Arbeitsrecht

Anlage, Verkauf, Vertrag, Abmahnung, Handelsvertreter, Dauer, Vertrieb, Teilurteil, Pflichtverletzung, Mitteilung, unterlassen, Form, Schriftsatz, Feststellungsantrag, Bundesrepublik Deutschland

Aktenzeichen  14 HK O 570/20

Datum:
9.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 56345
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis auf Basis des „Internationalen Agenturvertrages“ vom 15.12.2009 nebst den hier zu vereinbarten Nachträgen vom 28.09.2010 und 18.12.2017 sowie 20.06.2019 bis zum Ablauf des 31.12.2020 mit der Maßgabe fortbesteht, dass die Beklagte neben der Klägerin keine weiteren Vertriebsvermittler für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bestellen darf.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

Die zulässige Klage war im ausgeurteilten Teil voll erfolgreich.
Der Vertrag zwischen den Parteien ist weder durch die ordentliche Kündigung vom 31.07.2019 noch durch die außerordentliche Kündigung vom 27.12.2019 beendet worden.
1. Der Beklagtenseite waren keine Schriftsatzfristen mehr zu gewähren, soweit für das Teilurteil maßgeblich, da die weiteren Schriftsätze der Klägerseite insoweit keinen neuen über den in der Verhandlung oder zwischen den Parteien unstreitigen Papieren und Inhalt der Vertragsklauseln Streit bestand, viel mehr bestehen die Divergenzen insoweit lediglich in rechtlicher Hinsicht.
2. Einer ordentlichen Kündigung am 31.07.2019 stand entgegen die Nachtragsregelung vom 18.12.2017. Dort wurde eine Fixlaufzeit bis jedenfalls 31.12.2020 zwischen den Parteien festgeschrieben und vereinbart. Der Ansicht der Beklagtenseite, dass die ordentliche Kündigung binnen 6 Monaten weiterhin aus der Ziffer 17.2 fortgelte, kann nicht gefolgt werden.
Zum einen spricht schon die klare Aussage, dass der Vertrag bis Ende 2020 andauern solle, rein vom Wortlaut her gegen eine Fortgeltung dieser 6-monatigen Kündigungsmöglichkeit.
Dies wird noch deutlich unterstrichen dadurch, dass die Parteien eine Pflicht zur Verhandlung bis zum 30.06.2020 fest schrieben und auch dabei regelten, dass wenn es bis zum 30.06.2020 nicht zu einem solchen Besprechungstermin gekommen sei, der Vertrag sich auf unbestimmte Zeit verlängern würde.
Nur in diesem Zusammenhang macht die Fortgeltung der 6-monatigen Kündigungsmöglichkeit Sinn, eben zeitlich nachgelagerten nach dem 31.12.2020.
Insoweit weist das Gericht auch darauf hin, dass eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit mutmaßlich erst zum 30.06.2021 möglich ist, weil zuvor die Festlaufzeit des Vertrages bis zum 31.12.2020 gilt.
Da die Klägerseite jedoch den Feststellungsantrag nur bis zum 31.12.2020 stellte, kann gem. § 308 ZPO hierüber nicht weiter entschieden werden.
3. Der Vertrag ist auch nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagtenseite vom 27.12.2019 beendet worden.
a) Die außerordentliche Kündigung durch den anwaltlichen Vertreter der Beklagten … (vgl. Anlage B 25) war bereits formunwirksam.
Der zwischen den Parteien geltende Vertrag Anlage K 1 enthielt in Ziffer 19.1 eine Formvorschrift für den Ausspruch außerordentliche Kündigungen „die auf eine Weise erfolgen muss, die den Beleg und das Datum des Erhalts der Mitteilung gewährleistet“ (so die Klausel 19.1).
Die anwaltliche Erklärung wurde zum einen übersandt per Telefax gemäß der Kopie Anlage B 25 und dann, da kein weiterer Vermerk erkennbar ist, durch normale Post. Soweit die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung behauptet, dass Botenüberbringung unstreitig zwischen den Parteien sei, ist schon ein solcher Sachvortrag der Beklagten in den bisherigen Schriftsätzen nicht zu entnehmen. Die Klägerseite äußerte sich im Schriftsatz vom 11.02.2020 nicht zu den Modalitäten des Empfangs dieser außerordentlichen Kündigung. Die Beklagte äußerte sich zur Form der außerordentlichen Kündigung in ihrer Klageerwiderung gemäß Bl. 29 und 30 des Schriftsatzes vom 14.02.2020 nicht näher zu den Modalitäten der außerordenltichen Kündigung, sondern verwies nur auf den Text der außerordentlichen Kündigung Anlage B 25 vom 27.12.2019, die am selben Tag der Klägerin zugegangen sei.
