Arbeitsrecht

Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz nach der Leiharbeits-RL durch arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge

Aktenzeichen  2 Sa 402/18

Datum:
20.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 8729
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
RL 2008/104/EG Art. 5 Abs. 3
AÜG § 3a, § 8, § 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4
MiLoG § 1 Abs. 3, § 3 S. 1
AEntG § 8, § 9 S. 3
TVG § 4 Abs. 4 S. 3
BGB §§ 307 ff.

 

Leitsatz

1. Art. 5 Abs. 3 EU-LeiharbeitsRL erlaubt die Abweichung vom in Art. 5 Abs. 1 EU-Leiharbeitsrichtlinie geregelten Gleichstellungsgrundsatz auch durch arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge, soweit diese den Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen achten. (Rn. 29 – 33)
2. Mit Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer im Sinne von Art. 5 Abs. 3 EU-Leiharbeitsrichtlinie ist die Einhaltung einer allgemeinen Untergrenze der Arbeitsbedingungen gemeint, die über die für alle Arbeitnehmer geltenden Mindeststandards hinausgeht. Diese Untergrenze ist beim zwischen dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V (BAP) und den Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) abgeschlossenen Tarifwerk eingehalten. (Rn. 34 – 44)
3. Auf Arbeitsverträge mit Leiharbeitnehmern, die nicht in einer vom AEntG oder von einer auf Grund des AEntG erlassenen Rechtsverordnung erfassten Branche beschäftigt werden oder werden sollen, finden weder § 3 Satz 1 MiLoG noch § 9 Satz 3 AEntG Anwendung. Da im AÜG oder einer auf Grund des § 3a AÜG erlassenen Rechtsverordnung eine vergleichbare Vorschrift fehlt, verstößt die Vereinbarung von arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen, die einen Anspruch auf Mindestlohn nicht ausnimmt, nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. (Rn. 58 – 67)

Verfahrensgang

15 Ca 4827/17 2018-09-11 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 11.09.2018, Az. 15 Ca 4827/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird für den Kläger zugelassen, soweit die Klage für die Monate Februar 2017, März 2017 und April 2017 zurückgewiesen wurde.
Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Gründe

A.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statthaft, und form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 Abs. 5, 519 Abs. 5, 130 ZPO)
B.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist im vom Gesetzgeber nach § 8 Abs. 2 AÜG bzw. §§ 10 Abs. 4 Satz 2, 9 Ziff. 2 AÜG a.F. eröffneten Rahmen durch Verweisung auf einen Tarifvertrag zulässigerweise vom Gleichstellungsgrundsatz („Equal-Pay“) des § 8 Abs. 1 AÜG bzw. § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG a.F. abgewichen. Das Landesarbeitsgericht folgt den klaren Ausführungen in den Entscheidungsgründen im Urteil des Arbeitsgerichts und macht sich diese zu eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Darüber hinaus sind die Ansprüche bis einschließlich Januar 2017 auf Grund der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen erloschen. Im Hinblick auf das Vorbringen der Parteien in der Berufungsinstanz sind noch folgende Ausführungen veranlasst:
I.
Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung der Differenz zwischen dem erhaltenen Entgelt und dem in den Entleiherbetrieben für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlten Entgelt (§ 8 Abs. 1 AÜG bzw. §§ 10 Abs. 4 Satz 1, 9 Nr. 2 AÜG a.F.) sind nicht entstanden. Zwar erhielt der Kläger in der Zeit seines Einsatzes bei der D. Informatik GmbH vom 15.10.2014 bis 15.10.2016 unstreitig ein um 23.867,12 € brutto geringeres Entgelt als ein vergleichbarer Arbeitnehmer. Ebenso erhielt er für die Zeit seines Einsatzes bei der Da… eG vom 17.06.2016 – 30.04.2017 ein um 5.200,- € brutto geringeres Entgelt (monatlich 800,- € brutto). Die Beklagte war aber nicht zur Zahlung des Differenzbetrages verpflichtet, da die Parteien in zulässiger Weise vom Ausnahmetatbestand des § 8 Abs. 2 Sätze 1 – 3 AÜG bzw. § 9 Nr. 2 AÜG a.F. Gebrauch gemacht haben.
1. Nach § 8 Abs. 2 Sätze 1 – 3 AÜG bzw. § 9 Nr. 2 AÜG a.F. können die Arbeitsvertragsparteien vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, indem sie im Geltungsbereich eines Tarifvertrages dessen Anwendung vereinbaren, soweit dieser Tarifvertrag die in einer Rechtsverordnung nach § 3a AÜG festgesetzten Mindeststundenentgelte nicht unterschreitet.
a. Die Parteien haben in § 2 des Arbeitsvertrags die Anwendung der jeweils geltenden Tarifverträge Zeitarbeit zwischen dem Bundesverband der Personaldienstleister (BAP) und der DGB-Tarifgemeinschaft (IG-BCE, NGG, IG Metall, GEW, ver.di, IG Bau, EVG, GdP) vereinbart. Im Falle der Tarifbindung fiele das Arbeitsverhältnis unstreitig räumlich, fachlich und persönlich unter deren Geltungsbereich. Die jeweils in Bezug genommenen Entgelttarifverträge unterschritten nicht das Mindestentgelt der für den Streitzeitraum einschlägigen Zweiten Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung (Zweite LohnUGAÜV, gültig vom 01.04.2014 bis 31.12.2016). Für die Zeit vom 01.01.2017 bis 31.05.2017 bestand keine entsprechende Mindestlohnregelung (hierzu Düwell, jurisPR-ArbR 32/2017 Anm. 1). Es bestehen keine Zweifel, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge wirksam zustande gekommen sind. Insbesondere sind die unterzeichnenden Gewerkschaften tariffähig.
