Arbeitsrecht

Arbeitsaufnahme vor Unterschrift unter einen schriftlichen Arbeitsvertrag

Aktenzeichen  3 Sa 205/19

Datum:
10.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 33917
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 154 Abs. 2, § 241 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Gemäß § 154 Abs. 2 BGB ist ein Vertrag im Zweifel bis zu seiner Beurkundung nicht geschlossen, wenn eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden ist, die Beurkundung also nicht nur der Beweiserleichterung dienen, sondern Voraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrags sein soll; für diese Ausnahme trägt der die Beweislast, der sich hierauf beruft (hier die Arbeitnehmerin). (Rn. 25 – 29) (red. LS Ulf Kortstock)
2. Die Übersendung eines vom Arbeitgeber nicht unterschriebenen Vertragstextes an den Arbeitnehmer mit Bitte um Unterschrift und dem Hinweis, dass die Gegenzeichnung durch den Arbeitgeber erst dann erfolgen soll, kann auch dann nicht als verbindliches Vertragsangebot ausgelegt werden, wenn der Text nicht als “Entwurf” gekennzeichnet ist. (Rn. 30 – 32) (red. LS Ulf Kortstock)

Verfahrensgang

18 Ca 1031/18 2019-03-26 Urt ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 26.03.2019 – 18 Ca 1031/18 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die nach § 64 Abs. 2c) ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520, 222 Abs. 2 ZPO, und damit zulässig.
Der Zulässigkeit der Berufung steht insbesondere nicht gegen, dass die Berufung bereits nach Verkündung, aber vor Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils eingelegt worden ist (vgl. BAG, Urteil vom 06.03.2003- 2 AZR 596/02 – unter II.1.b) der Gründe m.w.N.).
II.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht München hat zu Recht entschieden, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsvertrag mit dem Inhalt, wie er in dem übersandten, nicht unterzeichneten Arbeitsvertrag vom 18.07.2018 gemäß Schreiben der Beklagten vom 19.07.2018 dokumentiert ist, zustande gekommen ist. Soweit sich das Arbeitsgericht zur Begründung seiner Entscheidung auf § 154 Abs. 2 BGB gestützt hat, schließt sich das LAG dieser Begründung ausdrücklich an und nimmt auf sie gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug. Die Berufungsangriffe der Klägerin veranlassen zudem nachfolgende Ausführungen: 1) Ein Arbeitsvertrag ist mangels verabredeter Schriftform nicht geschlossen worden, § 154 Abs. 2 BGB.
a) Nach der gesetzlichen Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB ist ein Vertrag im Zweifel bis zu seiner Beurkundung nicht geschlossen, wenn eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden ist. Die Beurkundungsabrede im Sinne des § 154 Abs. 2 BGB, die auch Schriftformvereinbarungen umfasst, liegt vor, wenn die Beurkundung Voraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrags sein und nicht bloß Beweiszwecken dienen soll (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 14.02.2017 – 10 U 107/16 – Rn. 55). Sie bedarf ihrerseits keiner bestimmten Form und ist deshalb auch durch schlüssiges Verhalten möglich (vgl. MünchKomm, BGB/Busche, 8. Aufl. 2018, § 154 Rn. 12 m.w.N.), etwa durch Austausch von schriftlichen Entwürfen oder durch Herstellung einer Vertragsurkunde (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Auflage 2019, § 154 Rn. 4). Für den Willen der Parteien, eine Beurkundung nur zu Beweiszwecken zu vereinbaren, müssen konkrete Anhaltspunkt vorliegen. Nach der gesetzlichen Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB ist im Zweifelsfall von der Konstitutivität der Beurkundung auszugehen. Deshalb trägt bei unstreitiger Formabrede derjenige, der geltend macht, die Beurkundung solle nur Beweiszwecken dienen, die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BAG, Urteil vom 16.01.1997 – 2 AZR 35/96 – II.3.b) der Gründe; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.11.2006 – 5 Sa 142/05 – unter B. II.2.b) aa) der Gründe; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.07.2017 – 5 Sa 252/16 – Rn. 48 m.w.N.). Sind solche besonderen Anhaltspunkte nicht von der Partei, die sich auf die lediglich deklaratorische Beurkundung beruft, vorgetragen und bewiesen, oder sind solche Anhaltspunkte nicht ersichtlich, bleibt es bei der Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 16.01.1997 – 2 AZR 35/96 – unter II.3.d der Gründe).
b) Danach ist ein Arbeitsvertrag zwischen den Parteien nicht geschlossen worden.
Die Klägerin trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Beurkundung nur Beweiszwecken dienen sollte. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass ein Arbeitsvertrag schriftlich geschlossen werden sollte. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht erklärt, sie selbst habe im Gespräch im Juni 2018 gesagt, dass ihr der Arbeitsvertrag zugeschickt werden könne, und sie habe gewusst, dass der Arbeitsvertrag von der Personalabteilung komme. Diese Kenntnis habe sie deshalb gehabt, weil sie bereits früher zweimal innerhalb der D.-Gruppe gewechselt sei.
