Arbeitsrecht

Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Arbeitgeber, Arbeitsbedingungen, Arbeitsleistung, Versetzung, Wirksamkeit, Zwischenzeugnis, Anordnung, Ermessen, Arbeitsplatz, Streitwert, Anlage, Organisationseinheit, Co KG, billigem Ermessen

Aktenzeichen  34 Ca 13113/19

Datum:
24.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50150
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin im Betrieb der C. in B-Stadt-Stadtteil, FStraße in B-Stadt zu beschäftigen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Streitwert wird auf € 4.943,76 festgesetzt.

Gründe

I.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gegeben (§ 46 Abs. 1 ArbGG i. V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG). Der Klageantrag Ziffer 3 ist zulässig. Die Anträge Ziffern 1 und 2 hingegen sind unzulässig. Sie sind als Vorfragen zu der Entscheidung über den Klageantrag Ziffer 3 auszulegen und verfolgen damit kein selbständiges Klageziel.
II.
Die Klage ist begründet, da die Beklagte mit dem Schreiben vom 25.10.2019 das Tätigkeitsfeld der Klägerin aus dem Arbeitsvertrag vom November 1996 nicht wirksam geändert hat und somit die Klägerin in der Folge nicht vom Betriebsübergang des Betriebsteils G. auf die neugegründete Gesellschaft zum 01.01.2020 erfasst wurde.
1. Nach § 106 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
2. Der Arbeitsvertrag der Klägerin aus dem Jahr 1996 sieht lediglich die Beschäftigung als Sekretärin vor. Die Klägerin war bis zum 25.10.2019 in ihrer Aufgabe als Sekretärin für alle Geschäftsbereiche mit übergeordneten Aufgaben für die Beklagte tätig. Das Schreiben vom 25.10.2019 sah eine Reduzierung auf Service- und Beratungsleistungen für die Operating Company G. vor. Dies ist eine wesentliche Reduzierung der bisherigen Tätigkeit der Klägerin. Eine solche tatsächliche Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs erfordert für die Wirksamkeit die Beteiligung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG. Nach § 99 Abs. 1 BetrVG ist in einem Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern vom Arbeitgeber der Betriebsrat vor jeder Versetzung zu unterrichten, und die Zustimmung des Betriebsrates zur geplanten Maßnahme ist einzuholen. Betriebsverfassungsrechtlich ist der Begriff „Versetzung“ in § 95 Abs. 3 BetrVG definiert, als die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Die erhebliche Veränderung der Umstände ergibt sich für die Klägerin zunächst in der deutlichen Reduzierung ihres bisherigen breitgefächerten Einsatzgebietes für alle Einheiten der Fa. C. auf nur eine Einheit. Prägend ist jedoch, dass diese Einheit zudem bereits zum Zeitpunkt 25.10.2019 aufgrund des Interessenausgleichs vom 24.10.2019 für einen Betriebsübergang zum 01.01.2020 auf die ausgegliederte Firma H. GmbH & Co. KG vorgesehen war. Dies ist ein prägendes Merkmal des Arbeitsplatzes. Eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne ist daher gegeben. Dies erfordert eine Einzelbeteiligung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG. Die von der Beklagten zitierte „Wanderliste“ ist hierfür nicht ausreichend. Eine nichtmitbestimmte Versetzung ist auf der individualrechtlichen Ebene unwirksam (vgl. Fitting, Komm. zum BetrVG, § 99, Rn. 283). Die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes kann darin liegen, dass der Arbeitnehmer mit einer Tätigkeit betraut wird, die inhaltlich erheblich von der früheren Aufgabe sich unterscheidet. Dies ist etwa der Fall, wenn der Tätigkeitsbereich durch das Hinzufügen oder Wegnehmen von Teilfunktionen erweitert oder verkleinert wird und sich dadurch das Gesamtbild der Tätigkeit ändert (vgl. ErfK zum Arbeitsrecht 2020, § 99, Rn. 13). Der Wechsel der Klägerin ist nicht dadurch begründet, dass sie Herrn M. als Sekretärin folgen müsste, da dieser von Frau Sc. zuvor betreut wurde und die Klägerin nur Frau Sc. vertreten hat.
Die Klägerin wurde daher vom Betriebsübergang nicht erfasst und hat Anspruch auf Beschäftigung bei der Beklagten zu den vertraglich festgelegten Bedingungen. III.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, da sie unterlegen ist (§ 91 ZPO).
Der Streitwert wird in Höhe eines Bruttomonatsgehalts festgesetzt.
Die Beklagte kann gegen diese Entscheidung Berufung zum Landesarbeitsgericht München nach der beiliegenden Rechtsmittelbelehrungeinlegen.
Der Klägerin steht mangels Beschwer kein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung zu.


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