Arbeitsrecht

Auslegung des Haustarifvertrags

Aktenzeichen  8 Sa 303/18

Datum:
15.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 11558
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrVG § 87
Flexi-Tarifvertrag zur 7-Tage-Woche vom 11.09.2015 (Fa. H. Deutschland GmbH) § 2c

 

Leitsatz

Auslegung des § 2 c des Flexi-Tarifvertrages zur 7-Tage-Woche, dass das sog. Härtegeld nicht jährlich, sondern nur einmalig für die Laufzeit des 7-Tage-Betriebes zu leisten ist.

Verfahrensgang

3 Ca 749/17 2018-02-19 Endurteil ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Schweinfurt – vom 19.02.2018 wird auf Kosten des Berufungsklägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist unbegründet. Dem Kläger stand während der Laufzeit des 7-Tage-Betriebes ein tarifliches Härtegeld als Einmalzahlung in Höhe von € 600,- brutto zu, das ihm bereits im Jahr 2007 mit der November-Abrechnung ausbezahlt worden ist.
Die Zahlung weiterer tariflicher Härtegelder in Höhe von € 600,- für die Jahre 2016 und 2017 steht dem Kläger jedoch nicht zu. Das Arbeitsgericht Würzburg – Kammer Schweinfurt – hat im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerseite nicht aus § 2 c) des Flexi-TV.
Nach dem Wortlaut dieser Regelung können alle Beschäftigten des Betriebes für die Laufzeit des 7-Tage-Betriebes ein Härtegeld in Höhe von € 600,- brutto als Einmalzahlung mit der Jahressonderzahlung beanspruchen, wobei die Bedingungen, die für den Erhalt der Sonderzahlung (Härtegeld) maßgeblich sind, zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat einvernehmlich festzulegen sind.
Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des Erstgerichts, dass es überaus fraglich erscheine, ob der Tarifvertrag überhaupt zur Anwendung gelange. Dieser Tarifvertrag ist nach dem Ergänzungs-Tarifvertrag vom 17.01.2017 ab 01.04.2016 anwendbar. Die Wirksamkeitsvoraussetzung nach § 7 des Tarifvertrages, nämlich die einvernehmliche Lösung zwischen den Tarifvertragsparteien und eine Betriebsvereinbarung über das Ampelkonto lagen zu diesem Zeitpunkt jedenfalls vor.
Keinesfalls kann auch der Auffassung des Erstgerichts gefolgt werden, der Anspruch wäre verfallen. Eine Fälligkeit des Härtegeldes für alle Arbeitnehmer im Jahr 2015 ergibt sich aus der Regelung jedenfalls nicht.
2. Diese Tarifregelung bedarf auch nach Ansicht des Berufungsgerichts jedoch der Auslegung. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich aus dem Wortlaut der Regelung nicht eindeutig, ob das Härtegeld eine einmalige Leistung oder eine jährliche Einmalzahlung darstellen soll. Der Wortlaut der Regelung lässt vielmehr mehrere Interpretationsmöglichkeiten zu. Insoweit ist die gewählte Formulierung mehr als unglücklich anzusehen.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des BAG, der sich die erkennende Kammer anschließt, den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Wortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden könne. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil v. 18.02.2014, 3 AZR 808/11 m. weit. Hinw., in Juris recherchiert).
b) Die Auslegung auf diesen Grundlagen ergibt nach Ansicht der erkennenden Kammer, dass der Tarifvertrag-Flexi für die Laufzeit des 7-Tage-Betriebes eine einmalige Zahlung eines Härtegeldes in Höhe von € 600,- brutto vorsieht, die Bedingungen für den Erhalt zwischen den Betriebspartnern festgelegt werden sollen und insoweit der Tarifvertrag lediglich einen Fälligkeitstermin vorgibt, nämlich die Auszahlung der Einmalzahlung mit der Jahressonderzahlung des Jahres, in dem die von den Betriebsparteien festgelegten Bedingungen für den Erhalt des Härtegeldes bei dem einzelnen Mitarbeiter erfüllt sind.