Im Anschluss an die vorstehenden Ausführungen wäre es deshalb Sache der Klägerin gewesen, darzulegen und ggf. unter Beweis zu stellen, dass die verabredete Schriftform nur Beweiszwecken dienen sollte. Hierfür hat die Klägerin indessen keine Anhaltspunkte vorgetragen. Das von ihr beschriebene Procedere bei Neueinstellungen von Mitarbeitern, die nicht innerhalb des D.-Konzerns arbeiten, trifft auf den hier streitigen Sachverhalt nicht zu. Es würde jedoch den Grundsatz „Arbeitsaufnahme nur bei Vorliegen eines schriftlichen Vertrags“ bestätigen, weil auch in diesen Fällen nach Angaben der Klägerin zunächst schriftliche Vorverträge abgeschlossen werden, die die Essentialia des Arbeitsverhältnisses beinhalten, auch wenn der eigentliche Arbeitsvertrag erst zu einem späteren Zeitpunkt unterschrieben wird. Je nach vertraglicher Ausgestaltung des Vorvertrags könnte es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommen, würden sich die Parteien auf die endgültige Fassung des Arbeitsvertrags nicht einigen können. Vor allem aber trägt die Klägerin keine Anhaltspunkte aus ihren früheren Wechseln innerhalb der D.-Gruppe vor, die belegen würden, dass bereits durch die Telefonate der Klägerin mit den Herren F. und G. eine rechtlich bindende Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses zustande kommen sollte.
2) Es kein Arbeitsvertrag durch Übersendung des Arbeitsvertragsformulars mit Schreiben der Personalabteilung der Beklagten vom 19.07.2018 und Annahme dieses Angebots durch die Klägerin jedenfalls durch Schreiben vom 07.08. bzw. 13.08.2018 zustande gekommen.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass die Klägerin aufgrund des Schreibens vom 19.07.2019 nicht davon ausgehen konnte, dass bereits eine verbindliche Willenserklärung durch die Beklagte abgegeben worden sei. Zwar werden in diesem Schreiben die beigefügten, nicht unterzeichneten Arbeitsvertragsformulare nicht als „Entwurf“ bezeichnet. Dies war aber auch nicht erforderlich. Aus dem Text des Anschreibens ergibt sich, dass die Gegenzeichnung durch die Beklagte erst nach Unterschrift durch die Klägerin erfolgen sollte. Mangels Unterschrift der Beklagte lag keine rechtlich bindende Erklärung der Beklagten vor. Dieser Auslegung des Schreibens vom 19.07.2018 steht der Abschlusssatz nicht entgegen, wonach sich die Beklagte auf die weitere Mitarbeit der Klägerin im Hause freute und ihr für die neue Tätigkeit viel Erfolg wünschte. Zum einen ging die Beklagte auch ausweislich ihrer E-Mails vom 18.07.2018 davon aus, dass die Klägerin gemäß den Vereinbarungen des Arbeitsvertragsformulars zum 01.08.2018 ihre Tätigkeit bei der Beklagten aufnehmen würde. Zum anderen ist dieser Schlusssatz eine Höflichkeitsfloskel, die den anderslautenden Inhalt des voranstehenden Satzes nicht aushebeln kann.
Nachdem mit dem Schreiben der Beklagten vom 19.07.2018 noch keine verbindliche Willenserklärung durch die Beklagte vorlag, hätte die Klägerin durch Übersendung des nunmehr unterschriebenen Arbeitsvertragsformulars mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 07.08.2018 ein Vertragsangebot gegenüber der Beklagten abgegeben, das die Beklagte jedoch unstreitig nicht angenommen hat.
3) Die Beklagte ist schließlich nicht im Wege des Schadensersatzes nach §§ 280 Abs. 1, 276, 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, einen Arbeitsvertrag mit der Klägerin abzuschließen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, welche Rücksichtnahmepflicht die Beklagte ihr gegenüber verletzt haben soll. Die Beklagte hat der Klägerin ein zu unterschreibendes Arbeitsvertragsformular übersandt, dass nach ihrer Auffassung die Essentialia, auf die sich die Parteien mündlich geeinigt hatten, enthielt. Es war die Klägerin, die ausweislich ihrer EMail vom 20.07.2018 eine Abweichung festzustellen meinte, obwohl auch nach ihrer Meinung über die Entgeltgruppen nicht gesprochen worden war. Jedenfalls nach schriftlicher Erklärung durch E-Mail des Herrn F. vom 20.07.2018 und nochmaliger mündlicher Erklärung im Gespräch am 23.08.2018 hätte die Klägerin die Arbeitsvertragsformulare vom 18.07.2018 unterzeichnen können und die Frage der zutreffenden Eingruppierung nach REGA ggf. gerichtlich klären können. Die Beklagte hat die Klägerin auch nicht dazu verleitet, ihr Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber bereits durch Kündigungsschreiben vom 02.07.2018 zu beenden. Die Kündigung ging allein auf Initiative der Klägerin zurück, ohne dass sie dargelegt hätte, dass auch bei ihren früheren Wechseln eine Eigenkündigung erfordert worden wäre, ohne dass bereits ein Arbeitsvertrag mit der zukünftigen Arbeitgeberin geschlossen worden wäre.
III.
Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Es bestand kein Grund, die Revision zum BAG zuzulassen, § 72 Abs. 2 ArbGG.


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