Arbeitsrecht

Auslegung einer “vorsorglichen Berufung” durch die nicht postulationsfähige Partei

Aktenzeichen  6 Sa 391/19

Datum:
22.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41073
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ArbGG § 11 Abs. 4, § 64 Abs. 6
ZPO § 129, § 519 Abs. 4

 

Leitsatz

Legt eine (Natural-) Partei gegen die erstinstanzliche Entscheidung “vorsorgliche Berufung” ein, ist von einer unbedingten Einlegung des Rechtsmittels auszugehen, weil die Partei mit diesem die Vermeidung möglicher Rechtsverluste erstrebt. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

16 Ca 516/18 2019-05-14 Endurteil ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 14. Mai 2019 – 16 Sa 516/18 wird auf dessen Kosten als unzulässig verworfen.
Die Revisionsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um den Bestand des zwischen ihnen bestandenen Arbeitsverhältnisses und um Vergütungsansprüche des Klägers.
Das Arbeitsgericht München hat die Klage mit Endurteil vom 14. Mai 2019 kostenpflichtig abgewiesen und den Wert des Streitgegenstandes auf € 685.969,77 festgesetzt. Das Endurteil war dem Kläger am 31. Mai 2019 zugestellt worden.
Mit Schreiben vom 24. Juni 2019 hat der Kläger beim Arbeitsgericht München Prozesskostenhilfe für ein Berufungsverfahren beantragt. Das Arbeitsgericht hat ihn mit Schreiben vom 25. Juni 2019 auf die landesarbeitsgerichtliche Zuständigkeit verwiesen. Mit weiterem Schreiben des Klägers vom 26. Juni 2019, das dieser auch unterzeichnet hat, gerichtet an das „Arbeitsgericht München, W. straße …,  A.“ hat dieser „vorsorglich Berufung eingelegt“ (Bl. 245 d. A.). Dieses Schreiben war am 1. Juli 2019 beim Arbeitsgericht eingegangen und war am 2. Juli 2019 an das Landesarbeitsgericht weitergeleitet worden.
Mit Schreiben des Landesarbeitsgerichts München war – unter Bezugnahme auf die dem angegriffenen Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung- auf die erforderliche Berufungseinlegung durch einen Rechtsanwalt und auch auf die Verspätung seines Berufungsschreibens hingewiesen worden (Bl. 247 d. A.). Mit klägerischem – nicht unterschriebenen – Schreiben vom 9. Juli 2019 hat der Kläger auf die rechtzeitige vorsorgliche Berufungseinlegung Bezug genommen. Mit unterzeichnetem Schreiben des Klägers vom 18. Juli 2019 teilt der Kläger mit, es habe zwischenzeitlich ein Rechtsanwalt (Kanzlei Z.) gewonnen werden können, der bereit sei, seine Berufungsschrift zu unterzeichnen. Er bitte um Rücksendung seiner Berufungsschrift, dass ein Rechtsanwalt diese auch unterschreibe, damit der Mangel geheilt werden könne.
II.
Die Berufung des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen.
Bei der „vorsorglichen Berufung“ handelt es sich um eine unbedingte eingelegte Berufung, die allerdings mangels einer Unterzeichnung durch eine postulationsfähige Person (Rechtsanwalt oder Verbandsvertreter) und infolge des nicht innerhalb der Berufungsfrist erfolgten Eingangs beim Landesarbeitsgericht unzulässig und daher zu verwerfen ist.
1. Die Berufung ist unzulässig.
a. Vorliegend ist trotz der Formulierung der „vorsorglichen“ Einlegung einer Berufung von einer unbedingten Berufungseinlegungsabsicht auszugehen. Denn der Kläger erstrebt mit ihr, wenn auch im Ergebnis ohne Erfolg, mögliche Rechtsverluste zu vermeiden.
b. Die Berufungsschrift war jedoch nicht durch einen zugelassenen Vertreter (Rechtsanwalt, Verbandsvertreter) unterzeichnet worden (§ 64 Abs. 6, § 11 Abs. 4 ArbGG, § 519 Abs. 4, § 129 ZPO), obschon in der dem arbeitsgerichtlichen Endurteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung auf die Notwendigkeit der Berufungseinlegung durch einen Rechtsanwalt oder Verbandsvertreter hingewiesen worden war. Gleichfalls hatte das Landesarbeitsgericht mit Schreiben vom 24. Juli 2019 nochmals auf diesen Umstand Bezug genommen. Dennoch liegt bis dato keine von einem Rechtsanwalt oder Verbandsvertreter verantwortete Berufungsschrift vor.
c. Zudem war die Berufungsschrift nicht innerhalb der Berufungsfrist von einem Monat ab Zustellung der angegriffenen Entscheidung (31. Mai 2019), sondern erst nach deren Ablauf am 30. Juni 2019, am 1. Juli 2019 beim Arbeitsgericht, am 2. Juli 2019 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen. Es kann mithin dahinstehen, ob die Weiterreichung des Schriftsatzes an das Landesarbeitsgericht mit gebotener Zügigkeit erfolgt war, was nach diesseitiger Ansicht zu bejahen ist. Denn jedenfalls war schon der Eingang beim Arbeitsgericht verspätet, d. h. nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgt.
2. Eine Rücksendung der klägerischen Berufungsschrift an diesen, damit ein Rechtsanwalt diese mit unterzeichne, ist nicht erforderlich. Üblicherweise erstellen Rechtsanwälte selbst die Berufungsschrift und leiten diese ans Gericht. Inwieweit eine nachträgliche Unterzeichnung durch einen Rechtsanwalt eine durch die Partei erstellte Berufung noch heilen könnte, kann hier offen bleiben, da hier jedenfalls die verspätete Einreichung der Berufungsschrift nicht mehr geheilt werden kann.
Umstände, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233 ff. ZPO) ermöglichten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
4. Für die Zulassung der Revisionsbeschwerde (§ 77 Satz 1 ArbGG) besteht kein gesetzlich begründeter Anlass.


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