Aktenzeichen 3 ZB 16.279
Leitsatz
1 Bei der Vergleichsberechnung im Rahmen der Anrechnung von Vordienstzeiten nach §§ 10 bis 12, § 67 Abs. 2 BeamtVG haben solche Versorgungsleistungen außer Betracht zu bleiben, die der Beamte ganz oder weit überwiegend mit eigenen Mitteln erworben hat (BVerwG BeckRS 2016, 42103). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der Ermessensausübung nach den §§ 11, 12 und § 67 Abs. 2 BeamtVG ist zu berücksichtigen, dass mit diesen Vorschriften eine versorgungsrechtliche Gleichstellung von Mischlaufbahn-Beamten mit „Nur-Beamten“ erreicht werden soll. Das erfordert eine Vergleichsberechnung. Die Summe aus auszuzahlendem Ruhegehalt und Rente soll die Höchstgrenze des § 55 Abs. 2 BeamtVG nicht unterschreiten. Die Nichtberücksichtigung von Vordienstzeiten wird ermessensfehlerhaft, wenn sie dazu führt, dass dem Beamten ein Ruhegehalt unterhalb dieser Höchstgrenze ausgezahlt und die Differenz nicht durch eine anderweitige Versorgung ausgeglichen wird (BVerwG BeckRS 2016, 42103). (Rn. 5 und 6) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 12 K 14.5686 2015-12-21 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000,- € festgesetzt.
Gründe
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils) sowie des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Das Urteil, mit dem der Beklagte – unter Abweisung der Klage im Übrigen – unter entsprechender Aufhebung des entgegenstehenden Bescheides des Landesamts für Finanzen vom 4. Dezember 2014 verpflichtet wurde, die Versorgungsbezüge des Klägers ab 4. April 2014 ohne Berücksichtigung der Ermessensrichtlinien vom 12. März 1987 (FMBl. S. 103) bzw. vom 4. Dezember 2002 (StAnz 2003 Nr. 5), geändert am 14. Mai 2004 (FMBl. S. 97), unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu berechnen, ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend und beruht im Ergebnis auch nicht auf einer Abweichung von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. November 2015 (Az. 2 C 22.14 – ZBR 2016, 259).
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung (a.a.O. ) ausdrücklich nicht an mehr seiner Aussage im Urteil vom 26. Januar 2012 (Az. 2 C 49.10 – ZBR 2012, 169 ) festgehalten, sondern eine sog. „Sperrwirkung“ von § 55 Abs. 8 BeamtVG für die nach §§ 10 bis 12 und § 67 Abs. 2 BeamtVG zu treffende Ermessensentscheidung bei der Berücksichtigung von Kann-Vordienstzeiten im Ausland verneint. Daher erweist sich die Begründung des Urteils, zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen hätten Leistungen der Schweizerischen Altersvorsorge, die von der Ruhensvorschrift des § 55 Abs. 8 BeamtVG nicht erfasst würden, auch nicht in die Ermessensausübung gemäß §§ 10 bis 12 und § 67 Abs. 2 BeamtVG einbezogen werden dürfen, als unrichtig.
Bei der Vergleichsberechnung im Rahmen der Anrechnung von Vordienstzeiten nach §§ 10 bis 12, § 67 Abs. 2 BeamtVG haben allerdings solche Versorgungsleistungen außer Betracht zu bleiben, die der Beamte ganz oder weit überwiegend mit eigenen Mitteln erworben hat (BVerwG, U.v. 19.11.2015 a.a.O. Rn. 29). Dies ist ersichtlich bei der vom Kläger bezogenen „Austrittsleistung“ der Fall, bei der es sich nach Angaben der Bernischen Pensionskasse (vgl. Schreiben vom 7.4.1999 und 7.4.2000) um vom Kläger gezahlte Arbeitnehmerbeiträge in Höhe von 40.268,85 SFr inkl. freiwilliger Beiträge in Höhe von 1.661,05 SFr handelt, so dass die Ermessensausübung durch den Beklagten bei der Berücksichtigung ruhegehaltfähiger Vordienstzeiten insoweit fehlerhaft war. Darüber hinaus ist offengeblieben, ob und ggf. in welchem Umfang die vom Kläger bezogene Rente aus der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung von ihm selbst finanziert worden ist und deshalb nicht auf die Versorgung angerechnet werden kann, so dass insoweit ein Ermessensausfall vorliegt.
