 1985 zum Diensteintritt als Offizieranwärter bei der X./Luftwaffenausbildungsregiment X in Roth aufgefordert. Mit Urkunde vom 3. Juni 1985, ihm ausgehändigt am 3. Juli 1985, wurde er unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Flieger OA ernannt. Auf seinen Antrag auf Übernahme als Berufssoldat vom 27. September 1993 wurde ihm mit Urkunde vom 10. März 1994, ihm ausgehändigt am 18. März 1994, die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen. Seine Dienstzeit endet danach mit Ablauf des 30. September 2027.
Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt mit Urkunde vom 4. September 2016, ihm ausgehändigt am 13. September 2016, zum Oberst.
Nach der Offizierausbildung bei der X./Luftwaffenausbildungsregiment X in Roth wurde der Soldat zum 24. September 1985 zur X./Offizierschule der Luftwaffe nach Fürstenfeldbruck versetzt. Dort absolvierte er den Offizierlehrgang OA Truppendienst im Zeitraum vom 25. September 1985 bis 30. Juni 1986, den er mit der Abschlussnote gut erfolgreich abschloss. Im Anschluss absolvierte der Soldat ab dem 1. Juli 1986 ein Praktikum bei der X./Technischen Schule der Luftwaffe in F.. Zum 1. Oktober 1986 wurde der Soldat zur Aufnahme des Studiums des Maschinenbaus/Luft- und Raumfahrtechnik an die Universität der Bundeswehr in München versetzt. Diesen Studiengang schloss er am 31. Januar 1990 mit der Abschlussnote befriedigend erfolgreich ab. Zum 8. Januar 1990 wurde der Soldat zur X./Flugabwehrraketengruppe X nach Penzing versetzt. Von dort besuchte er den Offizierlehrgang Luftwaffensicherungstruppe an der Kampftruppenschule in Hammelburg im Zeitraum vom 9. Januar 1990 bis 30. März 1990, den er mit der Abschlussnote befriedigend erfolgreich abschloss. Zum 1. Juli 1992 wurde der Soldat unter Wechsel der Teilstreitkraft von Luftwaffe zu Heer zur Fernspähkompanie 300 nach Fritzlar versetzt. Hieran schlossen sich Versetzungen zum 1. Januar 1994 zur X./Fallschirmjägerbataillon X in Saarlouis, zum 1. März 1995 zur X./Fallschirmjägerbataillon X in Lebach und zum 1. Juli 1996 zur X. Kommandokompanie Kommando Spezialkräfte in C. an. Im Zeitraum vom 3. Dezember 1996 bis 14. März 1997 nahm der Soldat am Stabsoffizier Grundlehrgang an der Führungsakademie in Hamburg teil. Diesen Lehrgang absolvierte der Soldat mit der Abschlussnote befriedigend. Zum 1. Juni 2002 wurde der Soldat zum Stab Kommando Spezialkräfte versetzt, wo er als G3 eingesetzt wurde. Im Zeitraum vom 26. August 2003 bis 25. Juni 2004 nahm der Soldat am General- und Admiralstabslehrgang an der Führungsakademie in Hamburg teil. Zum 15. November 2004 wurde der Soldat zur Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin versetzt. Hieran schlossen sich Versetzungen zum 1. April 2006 in das Bundesministerium der Verteidigung Fü S Stabsabteilung X, zum 29. September 2008 in den Einsatzführungsstab des Bundesministeriums der Verteidigung, zum 1. April 2009 zum Fallschirmjägerbataillon 261 in Lebach, zum 1. Oktober 2011 zum Heeresführungskommando in Koblenz, zum 1. Oktober 2012 zum Kommando Heer in Koblenz, zum 1. Juli 2013 zum Zentrum Innere Führung in Koblenz und zum 1. November 2015 zum Kommando Spezialkräfte in C. an, wo er als Stellvertretender Kommandeur eingesetzt wurde. Seit dem 1. Oktober 2017 ist der Soldat Angehöriger des Amtes für Heeresentwicklung, wo er als G3 und Gruppenleiter I 2 eingesetzt wird.
Der Soldat wurde zuletzt rechtmäßig/planmäßig am 21. Juli 2015 durch den Abteilungsleiter Menschenführung im Zentrum Innere Führung im Dienstgrad Oberstleutnant beurteilt. Im Abschnitt „3. Aufgabenerfüllung auf dem/den Dienstposten“ erhielt er einmal die Wertung „7“, viermal die Wertung „8“ und fünfmal die Wertung „9“. Im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung erhielt der Soldat die Wertung „8,40“. Im Abschnitt „4.2 Zusammenfassende Beschreibung der Persönlichkeit“ ist über den Soldaten folgendes ausgeführt:
„Oberstleutnant A wird als Mensch, Kamerad und Vorgesetzter allseits geschätzt und um Rat gefragt. Er ist kein theorielastig oder akademisch wirkender Stabsoffizier, sondern ein „geerdeter“ Troupier, der außerordentlich authentisch „rüberkommt“ und mitreißt. Er wartet nicht auf Anstöße, sondern erkennt eigenständig den Handlungsbedarf, ergreift die Initiative und agiert mit bemerkenswerter Konsequenz. Er ist ein „Macher“, ein militärischer Führer, der von Vorne zieht und bereits tragfähige Lösungen zur Hand hat, wenn Andere erst noch auf die Herausforderung aufmerksam gemacht werden müssen. Für Führungsverwendungen, auch als Truppenführer, bringt er damit die allerbesten Anlagen mit. Die Konzipierung und Implementierung des Spitzenkräftecoachings trägt vor allem seine Handschrift. Hier kamen seine Erfahrung und seine konzeptionelle Klasse zum Ausdruck. Kreativität, persönliches Engagement, die Befähigung zum Transfer der FMO-Verfahren auf die Besonderheiten der Zielgruppe bundeswehrgemeinsamer Führungskräfte in Spitzenverwendungen und sein fester Wille zum Erfolg, waren die Erfolgskriterien für den Gesamtprozess. Oberstleutnant A war der „spiritus rector“ des Auswahlverfahrens für die zivilen Coaches. Die Beschreibung der Anforderungsprofile, die Gestaltung der Auswahlgespräche sowie die Festlegung der Entscheidungs- bzw. Auswahlkriterien stammen weit überwiegend aus seiner Feder. Mit großem Fingerspitzengefühl und organisatorischem Geschick hat er eine effiziente Atmosphäre geschaffen, die letztlich verdient zum Erfolg führte. Für alle Beteiligten war Oberstleutnant A wie selbstverständlich „der Schlüsselakteur“.
