Arbeitsrecht

Bereitschaftsdienst im Krankenhaus als abhängige Beschäftigung

Aktenzeichen  L 7 R 5059/17

Datum:
22.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5673
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 44, VI § 1 Satz 1 Nr. 1, III § 25 Abs. 1 Satz 1
KHEntgG § 2

 

Leitsatz

Bereitschaftsdienst im Krankenhaus ist regelmäßig abhängige Beschäftigung des diesen Dienst leistenden Arztes. (Rn. 32 – 52)

Verfahrensgang

S 1 R 5088/13 2016-11-24 Urt SGLANDSHUT SG Landshut

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. November 2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage gegen den Bescheid vom 13.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2013 abgewiesen. Die Bescheide waren rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist bei ihrer Tätigkeit zu den im Bescheid vom 23.01.2013 genannten Zeiten nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI rentenversicherungspflichtig und nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III versicherungspflichtig nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen.
Die Beklagte hat ihre Feststellung, dass die Klägerin bei ihrer Tätigkeit in diesen Zweigen der Sozialversicherung wegen abhängiger Beschäftigung versicherungspflichtig war, zutreffend nach § 7a SGB IV i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB IV getroffen.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung „die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis“ (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch eingeschränkt und „zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 – B 12 KR 10/01 R – SozR 3-2400 § 7 Nr. 20). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21 m. w. N.). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.
Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist.
Rechtliche Vorgaben gibt es weder dahingehend, dass die Tätigkeit eines Honorararztes immer als selbständig bewertet werden muss, noch dahingehend, dass es sich immer um eine abhängige Beschäftigung handelt.
Der Gesetzgeber hat mit § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG in der ab 01.01.2013 gültigen Fassung (Gesetz vom 21.07.2012, BGBl I 1613) durch die Regelung, dass Krankenhausleistungen auch ärztliche Leistungen nicht festangestellter Ärztinnen und Ärzte sind, für die Rechtsprechung keine Regelung darüber getroffen, ob ein Honorararzt in einem Krankenhaus nur abhängig beschäftigt sein kann (so aber LSG Baden-Württemberg Urteil vom 17.04.2013, L 5 R 3755/11) oder stets selbständig tätig ist (vgl. im Ergebnis wohl LSG Baden-Württemberg Urteil vom 23.05.2017, L 11 R 771/15).
Ebensowenig ergibt sich aus der Rechtsprechung des BVerfG, dass ein Honorararzt im Krankenhaus seine Tätigkeit zwingend als Selbständiger ausführen können muss (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 05.04.2017, L 2 R 385/16). Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 03. März 2015 – 1 BvR 3226/14 – NZS 2015, 502 lediglich dargetan, dass der damalige Beschwerdeführer schon die Möglichkeit einer Verletzung seines Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht nachvollziehbar aufgezeigt habe. Nur im Rahmen der Ausführungen zur mangelnden Substantiierung einer solchen Grundrechtsbeeinträchtigung ist das BVerfG auch auf die von dem damaligen Beschwerdeführer herangezogene Rechtsauffassung eingegangen, wonach dieser als Honorararzt selbständig tätig geworden sein will. Das BVerfG hat den Vortrag des damaligen Beschwerdeführers dahingehend verstanden, dass dieser als Honorararzt aufgrund eines Dienstvertrages insbesondere im stationären Bereich des Krankenhauses ärztliche Leistungen für den Krankenhausträger erbracht habe, ohne bei diesem angestellt oder als Belegarzt oder Konsiliararzt tätig zu sein. Hieran anknüpfend hat das BVerfG die Ausführungen zu einer Beeinträchtigung in verfassungsrechtlich geschützten Rechten für nur unzureichend substantiiert bewertet. Inhaltliche Ausführungen, unter welchen Voraussetzungen eine dienstvertraglich vereinbarte honorarärztliche Tätigkeit außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses in Betracht kommen mag, waren mit diesen Darlegungen des BVerfG zur fehlenden Substantiierung des damaligen Beschwerdevorbringens nicht verbunden. Erst recht hat das BVerfG in dieser Entscheidung nichts in dem Sinne zum Ausdruck gebracht, dass es eine Abweichung von den hergebrachten höchstrichterlichen Kriterien für die Abgrenzung abhängiger Beschäftigungen von selbständigen Tätigkeiten für angezeigt erachten könnte.
Demnach ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit als Honorararzt zulässigerweise sowohl als abhängige Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden kann, mit der Folge, dass nach der Rechtsprechung des BSG eine Gesamtschau sämtlicher Indizien der Tätigkeit notwendig und darauf basierend eine Gesamtabwägung vorzunehmen ist. Die vorstehend angesprochenen allgemeinen Grund-sätze, wie sie vom BSG zur Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung aufgestellt wurden, gelten uneingeschränkt auch für die Beurteilung ärztlicher Tätigkeit im Krankenhaus.