Der Beklagte wird im Rahmen der Ermessensausübung nach den §§ 11, 12 und § 67 Abs. 2 BeamtVG zu berücksichtigen haben, ob die Gesamtversorgung die Höchstgrenze nach § 55 Abs. 2 BeamtVG überschreitet. Die Ermessensentscheidung bei Berücksichtigung von Kann-Vordienstzeiten muss auf Erwägungen gestützt sein, die im Hinblick auf den Wortlaut und den Zweck der gesetzlichen Regelung sachgerecht sind (BVerwG, U.v. 19.11.2015 a.a.O. Rn. 14). Der Zweck von §§ 10-12 BeamtVG besteht darin, Mischlaufbahn-Beamten mit berücksichtigungsfähigen Vordienstzeiten diejenige Altersversorgung zu ermöglichen, die sie erhalten würden, wenn sie die vordienstlichen Tätigkeiten im Beamtenverhältnis erbracht hätten (BVerwG a.a.O. Rn. 15). Damit wird eine Gleichstellung dieser Beamten mit „Nur-Beamten“ bezweckt. Nichts anderes gilt für § 67 Abs. 2 BeamtVG. Die hinter dieser Vorschrift stehende Intention des Gesetzgebers, geeignete Bewerber als Professoren zu gewinnen, rechtfertigt nicht, Vordienstzeiten auch dann als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen, wenn und soweit sie nicht nur zur (annähernden) Gleichstellung, sondern zu einer Besserstellung gegenüber „Nur-Beamten“ führen (BVerwG a.a.O. Rn. 16). Dies wäre der Fall, wenn die Altersversorgung durch Berücksichtigung solcher Vordienstzeiten über das Ruhegehalt hinausginge, das der Beamte erreicht hätte, wenn er die Zeiten im Beamtenverhältnis verbracht hätte. Dem Zweck der o.g. Vorschriften entspricht vielmehr eine Ausübung des Ermessens, die darauf angelegt ist, eine versorgungsrechtliche Gleichstellung mit „Nur-Beamten“ zu erreichen (BVerwG a.a.O. Rn. 17).
Will der Dienstherr die Besserstellung eines Beamten, der durch Vordiensttätigkeiten einen anderen Anspruch auf Versorgung erworben hat, gegenüber „Nur-Beamten“ verhindern, so muss er daher eine Vergleichsberechnung anstellen. Das Ermessen wird dabei i.d.R. rechtsfehlerfrei ausgeübt, wenn die Berücksichtigung der Vordienstzeiten abgelehnt wird, soweit die in diesen Zeiten erworbene andere Versorgung eine entsprechende Ruhegehaltseinbuße ausgleicht. Die Gesamtversorgung aus Ruhegehalt und anderer Versorgungsleistung darf aber nicht niedriger ausfallen als das bei Berücksichtigung der Vordienstzeiten erreichbare Ruhegehalt. Deshalb muss die zuständige Behörde das Ermessen so ausüben, dass die Summe aus auszuzahlendem Ruhegehalt und Rente die Höchstgrenze des § 55 Abs. 2 BeamtVG nicht unterschreitet. Die Nichtberücksichtigung von Vordienstzeiten wird ermessensfehlerhaft, wenn sie dazu führt, dass dem Beamten ein Ruhegehalt unterhalb der Höchstgrenze ausgezahlt und die Differenz nicht durch eine anderweitige Versorgung ausgeglichen wird (BVerwG, U.v. 19.11.2015 a.a.O. Rn. 18). Dabei darf die Ruhegehaltfähigkeit von Vordienstzeiten nicht deshalb – ganz oder teilweise – abgelehnt werden, weil der Beamte neben dem Ruhegehalt eine andere Versorgungsleistung erhält, die er ausschließlich oder weit überwiegend aus eigenen Mitteln finanziert hat. Der Dienstherr ist daher gehindert, Vordienstzeiten im Rahmen von Kann-Vorschriften unberücksichtigt zu lassen, wenn und soweit der Beamte mit eigenen Mitteln Altersvorsorge betrieben hat (BVerwG a.a.O. Rn. 19).
2. Der Zulassungsantrag war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwert in Höhe von insgesamt 20.532,14 €. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nur zu ¼ obsiegt hat, so dass der verbliebene Teil des Streitgegenstands mit 5.000,- € zu bewerten ist.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).