Arbeitsrecht

Auslegung TV-L (Vergütung von Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten eines Wachpolizisten, Zeitgutschrift für arbeitsfreie gesetzliche Feiertage)

Aktenzeichen  5 AZR 292/20

Datum:
31.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:310321.U.5AZR292.20.0
Normen:
§ 6 Abs 3 S 3 TV-L
§ 611a Abs 2 BGB
§ 611 Abs 1 BGB
Spruchkörper:
5. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Berlin, 27. März 2019, Az: 60 Ca 14875/17, Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 7. Mai 2020, Az: 10 Sa 1570/19, Urteil

Tenor

I. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Mai 2020 – 10 Sa 1570/19 – wird zurückgewiesen.
II. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Mai 2020 – 10 Sa 1570/19 – teilweise unter Zurückweisung der Revision des beklagten Landes im Übrigen im Tenor Ziff. I. und im Kostenausspruch aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. März 2019 – 60 Ca 14875/17 – teilweise abgeändert und das beklagte Land verurteilt, dem für den Kläger geführten PuZMan-Konto in der Spalte „Zeitkonto“ weitere vier Stunden und 55 Minuten gutzuschreiben.
2. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten in der Revision über die Verpflichtung des beklagten Landes, Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten zu vergüten und Zeitgutschriften für arbeitsfreie gesetzliche Feiertage zu gewähren.
2
Der Kläger ist beim beklagten Land als Wachpolizist im Zentralen Objektschutz (iF ZOS) tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der TV-L Anwendung. Der Kläger wurde zunächst als Springer an wechselnden Schutzobjekten und seit dem Jahr 2018 als Stammkraft eingesetzt.
3
Die Arbeitszeit des Klägers richtet sich seit dem 25. Juni 2015 ua. nach der „Geschäftsanweisung Dir ZA Nr. 3/2015 über die Einführung neuer Arbeitszeitregelungen in der Direktion Zentrale Aufgaben Zentraler Objektschutz (ZOS)“ vom 5. Juni 2015. Wachpolizisten im ZOS arbeiten danach im Dreischichtsystem von 06:30 Uhr bis 14:45 Uhr (Frühdienst), 14:30 Uhr bis 22:45 Uhr (Spätdienst) und 22:30 Uhr bis 06:45 Uhr (Nachtdienst). Das System sieht eine feste Schichtfolge mit zwei Früh-, zwei Spät- sowie zwei Nachtschichten und anschließend eine Ruhezeit von ungefähr 72 Stunden vor, dh. 42 Schichten in neun Wochen. Jede Schicht dauert acht Stunden 15 Minuten, wobei sich die Nachtschicht auf 1,5 Stunden zum Ende des einen und 6,75 Stunden zu Beginn des neuen Tages erstreckt. In einem Siebentageszeitraum fallen Schichtzeiten im Umfang von 49,5 Stunden an.
4
Die Wachpolizisten müssen den Dienst in angelegter Uniform nebst persönlicher Schutzausrüstung (iF PSA) und streifenfertiger Dienstwaffe antreten. Auf der dunklen Oberbekleidung der Uniform ist in weißer Schrift der Schriftzug „POLIZEI“ aufgebracht. Es ist den Wachpolizisten freigestellt, ob sie den Weg zum und vom Dienst in Uniform zurücklegen. An den Schutzobjekten finden sich nur teilweise Umkleidemöglichkeiten. Es besteht die Möglichkeit, einen Spind zu beantragen. Die Dienstwaffe ist nach einer Geschäftsanweisung des beklagten Landes über den Umgang mit Faustfeuerwaffen im streifenfertigen Zustand zu führen. Jeder Wachpolizist verfügt über ein Waffenschließfach in der Dienststelle des ZOS oder einem Polizeiabschnitt. Wachpolizisten ist es gestattet, die Dienstwaffe mit nach Hause zu nehmen, sofern dort eine geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit besteht. Auf dem Weg zum und vom Dienst ist es den Wachpolizisten freigestellt, die Dienstwaffe mit oder ohne Dienstkleidung zu tragen. Der Kläger legt die Uniform nebst PSA zu Hause an. Die Dienstwaffe bewahrt er in der Regel zu Hause auf und legt sie dort auch an.
5
An den gesetzlichen Feiertagen 1. Mai 2018 (Tag der Arbeit) und 10. Mai 2018 (Christi Himmelfahrt) hatte der Kläger dienstplanmäßig frei. Für den 1. Mai 2018 hat das beklagte Land dem Kläger keine Zeitgutschrift, für den 10. Mai 2018 eine Gutschrift von sechs Stunden und elf Minuten auf dem für ihn geführten Arbeitszeitkonto, dem sog. PuZMan-Konto, in der Spalte „Zeitkonto“ eingetragen.
6
Mit seiner Klage hat der Kläger – soweit diese in die Revision gelangt ist – die Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA und für die von ihm aufgewandte Zeit zum Entnehmen, Laden und Anlegen der Dienstwaffe seit dem 1. März 2016 sowie für die Wegezeiten von seiner jeweiligen Wohnanschrift zu den jeweils zugewiesenen Schutzobjekten seit dem 25. Juni 2015 verlangt. Er hat gemeint, das An- und Ablegen der Uniform sowie das Rüsten mit PSA und Dienstwaffe nehme er nur im Interesse des beklagten Landes vor, weshalb die dafür erforderliche Zeit ebenso wie die Wegezeiten, die von ihm in auffälliger Dienstkleidung unter Mitführen der Dienstwaffe zurückgelegt werden, zu vergütende Arbeitszeit seien. Das beklagte Land habe zudem seinem Arbeitszeitkonto Zeitgutschriften für arbeitsfreie gesetzliche Feiertage am 1. Mai 2018 und 10. Mai 2018 im Umfang von jeweils 7,07 Stunden gutzuschreiben.
7
Der Kläger hat – soweit für die Revision von Bedeutung – zuletzt sinngemäß beantragt,
        