Unter Anwendung der genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum in ihrer Tätigkeit als Bereitschaftsärztin im Nachtdienst eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei der Klägerin ausgeübt hat und daher der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen ist.
Zwar war der Vertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) über eine freie Mitarbeit geschlossen worden. Der dahin gehende Wille der Vertragspartner ist allerdings nur als schwaches Indiz zu würdigen. Vielmehr kommt es auf den Inhalt der Vertragspflichten und die entsprechende Durchführung des Vertrages an. Ohne wesentliche Bedeutung ist dabei im Rahmen der Gesamtabwägung, dass keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart waren. Denn solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten.
Gegen eine selbständige Tätigkeit spricht zunächst nicht, dass die Klägerin nicht Vertragspartei der Patienten war; denn damit ist noch keine Aussage über den sozialversicherungsrechtlichen Status der für die Beigeladenen zu 1) Tätigen als Beschäftigte oder Selbständige getroffen. Auch ist der Umstand, dass Ärzte die Klinikeinrichtungen und benötigte Geräte kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen haben, nicht entscheidend von Gewicht. Die Ausführung der Tätigkeit in den Betriebsräumen der Klägerin ergibt sich aus der Natur der Sache und ist daher hier ebenfalls kein entscheidendes Abgrenzungskriterium.
Für eine abhängige Beschäftigung spricht, dass die Klägerin im Außenverhältnis gegenüber den Patienten nicht erkennbar als Selbstständige aufgetreten ist. Zudem konnte sie im Verhinderungsfall nicht selbst für eine Ersatzperson sorgen, sondern war höchstpersönlich zur Dienstleistung verpflichtet. Hierbei handelt es sich jedoch ebenfalls nur um schwache Abgrenzungskriterien.
Entscheidend ist aus Sicht des Senats vielmehr Folgendes: Nach dem wesentlichen Inhalt der Vertragsgestaltung war die Klägerin in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) eingegliedert und unterlag deren Weisungsrecht.
Die Klägerin war im Sinne einer funktionsgerechten Einordnung, in der fremdbestimmte Arbeit geleistet wird, wie eine Beschäftigte in den Betrieb der Klägerin eingeordnet.
Etwaige Handlungsspielräume für die Klägerin, die gegen eine auch nur funktionsgerecht dienende Eingliederung in den Betrieb der Klägerin sprechen könnten, sind für den Senat nicht erkennbar. Die Tätigkeit einer Bereitschaftsärztin in einem Krankenhaus ist, wie sie hier geregelt und ausgeführt wurde, durch die Einbindung der Klägerin in die arbeitsteiligen Abläufe des Krankenhauses geprägt.
Dass die Klägerin hinsichtlich der von ihr übernommenen Nachtdienste an die grundsätzliche Dauer im Regelfall von 16.30 bis 08.30 Uhr des Folgetages gebunden war, ergibt sich zwar auch aus der Natur der Sache, da sich der Bereitschaftsdienst in einer Klinik kaum ohne regelmäßige und feststehende Dienstzeiten regeln lässt. Allerdings wird durch den Vertrag ein Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1) hinsichtlich der Arbeitszeiten begründet, das im Rahmen der Gesamtbeurteilung von erheblicher Bedeutung ist. Der Zeitrahmen war bereits Vertragsgrundlage, da die Beigeladene zu 1) als Klinik mit Versorgungsauftrag verpflichtet ist, durchgängig auch in der Nacht einen Arzt in der Klinik vorzuhalten. Die Klägerin konnte ihre ärztlichen Dienste zeitlich nicht frei bzw mit Spielraum, wie ihn Selbständige bei ihrer Tätigkeit ggf haben, erbringen. Vielmehr sah der Vertrag vor, dass die Klägerin „in Vertretung“ einer bei der Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigten Ärztin ausübte, also für diese fehlende abhängig beschäftigte Ärztin eine Lücke im Betrieb der Beigeladenen zu 1) schließen musste. An den Tagen, für die die Klägerin ihre Mitarbeit vertraglich zugesagt hatte, war die Klägerin im Betrieb der Beigeladenen zu 1) eingebunden. Es ist nichts dafür substantiiert vorgetragen worden oder anderweitig ersichtlich, dass die Klägerin nach Annahme einer Dienstschicht in einer für Arbeitnehmer eher untypischen Weise den einzelnen Dienst abbrechen konnte. Vielmehr ist es gerade im Klinikalltag unerlässlich, dass die Diensthabenden ihren Dienst bis zur letzten Minute gewissenhaft verrichten. Nach Zusage der Übernahme zeitlich festgelegter Dienste war es zwingend notwendig, dass die Klägerin einen übernommenen Dienst auch gewissenhaft wahrgenommen hat.
