Arbeitsrecht

Arbeitsvertrag, Arbeitnehmer, Auslegung, Tarifbindung, Weihnachtsgeld, Arbeitsbedingungen, Berufung, Rufbereitschaft, Berechnung, Forderung, Rechtsmittel, Zulagen, Berufungsverfahren, Geltendmachung, lex specialis, beiderseitiger Tarifbindung

Aktenzeichen  8 Ca 501/19

Datum:
21.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45360
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, 30,- Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.12.2018 an die Klägerin zu bezahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 30,- Euro festgesetzt.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

A.
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 30,00 € brutto als Weihnachtsgeld 2018 aus § 17 Ziffer 1 Satz 1 MTV zu.
1. Gemäß § 17 Ziffer 1 Satz 1 MTV sind die regelmäßig wiederkehrenden Zulagen bei der Berechnung des Weihnachtsgeldes zu berücksichtigen. Nach Satz 2 bleiben die sonstigen Vergütungen „z. B. §§ 13, 14 MTV“, unberücksichtigt. Der Klägerin wird wegen ihrer Qualifikation regelmäßig die Nephrologie-Zulage gezahlt, deren Rechtsgrundlage in § 13 Ziffer 9 MTV geregelt ist. Angesichts dieses Widerspruchs in § 17 Ziffer 1 Satz 1 und 2 MTV ist der wirkliche Wille der normativen Regelung durch Auslegung zu ermitteln.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages dem für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dies Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfrei Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil vom 22.04.2010, 6 AZR 962/08, NZA 2011, 1293 Rn. 17).
2. Die 8. Kammer des Arbeitsgerichtes Augsburg schließt sich der Entscheidung der 54. Kammer des Arbeitsgerichtes D-Stadt vom 26.08.2019, AZ 54 Ca 4990/19 (derzeit Berufungsverfahren beim LAG D-Stadt-Brandenburg) an. Auf die dortige Begründung, die den Parteien bekannt ist, wird verwiesen.
Ergänzend: Nach § 17 MTV ist entscheidend, dass „regelmäßig wiederkehrende Zulagen“ hinzugerechnet werden; „sonstige Vergütungen bleiben unberücksichtigt“. Beide Sätze regeln im „Zusammenspiel“, welche tariflichen Zahlungen beim Weihnachtsgeld erfasst sein sollen und welche nicht. Ohne Klammerzusatz ist das Ergebnis eindeutig, da die Nephrologie-Zulage eine regelmäßig wiederkehrende Zulage ist (so auch Arbeitsgereicht D-Stadt, Urteil vom 31.07.2019, AZ 55 Ca 4991/19). Der Klammerzusatz wiederum alleine („z. B. §§ 13,14 MTV“) ergebe gar keinen Sinn. Es handelt sich damit lediglich um eine Beispielaufzählung, um deutlich zu machen – vgl. auch die Überschriften der §§ 13, 14 MTV – was unter sonstigen Vergütungen verstanden werden kann.
Das vom Beklagten gewünschte Ergebnis hätte dagegen auch eindeutig geregelt werden können; nämlich „Die in §§ 13, 14 MTV aufgeführten sonstigen Vergütungen bleiben unberücksichtigt“. Nur in diesem Fall würde es sich um eine speziellere Norm handeln.
Im Übrigen bleibt es den Tarifvertragsparteien unbenommen, entsprechend § 31 Ziffer 6 MTV in § 13 Ziffer 9 MTV zu regeln, ob die Zulage hinzugerechnet wird oder nicht. Ohne eindeutige Regelung wird es Auslegungsstreitigkeiten und unterschiedliche Instanzentscheidungen geben; jedenfalls bis der „Ober“ sticht (frei nach der bayerischen Schafkopfregel „Ober sticht Unter“).
B.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO.
C.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 I ArbGG.
D.
Die Berufung war gemäß § 64 III Ziffer 2 b ArbGG zuzulassen.
Deshalb ist gegen diese Entscheidung für den Beklagten das Rechtsmittel der Berufung an das Landesarbeitsgericht München statthaft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrungverwiesen.


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