b. Die Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrags ist wirksam. Sie ist insbesondere nicht intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
aa. § 2 des Arbeitsvertrags ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Klausel ist bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild unstreitig von der Beklagten für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen vorformuliert und den Arbeitnehmern einseitig gestellt worden. Anhaltspunkte dafür, die Klausel sei zwischen den Parteien „ausgehandelt“ iSv § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB liegen nicht vor. Die Beklagte hat selbst nicht vorgebracht, dem Kläger die Möglichkeit der Einflussnahme auf die streitgegenständliche Klausel eingeräumt zu haben.
bb. Verweist eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Vorschriften eines anderen Regelwerks, führt dies für sich genommen nicht zur Intransparenz. Insbesondere arbeitsvertragliche Bezugnahmen auf tarifliche Regelwerke, auch wenn sie dynamisch ausgestaltet sind, entsprechen einer im Arbeitsrecht gebräuchlichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien eines auf die Zukunft gerichteten Arbeitsverhältnisses. Dass bei Vertragsschluss noch nicht absehbar ist, welchen zukünftigen Inhalt die in Bezug genommenen Tarifregelungen haben werden, ist unerheblich. Die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung geltenden, in Bezug genommenen Regelungen sind bestimmbar. Das ist zur Wahrung des Transparenzgebots für Klauseln, die – wie im Regelfall – auf einen bestimmten bzw. bestimmbaren Tarifvertrag oder ein bestimmtes bzw. bestimmbares tarifliches Regelwerk im Sinne einer Einheit aus Mantel-, Entgelt- und sonstigen Einzeltarifverträgen verweisen, ausreichend (st. Rspr. z.B. BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11 – Rn 30).
cc. Die Bezugnahmeklausel ist auch nicht in Anwendung der zum mehrgliedrigen CGZP-Tarifwerk entwickelten Anforderungen (dazu BAG, Urt. v. 13.03.2013 – 5 AZR 954/11 – Rn. 30) unwirksam. Dabei kann letztlich offenbleiben, ob es sich beim Tarifwerk DGB/BAP um ein sog. Einheitstarifwerk oder um ein mehrgliedriges Tarifwerk im engeren Sinne handelt, das eine sog. Kollisionsregelung erfordert.
Bildet der Tarifvertrag ein “einheitliches Tarifwerk”, eine “geschlossene Einheit” (sog. “Einheitstarifvertrag”), sind die Tarifvertragsparteien einer Seite bei der Ausübung von Rechten und der Erfüllung von Pflichten aus dem schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrages in der Weise aneinander gebunden, dass sie im Verhältnis zur Gegenseite eine “Einheit” darstellen. Die Kündigung des Tarifvertrages kann in diesem Falle nur durch alle Tarifvertragsparteien einer Seite gemeinsam ausgesprochen werden. Davon zu unterscheiden ist derjenige mehrgliedrige Tarifvertrag, bei dem mehrere selbstständige Tarifverträge lediglich in einer Urkunde zusammengefasst sind (“mehrgliedriger Tarifvertrag im engeren Sinne”). Bei diesem sind die Tarifvertragsparteien selbstständig berechtigt und verpflichtet und bleiben deshalb in der Lage, unabhängig voneinander (“autonom”) den Tarifvertrag zu kündigen (zur Terminologie: BAG 08.11.2006 – 4 AZR 590/05 – Rn. 22).
Bei der Bezugnahme auf ein sog. Einheitstarifwerk hat das BAG keine weitergehenden Vorgaben gemacht, um dem Transparenzgebot Genüge zu tun. Bei der Bezugnahme auf ein mehrgliedriges Tarifwerk im engeren Sinne ist nach Ansicht des BAG hingegen eine Kollisionsregelung notwendig, der sich entnehmen lässt, welches der mehreren in Bezug genommenen tariflichen Regelwerke bei sich widersprechenden Regelungen den Vorrang haben soll. Andernfalls lasse sich nicht für jeden Zeitpunkt bestimmen, welches der in Bezug genommenen tariflichen Regelwerke sich jeweils durchsetzen und gelten solle. Fehle in der Bezugnahmeklausel eine Kollisionsregel, bestehe die Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen dieser Unklarheit seine Rechte nicht wahrnehme (BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11 – Rn. 30).
