Arbeitsrecht

Anspruch auf Lebenszeitprofessur nach Professur auf Zeit – Tenure-Track-Modell

Aktenzeichen  7 ZB 15.2028

Datum:
16.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 50812
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHSchPG Art. 8
GG Art. 33 Abs. 5
AGG § 15, § 24 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Die Berufung von Professoren nach dem sog. Tenure-Track-Modell in ein Beamtenverhältnis auf Zeit ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Zwar gehört das Lebenszeitprinzip zu den hergebrachten Grundsätzen des Beamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), hiervon gab es aber sei jeher – auch im Hochschulbereich – begründete Ausnahmen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch vor dem Hintergrund der Wissenschaftsfreiheit ist es geboten, die (fachliche) Eignung eines Professors vor der Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu überprüfen. (redaktioneller Leitsatz)
3 Aus einer behaupteten mittelbaren Diskriminierung auf Grund des Alters können sich nur Ansprüche auf Entschädigung (§ 15 AGG), nicht aber auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses ergeben. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 K 14.1137 2015-06-25 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 69.675,08 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger, der nach dem sog. „Tenure-Track-Modell“ mit Wirkung vom 1. April 2008 unter Ernennung in einem Beamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer von sechs Jahren zum Universitätsprofessor der Besoldungsgruppe W2 an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) berufen worden war, begehrt die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Der Beklagte hat die von ihm erstrebte Umwandlung seines Beamtenverhältnisses in ein solches auf Lebenszeit mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe sich nicht in der erforderlichen Weise bewährt.
Seine dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei die Regelung des Art. 8 Abs. 2 des Bayerischen Hochschulpersonalgesetzes (BayHSchPG) verfassungsgemäß und die Würdigung der (mangelnden) Eignung des Klägers durch die LMU rechtlich nicht zu beanstanden.
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens macht er sinngemäß im Wesentlichen geltend, die Regelung des Art. 8 Abs. 2 BayHSchPG, wonach Professoren und Professorinnen für die Dauer von sechs Jahren im Beamtenverhältnis auf Zeit ernannt werden können, verstoße insbesondere gegen Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG) und das dort verankerte Lebenszeitprinzip des Berufsbeamtentums. Das durchgeführte Evaluationsverfahren zur Verstetigung seiner Professur begegne nicht nur vor dem Hintergrund der geltenden Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre rechtlichen Bedenken, sondern sei auch im Ergebnis fehlerhaft. Im Übrigen stelle das Vorgehen der Universität eine – nach den Vorschriften des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) verbotene – Altersdiskriminierung dar.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die sehr ausführlichen Gründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils und sieht gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO von einer weiteren Begründung ab. Lediglich zusammenfassend und ergänzend ist folgendes zu bemerken:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die gewünschte Verbeamtung auf Lebenszeit. Denn er ist zwar – in rechtlich zulässiger Weise – mit der Aussicht auf eine Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Beamten auf Zeit ernannt worden (vgl. Art. 8 Abs. 2 Satz 1 BayHSchPG), hat sich aber – wie die LMU nachvollziehbar dargelegt und begründet hat – hinsichtlich der Umwandlung seines Beamtenverhältnisses in ein solches auf Lebenszeit nicht in der erforderlichen Weise bewährt (vgl. Art. 8 Abs. 2 Satz 6 BayHSchPG).
a) Die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers teilt der Senat weder im Hinblick auf die Regelung des Art. 8 Abs. 2 Satz 1 BayHSchPG, noch bezüglich des Rechtsinstituts des Beamtenverhältnisses auf Zeit im Allgemeinen. Maßgeblich dafür sind folgende Erwägungen:
Der Kläger ist zum 1. April 2008 im Rahmen des (bei der LMU seit längerem üblichen) sog. Tenure-Track-Modells zum Professor der Besoldungsgruppe W2 berufen und auf die Dauer von sechs Jahren, mithin auf Zeit, verbeamtet worden. Dieses „Verfahren zur Anstellung“ oder auch „der Pfad zur Daueranstellung“ ist aus dem amerikanischen Hochschulwesen entlehnt und beschreibt ein Vorgehen in der akademischen Laufbahn an Universitäten und Hochschulen. Tenure-Track bedeutet hierbei die Chance, nach einer befristeten Bewährungszeit eine Lebenszeitprofessur (bzw. Stelle auf Lebenszeit) zu erhalten (Wikipedia, die freie Enzyklopädie). Ob der Kläger in diesem Zusammenhang, wie er meint, den erforderlichen Nachweis seiner Bewährung nicht als Beamter auf Zeit, sondern in einem Beamtenverhältnis auf Probe hätte erbringen können oder müssen, bedarf schon deshalb keiner weiteren rechtlichen Erörterung, weil seine förmliche Ernennung zu einem Beamten auf Zeit, um die er sich aufgrund insoweit eindeutiger Ausschreibung (Bl. 303 der vorgelegten Personalakte) selbst beworben hatte, seit langem bestandskräftig ist.
