Arbeitsrecht

Berufung, Erinnerung, Vergleich, Erledigung, Kostenprivilegierung, Verfahren, Kostenansatz, Beendigung, Rechtsstreit, Endurteil, Rechtsauffassung, Staatskasse, Voraussetzungen, Einbeziehung, Erledigung des Rechtsstreits, Beendigung des Verfahrens, gerichtliche Entscheidung

Aktenzeichen  5 Ca 327/21

Datum:
11.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 17586
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Erinnerung des Bezirksrevisors beim Landesarbeitsgericht Nürnberg vom 25.02.2022 gegen den Kostenansatz der Kostenbeamtin vom 22.02.2022 wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Parteien führten seit dem 29.04.2021 den vorbezeichneten Kündigungsrechtsstreit. Streitgegenständlich waren die außerordentliche fristlose sowie die hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber vom 20.04.2021.
In der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2021 kam eine gütliche Einigung nicht zustande. Die Parteien stellten die jeweiligen Anträge; das Gericht bestimmte Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 09.11.2021.
In dem Verkündungstermin vom 09.11.2021 wurde ein Endurteil verkündet. Es wurde festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 20.04.2021 noch durch die ordentliche Kündigung vom 20.04.2021 aufgelöst worden war (Nr. 1). Die Beklagte trug die Kosten des Rechtsstreits (Nr. 2). Der Streitwert wurde auf 16.324,20 € festgesetzt (Nr. 3).
Die Parteien nahmen nach dem Verkündungstermin vom 09.11.2021 nochmalige außergerichtliche Vergleichsverhandlungen auf. Mit gerichtlichem Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO gemäß dem Vergleichsfeststellungsbeschluss vom 28.01.2022 legten sie den Rechtsstreit sodann unter Einbeziehung weiterer Regelungen vollumfänglich bei (Bl. 192/193).
Nach Nr. 8 des Vergleichs waren sich die Parteien einig, dass aus dem Endurteil vom 09.11.2021 keine Rechtswirkungen hergeleitet werden. Nach Nr. 9 des Vergleichs wurden die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.
Auf den weiteren Inhalt des Vergleichs wird verwiesen.
Das am 09.11.2021 verkündete Endurteil war bis dahin nicht vollständig abgefasst. Es wurde nach dem Vergleichsabschluss der Parteien ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe abgesetzt (Bl. 194 – 197) und den Parteien am 28.01.2022 zugestellt (Bl. 198/199).
Von der Darstellung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe wurde ausweislich des Urteils aufgrund des zwischen den Parteien abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs gemäß dem Vergleichsfeststellungsbeschluss vom 28.01.2022 und der dadurch bewirkten Erledigung des Rechtsstreits analog § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 313a Abs. 1 und 2 ZPO abgesehen (Endurteil, Seite 2; Bl. 195).
II.
Die für die Kostenbehandlung zuständige Urkundsbeamtin behandelte das Verfahren unter Berufung auf die Vorbemerkung 8 KV GKG mit Kostenansatz vom 22.02.2022 als gebührenfrei. Die Kostenbeamtin führte aus, dass die Gebühr Nr. 8210 aufgrund der Vorbemerkung 8 KV GKG entfalle. Sie legte die Akte dem Bezirksrevisor beim Landesarbeitsgericht Nürnberg als dem Vertreter der Staatskasse vor.
Der Bezirksrevisor beim Landesarbeitsgericht Nürnberg legte als Vertreter der Staatskasse mit Schreiben vom 25.02.2022 gegen den Kostenansatz der Kostenbeamtin vom 22.02.2022 Erinnerung ein. Er führte darin u. a. aus, dass er als Vertreter der Staatskasse auf dem Standpunkt stehe, dass sich die Gebühr lediglich auf 0,4 ermäßigt habe, aber nicht entfallen sei. Er beantragte den entsprechenden Gebührenansatz einer 0,4 Gebühr nach Nr. 8211 / 8210 KV GKG. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache bat er um Zulassung der Beschwerde an das Landesarbeitsgericht.
Die Kostenbeamtin half der Erinnerung des Bezirksrevisors vom 25.02.2022 gemäß Beschluss vom 06.04.2022 nicht ab und legte die Erinnerung dem Kammervorsitzenden zur Entscheidung vor.
Auf die jeweiligen Begründungen des Bezirksrevisors beim Landesarbeitsgericht Nürnberg und der Kostenbeamtin wird verwiesen.
Auf den weiteren Inhalt der Kostenakte wird Bezug genommen.
III.
Die Entscheidung über die Erinnerung ergeht nach § 66 Abs. 1 GKG i.V.m. § 66 Abs. 6 GKG, § 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG durch den Vorsitzenden.
Die Erinnerung ist zurückzuweisen.
Nach Wertung des Vorsitzenden umfasst die Vorbemerkung 8 KV GKG auch die verfahrensgegenständliche Konstellation, dass die Parteien den Rechtsstreit im Anschluss an ein gerichtliches Endurteil durch gerichtlichen Vergleich erledigen.
Die Vorbemerkung 8 KV GKG lautet in Auszug:
„Bei Beendigung des Verfahrens durch einen gerichtlichen Vergleich entfällt die in dem betreffenden Rechtszug angefallene Gebühr; … . Dies gilt nicht, wenn der Vergleich nur einen Teil des Streitgegenstands betrifft (Teilvergleich).“
