Arbeitsrecht

Auslandsversetzung – Änderungskündigung – Pilot – AGB-Kontrolle – Direktionsrecht

Aktenzeichen  8 Sa 450/20

Datum:
23.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 14601
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 106
BGB § 139, § 305, § 306, § 307, § 315

 

Leitsatz

Fehlt es bei einem Piloten einer weltweit agierenden Fluggesellschaft im Arbeitsvertrag, der einen konkrete Auslandsbezug aufweist, an einer Festlegung des Ortes der Leistungspflicht, ergibt sich aus § 106 GewO ein Weisungsrecht des Arbeitgebers zu einem Einsatz an jeder Base weltweit. (Rn. 72 – 73)

Verfahrensgang

9 Ca 797/20 2020-10-29 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 29.10.2020 – Az. 9 Ca 797/20 – wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A.
Die Berufung ist zum überwiegenden Teil zulässig. Sie ist insoweit auch statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b) u. c) ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
Die Berufung erweist sich als unzulässig, soweit sie sich auch gegen die Abweisung des Klageantrages zu 4) wendet. Eine Berufungsbegründung muss sich mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzen. Danach muss die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben oder die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung in dem angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine neue Feststellung gebieten, enthalten. Eine Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher und rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Eine Auseinandersetzung bzw. gar keine Erwähnung des abgewiesenen Feststellungsantrages zu 4) erfolgt in der Berufungsbegründung des Klägers jedoch nicht, so dass sich die Berufung insoweit als unzulässig erweist.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch das erforderliche Feststellungsinteresse insoweit verneint. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses an sich ist aufgrund des vom Kläger jedenfalls unter Vorbehalt angenommenen Änderungsangebots der Beklagten nicht streitig. Etwaige bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung bestehende Beendigungstatbestände sind nicht geltend gemacht worden.
B.
Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht im Ergebnis und auch weitgehend mit zutreffender Begründung die Versetzung des Klägers nach Bologna für wirksam erachtet. Eine Überprüfung der sozialen Wirksamkeit der vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung war somit nicht veranlasst.
I.
Die internationale Zuständigkeit ist – was auch von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird – nach Art. 21 Nr. 2 a) EUGVVO gegeben, da der Kläger seine Arbeit zuletzt gewöhnlich von der Base in Nürnberg aus verrichtet hat.
II.
Die Versetzung nach Bologna ist nach Ansicht des Berufungsgerichts vom Direktionsrecht der Beklagten nach § 106 GewO in Verbindung mit dem Tarifsozialplan gedeckt.
Die Frage, ob die Versetzungsklausel in Ziffer 6.1 des Arbeitsvertrages wirksam ist oder nicht, ist nach Auffassung des Berufungsgerichtes nicht entscheidungserheblich.
Fehlt es – wie hier – an einer Festlegung des Ortes der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang des Weisungsrechtes des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehaltes kommt es dann nicht an (BAG, Urteil v. 28.08.2013, Az. 10 AZR 537/12, in juris recherchiert).
1. Der Umfang des Weisungsrechtes ist nach § 106 GewO zu bestimmen. Es fehlt an einer Festlegung des Ortes der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag. Vorliegend ergibt sich bereits aus § 106 GewO und aus den besonderen Umständen des Einzelfalles grundsätzlich ein Weisungsrecht der Beklagten zu einem weltweiten Einsatz des Klägers.
a) Der Umfang des Direktionsrechts ist vorliegend trotz der Vereinbarung irischen Rechts in Ziffer 35 des Arbeitsvertrages vom 22.01.2018 nach § 106 GewO zu bestimmen.
