Arbeitsrecht

5 C 16/19 D

Aktenzeichen  5 C 16/19 D

Datum:
26.2.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:260221U5C16.19D0
Spruchkörper:
5. Senat

Leitsatz

1. Der Begriff des Selbstverwaltungsrechts im Sinne der Rückausnahme des § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG erfasst nicht nur verfassungsrechtlich garantierte, sondern auch solche Selbstverwaltungsrechte von Trägern öffentlicher Verwaltung, die – wie bei kommunalen Zweckverbänden – einfachgesetzlich begründet sind.
2. Ein kommunaler Zweckverband ist ebenso wie eine Gemeinde an einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur dann “in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts” im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG beteiligt, wenn er in diesem Verfahren sein Selbstverwaltungsrecht gegenüber einem anderen Träger öffentlicher Gewalt geltend macht.

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 1. Oktober 2019, Az: OVG 3 A 1.19, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über eine Entschädigung für die überlange Dauer eines abgabenrechtlichen Klageverfahrens.
2
Der Kläger ist ein Zweckverband von Städten und Gemeinden in den Landkreisen M., O. und B. mit der Aufgabe, im Verbandsgebiet die Trinkwasserversorgung und die Schmutzwasserbeseitigung durchzuführen. Gegenstand des vom Kläger als überlang gerügten Ausgangsverfahrens waren zwei von ihm erlassene Schmutzwasseranschluss-Beitragsbescheide vom Mai 2011, gegen die die betroffenen Bürger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren im Juli 2016 Klage erhoben hatten. Das Ausgangsverfahren endete nach Klagerücknahme mit Einstellungsbeschluss vom 13. November 2018, nachdem der Kläger im September 2018 Verzögerungsrüge erhoben hatte.
3
Die daraufhin vom Kläger erhobene Klage auf Gewährung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile, die durch die Überlänge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Umfang von aus seiner Sicht mindestens 12ü Monaten entstanden seien, hat das Oberverwaltungsgericht abgewiesen. Der Kläger könne sich als Zweckverband zwar nicht auf die grundgesetzliche Gewährleistung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts in Art. 28 Abs. 2 GG stützen. Es sei aber nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte nicht von vornherein ausgeschlossen, dass er sich auf § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG berufen könne, weil ihm nach brandenburgischem Landesrecht ein Selbstverwaltungsrecht eingeräumt sei. Der Kläger sei aber zur Geltendmachung des Anspruchs gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht aktivlegitimiert, weil er nicht Verfahrensbeteiligter im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG gewesen sei. Träger der öffentlichen Verwaltung wie Gemeinden und kommunale Zweckverbände seien danach nur dann Verfahrensbeteiligte, wenn sie in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts am Verfahren beteiligt seien. Diese Voraussetzung sei nur gegeben, wenn das Selbstverwaltungsrecht – anders als hier – selbst Streitgegenstand des als überlang gerügten Ausgangsverfahrens gewesen sei.
4
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Entschädigungsbegehren weiter. Er trägt insbesondere vor, es sei nach § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG ausreichend, dass sich das streitige Rechtsverhältnis im gerichtlichen Verfahren auf die Ausübung eines Selbstverwaltungsrechts zurückführen lasse. Die Befugnis zur Heranziehung der Nutzer einer öffentlichen Einrichtung sei Teil der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG, so dass denklogisch nicht nur der Erlass des Gebührenbescheides, sondern auch dessen Verteidigung vor Gericht eine Wahrnehmung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung sei. Eine unangemessene Verfahrensdauer schädige außerdem die Refinanzierung der kommunalen Selbstverwaltungsträger, so dass deren Ausschluss vom Entschädigungsanspruch des § 198 GVG nicht nur dem Grundgedanken der Entschädigungsregelung widerspreche, sondern auch mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG in ihrer Ausprägung als kommunale Finanzhoheit nicht vereinbar sei. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei außerdem anerkannt, dass Art. 19 Abs. 4 GG auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts gelte.
5
Das beklagte Land verteidigt die angegriffene Entscheidung.


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