Ob eine solche Klausel auch bei Bezugnahme auf die Tarifwerke igz/DGB und BAP/DGB notwendig ist (dagegen etwa Bayreuther, DB 2014, 717), kann ebenfalls offen bleiben. Im vorliegenden Fall enthält § 2 des Arbeitsvertrags nämlich eine entsprechende Kollisionsklausel, die darauf abstellt, in welchen Organisationsbereich einer DGB-Gewerkschaft der Kundenbetrieb fällt. In Zeiten ohne Einsatz im Kundenbetrieb gelten die mit ver.di abgeschlossenen Tarifverträge (vgl. hierzu LAG Sachsen-Anhalt 28.06.2016 – 2 Sa 421/15 – Rn 70 ff).
c. Eine Inhaltskontrolle der in Bezug genommenen tariflichen Regelungen findet nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht statt, da auf die Tarifverträge insgesamt verwiesen wurde (vgl. ErfK-Preis, 19. Aufl., 2019, §§ 305 – 310 BGB Rn 13). Es ist weder gerügt noch sonst ersichtlich, dass in den der allgemeinen Bezugnahmeklausel folgenden arbeitsvertraglichen Regelungen zu Lasten des Arbeitnehmers von den tariflichen Regelungen abgewichen wurde.
2. § 8 Abs. 2 Satz 3 AÜG bzw. § 9 Nr. 2 3. Halbsatz AÜG a.F. steht mit Art. 5 Abs. 3 der EU-LeiharbeitsRL in Einklang. Art. 5 Abs. 3 EU-LeiharbeitsRL verbietet nicht, dass vom Gleichstellungsgrundsatz abweichende Tarifverträge über eine arbeitsvertragliche Bezugnahme zur Anwendung kommen.
Nach Art. 5 Abs. 3 der EU-LeiharbeitsRL können die Mitgliedstaaten nach Anhörung der Sozialpartner diesen die Möglichkeit einräumen, auf der geeigneten Ebene und nach Maßgabe der von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen Tarifverträge aufrecht zu erhalten oder zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern enthalten können, welche vom in Art. 5 Abs. 1 der EU-LeiharbeitsRL geregelten Gleichstellungsgrundsatz abweichen können.
Es ist zwar richtig, dass Art. 5 Abs. 3 der EU-LeiharbeitsRL eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge nicht ausdrücklich gestattet. Der Richtliniengeber hat diese Möglichkeit jedoch auch nicht ausgeschlossen, obwohl er diese Abweichungsmöglichkeit im deutschen System kannte (ErfK-Wank, 19. Aufl., 2019, § 8 AÜG Rn 26). Indem Art. 5 Abs. 3 EU-LeiharbeitsRL den Sozialpartnern die Möglichkeit einräumt, die Tarifverträge auf einer nicht weiter spezifizierten geeigneten Ebene nach Maßgabe der von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen aufrechtzuerhalten oder zu schließen, wurde den Mitgliedstaaten ein großer Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 EU-LeiharbeitsRL eingeräumt. Diese Zurückhaltung ist der Heterogenität der nationalen Tarifvertragsysteme und Vorschriften zur Leiharbeit geschuldet (Sansone in Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, 2. Aufl., 2019, Leiharbeit Rn 12.80 mwN). So gelten beispielsweise im englischen Tarifvertragsrecht die Rechtsnormen eines Tarifvertrages nicht wie in Deutschland unmittelbar und zwingend (§ 4 Abs. 1 TVG), sondern werden in der Regel durch eine individuelle Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag in das Arbeitsverhältnis einbezogen und erst damit für die Arbeitsvertragsparteien rechtlich bindend (Klauk/Klein, jurisPR-ArbR 40/2013 Anm. 1; vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Cruz-Villalon v. 18.07.2013 – C-426/11 Rn. 34 ff., 56 „Alemo-Herron“).
Da Art. 5 Abs. 3 EU-LeiharbeitsRL keine Vorgabe dazu enthält, unter welchen Voraussetzungen die Tarifverträge in den Leiharbeitsverhältnissen Anwendung finden, umfasst der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten auch die Einführung von so genannten Erstreckungsklauseln zur arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die abweichenden Tarifverträge, um eine Umsetzung entsprechend dem nationalen Recht und nationalen Gepflogenheiten zu ermöglichen (Sansone in Preis/Sagan a.a.O. Rn 12.81 mwN auch zur Gegenansicht).
Die Möglichkeit, Tarifverträge durch Bezugnahmeklausel ins Arbeitsverhältnis zu übernehmen, ist in Deutschland anerkannt. Gleichzeitig geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Tarifpartner selbst auf ein angemessenes Schutzniveau der Arbeitsvertragsparteien, die in den Geltungsbereich ihrer Regelungen fallen, achtet. Dieses Schutzniveau ist jedoch unabhängig davon, ob die Tarifverträge unmittelbar, kraft Fortgeltung, Nachwirkung, Allgemeinverbindlichkeitserklärung, Rechtsverordnung oder eben vertraglicher Bezugnahme anwendbar sind. Auch im Fall der Bezugnahme wird der Schutz durch die Ausgewogenheit der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerrechte und -pflichten, wie sie die Tarifparteien aushandeln, erreicht (LAG Nürnberg 20.05.2014 – 6 Sa 76/14 – Rn 34). Wäre die tarifschließende Koalition nicht ausreichend durchsetzungsfähig und damit nicht tariffähig, so läge schon kein wirksamer Tarifvertrag vor, auf den im Sinne von Art. 5 Abs. 3 EU-LeiharbeitsRL, § 8 Abs. 2 AÜG bzw. § 9 Nr. 2 AÜG a.F. wirksam verwiesen werden könnte. Die Tariffähigkeit der DGB-Gewerkschaften steht jedoch außer Frage.