aa) Nach Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO gilt grundsätzlich die freie Rechtswahl. Vorliegend haben die Vertragsparteien ausdrücklich eine Rechtswahl getroffen und die Anwendung irischen Rechts vereinbart. Die Rechtswahl ist im internationalen Arbeitsvertragsrecht jedoch in mehrerer Hinsicht eingeschränkt, d.h. unabhängig von einer Vereinbarung über das anzuwendende Recht setzen sich bestimmte zwingende Normen aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes durch. Zunächst folgt aus Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-VO, dass durch die Rechtswahl dem Arbeitnehmer nicht der Schutz der zwingenden Normen des Rechts entzogen werden darf, welches bei objektiver Anknüpfung nach Art. 8 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 4 Rom-I-VO anzuwenden wäre. Zwingende Vorschriften in diesem Sinne sind Normen, die dem Schutz der Beschäftigten dienen und vertraglich nicht abdingbar sind, z.B. die §§ 1 bis 14 KSchG, sowie die AGB-Kontrolle (Erfurter Kommentar, 20. Aufl., Rom-I-VO, § 9 Rz. 19). Anzuwenden ist die für den Arbeitnehmer günstigere Norm, wobei für den Günstigkeitsvergleich zusammengehörige Regelungskomplexe zu vergleichen sind (sog. Sachgruppenvergleich) (so auch Temming in Preis, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl., § 220, Entsendung Rz. 9, m.w.H.).
Somit sind auf das Arbeitsverhältnis des Klägers die deutschen Arbeitnehmerschutzvorschriften anzuwenden.
bb) Insoweit sieht der zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Versetzung anwendbare VTV auch ausdrücklich vor, dass rückwirkend ab 01.01.2019 für alle an deutschen Bases stationierten Piloten deutsches Recht zur Anwendung kommt. Eine solche Vereinbarung des Arbeitsvertrags-Statuts ist nach Ansicht des Berufungsgerichtes zulässig.
Auf das Tarifvertrags-Statut findet der auf Individualarbeitsverträge abstellende Art. 8 Rom-I-VO zwar keine Anwendung, wohl aber Art. 3 Rom-I-VO bezüglich der freien Rechtswahl der Tarifvertragsparteien. Grundsätzlich besteht eine Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien jedoch nur für Arbeitsverhältnisse, die deutschem Arbeitsrecht unterliegen (Preis, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl., § 220 Entsendung, c) Tarifrecht, Rz. 18 m.w.H.). Tarifvertrag-Statut und Arbeitsvertrag-Statut können auseinanderfallen. Tarifvertragsparteien können mit normativer Wirkung für in der betreffenden deutschen Gewerkschaft organisierte Arbeitnehmer, deren Arbeitsvertrag ausländischem Recht unterliegt, Tarifverträge schließen, d.h. der Tarifvertrag kann Arbeitsverhältnisse umfassen, die selbst einer ausländischen Rechtsordnung unterliegen. Dabei kann durch den Tarifvertrag auch eine Bestimmung des Arbeitsvertrags-Statuts erfolgen, d.h. der Tarifvertrag kann eine Regelung treffen, nach der das Arbeitsvertrags-Statut deutsches Recht sein soll (so auch Henssler/Moll/Bepler, Der Tarifvertrag, 2. Aufl., Teil 17 Rz. 32, 56, m.w.H.).
Dies haben die Tarifvertragsparteien in § 1 des VTV vorliegend geregelt. Ab 01.02.2019 finden auf Arbeitsverträge aller bei R… direkt angestellten Piloten, die an deutschen Basen stationiert sind (Homebase) deutsches Recht Anwendung, d.h. unabhängig davon, ob sie auf der Grundlage eines deutschen Arbeitsvertrages tätig sind. Die Anwendung dieses Tarifvertrages auf das Arbeitsverhältnis der Piloten setzt aber unabdingbar voraus, dass dieser nur Geltung entfaltet, wenn und solange dieser auf einer deutschen Base stationiert ist.
Die Wirksamkeit der Versetzungsmaßnahme ist somit nach deutschem Recht zu beurteilen.
b) Nach § 106 Satz 1 GewO darf der Arbeitgeber den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften etwas anderes festgelegt ist. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung ist zunächst durch Auslegung zu ermitteln, welchen Inhalt die vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles haben. Dabei ist insbesondere festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsort vertraglich festgelegt ist und welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat oder ob Normen eines anwendbaren Tarifvertrages Regelungen dazu treffen. Ist der Arbeitsort nicht festgelegt, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 Satz 1 GewO, gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Regelungen. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß §§ 106 Satz 1 GewO, 315 Abs. 3 BGB.
