Arbeitsrecht

Außerordentliche Kündigung von Mobilfunkverträgen

Aktenzeichen  8 O 12727/16

Datum:
6.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 49904
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 620, § 621, § 626 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Mobilfunkverträge, die im Einzelfall zwar als unbefristete Dienstleistungsverträge zu werten sind, jedoch keine bestimmte Vergütung vorsehen, an der sich die Kündigungsfrist von § 621 BGB orientieren könnte, unterfallen nicht dem Anwendungsbereich von § 620 BGB. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund, die erst ein Jahr nach Kenntnis vom Kündigungsgrund eingelegt wird, muss angesichts der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB als verwirkt angesehen werden. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen der Beklagten vom 18.02.2016 und 31.03.2017 die zwischen den Parteien bestehenden Mobilfunk-Vertragsverhältnisse mit den Rufnummern …
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf 326.440,02 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist im Hauptantrag zu I. begründet. Über die Hilfsanträge war wegen des Erfolges des Hauptantrags nicht mehr zu entscheiden. Der Feststellungsantrag zu IV. ist nicht zulässig.
I. Die streitgegenständlichen 508 Mobilfunkverträge wurden durch die Kündigungsschreiben der Beklagten vom 18.02.2016 und 31.03.2017 nicht wirksam beendet.
1.) Ordentliche Kündigung
Das Kündigungsschreiben vom 18.02.2016 (Anlage K 4) führte nicht zu einer wirksamen ordentlichen Kündigung der Mobilfunkverträge.
Dass die Vertragsverhältnisse ausdrückliche Regelungen zur ordentlichen Kündigung enthalten, ist nicht vorgetragen. Auch aus der Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (im Folgenden AGB) ergibt sich keine vertragliche Grundlage für eine ordentliche Kündigung.
a) Die wirksame Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den ursprünglichen Verträgen, die vom Kläger später übernommen wurden, ist nicht bewiesen.
Für die wirksame Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch deren Veröffentlichung im Amtsblatt war gemäß § 28 Abs. 3 TKV in der bis zum 11.05.2002 geltenden Fassung erforderlich, dass die Kunden in geeigneter Weise und unter Hinweis auf die Fundstelle der Veröffentlichung über die Vertragsänderung informiert werden. Ein Beweis hierfür wurde von der beweisbelasteten Beklagten nicht angeboten.
Hinsichtlich der nach dem 11.05.2002 registrierten Verträge kommt eine Einbeziehung von AGB durch deren Veröffentlichung im Amtsblatt nicht in Betracht, da § 28 TKV mit Wirkung vom 11.05.2002 aufgehoben wurde.
Auch eine Einbeziehung der AGB gemäß § 305a BGB kommt nicht in Betracht. Es ist bereits nicht vorgetragen, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305a Abs. 3 BGB der anderen Vertragspartei nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten vor dem Vertragsschluss hätten zugänglich gemacht werden können. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob § 305a BGB auf Mobilfunkverträge direkt oder analog anwendbar ist.
b) Hinsichtlich der 439 Mobilfunkverträge, die von dem Besitzerwechsel umfasst sind, ist ebenfalls zur Überzeugung des Gerichts eine wirksame Einbeziehung von AGB im Rahmen des Besitzerwechsels nicht erfolgt. Dass die AGB Stand Oktober 2014 mit dem Besitzerwechselformular übersandt wurden, ist nicht bewiesen.
Der Zeuge … wurde zum Beweis für den Vortrag der Beklagten angeboten, dass es seiner üblichen Geschäftspraxis entspricht, dem Besitzerwechselschreiben die AGB beizulegen. Der Zeuge hat hierzu angegeben, dass das Versenden von Besitzerwechselformularen nicht seine Haupttätigkeit sei. Die Versendung an den Kläger sei der einzige Fall gewesen, in dem er einen Besitzerwechsel durchgeführt habe. Der Zeuge gab zwar an, dass er üblicherweise AGB an die zu versendenden Schreiben anhefte. Ob er dem Schreiben an den Kläger tatsächlich die AGB beigefügt habe, könne er aber aus dem Gedächtnis nicht mehr sagen. Der Zeuge gab darüber hinaus an, er habe im Juni 2015 einen Verdacht hinsichtlich des Einsatzes von Wahlwiederholungs-Apps gehabt.
Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage bestehen nicht. Der Zeuge hat nachvollziehbare Angaben gemacht und klar zwischen eigenen Erinnerungen und Vermutungen getrennt.
Die beweisbelastete Beklagte konnte zur Überzeugung des Gerichts den Nachweis für ein Versenden der AGB an den Kläger nicht führen. Ob die AGB der Beklagten, Stand Oktober 2014, die Beklagte zu einer ordentlichen Kündigung berechtigten, kann daher dahinstehen.
c) Die ordentliche Kündigung der Verträge kann darüber hinaus auch nicht auf §§ 620, 621 BGB gestützt werden. Bei den Mobilfunkverträgen handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts zwar um unbefristete Dienstleistungsverträge. Eine bestimmte Vergütung, anhand derer sich die Kündigungsfrist des § 621 BGB bemessen könnte, ist aber nicht vereinbart. Der Anwendungsbereich des § 620 BGB ist damit nicht eröffnet.
Ein Grundsatz, dass unbefristete Dienstleistungsverträge stets ordentlich kündbar sein müssen, existiert im Übrigen nicht.
2.) Außerordentliche Kündigung
a) Aus den genannten Gründen sind keine AGB in die Mobilfunkverträge mit einbezogen. Die außerordentliche Kündigung kann somit auch nicht auf einen Verstoß gegen AGB gestützt werden.
b) Soweit die Beklagte ihre außerordentliche Kündigung auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben stützt, da der Kläger Wahlwiederholungs-Apps genutzt hat, ist ein derartiger Kündigungsgrund nach einem Ablauf von fast einem Jahr ab Kenntnis jedenfalls verwirkt, § 626 Abs. 2 S. 1 BGB.
Die außerordentliche Kündigung wäre daher jedenfalls auch nicht mehr fristgerecht gemäß § 314 Abs. 3 BGB gewesen.
II. Über die Hilfsanträge war aufgrund des Erfolges des Hauptantrags nicht zu entscheiden.
III. Der Antrag auf Feststellung einer Pflicht zur Guthabensauszahlung für den Fall der Vertragsbeendigung ist schon nicht zulässig. Feststellungsklagen gemäß § 256 ZPO können lediglich das Bestehen oder Nichtbestehen eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses betreffen. Da eine Vertragsbeendigung bislang nicht stattgefunden hat, ist derzeit kein gegenwärtiges Rechtsverhältnis gegeben, dass zu einer Zahlungspflicht führen könnte.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
III. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben