Arbeitsrecht

2 WDB 6/21

Aktenzeichen  2 WDB 6/21

Datum:
25.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:251021B2WDB6.21.0
Spruchkörper:
2. Wehrdienstsenat

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das Truppendienstgericht Nord bestimmt.

Tatbestand

1
1. Gegen den früheren Soldaten, der seit 2009 Reservist ist, wurde mit Verfügung vom 21. Mai 2019 ein gerichtliches Disziplinarverfahren wegen folgenden Vorwurfs eingeleitet:
“Sie haben am Samstag, 3. November 2018, an einem noch zu ermittelnden Zeitpunkt zwischen 00:00 Uhr und 03:43 Uhr an Bord des Tenders …in der PUO-Messe, einem gemeinsam mit den gesondert verfolgten Obermaat …, Oberbootsmann … und dem Kapitänleutnant … entwickelten Tatplan folgend, die Köpfe von LtzS … und CPO … zu rasieren, mit einem Rasierapparat jeweils das Kopf- und Barthaar geschoren, obgleich Sie wussten, jedenfalls hätten erkennen können und müssen, dass diese mit der Rasur nicht einverstanden waren oder, aufgrund ihrer Alkoholisierung, hierzu nicht wirksam einwilligen konnten.”
2
2. Kapitänleutnant … wurde wegen des Vorkommnisses bereits beim Truppendienstgericht Nord mit Anschuldigungsschrift vom 29. März 2021 angeschuldigt.
3
3. Auch Oberbootsmann … wurde deswegen bereits beim Truppendienstgericht Nord mit Anschuldigungsschrift vom 8. Juni 2021 angeschuldigt.
4
4. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat unter dem 30. August 2021 beim Bundesverwaltungsgericht beantragt, für das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den früheren Soldaten ebenfalls das Truppendienstgericht Nord als zuständiges Gericht zu bestimmen, um eine einheitliche Beurteilung zu ermöglichen. Dort werde auch Frau Obermaat …, geb. … gemäß § 70 Abs. 1 WDO angeschuldigt werden. Nur für den früheren Soldaten als Reservisten sei aufgrund seines Wohnsitzes das Truppendienstgericht Süd zuständig. Der Bundeswehrdisziplinaranwalt unterstützt den Antrag.
5
5. Der Vorsitzende der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat mit Schreiben vom 14. September 2021 erklärt, dem Antrag nicht entgegenzutreten, weil ein Sachzusammenhang aller vier Verfahren bestehe.

