Arbeitsrecht

Abgewiesene Klage im Streit um die Feststellung des Eintritts einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe

Aktenzeichen  S 17 AL 178/20

Datum:
22.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 56868
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB III § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
SGG § 193

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Sperrzeit- und der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 23.04.2020, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.05.2020 sind nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat zu Recht das Ruhen des Anspruchs auf Alg wegen Eintritts einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe in der Zeit vom 01.05.2020 bis 23.07.2020 sowie eine Anspruchsminderung um 180 Tage festgestellt.
Gemäß § 159 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der maßgeblichen Fassung ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst hat und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe).
Die Voraussetzungen des o. g. Sperrzeittatbestandes sind vorliegend erfüllt. Der Kläger hat das Beschäftigungsverhältnis mit der Fa. B. durch Zustimmung zur Altersteilzeitvereinbarung ohne Aussicht auf eine Anschlussbeschäftigung gelöst und damit grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit verursacht.
Zur Überzeugung der erkennenden Kammer hatte er keinen wichtigen Grund für sein Verhalten. Unter Berücksichtigung der Überlegungen des Gesetzgebers zur Einführung der Altersteilzeit ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Fall des Abschlusses einer Altersteilzeitvereinbarung nur dann ein wichtiger Grund anzuerkennen, wenn der Arbeitnehmer bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtigt hatte, nach deren Ende nahtlos aus dem Arbeitsleben auszuscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 21.07.2009 – B 7 AL 6/08 R). Das Regelungsziel des Gesetzes zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand (vom 23.07.1996 (BGBl I, Seite 1078)) war, die Praxis der Frühverrentung durch eine sozialverträgliche Möglichkeit eines gleitenden Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand (Altersteilzeitarbeit) abzulösen (BR-Drs 208/96, S. 1, 22) und eine Nahtlosigkeit zwischen Altersteilzeitbeschäftigung und Rentenbeginn unter Vermeidung des Zwischenschritts über die Arbeitslosigkeit und den Leistungsbezug zu erreichen (BR-Drs 208/96, S. 27), so dass einem Arbeitnehmer, der sich entsprechend dieser Gesetzesintention verhält, der Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung dann aber nicht vorgeworfen werden kann, wenn nach der Altersteilzeit auch tatsächlich eine Rente beantragt werden sollte (vgl. BSG, a. a. O.). Die Beurteilung des künftigen Verhaltens des Arbeitnehmers ist dabei abhängig von der rentenrechtlichen Situation sowie davon, ob bzw. wie er diese unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Nachfragen bei sachkundigen Stellen eingeschätzt hat (vgl. BSG, Urteil vom 12. September 2017 – B 11 AL 25/16 R -, SozR 4-4300 § 159 Nr. 3). Eine rein subjektive Vorstellung des Klägers kann, weil der wichtige Grund objektiv vorliegen muss (BSG, Urteil vom 18.12.2003 – B 11 AL 35/03; Urteil vom 12.07.2006 – B 11a AL 55/05 R), nicht genügen.
Vorliegend hatte zwar – vergleichbar mit dem Sachverhalt, der der Entscheidung des BSG aus dem Jahr 2017 zu Grunde lag – der Kläger vor Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung eine Rentenauskunft bei der Arbeitgeberin vorgelegt, wonach er frühestens am 01.05.2020 mit einem Abschlag von 10,5% in Rente gehen konnte. Dies mag dem Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses der Altersteilzeitvereinbarung auch bewusst gewesen sein. Wie der Kläger jedoch mit dem Schreiben des Bevollmächtigten vom 06.07.2020 und seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung selbst einräumt, ging er zum Zeitpunkt des Abschlusses der Altersteilzeitvereinbarung davon aus, dass ihm neben den 37 Jahren Pflichtversicherung bei der Fa. B. noch 10 weitere Jahre wegen Beschäftigung einschließlich Ausbildung in Rumänien nach dem Fremdrentengesetz (FRG) zuerkannt würden, so dass er einen Teil des Abschlags kompensieren könne. Wie im Schreiben vom 06.07.2020 weiter ausgeführt wird, habe er vom ursprünglichen Plan, mit Abschlägen in Rente zu gehen, Abstand genommen, nachdem er im Dezember 2019 durch eine rentenrechtliche Beratung erfahren habe, dass eine Kompensation in dem vom Kläger vorgestellten Umfang nicht erfolgen könne. Insofern wurde durch den Kläger selbst eingeräumt, dass er seine rentenrechtliche Situation bei Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung falsch eingeschätzt hat, wobei er die Anerkennung von Fremdrententatbeständen vor Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung nicht bei einer sachkundigen Stelle hat klären lassen, was ihm ohne weiteres möglich gewesen wäre. Auch hat der Kläger selbst eingeräumt, dass er nach Klarheit über die tatsächliche rentenrechtliche Situation bei Inanspruchnahme der Rente ab 01.05.2020 von seinem Plan abgerückt sei, vorzeitig Rente zu beantragen. Dies lässt vermuten, dass der Kläger, hätte er bei Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung die tatsächliche rentenrechtliche Situation zum Ende der Altersteilzeit gekannt, die Vereinbarung nicht abgeschlossen hätte. Jedenfalls sind keine objektivierbaren Anhaltspunkte gegeben, dass der Kläger in Kenntnis der tatsächlichen rentenrechtlichen Situation beabsichtigt hätte, mit den bekannten Abschlägen in Rente zu gehen.
Den Beginn der Sperrzeit hat die Beklagte zutreffend festgestellt. Die Sperrzeit beginnt nach § 159 Abs. 2 Satz 1 SGB III mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet hat. Die Sperrzeit beginnt vorliegend erst mit dem Ende der Freistellungsphase, somit ab dem 01.05.2020, da maßgebliches Ereignis der Eintritt der Beschäftigungslosigkeit ist.
Die Dauer der Sperrzeit beträgt gemäß § 159 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 SGB III zwölf Wochen. Gründe, die die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2b) SGB III und damit eine Verkürzung der Sperrzeit auf sechs Wochen rechtfertigen, sind nicht ersichtlich.
Die Minderung der Anspruchsdauer um 180 Tage folgt aus § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III. Der Tag des Ereignisses, das die Sperrzeit begründet, ist dabei nicht der Tag des Abschlusses des Altersteilzeitvertrages, sondern der Tag des Eintrittes der Beschäftigungslosigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 21.07.2009, a. a. O. m. w. N.). Die Voraussetzungen des § 148 Abs. 2 Satz 2 SGB III, der das Entfallen der Anspruchsminderung vorsieht, wenn das sperrzeitbegründende Ereignis bei Erfüllung des Anspruchs auf Alg länger als ein Jahr zurückliegt, liegen somit nicht vor.
Die Klage war aus o. g. Gründen abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


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