aa) Der Arbeitsvertrag des Klägers enthält vorliegend keine Festlegung des Arbeitsortes. Nach der Rechtsprechung des BAG verhindert die Bestimmung eines Ortes der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung. In einem solchen Fall ist eine örtliche Versetzung vertraglich nicht ausgeschlossen und grundsätzlich vom Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO gedeckt. Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Ortes der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 Satz 1 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll (BAG, Urteil v. 28.08.2013, Az. 10 AZR 569/12, BAG, Urteil v. 10.07.2013, Az. 10 AZR 915/12, m.w.H., in juris recherchiert). Das Recht der Beklagten bezüglich des Arbeitsortes ist nicht durch den Arbeitsvertrag dahingehend eingeengt, dass jedwede andere Zuweisung eines Arbeitsortes außer Nürnberg per se unwirksam wäre. Der Arbeitsvertrag enthält keine Einschränkung des der Beklagten nach § 106 GewO bezüglich der Bestimmung des Arbeitsortes zustehenden Direktionsrechtes. Die Formulierung „will be located principally at Nuremberg Airport an at such other place or places as the Company reasonably requires fort he proper fulfiment of your duties and responsibilities under the Agreement“ kann nach beiden Übersetzungen nicht anders verstanden werden, als dass Nürnberg gerade nicht vertraglich garantiert, d.h. im Sinne des § 106 GewO festgelegt werden soll. Sie zielt vielmehr gerade darauf ab, sich die durch § 106 GewO eingeräumte Befugnis „vorzubehalten“, den Kläger auch an eine andere Base versetzen zu können.
bb) Es ist jedoch umstritten, ob die Regelung des § 106 GewO grundsätzlich auch eine Versetzung ins Ausland zulässt. So wird einerseits vertreten, dass die Befugnis zu einer Versetzung ins Ausland grundsätzlich direkt aus § 106 GewO folgt (vgl. Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Aufl. 2021, § 106 GewO Rdnr. 18 m.w.H.). Nach anderer Ansicht ist eine Versetzung in einen ausländischen Betrieb allein auf der Grundlage von § 106 Satz1 GewO, d.h. ohne dass diese Möglichkeit ausdrücklich vereinbart worden ist, in der Regel ausgeschlossen (BAG, Urteil v. 20.04.1989, Az. 2 AZR 431/88, in juris recherchiert, KR-Kreft, Gemeinschaftskommentar zum KSchG und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 12. Aufl. 2019, § 2 KSchG, Rdnr. 66). So mag es fraglich sein, ob ein Arbeitnehmer, der ohne nähere Vereinbarung des Arbeitsortes im Inland eingestellt und in einem im Inland gelegenen Betrieb beschäftigt wird, auf der Grundlage des Direktionsrechts aus § 106 GewO in ausländische Betriebe versetzt werden kann. Pauschale Antworten lassen sich auf diese Frage kaum geben. Fälle – wie hier – mit einem konkreten Auslandsbezug bei Abschluss des Arbeitsvertrages (Arbeitsvertrag mit einem im Ausland ansässigen Unternehmen mit Stationen in vielen verschiedenen Ländern, Anwendung irischen Rechts und ausschließlicher Zuständigkeit irischer Gerichte) und einer nachträglich durch Tarifvertrag vereinbarten Anwendung deutschen Rechts als Arbeitsvertrags-Statut, sind jedoch anders zu beurteilen, als die bislang bereits entschiedenen Fallkonstellationen. Die Lösung dürfte nicht in einer abstrakt generellen Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 106 GewO und auch nicht in einer generellen Beschränkung des innerhalb des Anwendungsbereichs des § 106 GewO gegebenen Ermessensspielraums des Arbeitgebers zu finden sein. Näher dürfte es vielmehr liegen, die tatsächlichen Umstände und vertraglichen Gegebenheiten des Einzelfalles zunächst daraufhin zu untersuchen, ob die Parteien (konkludent) eine Festlegung des Arbeitsortes oder auch nur des möglichen Einsatzgebietes im Sinne des § 106 GewO auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland getroffen haben (so auch LAG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2010, Aktenzeichen: 10 Sa 972/10, in juris recherchiert). Dann wäre aufgrund dieser vertraglichen Festlegung eine Versetzung ins Ausland nur noch einvernehmlich oder im Wege der Änderungskündigung möglich. Eine solche (auch konkludente) Festlegung des Arbeitsortes auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist vorliegend gerade nicht getroffen. Im Ergebnis hält das Berufungsgericht vorliegend somit eine Versetzung ins Ausland und zwar weltweit grundsätzlich vom Weisungsrecht des § 106 GewO gedeckt. Eine Konkretisierung auf das Inland ist gerade nicht erfolgt.