Entscheidungsgründe

6
Auf Antrag der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird das Truppendienstgericht Nord als zuständiges Gericht bestimmt.
7
Nach § 70 Abs. 3 WDO bestimmt das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Truppendienstgerichts oder einer anderen am Verfahren beteiligten Behörde oder Dienststelle das zuständige Truppendienstgericht, wenn bei zusammenhängenden Dienstvergehen mehrerer Soldaten unterschiedliche Gerichtsstände bestehen. Diese Voraussetzungen liegen vor:
8
1. Für die gerichtlichen Disziplinarverfahren gegen Kapitänleutnant …, Oberbootsmann … und Frau Obermaat …, geb. … einerseits und den früheren Soldaten andererseits sind verschiedene Truppendienstgerichte zuständig:
9
Für die drei erstgenannten aktiven Soldaten ist nach § 70 Abs. 1 WDO das Truppendienstgericht zuständig, das für den Befehlsbereich errichtet ist, zu dem ihr Truppenteil oder ihre Dienststelle bei Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gehörte. Kapitänleutnant … und Oberbootsmann … gehörten bei Einleitung der gerichtlichen Disziplinarverfahren gegen sie am 17. Juni bzw. 29. Mai 2019 dem … in … bzw. der … in … an. Diese werden nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i der Verordnung zur Regelung der Dienstbereiche der Truppendienstgerichte und zur Bildung von Truppendienstkammern – Truppendienstgerichte-Verordnung – vom 1. Juli 2020 (BGBl. I S. 1602) vom Dienstbereich des Truppendienstgerichts Nord umfasst. Frau Obermaat … gehörte bei Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens am 3. Juni 2019 dem Tender … in … an, der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e Truppendienstgerichte-Verordnung ebenfalls dem Dienstbereich des Truppendienstgerichts Nord unterfällt.
10
Demgegenüber ist für frühere Soldaten nach § 70 Abs. 2 Satz 1 WDO das Truppendienstgericht zuständig, dem der Wehrbereich zugeteilt ist, in dem sich die zuständige Wehrersatzbehörde oder, soweit der frühere Soldat nicht mehr der Wehrüberwachung unterliegt, sein Wohnsitz befindet. Da der Verordnungsgeber darauf verzichtet hat, die Zuständigkeit der Truppendienstgerichte an die Gliederung der Bundesrepublik Deutschland in Wehrbereiche auszurichten, kommt es auf den Wohnsitz des früheren Soldaten an (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. April 2017 – 2 WDB 1.17 – NZWehrr 2017, 171 Rn. 13 m.w.N.). Der frühere Soldat hat seinen Wohnsitz in … im Regierungsbezirk …. Dementsprechend ist für ihn nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d Truppendienstgerichte-Verordnung das Truppendienstgericht Süd zuständig.
11
2. Es liegen zusammenhängende Dienstvergehen im Sinne des § 70 Abs. 3 WDO vor.
12
Die Wehrdisziplinarordnung enthält zwar keine ausdrückliche Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen besteht. Dem Regelungszusammenhang, der Entstehungsgeschichte und dem daraus ableitbaren Zweck der Vorschrift lässt sich jedoch entnehmen, dass ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn Gegenstand der jeweiligen Disziplinarverfahren eine einheitliche Tat ist, bei der die betroffenen Soldaten als Mittäter oder Teilnehmer beteiligt waren und mehrere Verfahren bei dem für zuständig erklärten Gericht zur gemeinsamen Verhandlung verbunden werden sollen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2017 – 2 WDB 3.17 – juris Rn. 13 m.w.N.).
13
Dies ist bei den disziplinargerichtlichen Verfahren gegen den früheren Soldaten, Kapitänleutnant …, Oberbootsmann … und Frau Obermaat … der Fall. Ihnen wird ausweislich der Anschuldigungsschriften vom 29. März 2021 (Verfahren gegen Kapitänleutnant…) und vom 8. Juni 2021 (Verfahren gegen Oberbootsmann …) sowie dem im sachgleichen Strafverfahren gegen den früheren Soldaten bereits ergangenen rechtskräftigen Strafbefehl vom 15. Mai 2020 vorgeworfen, gemeinsam ein Dienstvergehen gegenüber Leutnant zur See … und Chief Petty Officer … begangen zu haben.
14
3. Der Senat bestimmt das Truppendienstgericht Nord als zuständiges Gericht. Gründe, die einer Verbindung der gerichtlichen Disziplinarverfahren entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Dem Sachzusammenhang ist bereits im Vorfeld durch die Entscheidung des Generalinspekteurs der Bundeswehr Rechnung getragen worden, dass der Inspekteur der Marine auch für den früheren Soldaten als zuständige Einleitungsbehörde bestimmt wurde, um eine disziplinarrechtlich einheitliche Würdigung und eine abgestimmte Verfahrensführung beider Sachen zu befördern. Es entspricht dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung (§ 17 Abs. 1 WDO) und der Prozessökonomie, diese Verfahrenskonzentration im gerichtlichen Verfahren konsequent fortzuführen, zumal die Anschuldigungsschriften gegen Kapitänleutnant … und Oberbootsmann … bereits am 17. Juni bzw. 29. Mai 2019 beim Truppendienstgericht Nord eingegangen sind. Dadurch ist dieses mit dem Sachverhalt schon länger vertraut, so dass eine zeitnähere Erledigung des Verfahrens auch des früheren Soldaten zu erwarten steht.


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