Auch fachlich unterlag die Klägerin einem Weisungsrecht. Sie war schon nach dem Wortlaut des Honorararztvertrages bezogen auf die Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeiten an Weisungen des Auftraggebers, d.h. der Beigeladenen zu 1) und des von ihr eingesetzten Chefarztes, gebunden. Fachlich besteht bei ärztlichen Tätigkeiten aus der Natur der Sache grundsätzlich eine weitgehend weisungsfreie Tätigkeit, die jedoch bei der Eingliederung in Hierarchien durchbrochen wird (vgl Powietzka/Bölz, KrV 2012, 137, 139). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann insoweit das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch eingeschränkt und „zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 – B 12 KR 10/01 R – SozR 3-2400 § 7 Nr. 20). Bei der Beigeladenen zu 1) obliegt es dem Chefarzt, die Durchführung der für den ärztlichen Bereich erlassenen Vorschriften und Anordnungen sicherzustellen. Dies beinhaltet zugleich, dass er insoweit auch der Klägerin bei Bedarf die erforderlichen Weisungen erteilten konnte und musste. Die Beigeladene zu 1) weist in ihren Stellungnahmen gegenüber der Beklagten ausdrücklich auf ein uneingeschränktes Weisungsrecht der Chefärztin gegenüber allen im Bereich ihrer Abteilung eingesetzten Ärzten hin. Nur so konnte die Chefärztin auch ihrer Verantwortung für den medizinischen Betrieb innerhalb ihres Verantwortungsbereichs gerecht werden. Namentlich musste die verantwortliche Chefärztin dafür Sorge tragen, dass mit Hilfe der am jeweiligen Einsatz zur Verfügung stehenden Ärzte der Behandlungsbedarf bei allen Patienten, insbesondere Eilfällen während des Bereitschaftsdienstes, fachgerecht abgedeckt wurde.
Die Klägerin hatte auch kein in hohem Maße für Selbständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko getragen.
Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (siehe dazu BSG 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, juris; BSG 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400, § 7 Nr. 15). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüber stehen (BSG, aaO). Die Klägerin hat – wie es für Honorarärzte typisch ist – im Wesentlichen ihre Arbeitskraft und weniger Kapital eingesetzt.
Ein relevanter Einsatz eigenen Kapitals ist nicht erkennbar. Eigene Betriebsmittel von erheblicher finanzieller Bedeutung wurden nicht eingesetzt. Über eine eigene Betriebsstätte hat die Klägerin ohnehin – aus sich aus der Natur der Sache ergebenden Gründen – nicht verfügt. Sie war im Klinikum im Rahmen der dortigen Ausstattung eingesetzt. Die erforderlichen Arbeitsmittel waren dort vorhanden.
Aus der Art der Vergütung nach Stundensätzen lassen sich hier keine für die Abwägung ausschlaggebenden Argumente finden. Als Gegenleistung für die von ihr erbrachten Tätigkeiten standen der Klägerin nach Maßgabe des Honorararztvertrages eine Stundenvergütung – auch insoweit typisch für Beschäftigte – in Höhe von 63 Euro je Stunde zu. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte die Klägerin – wie jeder andere Beschäftigte auch – allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen. Eine Gewinn- und Verlustbeteiligung, die für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit sprechen könnte, sahen die vertraglichen Vereinbarungen ausdrücklich nicht vor. Soweit das BSG bei Dienstleitungen höherer Art, wie sie hier vorliegt, eine Stundenvergütung zu würdigen hatte, geschah dies dahingehend, dass allein wegen einer Stundenvergütung abhängige Beschäftigung „zwingend“ anzunehmen sei und jegliches Unternehmerrisiko verneint werden könne; jedoch hat das BSG dem Unternehmerrisiko in einem solchen Fall im Rahmen der Gesamtabwägung kein besonderes Gewicht zugemessen (vgl BSG, Urteil vom 31.3.2017 – B 12 R 7/15 R Rz 48). Eine feste Vergütung nach Stundensätzen ist daher letztlich weder ein Argument für noch gegen die Selbstständigkeit in dem Sinne, dass kein Risiko bestehe, Arbeitsleistungen zu erbringen, ohne eine Vergütung dafür zu erhalten (LSG Berlin-Brandenburg, 20.03.2015, L 1 KR 105/13, NZS 2015, 630).
Das Risiko, bei Behandlungsfehlern auch persönlich in Anspruch genommen zu werden, trifft im Ausgangspunkt auch abhängig beschäftigte Ärzte; es beinhaltet kein unternehmerisches Risiko im vorstehend angesprochenen Sinn. Kein ausschlaggebendes Indiz kann in diesem Zusammenhang sein, ob die Klägerin ihr Risiko über die von ihr abgeschlossene Versicherung abgedeckt hat oder letztlich von der Beigeladenen zu 1) und deren Versicherungen von der Haftung freigestellt worden wäre.
Im Ergebnis stellt der Senat im Rahmen der Gesamtabwägung – unter Einbezug sämtlicher von der Beklagten in ihren Bescheiden und den Beteiligten in ihren Stellungnahmen vorgetragenen Argumenten und Indizien sowie den Abwägungen des Sozialgerichts – entscheidend darauf ab, dass die Klägerin hier als Vertretungskraft in die Struktur der Klinik eingebunden war und dabei dem Weisungsrecht der Chefärztin unterlag. Die Berufung wird demgemäß als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass die Klägerin mit ihrem Begehren erfolglos blieb.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.


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