Arbeitsrecht

Begründeter Fall i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, Vermögende Ausländerin

Aktenzeichen  M 25 K 19.2489

Datum:
12.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 17991
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 7 Abs. 1 S. 3
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.     
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis um ein Jahr. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Eine Aufenthaltserlaubnis wird nur auf einen Antrag des Ausländers hin verlängert, § 8 Abs. 1, § 81 Abs. 1 AufenthG. Dabei hat der Ausländer auch die näheren Umstände zu dem von ihm angestrebten Aufenthaltszweck anzugeben.
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 12. Mai 2021 angegeben, dass die Klägerin von ihrem Vermögen in einer Eigentumswohnung der Familie in Deutschland für die Dauer von einem Jahr leben wolle. Sie würde im Bundesgebiet das Leben genießen und die Entwicklung abwarten wollen, gegebenenfalls werde dann ein weiterer Antrag auf Verlängerung gestellt.
Da der von der Klägerin genannte Aufenthaltszweck in den einzelnen Abschnitten des Aufenthaltsgesetzes nicht geregelt ist, kommt nur eine Erteilung nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in Betracht.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG kann in begründeten Fällen auch für einen vom Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.
Auch wenn das Gericht auf Grund der veränderten Lebensumstände der Tochter der Klägerin (Eheschließung, Abschluss der Ausbildung) nicht mehr von einem verdeckten Familiennachzug ausgeht, so fehlt es dennoch an einem „begründeten Fall“ i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG.
Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellt keine allgemeine Generalklausel dar, wonach Aufenthaltserlaubnisse auch dann erteilt werden können, wenn sich keine gesetzliche Grundlage im Aufenthaltsgesetz an anderer Stelle findet. Vielmehr ist erforderlich, dass die Aufenthaltserlaubnis für einen bestimmten Zweck begehrt wird, der im Aufenthaltsgesetz überhaupt nicht vorgesehen ist, der zudem nicht abwegig oder missbräuchlich erscheint (BayVGH BayVGH B.v. 13.2.2008 – 10 Cs 07.2733 – beckonline, BeckRS 2008, 27547).
Der vorliegend allein einschlägige Aufenthaltszweck von Nichterwerbstätigen, die hier von ihrem Vermögen leben wollen, ist nicht im Aufenthaltsgesetz geregelt. Dementsprechend kann Ziff. 7.1.3. der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 des Bundesministeriums des Innern entnommen werden, dass ein denkbarer „begründeter Fall“ „ein vermögender Ausländer ist, der sich in Deutschland niederlassen möchte, um hier von seinem Vermögen zu leben…“. Genannt wird hierbei als Beispiel die Konstellation der vermögenden Pensionäre, deren erwachsene Kinder im Bundesgebiet leben, sofern keine familiäre Lebensgemeinschaft angestrebt wird, sondern nur reine Besuchsbegegnungen stattfinden sollen (s. auch Discher in GK-AufenthG, Stand September 2019, § 7 Rn. 258.2; Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht 13. Auflage, 2020, § 7 Rn. 34; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand April 2019, § 7 Rn. 18.)
Dabei ist das Gericht der Auffassung, dass der Ausländer über ein so großes Vermögen verfügen muss, dass dieser seinen Lebensunterhalt mit einer gewissen Nachhaltigkeit bzw. dauerhaft aus den Erträgen seines Vermögens bestreiten kann, ohne den Vermögensstock aufzubrauchen, oder über dauerhafte Erträge aus einem fremden Kapitalstock wie bei einer Rente verfügt (vgl. VG Stuttgart B.v. 10.6.2010 – 2 K 1260/10 – beckonline, BeckRS 2010, 51425; VG Freiburg, U.v. 18.7.2018 – 1 K 1083/17 – beckonline BeckRS 2018, 17396 Rn. 30; so auch BayVGH, B.v. 8.11.2019 – 10 CS 19.1798 – beckonline BeckRS 2019, 30490 Rn. 19, der auf die beiden vorstehenden Urteile verweist). Die Erträge, aus denen der Lebensunterhalt bestritten wird, müssen dabei maßgeblich über dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum liegen (a.A. VG Freiburg, U.v. 18.7.2018 – 1 K 1083/17 – beckonline BeckRS 2018, 17396 Rn. 32).