Die Aufgabenfülle in der Implementierung des SPC war vor allem deswegen zu bewältigen, weil Oberstleutnant A mit Initiative, unermüdlicher Energie, vorausschauender Planung und Umsicht stets die Fäden in der Hand behielt und seinem Umfeld mit seiner Souveränität durchgängig Handlungssicherheit gab.
Für seine Vorgesetzten und externen Akteure war er im Implementierungsprozess ein durchgängig verfügbarer, überaus kompetenter Ansprechpartner und Berater. Für die Auftragserfüllung stellte er seine persönlichen Interessen immer zurück. Trotz enormer Last war er immer bereit, zusätzliche Aufträge anzunehmen und überzeugte in deren Umsetzung wie selbstverständlich mit Eigenständigkeit, Akribie und Sorgfalt.
Planung, Vorbereitung, Durchführung und Evaluation von Individualcoaching im Rahmen von SPC unterliegen in seiner Verantwortung einer beeindruckenden Sorgfalt und sind darüber greifbar pragmatisch. Das Feedback, das er für sein Coaching von den Spitzenführungskräften erhält, zeichnet genau das Bild von Oberstleutnant A, dass alle von ihm haben. Ein Profi durch und durch. Außerordentlich robuster, belastungsfähiger und zäher Stabsoffizier, der den physischen und psychischen Anforderungen an seine Funktion jederzeit gewachsen ist. Konsequent erhält er sich die Befähigung zum Automaten- und Freifallsprung.
Dem vielseitigen Anforderungsprofil eines Coaches hat er in ganz besonderem Maße über alle Phasen der Konzeptentwicklung und Implementierung des SPC entsprochen.
Insgesamt eine beeindruckende, menschlich ausgereifte Persönlichkeit mit dem Herzen am rechten Fleck. Er hat seine Leistungsgrenze noch nicht erreicht und steht mit seinem Leistungsvermögen für fordernde und förderliche Aufgaben und Verwendungen bereit. Mit Blick auf seine herausragende Führungsbefähigung und seine menschliche wie fachliche Souveränität attestiere ich mit Überzeugung seine klare Eignung für die höchsten Verwendungen seiner Laufbahn (Ebene B6). Hier sehe ich ihn mit Vorrang in Führungsverwendungen, insbesondere im Bereich von Spezialisierten oder Spezialkräften.“
Der nächsthöhere Vorgesetzte hat zu dieser Beurteilung wie folgt Stellung genommen:
„Oberstleutnant A wird in dieser hervorragenden Beurteilung treffend beschrieben. Er steht eindeutig an der Spitze einer insgesamt sehr leistungsstarken Vergleichsgruppe im ZInFü.
Ich kenne ihn aus eigenem Erleben sehr gut und kann mir aus der unmittelbaren Zusammenarbeit regelmäßig ein Bild seiner Leistungsfähigkeit machen. Vor diesem Hintergrund stütze ich das aufgezeigte Leistungsbild, die Entwicklungsprognose und die Verwendungshinweise ausdrücklich.
Das ZInFü hat mit Oberstleutnant A einen Stabsoffizier in seinen Reihen, der fachlich hochqualifiziert, intrinsisch motiviert und charakterlich integer ist. Dabei legt er ein bescheidenes, höfliches Wesen an den Tag, das eine angenehme Atmosphäre des Miteinanders schafft. In der fachlichen Arbeit überzeugt mich Oberstleutnant A als Offizier der „alten Schule“ mit präziser Auswertung des Auftrags, eigenständigem Urteilsvermögen, Zuverlässigkeit und hoher Sorgfalt in der Stabsarbeit. Ich kann mich immer auf ihn verlassen, vor allem auch dann, wenn es darauf ankommt. Hochwertaufträge weiß ich bei ihm in besten Händen.
Oberstleutnant A geht immer mit gutem Beispiel voran, weil er nach bestmöglicher Auftragserfüllung im Sinne der übergeordneten Führung strebt, Er ist Leistungsträger und Aktivposten, er treibt Dinge voran. Er arbeitet nicht für sich, sondern für die Führung und die Sache. Ein fantastischer, überaus loyaler Führungsgehilfe, gleichsam aber selbst ein Offizier mit besonderem Gespür für zeitgemäße Menschenführung.
Oberstleutnant A hat in seiner jetzigen Verwendung erneut auf ganzer Linie überzeugt und sein beachtliches Potenzial unter Beweis gestellt. Er wird überall da die größte Wirksamkeit und den größten Erfolg erzielen, wo kreative und systematische, geradlinige Führungsarbeit gefordert ist und er gestalten kann. Er empfiehlt sich im Besonderen für Führungsverwendungen in der Truppe. Dabei kämen seine persönliche Führungserfahrung, auch im Einsatz, sowie seine Erfahrungen in der Führungsbegleitung (Coaching) am besten zum Tragen.
Ich bestätige ein Leistungspotenzial bis in die höchsten Verwendungen seiner Laufbahn und empfehle ihn für Führungsverwendungen bis in die Ebene B6.“
Der Soldat hat darüber hinaus eine Beurteilung vom 10. April 2019 vorgelegt, die der Abteilungsleiter X des Amtes für Heeresentwicklung erstellt hat. Die Kammer hat diese Beurteilung zur Kenntnis genommen und ist zu der Überzeugung gelangt, dass diese Beurteilung rechtswidrig ist. Dies ergibt sich daraus, dass die Beurteilung trotz des laufenden gerichtlichen Disziplinarverfahrens zwar entsprechend der Zentralen Dienstvorschrift ZDv A-1340/50 („Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr“) Nr. 407 auf Anforderung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr erstellt worden ist, aber der Beurteilungszeitraum auf unzulässige Art und Weise manipuliert worden ist. Die vorherige Beurteilung des Soldaten wurde planmäßig zum 30. September 2015 erstellt. Die nunmehr vorgelegte Beurteilung vom 10. April 2019 erfasst den Zeitraum vom 1. Oktober 2017 bis zum 30. September 2019. In dieser Beurteilung wird der Zeitraum des Einsatzes des Soldaten als stellvertretender Kommandeur KSK ausgespart und nicht einmal erwähnt. Die Probleme des Soldaten als Menschenführer während seiner Verwendung als stellvertretender Kommandeur KSK und damit die Vorwürfe, die Gegenstand dieses gerichtlichen Disziplinarverfahrens sind, werden negiert. Der Beurteiler hat den Soldaten entgegen der ZDv A-1340/50 Nr. 407 d trotz der Vorwürfe, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, im Abschnitt „3. Aufgabenerfüllung auf dem/den Dienstposten“ in den Einzelmerkmalen „Informations- und Kommunikationsverhalten“ sowie im „Führungsverhalten“ mit der Höchstwertung „9“ beurteilt. Dies konterkariert das laufende gerichtliche Disziplinarverfahren und führt dieses ad absurdum. Dies gilt umso mehr, als der Soldat einen Teil der Vorwürfe zum Zeitpunkt der Erstellung der Beurteilung eingeräumt hatte.