3. Es kann dahingestellt bleiben, ob § 8 Abs. 2 Satz 1 bis 3 AÜG bzw. die Vorgängerregelung der §§ 10 Abs. 4 Satz 2, 9 Nr. 2 AÜG a.F. die Vorgabe von Art. 5 Abs. 3 der EU-LeiharbeitsRL erfüllt, wonach Abweichungen nur „unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ erfolgen dürfen. Denn jedenfalls erfüllt das Tarifwerk BAP/DGB die europarechtlichen Vorgaben an den Gesamtschutz für Leiharbeitnehmer.
a. Jedenfalls für die Zeit bis 31.03.2017 meinte der deutsche Gesetzgeber offenbar, dieser Anforderung dadurch nachgekommen zu sein, dass er nur solche Tarifverträge privilegierte, die bestimmte Mindestarbeitsentgelte vorsehen (§ 3a AÜG). Dadurch werden aber nur die Löhne gesichert, nicht aber – wie es Art. 5 Abs. 3 EU-LeiharbeitsRL fordert – auch die sonstigen Arbeitsbedingungen (ErfK-Wank, 19 Aufl. 2019, § 8 AÜG Rn 33 mwN). Zum Gesamtschutz gehören aber jedenfalls auch die unter den Gleichstellungsgrundsatz fallenden wesentlichen Arbeitsbedingungen bezüglich Arbeitszeit und Urlaub (Art. 3 Abs. 1 lit. f EU-LeiharbeitsRL). Es spricht daher viel dafür, dass die §§ 10 Abs. 4 Satz 2, 9 Nr. 2 AÜG a.F. die EU-LeiharbeitsRL nicht vollständig umgesetzt haben (so ErfK-Wank a.a.O. mwN; offen gelassen vom ArbG Gießen 14.02.2018 – 7 Ca 246/17).
Ob die von der Richtlinie geforderte Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern ab 01.04.2017 durch das Zusammenspiel des § 8 Abs. 2 AÜG mit den neu eingeführten Wartezeitregelungen in § 8 Abs. 4 AÜG gewahrt ist, erscheint vor diesem Hintergrund ebenfalls zweifelhaft (dafür etwa ArbG Gießen 14.02.2018 – 7 Ca 246/17 – mwN; dagegen etwa Wank, BB 2018, 1909, 1915).
b. Sollte der Gesetzgeber die Richtlinie in Bezug auf den geforderten Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer nicht vollständig umgesetzt haben, wären § 8 Abs. 2 AÜG bzw. die Vorgängerregelung des § 9 Nr. 2 AÜG a.F. richtlinienkonform auszulegen. Dies hieße, dass vom Gleichstellungsgrundsatz nur durch solche Tarifverträge abgewichen werden darf, die den europarechtlich vorgegebenen Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer achten.
aa. Unter „Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer“ ist dabei nicht zu verstehen, dass tarifliche Abweichungen vom Gleichstellungsgrundsatz nach unten (etwa beim Entgelt) an anderer Stelle (etwa beim Urlaub) wieder ausgeglichen werden müssten. Dies folgt schon daraus, dass Art. 5 Abs. 1 EU-LeiharbeitsRL ebenso wie § 8 Abs. 1 AÜG bzw. § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG a.F. das Optimum für die Leiharbeitnehmer bieten. Die eröffneten Abweichungsmöglichkeiten in Art. 5 Abs. 2 – 4 EU-LeiharbeitsRL können daher nur Abweichungen nach unten meinen.
Darüber hinaus zeigt die Entstehungsgeschichte der EU-LeiharbeitsRL, dass der Richtliniengeber mit dieser Einschränkung – wie Erwägungsgrund 19 der EU-LeiharbeitsRL ausdrücklich betont – nicht die Tarifautonomie der Sozialpartner beeinträchtigen wollte und insbesondere keine weitreichende Kontrolle von Tarifverträgen durch den EuGH bezweckt hat (Sansone in Preis/Sagan a.a.O. Rn 12.77). Dennoch hat der Rat es „für zweckmäßig erachtet, speziell darauf hinzuweisen, dass die Sozialpartner in ihren Vereinbarungen den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern achten müssen, wenn sie Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern treffen, die vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen“ (Begründung des Rates zum gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 24/2008, ABl. C 254 E vom 07.10.2008 S. 43, zitiert nach Sansone in Preis/Sagan a.a.O. Rn 12.77). Die Beachtung des Gesamtschutzes stellt daher zwar eine Schranke der tariflichen Gestaltungsmacht dar. Einer strengen Kontrolle tariflicher Regelungen steht jedoch Art. 28 GRC entgegen, der bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs heranzuziehen ist und sämtliche Handlungen schützt, die mit dem Aushandeln und dem Abschluss von Tarifverträgen zusammenhängen (Sasonne in Preis/Sagan a.a.O Rn 12.77). Deshalb verlangt die EU-LeiharbeitsRL lediglich die Prüfung, ob die Tarifverträge die äußersten Grenzen der Öffnungsklausel einhalten, wobei den Tarifvertragsparteien ein weiter Spielraum zukommt (ArbG Gießen 14.02.2018 – 7 Ca 246/17 – juris; Sasonne in Preis/Sagan a.a.O. Rn 12.77 mit zahlreichen Nachweisen zu der kaum übersehbaren Meinungsvielfalt in Fn 211; Riechert, NZA 2013, 303, 306 m.w.N.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Einhaltung des Gesamtschutzes auch durch die Überprüfung der Tariffähigkeit der die Tarifverträge abschließenden Koalitionen kontrolliert wird (ErfK-Wank, 19. Aufl., 2019, § 8 AÜG Rn 34).
