Arbeitsrecht

Befristung der Stundung des Erschließungsbeitrages

Aktenzeichen  B 4 K 18.148

Datum:
8.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21851
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 135 Abs. 4
BayKAG Art. 5a Abs. 9, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3b
AO § 120 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Befristung der Stundung des Erschließungsbeitrages nach § 135 Abs. 4 BauGB ist unzulässig. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die im Stundungsbescheid vom 14.03.2017 enthaltene Befristung der Stundung bis 31.12.2020 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts B… vom 12.01.2018 werden aufgehoben.
2.Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig und in der Sache begründet.
Der Stundungsbescheid der Beklagten vom 14.03.2017 ist rechtswidrig, soweit darin eine Befristung bis zum 31.12.2020 enthalten ist. Ebenso rechtswidrig ist der Widerspruchsbescheid des Landratsamts B… vom 12.01.2018, der nur die Frage der Zulässigkeit der Befristung zum Gegenstand hat. Der Kläger hat einen Rechtsanspruch auf unbefristete zinslose Stundung der von ihm erhobenen Vorausleistung. Die dem entgegenstehenden Regelungen in den angefochtenen Bescheiden verletzen den Kläger in seinen Rechten und sind daher aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 5a Abs. 9 KAG i.V. m. § 135 Abs. 4 BauGB ist ein für ein landwirtschaftlich oder als Wald genutztes Grundstück geschuldeter Erschließungsbeitrag so lange zinslos zu stunden, wie das Grundstück zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des landwirtschaftlichen Betriebs genutzt werden muss. Die Pflicht zur zinslosen Stundung erstreckt sich über den Wortlaut des § 135 Abs. 4 BauGB hinaus auch auf eine festgesetzte Vorausleistung (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 26 Rn. 27). Durch die Stundungsregelung soll vermieden werden, dass der Erschließungsbeitrag den Inhaber eines rentablen landwirtschaftlichen Betriebs zu einer Trennung von einem der Erschließungsbeitragspflicht unterliegenden Grundstück aus dem Betrieb veranlasst, das zur Erhaltung seiner Wirtschaftlichkeit notwendig ist. Damit soll gewährleistet werden, dass die Erschließungsbeitragspflicht Wirtschaftlichkeit und Existenz rentabler landwirtschaftlicher Betriebe nicht beeinträchtigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.10.1980 – 4 C 93.77 – BVerwGE 61, S. 124/126).
Zwischen den Beteiligten ist – aufgrund der Bestätigung des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten – unstreitig, dass in Bezug auf die vom Kläger geforderte Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag die Stundungsvoraussetzungen des § 135 Abs. 4 BauGB vorliegen. Unterschiedliche Auffassungen bestehen nur zu der Frage, ob die zinslose Stundung auf unbestimmte Zeit gewährt werden muss oder ob eine Befristung bis zu einem bestimmten Termin, mit der Möglichkeit einer zu beantragenden Verlängerung zulässig ist.
Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V. m. § 120 Abs. 1 AO darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung (wie z.B. einer Befristung) nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist (1. Alt.) oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden (2. Alt.).
Der Wortlaut der hier maßgeblichen Rechtsvorschrift des § 135 Abs. 4 BauGB, der den Anspruch auf zinslose Stundung regelt (… ist der Beitrag …zu stunden,…), gibt aber gerade keinen Anhaltspunkt auf eine zulässige zeitliche Einschränkung außerhalb der Tatbestandsvoraussetzung „solange das Grundstück zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des landwirtschaftlichen Betriebes genutzt werden muss“. Die Rechtsvorschrift lässt somit keine Nebenbestimmung zu (1. Alt.).
Die von der Beklagten beigefügte Befristung dient auch nicht der Sicherstellung, dass die Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden (2. Alt.). Die Voraussetzungen liegen unstreitig vor. Die Befristung dient vielmehr dem Interesse der Beklagten, die vermeiden möchte, dass ohne ihre Kenntnis die Voraussetzungen für die gewährte Stundung entfallen (z. B. Aufgabe der Landwirtschaft oder Verpachtung an Dritte) und nach Ablauf von fünf Jahren die Zahlungsverjährung eintritt (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a) KAG i.V. m. § 228 AO). Denn mit dem Wegfall der Stundungsvoraussetzungen büßt der Stundungsbescheid automatisch seine Wirksamkeit ein, ohne dass es eines Aufhebungsbescheids bedarf und ohne dass es auf die Kenntnis des Wegfallgrundes auf Seiten der Gemeinde ankommt (Driehaus, a.a.O., § 26 Rn. 30; BayVGH, Urteil vom 25.01.2013 – 6 B 12.355, juris Rn. 21).
Die von der Beklagten zitierten Kommentarmeinungen in Matloch/Wiens, Erschließungsbeitragsrecht, Rn. 1704, sowie Hesse, Erschließungsbeitrag, Rn. 27 zu § 135 BauGB, halten eine Befristung der Stundung für „zweckmäßig“ und denkbar, um sicherzustellen, dass die Gemeinde bei Wegfall der Stundungsvoraussetzungen den Beitrag fällig stellen kann. Dieses verständliche Interesse der Gemeinden, die in der Praxis vor der Schwierigkeit stehen, alle erschließungsbeitragsrechtlichen Stundungsfälle regelmäßig überprüfen zu müssen, um Zahlungsverjährungen zu vermeiden, findet in den gesetzlichen Grundlagen des § 120 Abs. 1 AO i.V. m. § 135 Abs. 4 BauGB aber keine Stütze.
Die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 a) cc) ccc) KAG i.V.m. § 90 Abs. 1 AO normierte Pflicht zur Mitwirkung an der Ermittlung des Sachverhalts, die dazu dient, alle für die Beitragserhebung maßgeblichen Tatsachen und Beweismittel vollständig anzugeben, rechtfertigt nicht die Beifügung einer Nebenbestimmung an einen gebundenen Verwaltungsakt. Seiner Mitwirkungspflicht muss der Kläger nachkommen, wenn die Beklagte ihn beispielsweise nach vier Jahren auffordert, das Fortbestehen der Stundungsvoraussetzungen nachzuweisen.
Aus der von den Beteiligten ins Feld geführten Entscheidung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, Urteil vom 25.01.2013 – 6 B 12.355) lässt sich für den vorliegenden Fall nichts herleiten. Gegenstand der Entscheidung war die nachträgliche Befristung einer ursprünglich auf unbestimmte Zeit gewährten Stundung nach § 135 Abs. 4 BauGB, die als rechtswidrig angesehen wurde, weil der bestandskräftige begünstigende Verwaltungsakt nicht nachträglich ohne Rechtsgrundlage aufgehoben oder eingeschränkt werden durfte. Ein Widerruf nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V.m. § 131 Abs. 2 AO sei weder im bestandskräftigen Stundungsbescheid vorbehalten noch durch die Vorschrift des § 135 Abs. 4 BauGB zugelassen.
Vorliegend handelt es sich nicht um eine nachträgliche Befristung, sondern um die zeitliche Befristung der erstmalig gewährten Stundung. Da § 135 Abs. 4 BauGB einen Rechtsanspruch auf die Stundung normiert, darf sie gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V. m. § 120 Abs. 1 AO nicht mit einer Nebenbestimmung versehen werden.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
3. Gründe, nach § 124a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, sind nicht gegeben, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) noch liegt eine Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vor.


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