Der in der Hauptverhandlung als Leumundszeuge gehörte Zeuge Generalmajor D hat den Soldaten als seinen besten Gruppenleiter beschrieben. Auf Vorhalt der von ihm als nächsthöherem Vorgesetzten bestätigten undifferenzierten neuen Beurteilung hat sich der Zeuge dahingehend eingelassen, dass der Beurteilungsbeitrag KSK und die Vorfälle dort im Benehmen mit dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr bewusst ausgeklammert worden seien, da für ihn die Unschuldsvermutung gelte. Die Vorschriften seien insoweit unbeachtlich. Die Kammer hat diese Bekundung eines Vorgesetzten dieser Ebene mit Befremden zur Kenntnis genommen, zumal, wie bereits ausgeführt, ein großer Teil der Vorwürfe eingeräumt war.
Der als Leumundszeuge gehörte Zeuge Generalmajor E hat den Soldaten als leistungsstarken Soldaten beschrieben, der mit der Sprache kokettiert habe. Durch sein Verhalten habe er dem Kommando Spezialkräfte, das zur damaligen Zeit bereits stark unter öffentlichem Druck wegen zahlreicher Vorfälle gestanden habe, schweren Schaden zugefügt, der bis heute andauere. Hierbei habe insbesondere auch die Presseberichterstattung bei SPIEGEL ONLINE eine Rolle gespielt. Aus seiner Sicht könne eine Beurteilung mit dem Durchschnittswert „8,40“ nach diesen Vorfällen nicht aufrechterhalten bleiben.
Der Disziplinarbuchauszug des Soldaten weist fünf Förmliche Anerkennungen aus, die der Kommandeur Kommando Spezialkräfte am 5. August 2018, der Kommandeur Deutsches Heereskontingent Spezialkräfte am 10. November 2002, der Kommandeur Kommando Spezialkräfte am 17. Juli 2003, der Chef des Stabes Heeresführungskommando am 27. September 2012 und der Kommandeur Zentrum Innere Führung am 19. September 2014 jeweils wegen vorbildlicher Pflichterfüllung ausgesprochen haben. Der Zentralregisterauszug des Soldaten ist ohne Eintragungen.
Darüber hinaus ergibt sich aus der Personalakte des Soldaten, dass ihm durch den Kommandeur Zentrum Innere Führung am 29. Oktober 2015 eine Leistungsprämie in Höhe von 1.100,00 € gewährt wurde. Am 6. November 2001 wurde dem Soldaten vom Bundesminister der Verteidigung das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Silber verliehen.
Der Soldat ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er erhält Dienstbezüge, die sich aus der Besoldungsgruppe A16, 8. Stufe, berechnen. Danach erhält er Bruttodienstbezüge in Höhe von 7.848,26 € und Nettodienstbezüge in Höhe von 5.976,05 €, die ihm monatlich auch tatsächlich ausbezahlt werden. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse sind nach seinen eigenen Angaben geordnet.
II.
Der Inspekteur des Heeres hat das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den Soldaten mit Verfügung vom 11. Juni 2018, dem Soldaten ausgehändigt am 20. Juni 2018, eingeleitet. In der Anschuldigungsschrift vom 17. Dezember 2018 – eingegangen bei Gericht am 19. Dezember 2018, dem Soldaten zugestellt am 7. Januar 2019 – wird diesem folgender Sachverhalt als Dienstvergehen (§ 23 Abs. 1 Soldatengesetz (SG) i. V.m. den §§ 7, 10 Abs. 3, 10 Abs. 6, 12 Satz 2, 17 Abs. 2 Satz 1 SG unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG) zur Last gelegt:
„Der Soldat
1. äußerte am 29.09.2015 in der militärischen Liegenschaft des Kommando Spezialkräfte (KSK), G.-Z.-Kaserne, G-Z. Straße in 7. C. gegenüber der im KSK im Bereich Infrastrukturmanagement eingesetzten Frau F in Anwesenheit von Hptm W. J. in Bezug auf die gute Infrastruktur am Standort C. zumindest sinngemäß: „Bitte verzeihen Sie mir, aber ich befinde mich gerade in einem Zustand der Dauererektion.“
2. äußerte im Raum 004 /“Grüner Salon“) des Gebäudes 11 („TRIO“- Gebäude) in der militärischen Liegenschaft des KSK, G.-Z.-Kaserne, G-Z.- Straße in 7. C. im Januar 2016 gegenüber den Zeugen OStFw M1. I, StFw Sören Cosmin L, OStFw d.R. Schmidt sowie OStFw M zumindest sinngemäß: „Na, Ihr Wichser.“
3. äußerte an einem nicht mehr genau zu ermittelnden Zeitpunkt im Januar 2016 in der militärischen Liegenschaft des KSK, G.-Z.-Kaserne, G-Z.- Straße in 7. C. in Anwesenheit des Zeugen J. H und anderer nicht mehr zu ermittelnder Zeugen zumindest sinngemäß: „ficken, ficken, ficken.“.
4. bezeichnete die im KSK im Bereich Infrastrukturmanagement eingesetzte Zivilbeschäftigte Frau K. N. F in Anwesenheit der Zeugen StFw M2. J. J und StFw M2. J. J und StFw D. A. K zu einem nicht genau zu ermittelnden Zeitpunkt am Abend des 10.11.2016 im Raum 004 („Grüner Salon“) des Gebäudes 11 („TRIO“-Gebäude) in der militärischen Liegenschaft des KSK, G.-Z.-Kaserne, G-Z.- Straße in 7… C., in Bezug auf ihre Tätigkeit im Bereich der Infrastruktur zumindest sinngemäß als „Geile Sau“.
