Arbeitsrecht

Ausschluss aus dem Betriebsrat – Ende der Amtszeit – Rechtsschutzinteresse – Pflichtverletzung – neue Amtszeit

Aktenzeichen  2 TaBV 8/21

Datum:
14.4.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Landesarbeitsgericht 2. Kammer
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:LAGTH:2022:0414.2TABV8.21.00
Spruchkörper:
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Verfahrensgang

vorgehend ArbG Suhl, 14. April 2021, 6 BV 20/20, Beschluss

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. und 3. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Suhl vom 14.04.2021 – 6 BV 20/20 – abgeändert.
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über den Ausschluss des Beteiligten zu 2. aus dem Betriebsrat.
Die zu 1. beteiligte Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie. Für ihren Betrieb ist der zu 3. beteiligte Betriebsrat gebildet, dessen Mitglied der Beteiligte zu 2. ist.
Die Arbeitgeberin leitete mit dem am 22.12.2020 eingegangenen Antrag ein Verfahren zum Ausschluss des Beteiligten zu 2. aus dem Betriebsrat ein. Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und die der gestellten Anträge wird auf I. der Gründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 68 ff. d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben und den Beteiligten zu 2. wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ausgeschlossen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, der Beteiligte zur 2. habe gegen die Verpflichtung aus § 99 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, Stillschweigen über die im Rahmen der personellen Maßnahmen bekannt gewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürften, zu bewahren, verstoßen. Wegen der Einzelheiten wird auf II. der Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses (Bl. 72 ff. d. A.) verwiesen.
Der Beteiligte zu 2. hat gegen den ihm am 06.08.2021 zugestellten Beschluss am 20.08.2021 Beschwerde eingelegt und die Beschwerde am 05.11.2021 begründet, nachdem die Beschwerdebegründungsfrist auf den am 06.10.2021 eingegangenen Antrag bis zum 08.11.2021 verlängert worden war. Der zu 3. beteiligte Betriebsrat hat gegen den ihm am 11.08.2021 zugestellten Beschluss am 25.08.2021 Beschwerde eingelegt und die Beschwerde am 01.10.2021 begründet.
Am 30.11.2021 fand eine Neuwahl des Betriebsrates statt. Der Beteiligte zu 2. wurde zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt.
Die Beteiligten zu 2. und 3. sind der Auffassung, der Ausschluss aus dem Betriebsrat sei nicht gerechtfertigt. Es liege keine grobe Pflichtverletzung vor. Der Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht wiege nicht so schwer, dass sie einen Ausschluss rechtfertigen. Im Übrigen bestehe keine Wiederholungsgefahr. Darüber hinaus sei der Antrag, soweit er sich auf den Ausschluss des Beteiligten zu 2. aus dem zum Zeitpunkt der Einleitung des Beschlussverfahrens bestehenden Betriebsrat beziehe, aufgrund der Neuwahl des Betriebsrates wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Zudem könne ein Betriebsratsmitglied nicht wegen etwaiger in der letzten Amtszeit begangener Pflichtverletzungen aus einem neu gewählten Betriebsrat ausgeschlossen werden.
Die Beteiligten zu 2. und 3. beantragen,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Suhl vom 14.04.2021 – 6 BV 20/20 – abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen
und erweiternd,
den Beteiligten zu 2. aus dem unter dem 30.11.2021 neu gewählten Betriebsrat auszuschließen.
Die Arbeitgeberin verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss. Sie ist der Auffassung, der Beteiligte zu 2. sei auch aus dem neu gewählten Betriebsrat auszuschließen, da er in groben Maße seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verletzt habe und weitere Verletzungen künftig zu befürchten sein.
Die Beteiligten zu 2. und 3. stimmen der Antragserweiterung ausdrücklich nicht zu. Überdies halten sie diese nicht für sachdienlich.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der im Beschwerdeverfahren zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B. Die an sich statthafte, form- sowie fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2. und 3. ist begründet. Der Antrag der Arbeitgeberin auf Ausschluss des Beteiligten zu 2. aus dem Betriebsrat ist unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Suhl vom 14.04.2021 zurückzuweisen, ebenso der im Rahmen der Antragserweiterung gestellte Antrag auf Ausschluss aus dem am 30.11.2021 neu gewählten Betriebsrat.
