Aktenzeichen M 5 K 17.201
Leitsatz
Soweit Beamte im Schuldienst bei der Wahl von Beginn und Ende der Elternzeit Schulferien nicht aussparen dürfen (§ 13 Abs. 2 S. 2 BayUrlV 2015), liegt ein solches unzulässiges “Aussparen” nicht vor, wenn der Beamte sich nicht zielgerichtet Zeitvorteile verschaffen will, sondern die Wahl der Elternzeit durch einen sachlichen Grund (hier: nahtlose Betreuung der Tochter) gerechtfertigt ist. (Rn. 17 und 18) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 7. Oktober 2016 in Gestalt deren Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2016 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, der Klägerin Elternzeit ab dem 12. September 2016 zu gewähren.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
1. Aufgrund des erklärten Einverständnisses der Beteiligten konnte über die Streitsache ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
2. Der Klageantrag ist entsprechend dem Klägerbegehren (§ 88 VwGO) dahingehend auszulegen, dass die Aufhebung des Ausgangs- und des Widerspruchsbescheids des Beklagten begehrt wird sowie dessen Verpflichtung, der Klägerin Elternzeit ab dem 12. September 2016 (bis einschließlich 2. Januar 2019) zu bewilligen.
3. Die zulässige Klage hat Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 7. Oktober 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2016 ist rechtswidrig, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Gewährung von Elternzeit ab dem 12. September 2016 anstatt ab dem 1. August 2016.
a) Beamten und Beamtinnen steht die Möglichkeit offen, nach Maßgabe des dritten Abschnitts der zum streitgegenständlichen Zeitpunkt gültigen Verordnung über den Urlaub der bayerischen Beamten und Richter vom 23. Juni 2015 (Urlaubsverordnung – UrlV) bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes Elternzeit ohne Dienst- oder Anwärterbezüge in Anspruch zu nehmen. Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 UrlV ist es möglich, die Elternzeit auf drei Zeitabschnitte zu verteilen. Der Beamte bestimmt somit selbst den Zeitraum, in welchem er Elternzeit in Anspruch nehmen will. Beamte und Beamtinnen im Schul- und Hochschuldienst unterliegen dabei allerdings gemäß Abs. 2 besonderen Einschränkungen. So sind Unterbrechungen der Elternzeit, die überwiegend auf die Schulferien oder die unterrichtsfreie Zeit entfallen, nicht zulässig (Satz 1). Zudem dürfen bei der Wahl von Beginn und Ende der Elternzeit Schulferien oder die unterrichtsfreie Zeit nicht ausgespart werden (Satz 2). Die Regelungen sollen eine materielle Gleichbehandlung mit den übrigen, nicht im Schul- oder Hochschuldienst tätigen Beamten sicherstellen, deren Erholungsurlaub während der Elternzeit gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 1 in Verbindung mit § 18 Abs. 2 UrlV um ein Zwölftel für jeden vollen in das Urlaubsjahr fallenden Kalendermonat der Elternzeit gekürzt wird. Während der Schulferien besteht in der Regel für Lehrer keine Verpflichtung zur Dienstleistung, sodass das Angebot des Lehrers zur Dienstleistung – das sich aus der Unterbrechung der Beurlaubung während der Schulferien ergeben würde – ins Leere ginge. Der – faktischen – Nichtdienstleistung stünde für diesen Zeitraum der Anspruch auf Leistung von Besoldung gegenüber, was als rechtsmissbräuchlich einzustufen wäre (BayVGH, U.v. 18.10.2005 – 3 BV 02.1413 – juris Rn. 16).
b) Die Klägerin, die als Lehrerin in den Diensten des Beklagten steht, unterfällt grundsätzlich den genannten Einschränkungen des § 13 Abs. 2 UrlV. Gleichwohl war der Beklagte verpflichtet, ihrem (Haupt-)Antrag nachzukommen und ihr Elternzeit ab 12. September 2016 zu gewähren, obwohl die Elternzeit damit am letzten Tag der im Bundesland Bayern im Jahr 2016 von 1. August bis 12. September andauernden Sommerferien beginnt. Der Beklagte durfte den Beginn der Elternzeit nicht entsprechend des von der Klägerin nur hilfsweise gestellten Antrags auf den Beginn der Sommerferien am 1. August 2016 festlegen. Denn die Regelung des § 13 Abs. 2 Satz 2 UrlV ist dahingehend auszulegen, dass der Begriff des unzulässigen „Aussparens“ von Schulferien oder vorlesungsfreier Zeit ein voluntatives, zielgerichtetes Element beinhaltet. Dieses voluntative Element bedeutet, dass sich der Beamte oder die Beamtin zielgerichtet Zeitvorteile verschaffen will, ohne dass dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Vorliegend hat die Klägerin jedoch eine konkrete, nachvollziehbare Motivation dargelegt, aus welchen Gründen ihre Elternzeit erst am letzten Ferientag beginnen soll. Denn ihr Ehemann ist mit Wirkung vom 12. September 2016 in den Dienst eines anderen Bundeslandes abgeordnet worden, weshalb seine Elternzeit wiederum zum selben Datum endete. Damit eine nahtlose Betreuung der Tochter der Eheleute sichergestellt war, musste die Klägerin dementsprechend ab diesem Zeitpunkt ihrerseits erneut Elternzeit in Anspruch nehmen.
Dass das Ende der Sommerferien mit dem Beginn der Elternzeit zusammenfällt, liegt an den äußeren Umständen der kurzfristigen Abordnung des Ehemanns. Eine bewusste und gewollte und damit als missbräuchlich zu bewertende Festlegung des Elternzeitbeginns unter Umgehung der Ferienzeit ist demgegenüber hierin gerade nicht zu erblicken. Aus den Akten und dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich, dass sie die Sommerferien auch nicht faktisch als dienstfreie Zeit zur Betreuung ihrer Tochter ausgenutzt hat. Vielmehr war die Betreuung des Kindes bereits aufgrund der Elternzeit ihres Ehemannes gewährleistet. Etwas anderes würde gelten, wenn der Ehemann stattdessen Dienst geleistet und die Klägerin somit während der Schulferien als alleiniger Elternteil für die Betreuung der gemeinsamen Tochter zur Verfügung gestanden hätte. Dann wäre erkennbar gewesen, dass die Klägerin die dienstfreie Zeit der Schulferien faktisch als Elternzeit nutzt. So hingegen scheint das Zusammentreffen der Elternzeit des Ehemannes und der unterrichtsfreien Zeit der Klägerin ebenso unbeabsichtigt wie der Abordnungsbeginn zum Ende der Sommerferien.
Bei einer Gesamtschau der Umstände liegt somit eine atypische Fallgestaltung vor, aufgrund der ausnahmsweise kein „Aussparen“ der Schulferien anzunehmen ist. Das entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung, einen Rechtsmissbrauch durch im Schul- oder Hochschuldienst stehende Beamte zu verhindern. Bei einer sachlich begründeten Motivation wie der vorliegenden ist jedoch kein entsprechendes rechtsmissbräuchliches Verhalten gegeben.
4. Der Beklagte hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).