5. äußerte zu einem nicht genau ermittelbaren Zeitpunkt zwischen 18:00 Uhr des 10.11.2016 und 01:00 Uhr des 11.11.2016 im Raum 004 („Grüner Salon“) des Gebäudes 11 („TRIO“-Gebäude) in der militärischen Liegenschaft des KSK, G.-Z.-Kaserne, G-Z.- Straße in 7… C. gegenüber StFw Markus J. J, der sich zu diesem Zeitpunkt mit der im KSK im Bereich Infrastrukturmanagement eingesetzten Zivilbeschäftigten Frau F über ein Infrastrukturprojekt unterhielt, zumindest sinngemäß: „Haben Sie schon Ihr großes Gemächt in die Waagschale geworfen?“.
6. äußerte an einem nicht mehr genau zu ermittelnden Tag im Juni oder Juli 2017 in der militärischen Liegenschaft des KSK, G.-Z.-Kaserne, G-Z.- Straße in 7… C. telefonisch gegenüber der im Bereich Infrastrukturmanagement KSK eingesetzten Zivilbeschäftigten Frau F zumindest sinngemäß: „Wir befinden uns in der Gina-Wild Gedächtnisstellung, in welcher wir nicht wissen, in welches Loch wir penetriert werden“.“
III.
In der Hauptverhandlung hat die Kammer aufgrund der gemäß § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 StPO zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Urkunden und Schriftstücke, der Aussagen der Zeugen Generalmajor D, Generalmajor E, Regierungsamtsrätin F, Regierungsdirektor Dr. H, Oberstabsfeldwebel I, Hauptmann G, Stabsfeldwebel J, Stabsfeldwebel K, Oberstabsfeldwebel L, Oberstabsfeldwebel M sowie der Einlassung des Soldaten, soweit ihr gefolgt werden konnte, folgenden Sachverhalt festgestellt:
Zum 1. November 2015 wurde der Soldat auf den Dienstposten des stellvertretenden Kommandeurs KSK in C. versetzt, wobei er im Wege der Kommandierung ab 25. September 2015 vor Ort war. Ein Teil der Vorfälle, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, wurde erstmals Anfang des Jahres 2017 bekannt, als der damalige Kommandeur, Brigadegeneral N, durch den Sprecher der Vertrauenspersonenversammlung KSK, Oberstleutnant O, auf die die Zeugin F betreffenden Vorkommnisse angesprochen wurde. Brigadegeneral N sah nach dem Eindruck der Kammer keine Veranlassung zum Tätigwerden.
Am 25. Juli 2017 fand der Kommandeur KSK, der Zeuge (damalig) Brigadegeneral E, auf seinem Schreibtisch ein anonymes Schreiben, in dem zahlreiche Vorwürfe gegenüber dem Soldaten erhoben wurden. In der Folge kam es zu Ermittlungen des Zeugen E, die im Ergebnis zu diesem gerichtlichen Disziplinarverfahren führten.
Zu Anschuldigungspunkt 1:
Am 29. September 2015 fand in der militärischen Liegenschaft des Kommandos Spezialkräfte (KSK), G. -Z.-Kaserne, G-Z.- Straße in 7… C. eine Einweisung des Soldaten in die Infrastruktur des Standortes statt, die u.a. durch die Zeugen Regierungsamtsrätin F und Hauptmann G durchgeführt wurde. Am Ende des Briefings standen die Zeugen F und G vor dem Stabsgebäude, um eine Zigarette zu rauchen. Dabei trat der Soldat zu dieser Runde und äußerte in Bezug auf die gute Infrastruktur am Standort C. gegenüber den Zeugen F und G zumindest sinngemäß: „Bitte verzeihen Sie mir, aber ich befinde mich gerade in einem Zustand der Dauererektion.“ Die Zeugen F und G waren ob dieser von ihnen als unpassend empfundenen Äußerung irritiert.
Der Soldat hat den vorstehend festgestellten Sachverhalt vollumfänglich eingeräumt. Er hat sich zu seiner Entlastung dahingehend eingelassen, dass er diese Äußerung vor Freude, wieder am Standort zu sein getätigt habe. Es sei seine Absicht gewesen, durch diese Äußerung scherzhaft seine Begeisterung über das Geschaffene zum Ausdruck zu bringen.
Zu Anschuldigungspunkt 2:
Das Kommando Spezialkräfte führte im Januar 2016 einen Neujahrsempfang in der militärischen Liegenschaft des KSK, G.-Z.-Kaserne, G-Z.- Straße in 7… C. unter anderem mit zivilen Gästen durch. Bei dieser Gelegenheit trat der Soldat zu der Runde der Oberstabsfeldwebel und äußerte u.a. gegenüber den Zeugen Oberstabsfeldwebel I und Oberstabsfeldwebel L zumindest sinngemäß: „Na, ihr Wichser.“
Anlässlich eines Mittagessens zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt ein paar Wochen später äußerte der Soldat, was allerdings nicht angeschuldigt ist, im sogenannten „Grünen Salon“ des Gebäudes 11, dem sogenannten „TRIO“-Gebäude, gegenüber den Zeugen Oberstabsfeldwebel M, Oberstabsfeldwebel I und Oberstabsfeldwebel L, die in einer gemeinsamen Runde an einem Tisch saßen, zumindest sinngemäß: „Na, ihr Wichser.“
Der Soldat hat sich zu diesem Anschuldigungspunkt dahingehend eingelassen, dass er die ihm zugeschriebene Äußerung nur einmal anlässlich des Mittagessens gemacht gehabt habe. Er habe einen lockeren Spruch getätigt und sich nicht hinreichend klargemacht, dass eine solche Äußerung distanzlos sei.
Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Soldat, wie vorstehend festgestellt, die ihm zugeschriebene Äußerung: „Na, ihr Wichser.“ zweimal getätigt hat. In Ansehung der Tatsache, dass seitens der Wehrdisziplinaranwaltschaft nur eine Äußerung: „Na, ihr Wichser.“ angeschuldigt worden ist, ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass im Hinblick auf die von der Wehrdisziplinaranwaltschaft angegebenen Zeugen M, I und L die Äußerung anlässlich des Mitttagessens angeschuldigt sein soll, auch wenn dies im Ermittlungsergebnis anders dargestellt ist. Trotz ausdrücklichen Hinweises in der Hauptverhandlung, dass sich bereits aus der Aktenlage ergeben hat, dass der Soldat diese Äußerung zweimal getätigt hat, hat der Vertreter der Wehrdisziplinaranwaltschaft in der Hauptverhandlung keinen Anlass gesehen, die weitere Äußerung: „Na, ihr Wichser.“ im Wege einer Nachtragsanschuldigung in das gerichtliche Disziplinarverfahren einzuführen. Ob die zweite Äußerung: „Na, ihr Wichser.“ tatsächlich anlässlich des Neujahrsempfangs 2016 gefallen ist, kann aus Sicht der Kammer letztlich dahinstehen, da nur eine einmalige Äußerung dieser Art angeschuldigt ist. Auf der Grundlage der Bekundungen der gehörten Zeugen bestehen zumindest Zweifel seitens der Kammer, ob diese Äußerung tatsächlich am Neujahrsempfang 2016 erstmals getätigt worden ist. Eine entsprechende Bekundung hat insoweit allein der Zeuge I gemacht. Der Zeuge L vermochte sich an den Zeitpunkt der ersten derartigen Äußerung nicht zu erinnern. Auch der Zeuge M vermochte sich nur an eine Äußerung anlässlich des gemeinsamen Mittagessens zu erinnern.
Zu Anschuldigungspunkt 3:
Anlässlich des Neujahrsempfangs des Kommandos Spezialkräfte im Januar 2016 in der militärischen Liegenschaft des Kommandos Spezialkräfte, G.-Z.-Kaserne, G-Z.- Straße in 7… C. trat der Soldat zu einer Runde von Soldaten und Zivilbeschäftigten des Kommandos Spezialkräfte der u.a. der Zeuge Regierungsdirektor Dr. H angehörte und den der Soldat zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte, hinzu und äußerte unvermittelt: „Ficken, ficken, ficken.“ An dem Neujahrsempfang 2016 nahmen auch zivile Gäste der Bundeswehr teil.
Der Soldat hat sich zu diesem Anschuldigungspunkt dahingehend eingelassen, dass er sich an eine solche Äußerung nicht erinnern könne. Sofern er diese Äußerung getätigt haben sollte, sei sie sicherlich distanzlos und unangebracht. Auf der Grundlage der Aussage des Zeugen Regierungsdirektor Dr. H, der den Soldaten zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte, steht zur Überzeugung der Kammer zweifelsfrei fest, dass die dem Soldaten zugeschriebene Äußerung wie angeschuldigt gefallen ist.
Zu Anschuldigungspunkt 4:
Am Abend des 10. November 2016 führte das Kommando Spezialkräfte in der Zeit von 18:00 Uhr – 01:00 Uhr im „TRIO“-Gebäude in der militärischen Liegenschaft des Kommandos Spezialkräfte, G.-Z.-Kaserne, G-Z.- Straße in 7… C. ein Wildessen durch, an dem auch der Soldat teilnahm. Zeitgleich mit dieser Veranstaltung befand sich die Zeugin Regierungsamtsrätin F mit verschiedenen Portepéeunteroffizieren des Kommandos Spezialkräfte im Raum 04 („Grüner Salon“) des gleichen Gebäudes, um gemeinsam Abend zu essen. Im Rahmen dieses Abendessens befand sich die Zeugin F im Gespräch mit verschiedenen Portepéeunteroffizieren über Infrastrukturmaßnahmen im Standort Calw. Bei dieser Gelegenheit gesellte sich der Soldat im Rahmen einer Pause beim Wildessen zu der Gruppe um die Zeugin F und äußerte in Bezug auf ihre Tätigkeit im Bereich der Infrastruktur zumindest sinngemäß: „Sie sind voll die geile Sau, wie Sie das hinkriegen.“ Diese Äußerung, die u.a. von den Zeugen Regierungsamtsrätin F, Stabsfeldwebel J und Stabsfeldwebel K gehört wurde, hatte zur Folge, dass die Zeugin F in den folgenden Wochen, nachdem sich diese Äußerung in der Kaserne verbreitet hatte, von den Soldaten als: „Die geile Sau des Stellvertreters“ bezeichnet wurde.
Der Soldat hat sich zu seiner Entlastung dahingehend eingelassen, dass vor Ort an diesem Abend eine gelöste Stimmung geherrscht habe. Mit seiner Äußerung habe er die guten Leistungen der Zeugin F im Bereich der Infrastruktur herausstellen und würdigen wollen. Dass eine solche Äußerung unangemessen sei, sei ihm erst später klargeworden. Er sei in der Folge auf die Zeugin zugegangen und habe sich bei dieser für seine deplatzierte Äußerung entschuldigt. Am Tag nach der Entschuldigung habe er ihr zudem einen Blumenstrauß überreicht.
Diese Einlassung des Soldaten vermag sein Verhalten weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen. Die Zeugin F hat in der Hauptverhandlung bekundet, dass sie die Äußerung des Soldaten nicht als Lob wahrgenommen habe. Eine Verbindung der Äußerung mit ihren guten Leistungen im Bereich der Infrastruktur habe sie nicht gehört. Im Gegensatz hierzu hat der Zeuge J bekundet, dass die Äußerung des Soldaten im Kontext mit den dienstlichen Leistungen der Zeugin F gefallen sei, jedoch von Außenstehenden anders hätte aufgefasst werden können. Die Kammer ist insoweit zu der Überzeugung gelangt, dass die Zeugin F möglicherweise aus Verblüffung über die Anrede durch den Soldaten die weiteren Ausführungen nicht mehr wahrgenommen hat. Zugunsten des Soldaten ist die Kammer nach dem Grundsatz in dubio pro reo daher davon ausgegangen, dass die Äußerung, wie auch angeschuldigt, im Zusammenhang mit einer lobenden Herausstellung der dienstlichen Leistungen der Zeugin F erfolgt ist. Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme steht für die Kammer zudem zweifelsfrei fest, dass die Zeugin F anlässlich eines dienstlichen Gesprächs mit dem Soldaten am 15. Februar 2016 auf den Soldaten zugekommen ist, um eine Aussprache zu suchen und nicht umgekehrt. Die Zeugin hat insoweit klar und in sich widerspruchsfrei den Ablauf des Gesprächs mit dem Soldaten beschrieben. Die Zeugin F hat insoweit bekundet, dass der Soldat auf ihre Ansprache, dass sie sich durch diese Äußerung in ihrer Ehre verletzt sehe, und dass diese Äußerung zwischenzeitlich Tagesgespräch in der Kaserne sei, schockiert gewesen sei und aus ihrer Sicht offensichtlich erkannt hatte, dass er eine solche Äußerung nicht hätte machen dürfen. Darüber hinaus ergibt sich bereits aus der Stellungnahme des Verteidigers des Soldaten vom 27. März 2018, dass die Zeugin F auf den Soldaten zugekommen ist, weil der Soldat in dieser Stellungnahme selbst erklärt hat, dass er die Zeugin F gefragt habe, warum sie denn nicht schon früher zu ihm gekommen sei.
Zu Anschuldigungspunkt 5:
Am Abend des Wildessens (siehe Anschuldigungspunkt 4) setzte sich der Soldat in einer weiteren Pause des Wildessens erneut zu der Gruppe um die Zeugin Regierungsamtsrätin F. Diese befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem Gespräch mit dem Zeugen J, der mit ihr über die Beantragung der Beschaffung eines Schrankes für den dienstlichen Bereich sprach. Diese Unterhaltung nahm der Soldat zum Anlass, den Zeugen Stabsfeldwebel J zumindest sinngemäß zu fragen: „Haben Sie schon Ihr großes Gemächt in die Waagschale geworfen?“. Diese Äußerung wurde neben den Zeugen Regierungsamtsrätin F und Stabsfeldwebel J auch von dem Zeugen Stabsfeldwebel K gehört.
Der Soldat hat sich zu seiner Entlastung dahingehend eingelassen, dass er sich an diese Äußerung nicht erinnern könne. Sie gehöre nicht zu seinem Sprachgebrauch.
Diese Einlassung des Soldaten vermag sein Äußerungsverhalten weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen. Das Äußerungsverhalten steht zur Überzeugung der Kammer auf der Grundlage der Aussagen der Zeugen F, J und K zweifelsfrei fest, die die entsprechende Wortwahl des Soldaten überzeugend und widerspruchsfrei bestätigt haben.
Zu Anschuldigungspunkt 6:
Zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen Juni und Juli 2017 wendete sich die Zeugin Regierungsamtsrätin F telefonisch an den Soldaten, um mit diesem über den Schießbahnwärter zu sprechen, der in einer anderen Sache als Zeuge vernommen werden sollte. Zweck des Gesprächs war es zu erfahren, was der gegenwärtige Sachstand sei. Auf diese Frage antwortete der Soldat zumindest sinngemäß: „Wir befinden uns in der Gina Wild Gedächtnisstellung, in welcher wir nicht wissen, in welches Loch wir penetriert werden.“
Der Soldat hat sich zu diesem Sachverhalt dahingehend eingelassen, dass er lediglich geäußert habe, „.. wir wissen nicht, was von hinten reinkommt“. Dieser Einlassung des Soldaten steht nach Überzeugung der Kammer die überzeugende und in sich widerspruchsfreie Darstellung des Ablaufs des Telefonats der Zeugin F gegenüber. Die Zeugin F hat in der Folge dieses Gesprächs nach ihrer Bekundung den Eindruck gewonnen, dass die seinerzeitige Entschuldigung des Soldaten (Anschuldigungspunkt 4) nicht ernst gemeint gewesen sei und von daher beim Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte, dem Zeugen E, um ihre Versetzung gebeten. Der Zeuge E hat insoweit die Aussage der Zeugin F bestätigt, dass diese ihn aufgesucht gehabt habe, um um ihre Versetzung zu bitten. Dabei habe er deutlich wahrgenommen, dass etwas vorgefallen sein müsse. Auf seine intensive Nachfrage zu den Gründen der Versetzungsbitte habe die Zeugin F ihm keine Erklärung geben wollen. Die Erklärung habe er aus seiner Sicht am Folgetag erhalten, als das anonyme Schreiben vom 25. Juli 2016 auf seinem Schreibtisch gelegen habe.
Zum Gesamtvorgang hat sich der Soldat dahingehend eingelassen, dass er sich sicherlich distanzlos verhalten gehabt habe, aber es keinesfalls seine Absicht gewesen sei, Kameraden oder Zivilbeschäftigte zu beleidigen bzw. in ihrer Ehre herabzusetzen. Er habe infolge seiner Traumversetzung zum Kommando Spezialkräfte vor lauter Freude die Distanz zu seinen Untergebenen verloren. Er habe sich nicht sexistisch äußern wollen.
Diese Einlassungen des Soldaten werden dem Ergebnis der Hauptverhandlung nach Bewertung der Kammer nicht gerecht. Die Kammer ist vielmehr zu der Überzeugung gelangt, dass der Soldat seinen distanzlosen Sprachgebrauch bewusst eingesetzt hat, um Nähe zu „seinen Soldaten“ zu demonstrieren. Er hat dabei auch billigend in Kauf genommen, dass diese Äußerungen auch als Ehrverletzungen empfunden werden können. So haben die Zeugen F, J und I ausdrücklich erklärt, dass sie die Äußerungen (Anschuldigungspunkte 2, 4, 5 und 6) als herabsetzend und ehrverletzend empfunden haben, was objektiv zweifelsfrei auch so war. Insofern musste dem Soldaten nach Bewertung der Kammer der objektive Erklärungswert seiner Äußerungen bewusst sein. Dass dies auch so war, ergibt sich nach Überzeugung der Kammer nicht zuletzt auch daraus, dass der Soldat aufgrund seiner Tätigkeit in der Vorverwendung beim Zentrum Innere Führung in Koblenz in besonderem Maße bezüglich des Sprachgebrauchs sensibilisiert sein musste, da er dort im Bereich des Spitzencoachings eingesetzt war.
Die Kammer ist zudem zu der Überzeugung gelangt, dass das Äußerungsverhalten des Soldaten auch seinem Wesen entspricht. Anders ist es nicht zu erklären, dass er sprachlich wiederholt derart entgleist ist. Der Zeuge G hat insoweit bekundet, dass der Soldat zumindest das Wort „Dauererektion“ (Anschuldigungspunkt 1) mehrfach in seiner Gegenwart verwendet hat. Darüber hinaus hat der Zeuge L bekundet, den Soldaten in persönlichen Gesprächen nach den jeweiligen Äußerungen: „Na, ihr Wichser“ (Anschuldigungspunkt 2) zweimal gesagt zu haben, dass er sich so nicht äußern dürfe. Auch der Hinweis der Zeugin F, dass sie sich in ihrer Ehre verletzt fühle (Anschuldigungspunkt 4) hat den Soldaten nicht davon abgehalten, im Telefonat mit der Zeugin F im Juni/Juli 2017 (Anschuldigungspunkt 6) erneut eine anzügliche Äußerung fallenzulassen.
Soweit der Soldat sich dahingehend eingelassen hat, dass es nicht seine Absicht gewesen sei, sexistische Äußerungen zu tätigen, ist die Kammer in der Hauptverhandlung auf der Grundlage der Zeugenaussagen zu der Überzeugung gelangt, dass seine Äußerungen objektiv teilweise als sexistisch bewertet werden müssen (Anschuldigungspunkt 4, 5 und 6), aber subjektiv noch als unbedachte Äußerungen mit sexistischem Inhalt bewertet werden können.
IV.
Durch sein Fehlverhalten hat der Soldat – zumindest bedingt – vorsätzlich seine Dienstpflicht verletzt, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen gemäß § 7 SG (Anschuldigungspunkte 2, 4 und 5). Die für das Dienstverhältnis eines Soldaten grundlegende Verpflichtung zum treuen Dienen gebietet es jedem Wehrpflichtigen, Zeit- oder Berufssoldaten, im Dienst und außerhalb des Dienstes zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr als eines militärischen Verbandes beizutragen und alles zu unterlassen, was diese in ihrem durch die Verfassung festgelegten Aufgabenbereich schwächen könnte. Dieser Verpflichtung ist der Soldat durch seine ehrverletzenden und beleidigenden Äußerungen in den Anschuldigungspunkten 2, 4 und 5 nicht gerecht geworden, da diese als eine entwürdigende Behandlung Untergebener zu bewerten sind.
Darüber hinaus hat der Soldat seine Verpflichtung zur Fürsorge gegenüber Untergebenen gemäß § 10 Abs. 3 SG verletzt (Anschuldigungspunkte 2 und 5), indem er durch seine Äußerungen die Personenwürde von Untergebenen verletzt hat.
Weiterhin hat der Soldat seine Dienstpflicht aus § 10 Abs. 6 SG verletzt (Anschuldigungspunkte 1 – 6) indem er bei seinen Äußerungen gegenüber Untergebenen und Zivilbeschäftigten nicht die Zurückhaltung gewahrt hat, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzter zu erhalten.
Weiterhin hat er seine Dienstpflicht verletzt, die Würde, die Ehre und die Rechte seiner Kameraden zu achten gemäß § 12 SG (Anschuldigungspunkte 2 und 5) indem er diese beleidigte.
Schließlich hat der Soldat seine Dienstpflicht verletzt, dass er der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Dienst als Soldat erfordert gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 SG (Anschuldigungspunkte 1 – 6).
Der Soldat hat hiermit ein Dienstvergehen im Sinne des § 23 Abs. 1 SG begangen, wobei er als Vorgesetzter unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG gehandelt hat.
V.
Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkung, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
Das Dienstvergehen des Soldaten wiegt schwer. Es wird bestimmt durch die entwürdigende/ehrverletzende Behandlung von Untergebenen (Anschuldigungspunkte 2, 4 und 5) in Form von drastischen, nach dem Kontext völlig unangebrachten, bloßstellenden Bemerkungen sexuellen Inhalts.
Gemäß Artikel 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar; sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung jeder staatlichen Gewalt und dieses Gebot kann innerhalb wie außerhalb der Streitkräfte nicht unterschiedlich gelten; denn es bildet die Grundlage der Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland (§ 6 SG) und bedarf im militärischen Bereich sogar besonderer Beachtung, wie das Bundesverwaltungsgericht – Wehrdienstsenate – in gefestigter Rechtsprechung im Einklang mit den Prinzipien der Inneren Führung der Bundeswehr hervorgehoben hat. Des Weiteren ist die körperliche Unversehrtheit ein Grundrecht, das jedem Menschen zusteht (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG); deshalb muss dafür Sorge getragen werden, dass die der militärischen Gewalt unterworfenen Soldatinnen und Soldaten nicht unter Übergriffen von Vorgesetzten zu leiden haben. Eine körper- oder ehrverletzende Behandlung der Betroffenen, erst recht eine die Menschenwürde berührende Verhaltensweise zu ihren Lasten haben nicht das Geringste mit der Erfüllung eines militärischen Auftrags, dem Bemühen um eine kameradschaftliche oder situationsbedingte Unbekümmertheit oder einer „väterlichen Verhaltensweise“ zu tun. Sie zerstört im Gegenteil die Autorität des Vorgesetzten und untergräbt das gegenseitige Vertrauen sowie die Bereitschaft, füreinander einzustehen.
Die Verletzung der Würde und der Ehre der Zeugin Regierungsamtsrätin F als zivile Mitarbeiterin der Bundeswehr erfordert eine entsprechende Ahndung, wie ein solches Fehlverhalten gegenüber Kameradinnen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Soldat in seiner Funktion als stellvertretender Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte Vorgesetzter der Zeugin F war. § 12 Satz 1 SG misst zwar ausdrücklich nur der Kameradschaft unter Soldaten einen besonderen Stellenwert zu, weil darauf der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht und die Funktionsfähigkeit der Truppe ohne gegenseitiges Vertrauen und die Bereitschaft, füreinander einzustehen, nicht gewährleistet wären. Zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr trägt aber nicht nur die integre Kameradschaft der Soldaten, sondern auch die reibungslose und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Soldaten und zivilen Mitarbeitern der Bundeswehr bei. Dies gilt vor allem in der Zeit einer Aufgabenerfüllung der Bundeswehr, die nicht durch den Verteidigungs- oder Spannungsfall gekennzeichnet ist, weil es gerade mangels dieser Voraussetzungen im Dienstablauf des Truppenalltags vielerlei Berührungspunkte zwischen militärischen Aufgabenerfüllung und der Bundeswehrverwaltung (§ 87b Abs. 1 GG) gibt. Schutzwürdig ist dabei vor allem das für eine effektive Aufgabenerfüllung unerlässliche Bewusstsein gegenseitiger Achtung und gemeinsamer Verantwortung in unterschiedlichen Funktionen. Das gilt insbesondere dann, wenn es zwischen Soldaten und zivilen Mitarbeitern zu regelmäßigen persönlichen Begegnungen kommt. Dies war vorliegend, wie bereits ausgeführt, der Fall.