Das Wort „Gesamtschutz“ spricht zudem für die Annahme einer allgemeinen Untergrenze der Arbeitsbedingungen und damit gegen einen Vergleich mit den jeweiligen Arbeitsbedingungen im entleihenden Unternehmen (Rebhahn/Schörghofer, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2. Auflage 2018, Art. 5 RL 2008/104/EG Rn. 20.). Auch scheint angesichts der Unterschiedlichkeit der Einsatzbranchen und der dort jeweils geltenden Arbeits- und insbesondere Entgeltbedingungen und der Notwendigkeit für die Tarifvertragsparteien der Leiharbeitsbranche, unabhängig davon ihrer eigenen Branche gerecht werdende Entgelte und sonstige Arbeitsbedingungen festzulegen, ein Anknüpfen des Begriffs des „Gesamtschutzes“ an den Arbeitsbedingungen von Entleiherbranchen eher nicht sachgerecht (ArbG Gießen 14.02.2018 – 7 Ca 246/17 – juris). Im Sinne der Einhaltung einer Untergrenze ist zu verlangen, dass die Tarifvertragsparteien jedenfalls Arbeitsbedingungen aufstellen, die über die für alle Arbeitnehmer geltenden Mindeststandards hinausgehen (ArbG Gießen 14.02.2018 – 7 Ca 246/17 – juris; ähnlich Rebhahn/Schörghofer, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2. Auflage 2018, Art. 5 RL 2008/104/EG Rn. 20).
bb. Das Tarifwerk BAP/DGB unterschreitet die Grenzen des durch Art. 5 Abs. 3 EU-LeiharbeitsRL zu achtenden Gesamtschutzes für Leiharbeitnehmer nicht.
Das tarifliche Entgelt lag in der Entgeltgruppe 1 im streitgegenständlichen Zeitraum vom Oktober 2014 bis April 2017 nicht unter dem für Leiharbeitnehmer auf Vorschlag der Tarifpartner nach der Zweiten LohnUGAÜV festgesetzten Mindeststundenentgelten (04/2014 – 03/2015: 8,50 €; 04/2015 – 05/2016: 8,80 €; 06/2016 – 12/2016: 9,00 €). In der für den Kläger einschlägigen Entgeltgruppe 3 lag das Stundenentgelt mit 10,61 € bereits im Oktober 2014 deutlich darüber und steigerte sich ab 01.03.2017 auf 11,51 €. Hinzu kommen noch die Zuschläge nach den jeweiligen Tarifverträgen über Branchenzuschläge.
Die tariflichen Arbeitszeitregelungen lagen deutlich über dem öffentlich-rechtlichen Schutzniveau des ArbZG. Nach § 2 MTV BAP/DGB beträgt die regelmäßige monatliche Arbeitszeit 151,67 Stunden (= durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden). Sie kann bei dauerhafter Überlassung an einen Entleiherbetrieb auf max. durchschnittlich 40 Wochenstunden erhöht werden. Dies liegt deutlich unter den nach § 3 ArbZG zulässigen 48 Wochenstunden. Die tatsächliche Lage der Arbeitszeit einschließlich der Pausen richten sich nach dem Entleiherbetrieb (§ 3 MTV BAP/DBG). Damit ist insoweit dem Gleichstellungsgrundsatz Genüge getan.
Auch die übrigen Regelungen zu Arbeitszeit (§§ 3 -7 MTV BAP/DGB) sind im Hinblick auf den Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer nicht zu beanstanden. Der tarifliche Mindesturlaub beträgt nach § 11 MTV BAP/DGB mindestens 24 Arbeitstage und steigert sich je nach Betriebszugehörigkeit auf 30 Arbeitstage. Die Urlaubsregelung ist damit deutlich günstiger als der gesetzliche Mindesturlaub von 24 Werktagen bzw. 20 Arbeitstagen (§ 1 BUrlG).
II.
Für die Zeit bis einschließlich Januar 2017 wären unabhängig von den Ausführungen unter I. die Ansprüche nach § 20 des Arbeitsvertrages erloschen.
1. Nach § 20 des Arbeitsvertrages verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. Der Kläger musste diese erste Stufe der Ausschlussfristenregelung in § 20 des Arbeitsvertrags beachten. Es handelt sich um eine eigenständige arbeitsvertragliche Regelung, die der AGB-Kontrolle standhält. Dem steht die Unabdingbarkeit des Anspruchs aus § 8 Abs. 1 AÜG bzw.§ 10 Abs. 4 AÜG a.F. nicht entgegen, weil Ausschlussfristen ausschließlich die Art und Weise der Durchsetzung eines entstandenen Anspruchs betreffen und nicht zu dessen Inhalt gehören (BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954 – Rn 36).
a. Bei § 20 des Arbeitsvertrages handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die schon nach dem äußeren Erscheinungsbild für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen verwendet worden sind (§ 305 Abs. 1 BGB). Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten.
b. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung ist wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Sie ist inhaltlich weder überraschend noch an versteckter Stelle im Arbeitsvertrag enthalten (§ 305c Abs. 1 BGB). Dass Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen enthalten sind, entspricht den nach § 310 Abs. 4 Satz 2 zu beachtenden Besonderheiten im Arbeitsrecht (BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11 – Rn 43 – 46).
c. Die Ausschlussfrist erfasst den Anspruch des Arbeitnehmers auf ein Arbeitsentgelt in der Höhe, wie es einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer des Entleihers gewährt wird. Denn zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis gehören alle Ansprüche, welche die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehungen gegeneinander haben, ohne dass es auf die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage ankäme (BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11 – Rn 39).