Die Parteien haben vorliegend den Rechtsstreit durch den gerichtlichen Vergleich vom 28.01.2022 insgesamt erledigt. Sie haben u. a. vereinbart, dass aus dem Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 09.11.2021 keine Rechtswirkungen hergeleitet werden. Sie haben ferner Kostenaufhebung vereinbart.
Die umfassende Beilegung des Rechtsstreits im Anschluss an das verkündete, aber noch nicht vollständig abgefasste Endurteil vom 09.11.2021 erfüllt nach Wertung des Vorsitzenden die Voraussetzungen der Vorbemerkung 8 KV GKG.
Der Bezirksrevisor beim Landesarbeitsgericht Nürnberg führt zutreffend aus, dass es zu dem Problem die unterschiedlichsten Rechtsauffassungen gebe.
Der Vorsitzende teilt die Rechtsauffassung der Kostenbeamtin, dass in dem vorliegenden Rechtsstreit die Kostenprivilegierung nach der Vorbemerkung 8 KV GKG aufgrund des Vergleichsabschlusses greife, mit der Folge, dass die Gebühr Nr. 8210 KV GKG gänzlich entfalle.
Der Vorsitzende teilt die Rechtsauffassung der Kostenbeamtin, dass die Kostenprivilegierung nach der Vorbemerkung 8 KV GKG dem Willen des Gesetzgebers entspreche, den Abschluss eines Vergleiches in größerem Maße zu belohnen als die anderen in der Nr. 8211 KV GKG aufgeführten Erledigungstatbestände.
Der Vorsitzende teilt ferner die Rechtsauffassung der Kostenbeamtin, dass eine Regelung, wonach die Kostenprivilegierung gemäß der Vorbemerkung 8 KV GKG nach der Urteilsverkündung unanwendbar sei, nicht ersichtlich sei, da sich eine derartige zeitliche Begrenzung der Vorbemerkung selbst nicht entnehmen lasse und der Gebührenwegfall in der Vorbemerkung auch nicht an bestimmte Verfahrensabschnitte gebunden sei.
Der Vorsitzende teilt insgesamt die von der Kostenbeamtin angezogene Rechtsauffassung des LAG Düsseldorf, Beschluss vom 05.02.2020 – 13 Ta 96/19 -. Das LAG Düsseldorf führt in den amtlichen Leitsätzen aus:
1. Der Sinn und Zweck der Vorbemerkung 8 KV GKG erschöpft sich nicht darin, eine für das Gericht eintretende Arbeitsersparnis zu honorieren. Vielmehr verfolgt der Gesetzgeber mit der Regelung vordringlich aus sozialpolitischen Gründen das Anliegen, eine Verständigung zwischen den Parteien in besonderer Weise gebührenrechtlich zu fördern.
2. Ein Vergleich über sämtliche Streitgegenstände lässt daher selbst dann nach der Vorbemerkung die in dem betreffenden Rechtszug angefallene Gebühr entfallen, wenn die Parteien ihn erst nach der Urteilsverkündung schließen. Eine Zäsur tritt ein, wenn gegen das Urteil ein Rechtsmittel eingelegt wird oder wenn es mangels Einlegung eines Rechtsmittels rechtskräftig wird.
Der Vorsitzende verkennt bei dieser Wertung nicht, dass bereits die Ermäßigung der 2,0 Gebühr nach Nr. 8210 KV GKG auf eine 0,4 Gebühr nach Nr. 8211 KV GKG und damit auf ein Fünftel eine signifikante Kostenprivilegierung darstellt, die nach den Erledigungstatbeständen Nrn. 1, 2 und 3 der Nr. 8211 KV GKG erkennbar der gerichtlichen Arbeitsersparnis Rechnung trägt. Diese Erledigungstatbestände betreffen jeweils die „Beendigung des gesamten Verfahrens nach streitiger Verhandlung“. Sie betreffen jedoch nicht die „Beendigung des Verfahrens durch einen gerichtlichen Vergleich“ nach der Vorbemerkung 8 KV GKG.
Ein gerichtlicher Vergleich enthält gegenüber anderen Erledigungstatbeständen vielfach Regelungen, die über den Verfahrensgegenstand hinausgehen. In dem vorliegenden Rechtsstreit haben die Parteien durch den Vergleich nicht nur den Rechtsstreit als solchen beigelegt, sondern darüber hinaus weitere Streitpunkte im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung einvernehmlich abschließend geregelt und damit erledigt.
Die zunächst streitige Erledigung des Rechtsstreits durch das Endurteil vom 09.11.2021 war erkennbar Anlass der Parteien, im Anschluss an die gerichtliche Entscheidung eine Entscheidung über das Arbeitsverhältnis insgesamt durch einen umfassenden Vergleich herbeizuführen.
Es erscheint danach auch in dem vorliegenden Rechtsstreit sachgerecht, den Abschluss des Vergleichs in besonderem Maße durch einen vollständigen Gebührenentfall zu honorieren.
Eine Zäsur im Sinne des Leitsatzes Nr. 2 des Beschlusses des LAG Düsseldorf vom 05.02.2020 – 13 Ta 96/19 – war noch nicht eingetreten, da gegen das Endurteil vom 09.11.2021 noch kein Rechtsmittel eingelegt worden war.
Maßgeblich die Gesamterledigung durch den Vergleich fällt nach ihrem Sinn und Zweck unter die Kostenprivilegierung nach der Vorbemerkung 8 KV GKG. Die Vorbemerkung 8 KV GKG beinhaltet übergreifend einen pauschalen Gebührenentfall bei einem Gesamtvergleich.
Der Kostenansatz der Kostenbeamtin vom 22.02.2022 ist danach zutreffend.
Der Erinnerung ist deshalb zurückgewiesen worden.
IV.
Die Beschwerde ist im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen worden, § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG.


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