Arbeitsrecht

Befristung – vorübergehender Bedarf an der Arbeitsleistung – Projekt

Aktenzeichen  7 AZR 572/17

Datum:
21.8.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2019:210819.U.7AZR572.17.0
Normen:
§ 14 Abs 1 S 2 Nr 1 TzBfG
Spruchkörper:
7. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Erfurt, 15. Juli 2016, Az: 8 Ca 2776/15, Urteilvorgehend Thüringer Landesarbeitsgericht, 18. Oktober 2017, Az: 6 Sa 287/16, Urteilnachgehend Thüringer Landesarbeitsgericht, 18. November 2020, Az: 6 Sa 288/19, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 18. Oktober 2017 – 6 Sa 287/16 – aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 31. Dezember 2015 geendet hat.
2
Nachdem zwischen den Parteien bereits in der Zeit vom 7. Januar 2013 bis zum 26. September 2013 ein Arbeitsverhältnis bestanden hatte, stellte der beklagte Freistaat, vertreten durch den Präsidenten des Thüringer Landesverwaltungsamts, die Klägerin erneut mit Arbeitsvertrag vom 17./19. Dezember 2013 befristet für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2014 als Teilzeitbeschäftigte ein. Dieser Arbeitsvertrag wurde dreimal verlängert, und zwar mit dem Änderungsvertrag vom 16./17. Dezember 2014 bis zum 31. August 2015, mit dem Änderungsvertrag vom 15./20. Januar 2015 bis zum 31. Oktober 2015 sowie mit dem Änderungsvertrag vom 21./29. Oktober 2015 bis zum 31. Dezember 2015. Die Klägerin war im Referat 460 „Ländlicher Raum“ des Thüringer Landesverwaltungsamts eingesetzt. Dieses nahm die Aufgaben der Oberen Naturschutzbehörde wahr und war für die Bewilligung und Abwicklung von Fördermaßnahmen zuständig. Hierzu gehörten Fördermaßnahmen, die auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) und der zum 31. Dezember 2015 befristeten Richtlinie des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt zur Förderung von Maßnahmen zur Entwicklung von Natur und Landschaft vom 14. Mai 2008 (ENL) durchgeführt wurden. Die Klägerin war ausschließlich mit Verwaltungsaufgaben im Zusammenhang mit Fördermaßnahmen auf der Grundlage der ELER/ENL befasst. Die Förderperiode begann am 1. Januar 2007 und endete am 31. Dezember 2013. Aufgrund einer Übergangsregelung konnten danach noch ENL-Restmittel in Höhe von 3,4 Mio. Euro ausgereicht werden.
3
Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz wies das Thüringer Landesverwaltungsamt mit Schreiben von 1. Juli 2015 darauf hin, dass die Zuständigkeit für die Bewilligung neuer ENL-Vorhaben im Rahmen der neuen Förderperiode ab dem 1. Juli 2015 auf die Thüringer Aufbaubank übergehe. Das Thüringer Landesverwaltungsamt bleibe für die vor dem 1. Juli 2015 bewilligten Vorhaben die zuständige ENL-Bewilligungsbehörde. Ab dem 1. Juli 2015 sei die Bewilligung neuer ENL-Vorhaben mit Mitteln der alten Förderperiode nicht mehr möglich. Zulässig seien nur geringfügige Änderungen und Verlängerungen bewilligter Projekte. Es sei zu beachten, dass alle ENL-Vorhaben aus der alten Förderperiode spätestens bis zum Ende des Jahres 2015 abgeschlossen sein müssten. Mit E-Mail vom 3. August 2015 wies das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz nochmals auf die Möglichkeit hin, ENL-Restmittel für die Verlängerung von Vorhaben zu nutzen, um die Förderlücke zwischen alter und neuer Förderperiode möglichst gering zu halten.
4
Mit ihrer am 21. Dezember 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage, die dem in der Klageschrift als beklagte Partei bezeichneten Thüringer Landesverwaltungsamt am 11. Januar 2016 zugestellt wurde, hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Befristung zum 31. Dezember 2015 sei unwirksam, da sie nicht durch einen Sachgrund gerechtfertigt sei.
5
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
        
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristung zum 31. Dezember 2015 beendet ist.
6
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei wegen eines vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung der Klägerin gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG gerechtfertigt. Bei der erneuten Einstellung der Klägerin mit dem Arbeitsvertrag vom 17./19. Dezember 2013 sei aufgrund der durch die Übergangsregelung eröffneten Möglichkeit, ENL-Restmittel in Höhe von 3,4 Mio. Euro bis zum 31. Dezember 2014 auszureichen, und der Notwendigkeit, im Nachgang zu den bereits ausgereichten Mitteln Verwaltungskontrollen, Vor-Ort-Kontrollen sowie Verwendungsnachweisprüfungen durchzuführen, ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf für die Klägerin bis zum 31. Dezember 2014 prognostiziert worden. Im Jahr 2014 sei überraschend bekannt geworden, dass Neubewilligungen auch noch im Jahr 2015 möglich waren und dass dafür erhebliche Mittel zur Verfügung standen. Deshalb habe der Leiter des Referats 460 des Thüringer Landesverwaltungsamts im November 2014 einen vorübergehenden Beschäftigungsbedarf für die Klägerin bis zum 31. Dezember 2015 prognostiziert. Das zuständige Ministerium habe zunächst nur einer Beschäftigung der Klägerin bis zum 31. August 2015 und danach bis zum 31. Oktober 2015 zugestimmt, so dass es zu den entsprechenden weiteren Befristungsvereinbarungen gekommen sei. Aufgrund der Anweisung des Ministeriums vom 1. Juli 2015, die Vorgänge bis zum Jahresende 2015 abzuschließen, und der Möglichkeit, bereitstehende Mittel für die Verlängerung geförderter Maßnahmen zu nutzen, habe sich der Arbeitsaufwand im zweiten Halbjahr 2015 noch einmal deutlich erhöht. Bei Abschluss des letzten Änderungsvertrags am 21./29. Oktober 2015 habe wegen des Außerkrafttretens der ENL-Richtlinie zum 31. Dezember 2015 und des Wechsels der Zuständigkeit für entsprechende Fördermaßnahmen zur Thüringer Aufbaubank festgestanden, dass die Abwicklung der ENL-Fördermaßnahmen aus der Förderperiode 2007 bis 2013 nach dem 31. Dezember 2015 durch die Stammbelegschaft bewältigt werden könne.
7
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. In dem Urteil ist das Thüringer Landesverwaltungsamt als beklagte Partei bezeichnet. Auf die vom Freistaat Thüringen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht unter Änderung des Passivrubrums auf den Freistaat Thüringen die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.


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