Da die vorliegende Klausel Ansprüche aus unerlaubter Handlung nicht ausnimmt, ist der Einwand des Klägers, Equal-Pay-Ansprüche seien solche aus unerlaubter Handlung, hier irrelevant. Im Übrigen ist diese Ansicht bereits vom BAG abgelehnt worden (BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11 – Rn 56).
Die Ausschlussfrist begann jeweils nach Ablauf des Monats zu laufen, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Unter der Überschrift „Vergütung“ ist in § 6 Arbeitsvertrag auch deren Fälligkeit geregelt (jeweils mit Ablauf des Monats). Damit weicht § 6 Arbeitsvertrag zu Gunsten des Klägers vom tarifvertraglich vorgesehenen spätesten Fälligkeitstermin ab (§ 13 MTV BAP/DGB: spätestens bis zum 15. Bankarbeitstag des auf den Abrechnungsmonat folgenden Monats). Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass § 6 Arbeitsvertrag für gesetzlich begründete Ansprüche von einem anderen Fälligkeitszeitpunkt ausgeht. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 8 Abs. 1 AÜG bzw. § 10 Abs. 4 AÜG a.F. ist ein die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, der mit der Überlassung entsteht und zu dem in § 6 Arbeitsvertrag für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig wird. Weiterhin fehlt jeglicher Anhaltspunkt, Fälligkeit im Sinne der Klausel würde die Kenntnis des Leiharbeitnehmers von dem Anspruch und der für die Bezifferung maßgeblichen Tatsachen voraussetzen (vgl. BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11 – Rn 42).
2. Die Ausschlussfristenregelung in § 20 des Arbeitsvertrages hält einer Transparenz- und Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff BGB stand.
a. Eine Inhaltskontrolle ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil die arbeitsvertragliche Regelung sich wortgleich mit der tariflichen Regelung in § 16 MTV BAP/DGB deckt. Zwar enthält § 2 des Arbeitsvertrages eine sog. Globalverweisung auf das Tarifwerk BAP/DGB, so dass grundsätzlich eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht stattfinden würde. Dies gilt auch, wenn die tariflichen Vorschriften wortgleich im Arbeitsvertrag wiedergegeben werden. Allerdings bestimmt die Präambel von § 20 des Arbeitsvertrages, dass die Ausschlussfristen unabhängig von den tariflichen Ausschlussfristen vereinbart sind. Damit soll insoweit auf den Tarifvertrag gerade nicht Bezug genommen werden.
b. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts benachteiligt eine einzelvertragliche Ausschlussfrist, die die schriftliche Geltendmachung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von nicht weniger als drei Monaten ab Fälligkeit verlangt, den Arbeitnehmer nicht unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben (BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11 – Rn 51).
Die Ausschlussfrist lässt dem Kläger auch die faire Chance, seine Ansprüche durchzusetzen. Die Klausel lässt es zu, dass eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG a.F bzw. § 8 Abs. 1 AÜG „dem Grunde nach“ ausreicht, ohne die Höhe des vergleichbaren Stammarbeitnehmern des Entleihers gewährten Arbeitsentgelts zu kennen (vgl. BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11 – Rn 52 für eine identische Klausel). Hinzu kommt, dass in der streitgegenständlichen Vertragsgestaltung die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 AÜG bzw. § 9 Nr. 2 AÜG a.F. vorliegen. In diesem Falle besteht schon kein Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Entleiher (§ 13 HS 2 AÜG).
Die Klausel ist auch nicht nach § 309 Nr. 13 BGB unwirksam, da sie die schriftliche Geltendmachung verlangt und jedenfalls dem Wortlaut nach nicht die Textform genügen lässt. Denn in der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags im Oktober 2014 geltenden Fassung des § 309 Nr. 13 BGB durfte in AGB die Geltendmachung von Ansprüchen noch von der Schriftform abhängig gemacht werden. Das Verbot einer strengeren Form als der Textform wurde erst mit Wirkung ab 01.11.2016 in das Gesetz aufgenommen (BGBl. I 2016, 233).
