Arbeitsrecht

9 B 35/21

Aktenzeichen  9 B 35/21

Datum:
7.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:071221B9B35.21.0
Spruchkörper:
9. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 10. Juni 2021, Az: 8 K 3/19, Urteil

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. Juni 2021 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1
Die Beschwerde ist unzulässig.
2
1. Sie ist entgegen § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO und § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils durch einen vertretungsbefugten Prozessbevollmächtigten, sondern lediglich durch den Kläger selbst begründet worden.
3
2. An einer Fristversäumnis fehlt es auch nicht deshalb, weil das Verfahren wegen der Mandatsniederlegung durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 244 Abs. 1 ZPO unterbrochen gewesen wäre.
4
Eine Unterbrechung des Verfahrens tritt nach dieser Regelung in Prozessen mit Vertretungszwang ein, wenn der Prozessbevollmächtigte eines Beteiligten stirbt oder unfähig wird, dessen Vertretung fortzuführen. Die Unfähigkeit zur Vertretung setzt dabei voraus, dass der Prozessbevollmächtigte rechtlich gehindert ist, die Vertretung fortzuführen. Eine Mandatsniederlegung durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers erfüllt diese Voraussetzung nicht (BVerwG, Beschluss vom 30. Juli 2012 – 5 PKH 8.12 – juris Rn. 14).
5
Die Kündigung des Vollmachtvertrags wird vielmehr nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 87 Abs. 1 ZPO erst mit der Anzeige der Bestellung eines anderen Prozessbevollmächtigten rechtlich wirksam. Bis zu diesem Zeitpunkt wird der bisherige Prozessbevollmächtigte durch die von seiner Seite erfolgte Kündigung nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 87 Abs. 2 ZPO nicht gehindert, für den Vollmachtgeber zu handeln. Er bleibt im Außenverhältnis berechtigt und verpflichtet, ihn im Verfahren zu vertreten (BVerwG, Beschlüsse vom 30. Juli 2012 – 5 PKH 8.12 – juris Rn. 9 und vom 20. November 2012 – 4 AV 2.12 – Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 4 Rn. 9).
6
3. Dem Kläger kann auch nicht nach § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, weil er ohne Verschulden verhindert war, die Beschwerde fristgerecht durch einen vor dem Bundesverwaltungsgericht vertretungsbefugten Bevollmächtigten zu begründen.
7
Zwar steht das Verschulden des Prozessbevollmächtigten nach der Mandatsniederlegung nicht mehr nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 85 Abs. 2 ZPO einem Verschulden des Beteiligten gleich (BGH, Urteil vom 15. März 2006 – XII ZR 138/01 – FamRZ 2006, 1018 ). Einem Rechtsmittelführer, der infolge einer Mandatsniederlegung die Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist versäumt hat, kann daher Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn er innerhalb der noch laufenden Frist einen Antrag nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 78b Abs. 1 ZPO auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt und substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass er rechtzeitig alles ihm Zumutbare getan hat, um sich vertreten zu lassen, insbesondere dass er eine angemessene Zahl von vor dem Bundesverwaltungsgericht vertretungsbefugten Prozessbevollmächtigten vergeblich um die Übernahme des Mandats ersucht hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Juli 1999 – 9 B 333.99 – Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 3 S. 1 f. und vom 28. März 2017 – 2 B 4.17 – Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 5 Rn. 9). Selbst wenn man das Schreiben des Klägers vom 16. Oktober 2021, in dem er darauf hinweist, dass er nach der Niederlegung des Mandats durch seinen bisherigen Prozessbevollmächtigten keinen Rechtsanwalt habe finden können, der mit der Materie vertraut sei und über genügend freie Kapazitäten verfüge, um die Nichtzulassungsbeschwerde fristgerecht zu begründen, als Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts versteht, liegen die Voraussetzungen hierfür nicht vor. Denn der Kläger hat weder in diesem Schreiben noch auf entsprechende Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts im Schreiben vom 3. November 2021 die Anzahl der um Vertretung gebetenen Rechtsanwälte, die Art seiner Bemühungen (schriftlich, mündlich oder telefonisch) oder die Umstände oder Begründung der behaupteten Absagen dargelegt (vgl. zu diesen Anforderungen BVerwG, Beschluss vom 28. März 2017 – 2 B 4.17 – Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 5 Rn. 10).
8
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.


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