2. Bezüglich dieser weltweiten Versetzungsmöglichkeit nach dem Arbeitsvertrag macht der Tarifsozialplan vorliegend eine für die Arbeitnehmer günstigere Abweichung.
Nach § 4 TVG kann von einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung durch Tarifvertrag nur abgewichen werden, sofern diese günstiger ist. Der Tarifvertrag sieht insoweit eine Einschränkung des im Arbeitsvertrag vorgesehenen weltweiten Weisungsrechtes vor, indem eine Versetzung in EU-Ländern einschließlich Großbritannien, Norwegen und der Schweiz erfolgen kann.
Es liegt somit gerade eine Einschränkung des vertraglichen Weisungsrechts vor und – entgegen der Auffassung der Klägerseite – keine Erweiterung und damit keine für den Kläger ungünstigere Regelung. Der Kläger trägt selbst vor, dass die Tarifvertragsparteien sich im Rahmen des arbeitsvertraglich vereinbarten Weisungsrechtes halten wollten und eine Versetzung nur im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen möglich sein sollte. Diese Voraussetzung ist vorliegend aber gerade gegeben. Für Arbeitsverträge, die dagegen eine Konkretisierung des Arbeitsortes und damit eine Einschränkung des Weisungsrechts beinhalten, wäre eine darüber hinausgehende Versetzung nur im Rahmen einer Änderungskündigung möglich. Diese Differenzierung erfolgt durch den Tarifsozialplan. Insoweit wird auch ausdrücklich von einer Änderung des Stationierungsortes per Versetzung/Änderungskündigung gesprochen. Damit wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien von verschiedenen Fallkonstellationen ausgingen, aber eben auch von der Möglichkeit einer vom Weisungsrecht gedeckten Versetzung. Dass die Gewerkschaft Cockpit e.V. bei Abschluss des Tarifvertrages insoweit von ihrer Rechtsauffassung ausging, dass § 106 GewO ohne Ausnahme nur eine Inlandsversetzung umfasst und die Aufnahme der Differenzierung Versetzung/Änderungskündigung daher erfolgt sei, da ihrer Meinung nach Versetzungen nur Stationen im Inland und Änderungskündigung Stationierungsorte im Ausland umfassen, ist irrelevant. Die Klagepartei trägt selbst vor, dass diese Frage im Rahmen der Tarifverhandlungen kontrovers diskutiert wurde und somit beide Parteien das Risiko auf sich nahmen, dass der Umfang des arbeitsvertraglichen Weisungsrechtes durch die Arbeitsgerichte anders beurteilt werden könnte.
3. Auch wenn die Frage nicht entscheidungserheblich ist, sieht sich das LAG veranlasst, zur Frage der Wirksamkeit der Versetzungsklausel Stellung zu nehmen.
Der arbeitsvertragliche Versetzungsvorbehalt in Ziffer 6.1 des Arbeitsvertrages hält als allgemeine Geschäftsbedingung einer AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB stand.
a) Unstreitig handelt es sich bei dem Arbeitsvertrag der Parteien um von der Beklagten einseitig gestellte Vertragsbedingungen.
b) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, der Zweck und die besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (BAG, Urteil v. 13.03.2007, a.a.O.).
c) Eine vorformulierte arbeitsvertragliche Versetzungsklausel, die – nach Ansicht des Berufungsgerichts – materiell der Regelung in § 106 GewO entspricht, unterliegt nicht einer Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel, die eine „Übertragung/Versetzung“ auf einen der Standorte der Gesellschaft vorsieht, ist somit keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung im Sinne des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB und unterliegt deshalb nicht der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB.
aa) Es kann auch dahinstehen, ob die Klausel, dass die Bezahlung nach dem dort (neuen Standort) geltenden Gehalts- und Flugvergütungssystem erfolgt, einer Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB standhält.
(1) Zwar widerspricht diese Klausel der vertraglichen Vereinbarung eines (Mindest-) Gehaltes in Ziffer 7.1. Insoweit können kollektive Vergütungssysteme nicht zu Lasten des Arbeitnehmers in die vertraglich vereinbarte Vergütung eingreifen. Es gilt der allgemeine Grundsatz des § 305 b) BGB, dass günstigere vertragliche Vereinbarungen jederzeit vorgehen.
