Arbeitsrecht

Berufung erfolglos – Anhebung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 48 Stunden

Aktenzeichen  6 ZB 15.2614

Datum:
19.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 124a Abs. 4 S. 4
AZV AZV § 13 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 29. Oktober 2015 – Au 2 K 15.436 – wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg. Der innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils‚ auf dessen Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist‚ liegt nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund wäre begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B. v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B. v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B. v. 13.7.2015 – 6 ZB 15.585 – juris Rn. 3). Das ist nicht der Fall.
Der Kläger wendet sich gegen die Anhebung seiner regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 48 Stunden. Er steht im Dienst der Beklagten und ist als Oberbrandmeister im feuerwehrtechnischen Dienst der Bundeswehr beschäftigt, wo er Schichtdienst unter Einschluss von Bereitschaftsdienstzeiten leistet. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Aufgrund der Schwerbehinderung war auf Antrag des Klägers mit Bescheid vom 28. November 2011 dessen regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ab 1. November 2011 von 41 auf 40 Stunden verkürzt worden (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 AZV).
Mit Bescheid vom 28. August 2013, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, teilte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr dem Kläger mit, das Bundesministerium der Verteidigung habe mit Erlass vom 15. Juli 2013 festgelegt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für im Schichtdienst der Bundeswehrfeuerwehren eingesetzte Beamte ab dem 1. August 2013 48 Stunden betrage. Am 3. Februar 2014 erhob der Kläger Widerspruch und, nachdem über diesen in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist, am 1. April 2015 Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht. Er beantragte, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. August 2013 zu verurteilen, seinem Arbeitszeitkonto die von ihm seit 1. August 2013 über eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden hinaus geleisteten Arbeitsstunden als Zuvielarbeit gutzuschreiben und festzustellen, dass er nicht verpflichtet sei, mehr als 40 Stunden an regelmäßiger Wochenarbeitszeit zu leisten, hilfsweise: die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. August 2013 zu verpflichten, über die von ihm aufgrund seiner Schwerbehinderung beantragte Reduzierung der auf 48 Stunden festgesetzten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Mit Urteil vom 29. Oktober 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage im Haupt- und im Hilfsantrag für unbegründet erachtet und abgewiesen. Den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts hält der Kläger mit seinem Zulassungsantrag nichts Stichhaltiges entgegen, das weiterer Prüfung oder Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfte.
Nach § 87 Abs. 1 BBG darf die regelmäßige Arbeitszeit wöchentlich im Durchschnitt 44 Stunden nicht überschreiten. Soweit Bereitschaftsdienst besteht, kann die Arbeitszeit entsprechend den dienstlichen Bedürfnissen verlängert werden (§ 87 Abs. 2 BBG). Gemäß § 87 Abs. 3 Satz 1 BBG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 AZV in der Fassung vom 14. September 2012 kann bei Bereitschaftsdienst die regelmäßige tägliche Arbeitszeit und die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit entsprechend den dienstlichen Bedürfnissen angemessen verlängert werden. Hierbei darf in einem Bezugszeitraum von 12 Monaten die durchschnittliche Arbeitszeit 48 Stunden im Siebentageszeitraum nicht überschreiten. Auch unionsrechtlich darf die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreiten (Art. 6b Richtlinie 2003/88/EG). Bereitschaftsdienst ist nach § 2 Nr. 12 AZV die Pflicht, sich, ohne ständig zur Dienstleistung verpflichtet zu sein, an einer vom Dienstherrn bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall den Dienst aufzunehmen, wenn dabei Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Nach der Rechtsprechung kommt es für die Annahme eines Bereitschaftsdienstes darauf an, ob der Beamte sich an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat, wenn erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist, wobei der Bereitschaftsdienst auch Ruhephasen einschließen kann (BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 2 C 32.10 – juris Rn. 12; U. v. 22.1.2009 – 2 C 90.07 – juris Rn. 14). Bereitschaftsdienste im Sinn des § 2 Nr. 12 AZV sind arbeitszeitrechtlich wie Volldienst zu behandeln (u. a. EuGH, B. v. 25.11.2010 – C-429/09 -; B. v. 11.1.2007 – C-437/05 jeweils in juris).
Nach dem Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom 15. Juli 2013 (in der Fassung vom 31. März 2014) beträgt im Schichtdienstbetrieb der Bundeswehrfeuerwehren die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für die Beamten 48 Stunden. Diese Regelung entspricht der Vorschrift des § 13 Abs. 1 AZV. Nach den – unbestrittenen – Angaben der Beklagten ist in der Gesamtstundenanzahl von 48 Stunden ein Bereitschaftsdienstanteil von 16 Stunden enthalten. Der Kläger geht in seinem Zulassungsantrag selbst davon aus, dass es sich bei der von ihm zu leistenden Arbeitszeit um „Bereitschaftsdienst“ gemäß § 13 Abs. 1 AZV handelt und dass grundsätzlich ein dienstliches Bedürfnis im Sinne der Vorschrift vorliegt. Er ist jedoch der Auffassung, dass im Rahmen der nach § 13 Abs. 1 AZV zu treffenden Ermessensentscheidung seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berücksichtigen gewesen wäre, weil eine Unterscheidung zwischen schwerbehinderten und nicht schwerbehinderten Beamten im Rahmen der zu leistenden Arbeitszeit gerechtfertigt und notwendig sei und auch in anderen Regelungen der AZV wie § 3 Abs. 1 Satz 2 AZV zum Ausdruck komme.
Damit kann der Kläger nicht durchdringen. Nach § 13 Abs. 1 AZV sieht der Verordnungsgeber eine Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit für schwerbehinderte Beamte bei der Verrichtung von Bereitschaftsdienst nicht vor. Die in § 3 Abs. 1 Satz 2 AZV vorgesehene Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen (Voll-)Arbeitszeit von 41 Stunden auf 40 Stunden gilt nur für schwerbehinderte Beamte, die nicht – wie der Kläger – in Schichten unter Einschluss von Bereitschaftszeiten Dienst leisten. Zwischen den Beamten im Schichtdienst mit Bereitschaftszeiten und den anderen Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes (z. B. im Tagesdienst eingesetzte Feuerwehrbeamte) bestehen sachliche Unterschiede, die die Ungleichbehandlung bei der Arbeitszeit rechtfertigen. Zeiten der Bereitschaft, die auch Ruhephasen einschließen, sind anders strukturiert als Arbeitszeiten, bei denen eine durchgehende Tätigkeit des Beamten erwartet wird. Die Schichten können wesentlich länger sein, solange angemessene Ruhezeiten gewährt werden (vgl. § 5 AZV). Der Verordnungsgeber lässt mit der sogenannten Opt-Out-Regelung des § 13 Abs. 2 AZV auf freiwilliger Basis sogar noch längere Wochenarbeitszeiten, nämlich bis zu 54 Stunden im Siebentageszeitraum zu (vgl. hierzu auch BT-Drs. 17/12455 S. 68). Es liegt in seinem Ermessen, ob er in einem solchen durch Schichtdienst mit Bereitschaftszeiten geprägten Dienst bei Schwerbehinderten eine Reduzierung der Arbeitszeit für geboten hält oder nicht (OVG NW, B. v. 17.2.2015 – 6 A 227.14 – juris Rn. 7 zur vergleichbaren nordrhein-westfälischen Regelung). Die vom Kläger zur Begründung seines Zulassungsantrags herangezogene Fürsorgepflicht des Dienstherrn erlegt diesem zwar auf, für die Gesundheit der ihm unterstellten Beamten Sorge zu tragen, belässt ihm aber Spielraum bei der Wahl der dafür in Betracht kommenden Mittel. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger als Schwerbehinderter den Schichtdienst mit Bereitschaftsdienstanteil bei der Feuerwehr nur dann mit seiner Gesundheit vereinbaren könnte, wenn er diesen mit reduzierter wöchentlicher Stundenzahl versieht, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht in substantiierter Weise auf (vgl. OVG NW, B. v. 17.2.2015 – 6 A 227.14 – juris Rn. 8). Der Hinweis des Klägers, dass seine Schwerbehinderteneigenschaft ein „Indiz“ hinsichtlich einer „übermäßigen Belastung bzw. Gesundheitsgefährdung“ sei, genügt in dieser Allgemeinheit schon nicht dem Darlegungsgebot (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Angesichts dessen hätte die Schwerbehinderung des Klägers auch nicht, wie er meint, „zwingend“ im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 13 Abs. 1 AZV bei der Festlegung der Stundenzahl berücksichtigt werden müssen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG infolge der Gleichstellung von schwerbehinderten und nicht schwerbehinderten Feuerwehrbeamten im Rahmen der Arbeitszeitregelung nach § 13 Abs. 1 AZV ist ebenfalls nicht erkennbar.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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