Arbeitsrecht

Abgrenzung Werkvertrag – Dienstvertrag im Messebau

Aktenzeichen  18 C 1047/21

Datum:
28.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 38034
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 611, § 631

 

Leitsatz

1. Maßgebend für die Abgrenzung von Dienstvertrag zu Werkvertrag ist, ob ein abgrenzbares, als eigene Leistung zurechenbares und abnahmefähiges Werk oder eine Tätigkeit vereinbart ist. (Rn. 22)
2. Wird ein im Messebau tätiger Unternehmer im Stundenlohn mit Arbeiten im Bereich des Innenausbaus beauftragt, handelt es sich bei dem geschlossenen Vertrag um einen Dienstvertrag, wenn keine konkrete Leistung vereinbart wird, die der Unternehmer eigenverantwortlich ausführen soll, sondern ihm erst vor Ort konkrete Tätigkeiten zugewiesen werden. (Rn. 23)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3353,10 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2020 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 480,20 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.12.2020 zu erstatten.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/10, der Beklagte 9/10.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig.
Der Rechtsweg zum allgemeinen Zivilgericht ist eröffnet. Es liegt keine arbeitsrechtliche Streitigkeit vor.
Der zwischen den Parteien mündlich abgeschlossene Vertrag ist kein Arbeitsvertrag im Sinne des § 611 BGB.
Eine Gesamtbetrachtung der Vereinbarung der Parteien und der tatsächlichen Vertragsdurchführung ergibt, dass es insbesondere an einer Weisungsgebundenheit des Klägers fehlt. So ist die Arbeitszeit nicht festgelegt. Der Beklagte fragt noch am 16. November (siehe Chat-Verlauf Anlage K7), ob der Kläger am Stück bis zur Fertigstellung hierbleiben könne (gemeint ist die Baustelle). Am 29. November fragt der Beklagte beim Kläger an, wann er heute mit der Arbeit startet. Dass beide Parteien auch selbst nicht von einem Arbeitsvertrag ausgehen, ergibt sich zum Beispiel auch daraus, dass sie sich darüber unterhalten, ob Mehrwertsteuer anfällt und von wem diese abgeführt werden muss.
II. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten einen restlichen Anspruch auf Vergütung in Höhe von 3353,10 Euro aus § 611 BGB.
1. Die Parteien haben einen Dienstvertrag und keinen Werkvertrag geschlossen.
Aus dem Chat-Verlauf (Anlage K7) ergibt sich dass der Beklagte für seinen Auftrag eine Hilfe gesucht hat. Auf die Anfrage des Klägers vom 10.11.20 „habe gehört du suchst Verstärkung bei einem Job? “ antwortet der Beklagte am 13.11.20 :
„Hallo Fabian,
28 Euro pro Stunde Abrechnung nach Aufwand mit Stundenzettel von mir. Baustellenadresse: … Anreise Montag. Mindestens bis 11. Dezember könnte aber noch einige Tage länger gehen.“
Es erfolgte kein Angebot des Klägers. Es wurde nicht eine konkrete Arbeit besprochen, die der Kläger eigenverantwortlich ausführen soll.
Maßgebend für die Abgrenzung von Dienstvertrag zu Werkvertrag ist, ob ein abgrenzbares, als eigene Leistung zurechenbares und abnahmefähiges Werk oder eine Tätigkeit vereinbart ist.
Nach dem oben Vereinbarten und der tatsächlichen Vertragsdurchführung war zwischen den Parteien lediglich eine Tätigkeit des Klägers gewollt. Dem entspricht der Vortrag des Klägers, dass ihm erst vor Ort eine konkrete Tätigkeit zugewiesen wurde. Der Beklagte hatte sich um sämtliches erforderliche Material auf der Baustelle gekümmert.
Eine fehlende Abnahme und eine eventuelle mängelbehaftete Arbeit des Klägers stehen somit dessen Vergütungsanspruch aus § 611 BGB nicht entgegen.
2. Der Kläger hat für den Zeitraum vom 28.11 bis zum 8.12 mittags eine Arbeitszeit von 97,5 Stunden zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen.
Das pauschale Bestreiten des Beklagten war für das Gericht insofern nicht nachvollziehbar, da der Beklagte selbst den Leistungsnachweis für den Zeitraum vom 28. November bis 4. Dezember mit einer Gesamtarbeitszeit von 64,5 Stunden (Anlage K2) und den Leistungsnachweis für den Zeitraum vom 5. Dezember bis 8. Dezember 14:00 Uhr mit einer Gesamtstundenzahl von 33 (K3) unterschrieben hat .
Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass der Beklagte auf seinen Stundenzetteln nur die tatsächlich geleistete Arbeit des Klägers durch seine Unterschrift bestätigt hat.
3. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf 15 Stunden nicht geleistete Arbeit am 8.! 09.12.2020 gemäß § 615 BGB.
Entgegen dem klägerischen Vorbringen hat der Beklagte keinen Baustopp verhängt. Der Kläger hat vielmehr seine Arbeit in eigener Verantwortung abgebrochen.
Diese ergibt sich wiederum aus dem Chat-Verlauf(K7): Der Kläger schreibt am 9. Dezember
„Hallo Andreas, gibt es schon Neuigkeiten? Ich werde auch spätestens am Samstag abreisen. Da meine Erkundigungen nichts Gutes ergeben haben. Und ich für solche Leute wie den … nicht arbeite (…)“
Dem entspricht der Vortrag des Beklagten im Rahmen seiner mündlichen Anhörung der angab, es habe Schwierigkeiten mit der Bezahlung durch seinen Auftraggeber gegeben. Ein Baustopp sei jedoch nicht verhängt worden. Der Kläger habe selbst entschlossen nicht weiterzuarbeiten. Er sei allerdings damit durchaus einverstanden gewesen.
4. Kein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten aufgrund der Rechnungsstellung ohne Mehrwertsteuer:
Ob die Rechnung des Klägers eine Mehrwertsteuer hätten ausweisen müssen oder nicht kann dahinstehen, nachdem sich aus dem Chat-Verlauf ergibt dass der Beklagte selbst vom Kläger Rechnungen ohne ausgewiesene Mehrwertsteuer verlangt hat.
5. Berechnung des klägerischen Anspruchs:
a) Arbeitszeit 97,5 Stunden x 28 = 2730,00 Euro
b) unstreitige Fahrtkosten: 463,20 Euro
c) Mautgebühren: 39.90 Euro
d) Fahrzeit Rückfahrt unstreitig 8 Stunden x 15 Euro = 120 Euro Summe a) – d) = 3353,10 Euro
III. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 480,20 aus §§ 280,286 BGB.
Eine 1,3 Gebühr aus dem berechtigten Gegenstandswert von 5749,10 (Rechnung vom 29.11.2020 = 2396,00 + zugesprochener Klagebetrag von 3353,10Euro) beträgt 460,20 Euro. Unter Hinzufügung der Pauschale von 20 ergibt sich der Endbetrag von 480,20 Euro.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO.
V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 11, 711. 709 ZPO.


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