Die Unwirksamkeit dieser Klausel führt jedoch nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Versetzungsklausel. § 306 BGB enthält eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimmt, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Die Anwendung dieses Grundsatzes entspricht der Interessenlage beider Arbeitsvertragsparteien. Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle nach § 306 Abs. 2 BGB das Gesetz. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. Blue-Pencil-Tests durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (BAG, Urteil v. 13.04.2010, Az. 9 AZR 976/09, m.w.H., in juris recherchiert). Ist die verbleibende Restregelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist also, ob die Klausel mehrere sprachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind für sich jeweils verschiedene nur formal verbundene Vertragsbedingungen (BAG, Urteil v. 13.04.2010, a.a.O.).
(2) Die Befugnis zur Versetzung und der Hinweis, dass im Falle der Versetzung/Übertragung/Transferierung auf eine andere Basis die Bezahlung nach dem dort geltenden Gehaltssystem erfolgen wird, sind inhaltlich abtrennbar. Letztere kann problemlos vollständig gestrichen werden. Trotzdem bleibt die übrige Versetzungsklausel äußerlich und inhaltlich unverändert und behält ihre Selbständigkeit und ihren spezifischen Zweck. Eine etwaige Unwirksamkeit der Klausel, die das geltende Vergütungssystem betrifft, berührt deshalb nicht die verbleibende Regelung.
bb) Die Versetzungsklausel unterliegt als kontrollfreie Hauptabrede nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB aber sowohl der Unklarheitenregelung des § 305 Abs. 2 BGB als auch der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ist jedoch weder unklar noch intransparent.
cc) Die hier zu beurteilende weltweite örtliche unternehmerische Versetzungsklausel ins Ausland wäre jedoch auch nicht als unangemessene Benachteiligung anzusehen.
(1) § 106 GewO sowie entsprechende Versetzungsklauseln tragen dem im Arbeitsrecht bestehenden spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis Rechnung. Der Arbeitsvertrag bedarf als Dauerschuldverhältnis einer ständigen, bei Vertragsschluss gedanklich nicht vorwegnehmbaren Anpassung. Die Einflussfaktoren sind im Arbeitsrecht so zahlreich und vielgestaltig, dass gesicherte Prognosen kaum möglich sind (BAG, Urteil v. 13.04.2010, a.a.O.). So sind auch die Art des Arbeitsvertrages, der Status des Arbeitnehmers, der konkret vereinbarte Inhalt, die Vergütungsform und der zeitliche Umfang der geschuldeten Tätigkeit sowie die Dauer der Vertragsbeziehung jeweils für die Wirksamkeit der Vertragsklausel relevant (Erfurter Kommentar, 20. Aufl., §§ 305 – 310 BGB Rz. 46).
(2) So sind Festlegungen bezüglich der zulässigen Entfernung als auch die Berücksichtigung von Ankündigungsfristen bei Versetzungsklauseln wünschenswert, jedoch nicht zwingend zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung erforderlich. Der Arbeitnehmer wird durch die vom Gericht nach § 106 GewO, § 315 BGB durchzuführende Ausübungskontrolle vor unbilligen Überforderungen geschützt (BAG, Urteil v. 13.04.2010, a.a.O., m.w.H.).
Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitsvertrag die Position eines Piloten bei einem ausländischen Luftverkehrsunternehmen umfasst, der Arbeitsvertrag seitens der Arbeitgeberin nicht in Deutschland unterzeichnet wurde und ausdrücklich die Anwendung irischen Rechts vereinbart wurde. Dem Kläger musste aus den sich bei Vertragsabschluss ergebenden Umständen somit von Anfang an klar gewesen sein, dass sein Einsatz sich gerade nicht auf einen deutschen Standort begrenzte. Der Tätigkeit von Flugpersonal einer international tätigen Fluggesellschaft ist gerade eine gewisse Volatilität/Flexiblität immanent. Der Status des Klägers und die Besonderheiten seines Arbeitsvertrages führen somit zu einer Verneinung einer Unangemessenheit der weltweiten Versetzungsklausel.
4. Die Versetzung des Klägers nach Bologna erfolgt auch im Rahmen des § 106 GewO in Verbindung mit § 3 Tarifsozialplan und aufgrund einer nicht zu beanstandenden Ermessensentscheidung der Beklagten. Sie ist im Rahmen der arbeitsvertraglichen und kollektiv-rechtlichen Grenzen erfolgt.
Nach § 4 Ziffer 2 Stufe 4 des TVSP kann eine arbeitgeberseitige Änderung der Stationierungsorte bei Stilllegung oder Einschränkung von Stationierungsorten innerhalb Deutschlands oder an einem anderen Stationierungsort in EU-Ländern einschließlich Großbritannien, Norwegen und Schweiz erfolgen.
a) Die Versetzung nach dem TVSP ist nicht deshalb unwirksam, weil nach § 3 Ziffer 4 Piloten, die an einen anderen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt werden, insbesondere das Gehalt sich nach dem am neuen Stationierungsort geltenden Tarifvertrag, richtet.
Die Tarifvertragsparteien haben mit diesen Vorschriften im TVSP nicht die ihnen zustehende tarifliche Regelungsmacht überschritten. Der TVSP verstößt weder gegen höherrangiges Recht noch überschreiten die Tarifvertragsparteien die ihnen zustehende tarifliche Regelungsmacht. Es liegt keine Umgehung zwingender Kündigungsschutzvorschriften vor; wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages sollen gerade nicht einer einseitigen Änderung durch den Arbeitgeber unterliegen, durch die Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört würden. Der Kern des Arbeitsverhältnisses dürfte nämlich nicht angetastet werden (BAG, Urteil v. 15.08.2000, Az. 1 AZR 458/99, in juris recherchiert).
Der Hinweis im TVSP auf die Weiterbeschäftigung gemäß den jeweils an den Stationierungsorten geltenden Tarifverträgen ist jedoch keine Änderung der Arbeitsbedingungen im Sinne des § 2 KSchG. Der Eingriff in das Gehaltsgefüge, das sich aufgrund eines Tarifvertrages ergibt, durch einen automatischen Wegfall der Geltung dieses Tarifvertrages und der möglichen Anwendung eines anderen Tarifvertrages, erfolgt gerade nicht aufgrund einer einseitigen Gestaltungserklärung des Arbeitgebers.
b) Die Versetzung greift auch nicht in die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitsvergütung.
aa) Eine Erhöhung der mit der Berufungsausübung verbundenen Belastungen wie z.B. Fahrtkosten, Mietkosten etc., betreffen jedoch bereits nicht die vereinbarte Vergütung. Die Erhöhung der finanziellen Belastungen sind bei der Ausübungskontrolle im Rahmen der Prüfung des billigen Ermessens zu berücksichtigen (BAG, Urteil v. 28.08.2013, Az. 10 AZR 569/12, in juris recherchiert).
bb) Keine Änderungskündigung ist auch notwendig, wenn die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen bereits gelten. Insoweit ist in der Versetzungsanordnung lediglich von der Änderung des Stationierungsortes die Rede. Ein Eingriff in die in Ziffer 7 des Arbeitsvertrages vertraglich vereinbarte Vergütung, nämlich ein jährliches Brutto-Grundgehalt von € 75.375,-, ist nicht erfolgt und wäre auch rechtlich nicht zulässig. Das zuletzt erzielte Brutto-Monatsgehalt in Höhe von € 11.726,22 ergab sich jedoch nicht aus dem Arbeitsvertrag, sondern aufgrund des für die in Deutschland stationierten Piloten anzuwendenden VTV. Dieser Tarifvertrag entfaltet aber nur Wirkung für die in seinen Geltungsbereich fallenden Piloten und findet ab dem Zeitpunkt der Versetzung nach Bologna ab 01.05.2020 bzw. ab 01.07.2020 keine Anwendung mehr. Eine dauerhafte Entsendung aus dem räumlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages führt regelmäßig zum Ende der Geltung des Tarifvertrages, es sei denn, es ist arbeitsvertraglich etwas anderes geregelt. Der Arbeitsvertrag des Klägers nimmt jedoch ausdrücklich Bezug auf die jeweils an den Stationierungsorten geltenden kollektiv-rechtlichen Vergütungssysteme. Dies ist eine rein deklaratorische Bestimmung auf bestehendes Recht. Bei einer nicht nur vorübergehenden Entsendung tritt einen Statutenwechsel zum ausländischen Recht ein, es entfällt das TVG und die Geltungsgrundlage für einen deutschen Tarifvertrag (Löwisch/Rieble, TVG, 4. Aufl. 2017, § 4 Rz. 204, 206 m.w.H.). Dies ist ein Automatismus, der der Versetzung folgt, ohne dass der Arbeitgeber hierauf grundsätzlich einen Einfluss hat. Für diese Änderung des kollektiven Rechts ist keine Änderungskündigung erforderlich. Tarifverträge gelten – soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist – grundsätzlich nur für Arbeitnehmer, die unter dessen Geltungsbereich fallen. Mit der Versetzung nach Italien gilt der VTV jedoch nicht mehr für den Kläger. Ob der in Italien von den dort zuständigen Tarifvertragsparteien geschlossene Tarifvertrag automatisch für den Kläger Anwendung findet, ist dann zunächst wohl nach irischem Recht zu beurteilen, es sei denn, die Tarifvertragsparteien in Italien hätten insoweit ebenfalls eine Änderung des Arbeitsvertrags-Statuts vereinbart.