Die sonach erfolgte Ernennung zum Beamten auf Zeit ist entgegen der Auffassung des Klägers verfassungsrechtlich unbedenklich. Zwar gehört u. a. das Lebenszeitprinzip zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG, weswegen das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit auch einfachgesetzlich stets die Regel bildet (vgl. z. B. § 3 Abs. 1 Satz 2 des bis zum 31. März 2009 gültigen Beamtenrechtsrahmengesetzes – BRRG, heute: § 4 Abs. 1 Satz 2 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG, vgl. auch Art. 8 BayHSchPG). Ausnahmen von diesem Prinzip gab es indes auch schon immer: So hat es seit jeher den Typus des Beamten auf Zeit gegeben (vgl. §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 95 BRRG, § 4 Abs. 2 BeamtStG, vgl. auch: BVerfG B. v. 28.5.2008 – 2 BVL 11/07 – juris), der sich insbesondere bei den kommunalen Wahlbeamten, den sog. politischen Beamten oder – aus wissenschaftlichen oder künstlerischen Gründen – im Hochschulbereich (vgl. BayVerfGH E.v. 24.10.2004 – Vf. 15-VII-01 – juris Rn. 90) findet. Vor diesem Hintergrund ist die landesgesetzliche Regelung in Art. 8 Abs. 2 Satz 1 BayHSchPG, wonach – ausgehend von der in Abs. 1 aufgestellten Regel, Professoren und Professorinnen zu Beamten und Beamtinnen auf Lebenszeit zu ernennen – diese auch für die Dauer von bis zu sechs Jahren im Beamtenverhältnis auf Zeit ernannt werden können, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Nichts anderes ergibt sich aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Mai 2008 (Az. 2 BVL 11/07), mit dem eine Regelung des nordrhein-westfälischen Landesbeamtengesetzes für verfassungswidrig erklärt wurde. Dort war – bereits in einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit stehenden – Beamten bzw. Beamtinnen zum wiederholten Male ein (Beförderungs-)Amt mit leitender Funktion im Beamtenverhältnis auf Zeit übertragen worden. Die Situation dieser Beamtinnen oder Beamten ist mit der des Klägers, der vor seiner Ernennung zum Beamten auf Zeit in keinem Beamtenverhältnis zum Beklagten stand, erkennbar nicht vergleichbar. Dabei verkennt der Senat nicht, dass selbstverständlich auch die Situation des Klägers mit persönlichen Härten verbunden ist. Anders als in den der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegenden Fällen ist jedoch die „Verstetigung“ der Professur des Klägers bzw. die Umwandlung seines Beamtenverhältnisses nicht aufgrund einer (verfassungs-)rechtlich verfehlten, allgemeinen beamtenrechtlichen Regelung, sondern aufgrund der individuellen und negativen Würdigung seiner fachlichen, pädagogischen und persönlichen Eignung als Professor durch die Hochschulleitung (vgl. Art. 8 Abs. 2 Satz 6 BayHSchPG) unterblieben. In diesem Zusammenhang unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln, dass vor Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit eine derartige Prüfung auch vor dem Hintergrund von Art. 5 Abs. 3 GG nicht nur möglich, sondern – gerade auch im Interesse der Allgemeinheit – geboten ist. Soweit der Kläger darüber hinaus an seiner Auffassung festhält, die Würdigung seiner – insbesondere fachlichen – Leistungen durch die Hochschulleitung sei fehlerhaft, hat sich das Verwaltungsgericht auf Seiten 27 bis 36 des angefochtenen Urteils bereits ausführlich mit seinen diesbezüglichen Einwänden befasst. Im Übrigen setzt der Kläger, soweit er die von ihm erbrachten Leistungen als deutlich besser bewertet, lediglich seine eigene Einschätzung an Stelle derjenigen der zu dieser Beurteilung gemäß Art. 8 Abs. 2 Satz 6 BayHSchPG berufenen Hochschulleitung.
b) Soweit der am 26. Juni 1961 geborene Kläger im Zulassungsverfahren erstmals geltend macht, in dem Vorgehen der LMU liege auch eine sowohl europarechtlich, als auch nach den Vorschriften des AGG verbotene Diskriminierung aufgrund seines Alters, verhilft dies seinem Zulassungsbegehren ebenfalls nicht zum Erfolg. Denn unabhängig von der Frage, ob die behauptete mittelbare Diskriminierung tatsächlich vorliegt, richten sich Ansprüche auf eine Kompensation nach § 15 AGG, das gemäß § 24 Nr. 1 AGG auch für den Bereich des öffentlichen Dienstes gilt, stets auf Entschädigung oder Schadensersatz. Ein Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg (§ 15 Abs. 6 AGG) besteht nicht. Die Vorstellung des Klägers, sein Beamtenverhältnis auf Zeit sei ohne weitere förmliche Ernennung durch schlichten Wegfall der Befristung in ein solches auf Lebenszeit „umzuwandeln“, findet im Gesetz keinerlei Stütze.
2. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, ist der Sachverhalt vorliegend geklärt und die aufgeworfenen rechtlichen Fragen sind ohne weiteres anhand des Gesetzes zu klären. Eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten kommt daher nicht in Betracht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG i. V. m. Nr. 10.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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