1.    
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die vom Kläger seit dem 1. März 2016 zusätzlich erbrachte Arbeitszeit für das An- und Ablegen der Dienstuniform, das Auf- und Abrüsten mit den persönlichen Ausrüstungsgegenständen, das Entnehmen, Laden und Anlegen der Dienstwaffe im häuslichen Bereich im Umfang von jeweils insgesamt 14 Minuten an den Tagen, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, zu vergüten,
        
2.    
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die vom Kläger seit dem 25. Juni 2015 zusätzlich erbrachte Arbeitszeit in näher bestimmtem Umfang an den Tagen, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, durch Zurücklegen der Wegezeiten in Dienstkleidung zwischen seiner Wohnung in der L-Straße, B und dem ihm jeweils zugewiesenen Einsatzort zu vergüten,
        
3.    
das beklagte Land zu verurteilen, dem für den Kläger geführten PuZMan-Konto in der Spalte „Zeitkonto“ weitere vier Stunden und 55 Minuten gutzuschreiben.
8
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es hat die Auffassung vertreten, Wegezeiten seien unabhängig davon, wo sich der Kläger umziehe und rüste, nicht zu vergüten. Dies gelte auch, wenn der Kläger in Uniform den Arbeitsweg zurücklege.
9
Das Arbeitsgericht hat das beklagte Land zu einer Zeitgutschrift auf dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto im Umfang von drei Stunden und zwei Minuten verurteilt, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das erstinstanzliche Urteil vom 27. März 2019 wurde vom Vorsitzenden der Kammer am 6. September 2019 der Geschäftsstelle übergeben. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde das Urteil am 25. September 2019 zugestellt.
10
Soweit für die Revision von Bedeutung, hat das Landesarbeitsgericht auf die Berufung des Klägers – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – eine Vergütungspflicht des beklagten Landes für das Umkleiden und Rüsten sowie das Entnehmen, Laden und Anlegen der Dienstwaffe im Umfang von jeweils insgesamt 14 Minuten seit dem 1. April 2017 für die Tage, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, festgestellt und das beklagte Land verurteilt, weitere vier Stunden und 55 Minuten dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Der Kläger verfolgt mit seiner Revision die Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten bereits seit dem 1. März 2016 sowie der Wegezeiten zwischen Wohnsitz und jeweiligem Einsatzort seit dem 25. Juni 2015 weiter. Das beklagte Land begehrt mit seiner Revision die Abweisung der Klage auch in Bezug auf die Verurteilung zur weiteren Zeitgutschrift.


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