c) Die Versetzung hält auch der Ermessensausübungskontrolle nach § 106 GewO, § 315 BGB stand.
aa) Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem bestimmungsberechtigten Arbeitgeber mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 BGB allein die Prüfung, ob der Arbeitgeber die Grenzen seines Direktionsrechts beachtet hat. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und der Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat. So können bei der Zuweisung der Tätigkeit an einen anderen Ort andere Faktoren relevant sein als bei der Bestimmung der Höhe einer variablen Vergütung. Von maßgeblicher Bedeutung kann auch die Ursache für die Notwendigkeit der Leistungsbestimmung sein. Ob die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt wurden, kann nur durch Abwägung mit den dienstlichen Gründen des Arbeitgebers ermittelt werden, die zu der Ausübung des Direktionsrechts geführt haben. Die Berücksichtigung schutzwürdiger Belange des Arbeitnehmers anlässlich der Ausübung des Direktionsrechts kann eine personelle Auswahlentscheidung des Arbeitgebers erfordern, wenn mehrere Arbeitnehmer betroffen sind. Die Leistungsbestimmung ist dann gegenüber demjenigen Arbeitnehmer zu treffen, dessen Interessen weniger schutzwürdig sind. Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der getroffenen Ermessensausübung liegt beim Arbeitgeber. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Tarifvertrag eine Versetzung zulässt (vgl. BAG, Urteil v. 10.07.2013, Az. 10 AZR 915/12, m.w.H., in juris recherchiert).
bb) Die Beklagte hat bei ihrer Versetzungsentscheidung – wie das Erstgericht völlig zutreffend ausführt – nach objektiver Betrachtung billiges Ermessen gewahrt. Diese entspricht auch der in § 3 TVSP geregelten Vorgehensweise bei Stilllegungen von Stationierungsorten. Der TVSP will im Rahmen von Stilllegungen von Stationierungsorten und sich hieraus ergebenden und absehbaren Personalüberhängen die Piloten vor notwendigen betriebsbedingten Beendigungskündigungen schützen, eine geordnete Stilllegung von Stationierungsorten ermöglichen, die den Interessen der Arbeitnehmer an einem höchstmöglichen Bestandsschutz ihrer Arbeitsverhältnisse Rechnung trägt, indem zunächst Versetzungsmöglichkeiten voll ausgeschöpft werden müssen.