1. Der Antrag, den Beteiligten zu 2. aus den bis zur Neuwahl im Jahr 2021 amtierenden Betriebsrat auszuschließen, ist unzulässig, weil das Rechtsschutzinteresse an der begehrten Entscheidung im Laufe des Beschwerdeverfahrens entfallen ist.
a) Das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses ist Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Sachentscheidung des Gerichts und deshalb in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Beschwerdeinstanz und der Rechtsbeschwerdeinstanz, von Amts wegen zu prüfen. Das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung für die Beteiligten keine rechtliche Wirkung mehr entfalten kann. Mit dem Ende der Amtszeit des Betriebsrats kann sich ein Antrag auf Ausschluss des Mitglieds aus diesem Betriebsrat nicht mehr auswirken, da der gestaltende Beschluss nach § 23 Abs. 1 BetrVG keine Rückwirkung entfaltet, sondern nur für die Zukunft wirkt. Der Antrag wird daher mit Ablauf der Amtszeit des Betriebsrates wegen des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses unzulässig (BAG 18. Mai 2016 – 7 ABR 81/13 – juris, mwN).
b) Das ist bei dem Antrag der Arbeitgeberin auf Ausschluss des Beteiligten zu 2. aus dem bis zur Neuwahl amtierenden Betriebsrat der Fall. Die Amtszeit dieses Betriebsrats hat mit der Neuwahl am 30.11.2021 geendet. Damit kann sich eine Entscheidung über den Ausschluss des Beteiligten zu 2. aus diesem Betriebsrat für die Beteiligten nicht mehr auswirken.
2. Der Antrag ist ebenfalls zurückzuweisen, soweit die Arbeitgeberin beantragt, den Beteiligten zu 2. aus den am 30.11.2021 gewählten Betriebsrat auszuschließen.
a) Die Antragserweiterung ist zulässig, denn sie ist sachdienlich.
aa) In der Beschwerdeinstanz ist eine Änderung des Antrags zulässig, wenn die übrigen Beteiligten zustimmen oder das Gericht die Antragsänderung für sachdienlich hält. Sachdienlichkeit ist gegeben, wenn der bisherige Streitstoff und das Ergebnis des bisherigen Verfahrens auch für die Entscheidung über den geänderten Antrag nutzbar gemacht werden können und wenn der Streit der Beteiligten mit einer Entscheidung über den geänderten Antrag endgültig oder besser beigelegt werden kann und ein weiteres Verfahren vermieden wird (GMP/Springer § 81 Rn. 86, mwN).
bb) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Arbeitgeberin stützt ihren Antrag auf Ausschluss aus dem neu gewählten Betriebsrat nicht auf neue, während der neuen Amtszeit begangene Pflichtverstöße, sondern lediglich auf Pflichtverletzungen aus der vorherigen Amtszeit. Sie führt damit keinen völlig neuen Streitstoff in das Verfahren ein, sondern wirft lediglich die Rechtsfrage auf, ob ein etwaiger grober Pflichtverstoß, der bereits Gegenstand des Verfahrens ist, einen Ausschluss aus dem neu gewählten Betriebsrat rechtfertigt. Hierdurch wird der Rechtsstreit nicht verzögert. Ein weiteres Verfahren kann endgültig vermieden werden.
b) Der Antrag ist unbegründet. Die Voraussetzungen nach § 23 Abs. 1 BetrVG für einen Ausschluss des Beteiligten zu 2. aus dem am 30.11.2021 gewählten Betriebsrat sind nicht erfüllt.
aa) Gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG kann u.a. der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Eine grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten kann zum Ausschluss des Betriebsratsmitglieds führen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint. Allerdings kann eine Pflichtverletzung, die während einer vorangegangenen Amtszeit des Betriebsrats begangen wurde, den Ausschluss des Betriebsratsmitglieds zu dem neu gewählten Betriebsrat nicht rechtfertigen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Pflichtverletzung aus einer vorangegangenen Amtszeit Auswirkungen auf die neue Amtszeit haben kann (BAG 27. Juli 2016 – 7 ABR 4014/15 – juris, mwN). Die Beschwerdekammer folgt dieser Rechtsprechung und verweist zur weiteren Begründung auf die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in der zitierten Entscheidung.
bb) Hiernach ist der Antrag der Arbeitgeberin auf Ausschluss des Beteiligten zu 2. aus dem amtierenden Betriebsrat zurückzuweisen, da sie den Ausschluss lediglich auf eine Pflichtverletzung aus der vorangegangenen Amtszeit des Betriebsrates stützt.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.


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