Arbeitsrecht

Anerkennung fünfjähriger Erfahrungszeit als ruhegehaltsfähige Vordienstzeit für das Patentamt und Patentgericht

Aktenzeichen  M 5 K 15.4450

Datum:
19.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG BeamtVG § 6, § 11
PatG PatG § 26 Abs. 3, § 65 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1 Da eine fünfjährige Erfahrungszeit im naturwissenschaftlich-technischen Bereich sowohl für technische Mitglieder des Deutschen Patentamtes (§ 26 Abs. 3 PatG) als auch für technische Mitglieder des Bundespatentgerichtes (§ 65 Abs. 2 S. 2 PatG) vorgeschrieben ist, ist diese Zeit als für die Übernahme in das Beamtenverhältnis notwendige Vordienstzeit nach § 11 Nr. 3 lit. a) BeamtVG ruhegehaltsfähig. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Erfolgt die Beschäftigung als Hochschulmitarbeiter nur in Teilzeit mit 50%, können von einer fünfjährigen Hochschultätigkeit nur zweieinhalb Jahre als ruhegehaltsfähig angerechnet werden (§ 6 Abs. 1 S. 3 BeamtVG), selbst wenn die Arbeit – der üblichen Praxis entsprechend – in Vollzeit ausgeübt wurde. Daneben besteht jedoch die Möglichkeit, die notwendige Vordienstzeit durch andere Tätigkeiten “aufzufüllen”. (Rn. 20 und 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 9. Oktober 2014 und des Widerspruchsbescheids vom 16. September 2015 wird die Beklagte verpflichtet, die Vordienstzeiten des Klägers im Umfang von fünf vollen Jahren als ruhegehaltfähige Dienstzeit anzuerkennen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Aufgrund des erklärten Einverständnisses der Beteiligten konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
2. Der Klageantrag ist gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Aufhebung des Bescheids vom 9. Oktober 2014 und des Widerspruchsbescheids vom 16. September 2015 begehrt wird. Bei der Stellung des Antrags, neben dem Widerspruchsbescheid den Bescheid vom 23. Juni 2015 aufzuheben, handelt es sich offensichtlich um ein Versehen, denn der Ausgangsbescheid datiert vom 9. Oktober 2014. Bei dem Schreiben der Beklagten vom 23. Juni 2015, das auch keine Rechtsbehelfsbelehrung:enthält, handelt es sich lediglich um eine Darstellung der Sach- und Rechtslage aus Sicht der Beklagten, die vor der Entscheidung über den Widerspruch vorgenommen werden sollte.
3. Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Anerkennung seiner zwischen dem 1. Januar 1979 und dem 30. Juni 1986 geleisteten Vordienstzeiten im Umfang von fünf vollen Jahren als ruhegehaltfähige Dienstzeit, Art. 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Bescheid vom 9. Oktober 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 16. September 2015 sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
a) Die Dienstzeit, die ein Beamter vom Tage seiner ersten Berufung in das Beamtenverhältnis an im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Beamtenverhältnis zurückgelegt hat, ist nach § 6 des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter des Bundes (Beamtenversorgungsgesetz – BeamtVG) ruhegehaltfähig. Daneben sieht das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen die Anerkennung weiterer Zeiten wie beispielsweise von Ausbildungszeiten oder nichtberufsmäßigen Wehrdienstzeiten als ruhegehaltfähig vor. So kann nach § 11 Nr. 3 lit. a) BeamtVG diejenige Zeit als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden, während der ein Beamter vor der Berufung in das Beamtenverhältnis auf wissenschaftlichem, künstlerischem, technischem oder wirtschaftlichem Gebiet besondere Fachkenntnisse erworben hat, die die notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung seines Amtes bilden, jedoch höchstens bis zur Hälfte und in der Regel nicht über zehn Jahre hinaus. Ausbildungszeiten können nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden, sofern es sich um eine praktische hauptberufliche Tätigkeit handelt, die für die Übernahme in das Beamtenverhältnis vorgeschrieben ist.
b) Der Kläger kann entsprechende für die Übernahme in das Beamtenverhältnis notwendige Vortätigkeiten im Umfang von fünf vollen Jahren vorweisen. § 26 Abs. 1 Patentgesetz (PatG) in der zum Zeitpunkt der Berufung des Klägers in das Beamtenverhältnis maßgeblichen Fassung sieht vor, dass das … neben rechtskundigen Mitgliedern aus technischen Mitgliedern besteht, die in einem Zweig der Technik sachverständig sein müssen. Nach Abs. 3 (in der bis 30.11.2007 gültigen Fassung: Abs. 2) soll als technisches Mitglied in der Regel nur angestellt werden, wer sich im Inland als ordentlicher Studierender einer Universität, einer technischen oder landwirtschaftlichen Hochschule oder einer Bergakademie dem Studium naturwissenschaftlicher und technischer Fächer gewidmet, dann eine staatliche oder akademische Abschlussprüfung bestanden, außerdem danach mindestens fünf Jahre hindurch praktisch gearbeitet hat und im Besitz der erforderlichen Rechtskenntnisse ist. Für die technischen Mitglieder am … verweist § 65 Abs. 2 Satz 2 PatG auf § 26 Abs. 3 PatG mit der Maßgabe, dass sie eine staatliche oder akademische Abschlussprüfung bestanden haben müssen. Damit ist Voraussetzung sowohl für die Berufung des Klägers in das Beamtenverhältnis am Deutschen … als auch für die Ernennung zum Richter kraft Auftrags am … gewesen, dass der Kläger fünf Jahre praktische Tätigkeit vorweisen kann.
Aufgrund der besonderen Situation der Hochschulmitarbeiter, die formal nur in Teilzeit angestellt, tatsächlich aber in Vollzeit beschäftigt wurden, wurde für die Berechnung der Zeiten im Sinne von § 26 Abs. 3 PatG die Hochschultätigkeit ohne Rücksicht auf eine Teilzeitbeschäftigung in vollem Umfang anerkannt. Diese Handhabung wird ersichtlich aus dem von der Klägerseite vorgelegten Schreiben des Präsidenten des … vom 25. August 2006. Demnach „besteht und bestand speziell im Hochschulbereich“ eine Ausnahme vom Grundsatz, dass der erforderliche Fünfjahreszeitraum „voll“ erfüllt sein muss und nicht lediglich durch Teilzeitbeschäftigungen.
Allerdings lässt sich dem Schreiben weiterhin entnehmen, dass diese Ausnahmeregelung ausschließlich für die Erfüllung der Zugangsvoraussetzungen zum … gelte; für die Anwendung des Beamtenversorgungsgesetzes sei dagegen § 6 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG zu beachten, sodass bei fünf Jahren Teilzeit mit 50% nur zweieinhalb Jahre angerechnet werden könnten. Dies bedeute im Umkehrschluss jedoch, dass weitere zweieinhalb Jahre Tätigkeit nach § 26 Abs. 3 PatG anerkannt werden könnten, sofern noch Zeiten hiervon vorhanden seien. Insoweit gelten die Regelungen des Beamtenversorgungsgesetzes ohne Einschränkung, d.h. es sind die formalen Anstellungsbedingungen zu berücksichtigen. Auch wenn Tätigkeiten im universitären Bereich aufgrund der Vertragsgestaltung nur in dem dem Teilzeitanteil entsprechenden Bestandteil als ruhegehaltfähige Dienstzeit zu berücksichtigen sind (§ 6 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG), können noch weitere Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes im Einzelfall dazu führen, dass die fünfjährige Erfahrungszeit durch diese Tätigkeiten ergänzt („aufgefüllt“) werden kann.
Das trifft auf den Kläger zu, da dieser neben seiner Teilzeittätigkeit an der Hochschule weitere Tätigkeiten vorweisen kann. So ist auch seine Beschäftigung als Entwicklungsingenieur bei der Firma S. zu berücksichtigen. Die Argumentation der Beklagten, diese Zeiten außer Acht zu lassen, wird dem Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung nicht gerecht. Denn die Handhabung, dass Teilzeittätigkeiten im Hochschulbereich ausnahmsweise voll anerkannt werden, soll den Betreffenden zu Gute kommen und die (benachteiligende) Realität von Doktorandenarbeitsverträgen an Hochschulen würdigen. Diesem Schutzzweck würde es zuwider laufen, die Regelung im Bereich des Versorgungsrechts nun zu Lasten der Beamten heranzuziehen. Es verbleibt vielmehr bei der allgemeinen Regelung und der Möglichkeit des „Auffüllens“. Eine Kongruenz in dem Sinn, dass nur die Zeiten als ruhegehaltfähig anzurechnen wären, die im Rahmen des § 26 Abs. 3 PatG bei der Anstellung zu berücksichtigen sind, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Auch Sinn und Zweck der Regelungen des Beamtenversorgungsrechts stehen dem nicht entgegen. Es wäre nicht sachgerecht, die in mehr als ausreichendem Umfang geleisteten vordienstlichen Tätigkeiten zum Nachteil des Beamten auszublenden. Sie sind vielmehr in die Betrachtung mit einzubeziehen und nach § 11 Nr. 3 lit. a) BeamtVG als Zeit zu berücksichtigen, während der der Beamte auf wissenschaftlichem, künstlerischem, technischem oder wirtschaftlichem Gebiet besondere Fachkenntnisse erworben hat, die die notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung seines Amtes bilden. Denn diese waren entgegen der Auffassung der Beklagten nicht lediglich nützlich, sondern erforderlich. Auch nach Sinn und Zweck der Regelung des § 11 Nr. 3 lit. a) BeamtVG ist es gerechtfertigt, die Zeit bei der Firma S. als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen. Denn sie dient dem Erwerb praktischer Erfahrungen außerhalb des öffentlichen Dienstes.
Im Übrigen wird eine Rente aus einem privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnis auf die Versorgungsbezüge angerechnet.
c) Soweit der Beklagten bei der Anerkennung ein Ermessen zusteht, war dieses vorliegend auf Null reduziert. Denn es sind keine Umstände vorgetragen noch ersichtlich, aus welchen Gründen von einer Anerkennung der Vortätigkeiten abzusehen sein sollte.
4. Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
5. Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.


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