aa) Der Ansicht des Klägers, aus dem Wortlaut der Regelung ergäbe sich eindeutig, dass das Härtegeld eine jährlich wiederkehrend zu leistende Einmalzahlung im Sinn einer Erschwerniszulage sei, kann nicht gefolgt werden.
(1) So gilt die Regelung bereits nicht nur für die Laufzeit des jeweiligen Flexi-TV, sondern ausdrücklich für die gesamte Laufzeit des 7-Tage-Betriebes, d.h. ab dem Jahr 2005 und für alle weiteren Jahre des 7-Tage-Betriebes. Für diese gesamte Laufzeit sieht der Tarifvertrag eine Einmalzahlung in Höhe von € 600,- brutto (Härtegeld) vor und zwar für alle Beschäftigten des Betriebes und nicht nur für die Beschäftigten im 7-Tage-Rhythmus.
Die Regelung sieht – im Gegensatz zu § 2 a) und b) des Tarifvertrages – jedoch die Gewährung des Härtegeldes nicht pro Jahr der Laufzeit oder pro Kalenderjahr vor. Vielmehr spricht § 2 c) ausdrücklich von einer Einmalzahlung während der Laufzeit des 7-Tage-Betriebes.
Um eindeutig klarzustellen, dass es sich bei der Einmalzahlung um eine einmalige Zahlung während der Laufzeit handelt, wäre es sicher besser gewesen, dies auch so zu formulieren. Dennoch wird mit der ausdrücklichen Bezeichnung als Einmalzahlung während der Laufzeit ohne den Zusatz „pro Jahr – pro Kalenderjahr“ zunächst der einmalige Charakter bezogen auf die Laufzeit des 7-Tage-Betriebes und nicht bezogen auf das jeweilige Jahr deutlich hervorgehoben. Würde die Formulierung des § 2 c) sich insoweit darauf beschränken, dass während der Laufzeit des 7-Tage-Betriebes für alle Beschäftigten des Betriebes ein Härtegeld in Höhe von € 600,- brutto als Einmalzahlung bezahlt werde, und die Bedingungen, die für den Erhalt dieser Sonderzahlung von den Betriebsparteien festzulegen sind, hätte das Gericht keinerlei Zweifel, dass die Arbeitnehmer der Beklagten jeweils nur einmal das Härtegeld beanspruchen können.
(2) Die Verknüpfung der Zahlung des Härtegelds mit der Jahressonderzahlung, die nach dem Haus-Manteltarifvertrag jährlich mit der November-Abrechnung erfolgt und somit jedes Jahr spätestens Anfang Dezember zur Auszahlung fällig wird, könnte dagegen nun für den Willen der Tarifvertragsparteien sprechen, dass das Härtegeld ebenfalls jährlich zu leisten ist. Eine zusätzliche Formulierung „jährlich“, „pro Jahr“, „pro Kalenderjahr“ könnte dabei als überflüssig erscheinen, da die Verknüpfung mit der Jahressonderzahlung bereits auf eine jährliche Leistung des Härtegeldes hinweisen soll.
Dies wäre jedoch nicht der Fall, wenn die Tarifvertragsparteien mit der Verknüpfung mit der Jahressonderzahlung lediglich eine Fälligkeitsvereinbarung treffen wollten, um sicherzustellen, dass die Härtegeldzahlung bei jedem Arbeitnehmer mit der November-Abrechnung des Jahres erfolgt, in dem die Bedingungen für den Erhalt, die die Betriebsparteien festgelegt haben, vorliegen. Für Letzteres spricht, dass ansonsten eine Vereinbarung der Betriebsparteien über die für den Erhalt der Sonderzahlung maßgebenden Bedingungen entbehrlich wäre. Denn dann stellt sich die Frage, was die Betriebsparteien denn nach Vorstellung der Tarifvertragsparteien noch hätten festlegen sollen und können.
Denn würde man den Wortlaut des § 2 c) – wie die Klägerseite – insoweit verstehen wollen -, dass jeder Arbeitnehmer jedes Jahr während der Laufzeit des 7-Tage-Betriebes ein Härtegeld in Höhe von € 600,- brutto mit der Jahressonderzahlung erhalten solle, dann würde es keinerlei Spielraum für eine Regelung der Betriebsparteien über Bedingungen, die für deren Erhalt maßgeblich sein sollen, geben. Es ist aber offensichtlich der Wille der Tarifvertragsparteien, dass insoweit eine Betriebsvereinbarungsoffenheit besteht. Ansonsten wäre Satz 3 des § 2 c) des Tarifvertrages völlig überflüssig.