Aus den vorstehenden Gründen kann es für die Bewertung der Eigenart und Schwere einer vorsätzlichen Verletzung der Würde und Ehre einer zivilen Mitarbeiterin angesichts der tatsächlichen Gegebenheiten keinen wesentlichen Unterschied machen, dass diese zivile Mitarbeiterin nicht Kameradin des Soldaten, sondern Beamtin in der Bundeswehr ist, da die Zusammenarbeit mit ihr belastet und sogar ganz erheblich gestört worden ist.
Erschwerend hat die Kammer in diesem Zusammenhang berücksichtigt, dass der Soldat sich nach den getroffenen Feststellungen der Kammer in den Anschuldigungspunkten 2, 4 und 5 objektiv sexistisch geäußert hat, was eine sexuelle Belästigung der Betroffenen darstellt, weil eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz jedes vorsätzliche, sexuell bestimmte Verhalten, das die Würde von Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt, ist (§ 3 Abs. 4 des Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetzes – SoldGG). Eine derartige Belästigung stellt eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 7 Abs. 2 SoldGG dar. Dabei ist es unerheblich, ob der Soldat die Absicht hatte, die Kameraden bzw. die Zeugin durch seine verbale Belästigung zu beleidigen, zu demütigen oder zu verletzen.
Erschwerend ist aus Sicht der Kammer darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der Soldat wiederholt verbale Entgleisungen gezeigt hat und sich dabei auch durch Hinweise von Kameraden bzw. der zivilen Mitarbeiterin nicht von weiteren verbalen Entgleisungen hat abbringen lassen.
Im besonderen Maße erschwerend hat die Kammer zudem berücksichtigt, dass der Soldat in der herausgehobenen Stellung eines stellvertretenden Kommandeurs des Kommandos Spezialkräfte gehandelt hat. Die dienstliche Stellung des Soldaten hätte aus Sicht der Kammer in besonderem Maße erfordert, dass er als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel gibt. Dieser Vorbildfunktion ist der Soldat bei Leibe nicht gerecht geworden.
Weiterhin ist erschwerend zu berücksichtigen, dass der Soldat nach der Aussage des Zeugen E durch sein Verhalten das innere Gefüge des Kommandos Spezialkräfte nachhaltig beschädigt hat, was bis heute nachwirkt.
Letztlich ist nach Bewertung der Kammer zu Lasten des Soldaten zu berücksichtigen, dass dieser im Ergebnis von seiner Funktion als stellvertretender Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte abgelöst werden musste. Dass der Soldat selbst einen Versetzungsantrag gestellt hat, spielt aus Sicht der Kammer vor dem Hintergrund der Feststellung des Zeugen E in seinem Schreiben vom 7. August 2017 und die darin enthaltene Feststellung, dass der Soldat in seiner Verwendung wegen der Vorkommnisse untragbar geworden sei, keine Rolle mehr.
Milderungsgründe in der Tat sind nicht ersichtlich.
Mildernd in der Person des Soldaten hat die Kammer berücksichtigt, dass dieser über eine sehr lange Dienstzeit hervorragende dienstliche Leistungen gezeigt hat, die unter anderem auch in der Gewährung einer Leistungsprämie und fünf Förmlichen Anerkennungen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch die Verleihung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr in Silber muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden. Gleichwohl belastet den Soldaten in diesem Zusammenhang, dass entgegen dem Vortrag seines Verteidigers in seinem Schlussvortrag Einsicht, Reue und Geständnis seitens der Kammer nicht dergestalt wahrgenommen werden konnten, dass sich der Soldat eindeutig zu seinem Fehlverhalten bekannt hat.
Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bei sexueller Belästigung von Untergebenen durch Vorgesetzte im und außer Dienst ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – Wehrdienstsenate – regelmäßig eine reinigende Maßnahme in Form einer Herabsetzung im Dienstgrad. Die gleiche Einstufung erfolgt im Regelfall bei ehrverletzenden und/oder entwürdigenden Äußerungen Vorgesetzter gegenüber Untergebenen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – Wehrdienstsenate – ist auf der zweiten Stufe zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die eine Milderung oder eine Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme gebieten. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.
Die Bemerkungen sexuellen Inhalts gegenüber den betroffenen Kameraden bzw. der betroffenen zivilen Mitarbeiterin bewegen sich vom Spektrum möglicher Belästigungsformen her im unteren Bereich, weil sie sich auf das Verbale beschränkte und eine Beleidigungsabsicht des Soldaten nach den getroffenen Feststellungen der Kammer nicht gegeben war. Aus diesem Grund ist aus Sicht der Kammer grundsätzlich die Möglichkeit eines Abweichens nach „unten“ in die nächstniedrigere gerichtliche Disziplinarmaßnahme in Form eines Beförderungsverbots eröffnet. Dem stehen nach Bewertung der Kammer jedoch die zahlreichen Erschwerungsgründe gegenüber, die die Kammer festgestellt hat. Diese Erschwerungsgründe lassen es aus Sicht der Kammer durchaus als gerechtfertigt erscheinen, den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen in Form einer Dienstgradherabsetzung beizubehalten. In Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls ist die Kammer unter Zurückstellung großer Bedenken gleichwohl noch zu der Überzeugung gelangt, dass vorliegend ein „kombiniertes“ Beförderungsverbot gerade noch als ausreichend angesehen werden kann, um der Schwere des Pflichtenverstoßes des Soldaten noch angemessen Rechnung zu tragen. Die Kammer ist jedoch der Überzeugung, dass gegen den Soldaten ein Beförderungsverbot an der gesetzlichen Höchstgrenze von vier Jahren verhängt werden muss, um deutlich zu machen, dass es sich vorliegend um ein sehr schweres Dienstvergehen des Soldaten handelt. Die von der Kammer festgestellte Schwere des Pflichtenverstoßes des Soldaten erfordert zudem, dass dieses Beförderungsverbot mit einer Kürzung der jeweiligen monatlichen Dienstbezüge um 1/20 für die Dauer von 36 Monaten verbunden wird, um deutlich zu machen, dass vorliegend der absolute Grenzbereich zur nächsthöheren gerichtlichen Disziplinarmaßnahme in Form einer Dienstgradherabsetzung berührt ist.
VI.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 138 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz WDO. Danach sind die Kosten des Verfahrens dem Soldaten aufzuerlegen, wenn er verurteilt wird.