Ob die Zweite Stufe der Ausschlussfrist wirksam ist, kann dahingestellt bleiben. Denn die Unwirksamkeit der Zweiten Stufe würde nach dem sog. blue-pencil-Test die Wirksamkeit der ersten Stufe einer Ausschlussfristenregelung wie der vorliegenden nicht berühren (13.03.2013 – 5 AZR 954/11 – Rn 54).
c. § 20 des Arbeitsvertrags verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie gibt insbesondere die Rechtslage zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zutreffend wieder. Sie erfasst keine Ansprüche, für die die Vereinbarung einer Ausschlussfrist verboten wäre.
aa. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender von Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB und von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners klar und verständlich darzustellen. Wegen der weitreichenden Folgen von Ausschlussfristen muss aus der Verfallklausel, wenn diese dem Transparenzgebot genügen soll, ersichtlich sein, welche Rechtsfolgen der Vertragspartner des Verwenders zu gewärtigen hat und was er zu tun hat, um deren Eintritt zu verhindern. Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, und die geeignet ist, dessen Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abzuhalten, benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (st. Rspr. BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/18 – Rn 35 mwN).
bb. Die streitgegenständliche Klausel ist nicht intransparent, obwohl sie Schadensersatzansprüche der in § 309 Nr. 7 (Haftung bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden) oder § 202 Abs. 1 BGB (Haftung wegen Vorsatz) erfassten Art nicht ausdrücklich ausnimmt. Denn bei diesen Schadensersatzansprüchen handelt es sich um außergewöhnliche, von den Vertragspartnern regelmäßig nicht für regelungsbedürftig gehaltene Fälle. Derartige Fälle sollen von der Klausel gar nicht umfasst werden (BAG 20.06.2013 – 8 AZR 280/12 – Rn 21). Bei der Vereinbarung einer Ausschlussfrist denken die Parteien eines Arbeitsvertrages vor allem an laufende Entgeltansprüche, also an Ansprüche des Arbeitnehmers, gegebenenfalls aber auch an Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlten Arbeitsentgelts, nicht aber an vertragliche oder deliktische Ansprüche wegen Personenschäden. Daher ist eine zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages vereinbarte Ausschlussfrist dahingehend auszulegen, dass sie nur die von den Parteien für regelungsbedürftig gehaltenen Fälle erfassen soll (BAG 20.06.2013- 8 AZR 280/12 – Rn 21, 22). Dazu zählen die in § 202 Abs. 1 und § 309 Nr. 7 BGB genannten Ansprüche nicht.
cc. Die Klausel ist nicht deshalb intransparent, weil sie entgegen § 3 Satz 1 MiLoG den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 MiLoG) aus ihrem Anwendungsbereich nicht ausnimmt. Denn § 3 Satz 1 MiLoG kommt im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung.
(1) Die Klausel umfasst sowohl vom Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck den gesetzlichen Mindestlohn. Er betrifft Entgelt für geleistete Arbeit und damit den Hauptanwendungsfall für Ausschlussfristen (BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/18 – Rn 40).
(2) Nach § 3 MiLoG sind Vereinbarungen, die die Geltendmachung des Mindestlohns beschränken oder ausschließen unwirksam. Hierunter fallen auch Vereinbarungen über Ausschlussfristen (BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/18 – Rn 37 mwN).
(3) Das MiLoG und damit auch § 3 MiLoG findet auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten jedoch keine Anwendung.
Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 MiLoG gehen die Regelungen des AEntG, des AÜG und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen den Regelungen des MiLoG vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlagen festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet. Der Vorrang zugunsten des Branchenmindestlohns ist umfassend. Insbesondere bleiben weiterhin – in den von § 9 Satz 3 AEntG gezogenen Grenzen – auch Ausschlussfristen möglich (Riechert/Nimmerjahn, AÜG, 2. Aufl., 2017, § 1 AÜG, Rn 218). Das vorliegende Leiharbeitsverhältnis unterfällt dem AÜG. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages waren nach § 3a AÜG Mindestlöhne für die Leiharbeitsbranche durch Rechtsverordnung festgesetzt. Diese unterschritten nicht den ab 01.01.2015 geltenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € brutto.
(4) Unabhängig davon käme § 3 Satz 1 MiLoG erst für Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn zur Anwendung, die ab 01.01.2015 entstanden sind. Der Arbeitsvertrag ist jedoch bereits im Oktober 2014 abgeschlossen worden. Zu diesem Zeitpunkt hat die vereinbarte Ausschlussfrist die Rechtslage nicht irreführend wiedergegeben.
Für die Prüfung der Transparenz einer in einem Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB gestellten oder als Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbarten Ausschlussfrist ist allein auf die Gesetzeslage bei Vertragsschluss abzustellen. Ist eine Klausel bei Vertragsschluss transparent, verliert sie ihre Wirksamkeit nicht, wenn spätere Gesetzesänderungen zu ihrer Intransparenz führen (BAG 18.09.2018 – 9 AZR – 162/18 Rn 42)
Das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG) ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie vom 11.08.2014 (Tarifautonomiestärkungsgesetz, BGBl. I S. 1348) eingeführt und am 16.08.2014, dem Tag nach seiner Verkündung (Art. 15 Abs. 1 Tarifautonomiestärkungsgesetz), in Kraft getreten, also vor Abschluss des Arbeitsvertrags. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn besteht allerdings erst seit dem 01.01.2015 (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG). Ob Intransparenz einer bereits zwischen dem 16.08.2014 und dem 31.12.2014 abgeschlossenen Ausschlussfristenregelung, die den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnimmt, anzunehmen ist, hat das BAG letztlich offengelassen (BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/18 – Rn 41). Dies ist jedoch mit der Argumentation des BAG zu verneinen.