Insoweit ist der Klägerseite jedoch Recht zu geben, dass eine reine Fälligkeitsregelung auch eindeutiger hätte formuliert werden können.
bb) Das erkennende Gericht zieht zur Auslegung des seiner Auffassung nach nicht eindeutigen Wortlautes des § 2 c) die Entstehungsgeschichte und die praktische Tarifübung ergänzend hinzu.
Unstreitig erfolgten die Tarifverhandlungen ausschließlich per E-Mail. Diese betreffen zwar den Tarifvertrag aus dem Jahr 2012. Jedoch wurde diese Regelung im Tarifvertrag 2015 ohne weitere diesbezügliche Verhandlungen übernommen und fortgesetzt, so dass – wie die Beklagte zutreffend darlegt – die vorgelegten Verhandlungspapiere für die Auslegung der streitgegenständlichen Formulierung des Tarifvertrages aus dem Jahr 2015 heranzuziehen sind.
Aus dem E-Mail-Verkehr ergibt sich aber eindeutig, dass man dem Wunsch der Gewerkschaft, das Härtegeld jährlich zu leisten, seitens der Arbeitgeberseite gerade nicht nachkommen wollte und werde. Vielmehr wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die von der Gewerkschaft gewünschte Formulierung „jährlich“ entfällt, da das Härtegeld gerade nicht an alle jährlich bezahlt werden soll. Mit dem erneuten konkreten Hinweis der Arbeitgeberseite, dass das Härtegeld nicht an alle jährlich bezahlt wird, schlug diese die Formulierung vor, die dann nach Zustimmung der Gewerkschaft auch so im Tarifvertrag ihren Niederschlag gefunden hat.
Auch aus dem Ergänzungstarifvertrag vom Jahr 2007 ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers nichts Gegenteiliges. Nicht nur, dass die konkret gefundene Formulierung des Tarifvertrages 2012 und des Tarifvertrages 2015, die auf dem ausdrücklichen Willen der Arbeitgeberseite fußte, das Härtegeld nicht jährlich, sondern einmalig zu leisten, dem Ergänzungstarifvertrag 2007 gerade nachfolgten, enthält bereits dieser auch keine Verpflichtung zur Zahlung eines jährlichen Härtegeldes. Der Tarifvertrag 2005 sah keine Regelung über ein Härtegeld vor. Im Ergänzungstarifvertrag vom Jahr 2007 wird ein Härtegeld erstmals geregelt. Dort heißt es, dass rückwirkend für die Jahre 2005/2006/2007 und mindestens für die Laufzeit des 7-Tage-Betriebes für alle Beschäftigten ein Härtegeld in Höhe von € 600,- bezahlt werde. Es ist insoweit in keinster Weise geregelt, dass die Arbeitnehmer sowohl im Jahre 2005 als auch 2006 und 2007 jeweils ein Härtegeld beanspruchen können. Vielmehr sollten die Arbeitnehmer, die die Bedingungen für dessen Erhalt in den Jahren 2005, 2006 und 2007 erfüllten, ebenfalls in den Genuss des Härtegeldes kommen. So hat der Kläger im Jahr 2007 bei Vollendung seiner 10-jährigen Betriebszugehörigkeit das Härtegeld in Höhe von € 600,- unstreitig erhalten.
Hieraus ergibt sich, dass nach der tariflichen Regelung ein Mitarbeiter das Härtegeld während der Laufzeit des 7-Tage-Betriebes nur einmal beanspruchen kann. Die Beklagte hat auch unstreitig vorgetragen, dass dies so seit 2007 tatsächlich praktiziert worden ist. Jeder Arbeitnehmer hat spätestens nach Vollendung seiner 10-jährigen Betriebszugehörigkeit ein Härtegeld erhalten.
Aus alledem steht dem Kläger somit ein weiterer Anspruch auf ein tarifliches Härtegeld nicht zu.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 91, 97 ZPO.
IV.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.


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