(1) Anlass für die Versetzung war die unstreitige vollständige Stilllegung des Stationierungsortes in Nürnberg zum 29.03.2020 und damit ein Personalüberhang in Bezug auf die am Flughafen Nürnberg stationierten Piloten. Der Pilotenüberhang konnte nicht über Stufe 1 abgebaut werden. Die Beklagte hat dargelegt, dass eine Änderung des Stationierungsortes zu von der IATA als dieselbe Stadt bedienend benannten Flughäfen oder eine Änderung des Stationierungsortes mit einer Fahrtzeit von weniger als 60 Minuten nicht möglich war, da es einen solchen Stationierungsort nicht gibt. Dies wurde vom Kläger auch erstinstanzlich zuletzt nicht mehr bestritten. Unstreitig hat der Kläger keine Angabe zur Wahl eines anderen Standortes innerhalb der gesetzten Frist bis 31.12.2019 getroffen, womit auch Stufe 2 nicht zum Tragen gekommen ist. Insbesondere hat die Beklagte auch zum Sachvortrag des Klägers, wonach Ende 2019 bzw. Anfang 2020 Piloten aus England nach Frankfurt und aus Hamburg nach Berlin, Köln sowie Frankfurt versetzt worden seien, weder erstinstanzlich noch in der Berufungsinstanz substantiiert Stellung genommen. Nach dem Vortrag der Beklagten waren zum Zeitpunkt der Entscheidung vom 25.11.2019, den Stationierungsort in Nürnberg zu schließen, keine freien Arbeitsplätze mehr vorhanden gewesen. Zwei Positionen für Copiloten an den Stationierungsorten Köln und Baden-Baden, die im November 2019 frei wurden, waren an zwei Piloten aus Hamburg vergeben worden. Bei den Versetzungen von Hamburg nach Berlin handelt es sich nicht um freie Positionen in Berlin, sondern anlässlich der Schließung des Hamburger Stationierungsortes hatten Kapitäne in Berlin angeboten, ihre Vollzeit zu reduzieren und sich den Arbeitsplatz im Rahmen eines Jobsharings mit einem der Hamburger Kapitäne zu teilen. Dies ist bereits vor der Versetzung der Nürnberger Piloten geschehen. Die Versetzung nach Frankfurt am Main ist zum 01.10.2019 und die letzte Versetzung nach Frankfurt-Hahn mit Wirkung zum 01.12.2019 erfolgt, wobei diese bereits im Oktober 2019 ausgesprochen wurden. Erstinstanzlich hat die Beklagte weiter ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Versetzung auch keine Möglichkeit zum Abschluss von Arbeitsverträgen als mobile Piloten gemäß Stufe 3 bestand, da der einzige Arbeitsplatz für einen mobilen Piloten an einen Kollegen in Nürnberg vergeben wurde, der sozial schutzwürdiger war. Dies wurde vom Kläger auch in der Berufungsinstanz nicht mehr im Einzelnen bestritten. Nach der Regelung in Stufe 4 war die Auswahl der Piloten, denen arbeitgeberseitig ein anderer Stationierungsort zugewiesen wird, gemäß § 6 TVSP vorzunehmen. Die Beklagte hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass keine freien Stellen in Deutschland mehr vorhanden gewesen sind. Eine Verletzung der tariflichen Bestimmungen ist deshalb nicht erkennbar.
(2) Die in Stufe 5 nach § 7 TVSP vorzunehmende Sozialauswahl war nur für den Fall von Beendigungskündigungen vorgesehen und nicht bei Versetzungen vorzunehmen. Abgesehen davon sind alle Piloten des Nürnberger Stationierungsortes nach Italien versetzt worden, so dass auch unter diesen keine Auswahl getroffen werden konnte. Zudem konnte der Kläger nicht darlegen, dass andere Kollegen weniger schutzwürdig gewesen seien bzw. eine weniger einschneidende Versetzung erhalten hätten. Gleiches gilt für etwaige Standorte außerhalb Deutschlands, die für ihn weniger belastend gewesen wären. Eine Auswahlentscheidung unter Abwägung der dienstlichen Belange der Beklagten und der persönlichen Umstände des Klägers war aufgrund der gleichen Ausgangslage für alle in Nürnberg stationierten Piloten damit nicht zu treffen.
(3) Die Ermessensentscheidung der Beklagten war somit weitgehend durch das im TVSP geregelte Stufenverfahren vorgegeben. Etwaige Motive oder Erwägungen der Beklagten, die unternehmerische Entscheidung zur Stilllegung von Standorten zu treffen, können dahinstehen. Die Organisationsentscheidung kann nicht auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft werden. Aufgrund der Einhaltung des tariflich geregelten Stufenverfahrens ist die Versetzungsentscheidung damit sowohl unter Berücksichtigung der Interessen des Einzelfalles als auch unter Einbeziehung aller von der Stilllegung erfassten Arbeitnehmer nach billigem Ermessen im Sinne der §§ 106 Satz 1 GewO, 315 Abs. 1 BGB erfolgt.
III.
Über den Hilfsantrag des Klägers für den Fall des Obsiegens war – wie das Erstgericht zutreffend entschieden hat – nicht mehr zu entscheiden und auch der Weiterbeschäftigungsantrag wurde zu Recht vom Erstgericht abgewiesen. Nachdem die Versetzung nach Bologna wirksam ist, besteht kein Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung an einer Station in Deutschland.
Die Berufung ist somit insgesamt zurückzuweisen.
C.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
D.
Infolge grundsätzlicher Bedeutung war die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.


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