Dies ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes insbesondere aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Denn nach § 5 Abs. 1 Nr.1 AufenthG, der als allgemeine Erteilungsvoraussetzung im Rahmen den § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ebenfalls anwendbar ist, muss grundsätzlich der Lebensunterhalt dauerhaft durch eigenes Einkommen gesichert sein, sei es aus eigener Erwerbstätigkeit, Vermögen oder sonstigen verfügbaren Mitteln. Ein Zuzug in die sozialen Sicherungssysteme ist grundsätzlich unerwünscht. Das Vermögen der Konstellation „vermögender Ausländer“ in § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG muss also über die bloße Sicherung des Lebensunterhalts hinausgehen. Ansonsten ergäbe sich für § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der Fallgruppe der „vermögenden Ausländer“ kein eigener Regelungsgehalt. Da es sich um eine Ausnahmeregelung handelt, die grundsätzlich eng auszulegen ist, wird man bei der Beurteilung über die Höhe des Vermögens eine Kosten-Nutzenrechnung für die Gesellschaft der Bundesrepublik derart anzustellen haben, ob der Ausländer auf Grund seiner finanziellen Möglichkeiten weit überdurchschnittlich konsumiert und Dienstleistungen in einem solchen Maße in Anspruch nimmt, dass die Inanspruchnahme knapper, von der Solidargemeinschaft finanzierter Ressourcen, die der Ausländer im Bundesgebiet ebenfalls in Anspruch nimmt, dagegen nicht wesentlich ins Gewicht fällt (z.B. ärztliche Leistungen, Klinikbetten).
Bei der Klägerin handelt es sich nicht um eine „vermögende Ausländerin“ in diesem Sinne. Die Klägerin verfügt zwar über ein Bankguthaben i.H.v. 80.000 EUR. Weiter vorgelegt wurden Bescheinigungen über verschiedene Rentenversicherungen bei der … VersicherungsAG, die erst in mehreren Jahren ablaufen. Der Bevollmächtigte teilte im Schreiben vom 7. Mai 2021 zudem mit, dass die Beiträge für die Altersvorsorge und die Grundschuld vom Ehemann der Klägerin getragen würden. Die Beiträge für die Krankenversicherung i.H.v. rund 560 EUR monatlich würde die Klägerin selbst tragen. Sie würde mietfrei in der dem Ehepaar gehörenden Wohnung wohnen.
Da die Klagepartei erklärte, dass sie den Lebensunterhalt von dem zur Verfügung stehenden Bankguthaben bestreiten würde, würde die Klägerin nicht aus den Erträgen ihres Vermögens leben, sondern den Kapitalstock zunehmend aufbrauchen.
Der Verzehr des Kapitalstocks kann auch nicht wegen des avisierten Aufenthaltsdauer von zunächst einem Jahr hingenommen werden. Es mag sein, dass die Klägerin bezogen auf ein Jahr von dem Bankguthaben ihren Lebensunterhalt gut bestreiten kann. Dennoch erscheint es dem Gericht als sachgerecht, schon jetzt auch eine längere Aufenthaltsdauer in den Blick zu nehmen. Denn die Klagepartei hat nicht ausgeschlossen, dass nach Ablauf des Jahres eine Verlängerung beantragt wird, so dass der Klägerin über das eine Jahr hinaus eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG auszustellen ist. Damit ist im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer ein über das eine Jahr hinausgehender Aufenthalt zu Grunde zu legen, so dass bei einem Verbrauch des Kapitalstocks die Nachhaltigkeit der Sicherung des Lebensunterhalts nicht mehr gegeben ist.
Weiter ist im vorliegenden Einzelfall zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihr Vermögen ausschließlich von ihrem Ehemann bezieht, – sie also von ihm finanziell abhängig ist – so dass nicht gesichert erscheint, dass die Klägerin stets über das Vermögen verfügen kann und ihr Ehemann auch in Zukunft beispielsweise die Altersvorsorge und das Darlehen für die Wohnung tilgt.
Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte geht das Gericht nicht von einem „begründeten Fall“ i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aus. Da die Klägerin bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nicht erfüllt, hat sie keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis.
2. Gegen die in Ziffer. 2 des Bescheides verfügte Abschiebungsandrohung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Klägerin ist nach § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig. Die gem. § 59 Abs. 1 AufenthG festzusetzende Ausreisefrist war länger bemessen als die maximale Ausreisefrist des § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nämlich bis zum 30. Juni 2019.
II. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708ff ZPO


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