Weiter äußert die Klägerseite auf Bl. 59 der Akte unten (S. 30 der Klageerwiderung), dass die außerordentliche Kündigung der Klägerin per E-Mail am selben Tag zugegangen sei. Eine solche Form der außerordentlichen Kündigungserklärung verstößt gegen die zwischen den Parteien hierfür geltende Formvorschrift des § 19 Ziffer 2 des Agenturvertrags Anlage K 1, weil eben Weg und Datum des Erhalts nicht beweissicher festgehalten werden. Ein Vortrag der Beklagten oder der Klägerseite, dass per Boten der Klägerseite die Kündigung zugegangen sei, war schriftsätzlich entgegen der Behauptung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht erfolgt.
b) Die außerordentliche Kündigung wäre im übrigen auch inhaltlich unwirksam.
Sie stützt sich auf ein angeblich geschäftsschädigendes Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin während des Meetings mit dem Kunden … am 18.12.2019.
Dabei habe sich die Klägerin nicht eingebracht, sondern unbeteiligt gegeben, habe zu Boden geschaut, die Fingernägel gereinigt und gerülpst. Neue Produkte und Konzepte, die die Beklagtenseite vorstellte, hätte die Klägerseite nicht unterstützt, sondern Zweifel gesät. Die Klägerin habe zudem die Äußerung getätigt, dass die Beklagte nicht selbst Warenmuster schicken dürfe, sondern dies über ihre Firma gehen müsse.
Diesen Gedanken einmal als wahr und geschehen unterstellt, würden nicht ausreichen, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es die Beklagte selbst ist, die zum Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung vom 27.12.2019 in erheblicher Weise gegen ihre Vertragspflichten aus den zwischen den Parteien geltenden Vertrag verstoßen hat, indem sie unwirksam ordentlich gekündigt hat und Verhandlungen mit neuen Vertriebspartnern aufgenommen hat, im vorliegenden Fall mit der … in Norderstedt.
Aufgrund der Exclusivitätsklausel war der Beklagtenseite versagt, solche Verhandlungen überhaupt zu führen. Denn die Vertragsdauer war noch über 1 Jahr zwischen den Parteien gültig.
Dass bei der massiven Pflichtverletzung der Beklagten gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen die Klägerseite darauf hingewiesen haben soll, dass Warenmuster nur über sie selbst verschickt werden dürften, entsprach angesichts des alleinigen Vertriebsrechts der Klägerin der zwischen den Parteien immer noch gültigen Vertragslage.
Dass die Klägerin sich nicht aktiv in dem Kundenmeeting eingebracht habe, sondern sich unbeteiligt gegeben habe, ist der Beklagten angesichts des eigenen Pflichtenverstoßes durch die unwirksame ordentliche Kündigung zuzuschreiben und nachvolllziehbar, stellt keinen außerordentlichen Kündigungsgrund dar.
Dass das „Zu-Boden-schauen“ in Anwesenheit eines Kunden einen außerordentlichen Kündigungsgrund darstellen soll, ist dem Gericht nicht nachvollziehbar. Das angebliche Reinigen der Fingernägel wurde im Ablauf nicht näher geschildert und schon deshalb einer rechtlichen Würdigung zugunsten der Beklagten nicht zugänglich.
Inwieweit ein angebliches Rülpsen versehentlich oder absichtlich geschehen ist – wenn überhaupt – führt ebenfalls dazu, dass ein außerordentlichen Kündigungsgrund auch angesichts der seit August andauernden Vertragsverletzungen der Beklagten nicht als außerordentlicher Kündigungsgrund angesehen werden kann, da er schon nicht ausreichend genug geschildert wurde in seiner „Begehensweise“.
4. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.


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