Der den Schutz des Mindestlohnanspruchs bezweckende § 3 Satz 1 MiLoG setzt eine zeitliche Parallelität von arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltansprüchen einerseits und dem Mindestlohnanspruch andererseits voraus. Ein zeitliches Nebeneinander dieser Ansprüche war vor Geltung des gesetzlichen Mindestlohns ab dem 01.01.2015 ausgeschlossen. Deshalb hat die fehlende Ausnahme des gesetzlichen Mindestlohns für den Zeitraum ab dem 01.01.2015 die Teilunwirksamkeit der Ausschlussfristenregelung nach § 3 Satz 1 MiLoG zur Folge; für den Zeitraum bis zum 31.12.2014 steht § 3 Satz 1 MiLoG der Wirksamkeit der Ausschlussfrist nicht entgegen, denn die Norm setzt das Bestehen eines Mindestlohnanspruchs voraus (BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/18 – Rn 44).
dd. Die Klausel ist auch nicht deswegen intransparent, weil sie die Rechtslage in Bezug auf andere die Vereinbarung von Ausschlussfristen verbietende Vorschriften irreführend wiedergeben würde.
(1) Nach § 9 Satz 3 AEntG ist zwar die Vereinbarung von arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen für einen Anspruch auf Mindestentgelt nach § 8 AEntG verboten. § 8 AEntG und die auf ihn verweisenden §§ 13 und 13a AEntG verpflichten aber nur Arbeitgeber in den im AEntG geregelten Branchen, die nach dem AEntG per Rechtsverordnung nach §§ oder Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen festgesetzten Entgelte zu zahlen. Zwar erstreckt § 8 Abs. 3 AEntG diese Regelung auch auf Leiharbeitnehmer – aber nur, wenn sie vom Entleiher mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die in den Geltungsbereich eines solchen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages oder einer nach dem AEntG erlassenen Rechtsverordnung fallen.
Die Leiharbeitsbranche als solche ist nicht im AEntG oder in einer gemäß § 7a AEntG erlassenen Rechtsverordnung geregelt. Der Kläger ist als Mitarbeiter im Bereich Service Desk auch nicht mit Tätigkeiten in einer solchen dem AEntG unterfallenden Branche beschäftigt worden. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass dies zu irgendeinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen war.
(2) Nach § 4 Abs. 4 Satz 3 TVG ist zwar die Vereinbarung von arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte ausgeschlossen. Die vereinbarte Klausel umfasst ihrem Wortlaut nach auch tarifliche Ansprüche. Sie gibt aber die Rechtslage nicht irreführend wieder, da die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung wortgleich mit der tariflichen Ausschlussfristenregelung in § 16 MTV BAP/DGB ist. Im Übrigen käme § 4 Abs. 4 Satz 3 TVG nur bei beiderseitiger Tarifbindung zum Tragen (ErfK-Preis 19. Aufl., 2019, §§ 194 – 198 BGB, Rn 42). Dass beide Parteien Mitglied in der jeweiligen tarifschließenden Koalition sind, ist von den Parteien nicht behauptet und auch sonst nicht ersichtlich.
(3) Im AÜG oder den auf Grund von § 3a AÜG erlassenen Verordnungen zur Lohnuntergrenze ist keine Regelung enthalten, die – wie § 3 Satz 1 MiLoG oder § 9 Satz 3 AEntG – die arbeitsvertragliche Vereinbarung von Ausschlussfristen verbieten würde. Dem steht die Unabdingbarkeit des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG a.F. bzw. § 8 Abs. 1 AÜG nicht entgegen, weil Ausschlussfristen ausschließlich die Art und Weise der Durchsetzung eines entstandenen Anspruchs betreffen und nicht zu dessen Inhalt gehören (BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954 – Rn 36 für Equal-Pay-Ansprüche).
3. Die Ansprüche des Klägers – sollten sie denn entstanden sein – sind bis einschließlich Januar 2017 verfallen.
Die Ansprüche waren jeweils am Ende des Monats fällig (§ 6 Nr. 1 des Arbeitsvertrages). Die Frist von drei Monaten zur schriftlichen Geltendmachung begann somit am jeweils 01. des Folgemonats um 00.00 Uhr und endete am jeweiligen Monatsletzten des dem Folgemonat folgenden übernächsten Monats um 24.00 Uhr (§§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 BGB). Die Ansprüche für Januar 2017 wurden also am 28.02.2017 fällig. Die Ausschlussfrist endete am Dienstag, den 02.05.2015 (§ 193 BGB). Die Ausschlussfrist für Februar 2017 endete entsprechend am Mittwoch, den 31.05.2017. Der Kläger hat den Anspruch auf Gleichstellung erstmals schriftlich mit Schreiben vom 31.05.2017 geltend gemacht. Es ist davon auszugehen, dass dieses Schreiben noch am selben Tage der Beklagten zuging. Sie hat selbst behauptet, dass Ansprüche bis einschließlich Januar 2017 verfallen sind und nicht auch Februar. Außerdem ist auf dem Schreiben vermerkt „Vorab per Telefax“. Die Beklagte hat auch bereits mit Schreiben vom 02.06.2017 geantwortet.
C.
Der Kläger hat als unterlegener Rechtsmittelführer die Kosten der Berufung zu tragen, § 97 ZPO.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung für die streitgegenständlichen Monate Februar 2017 bis April 2017 zuzulassen, da die Ansprüche für diese Monate nicht verfallen sind (§ 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG).


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben