Arbeitsrecht

Berufung, Ermessen, Leistungserbringung, Feststellung, Leistung, Gesellschaft, Zulassung, Vertrag, Kostenentscheidung, Darlegung, Verfahren, Anspruch, Beendigung, Mitgliedsvertrag, unternehmerisches Risiko, billigem Ermessen, Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  2 C 223/21

Datum:
19.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 28874
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Kaufbeuren
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 431,52 € festgesetzt.

Gründe

Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Das Gericht geht davon aus, dass das streitgegenständliche Vertragsverhältnis – noch – nicht durch die Kündigung der Klägerin beendet wurde, da es zu einer Vertragsverlängerung gemäß § 313 BGB gekommen ist. Die Vertragslaufzeit verlängerte sich um die Zeit der behördlichen Schließung und ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgelaufen.
Die Anwendbarkeit des § 275 BGB sieht das Gericht nicht, da kein absolutes Fixgeschäft vorliegt. Ein späteres Erbringen der Leistung durch die Beklagtenseite ist hier möglich. Will die Klägerin die für sie günstige Rechtsfolge der §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB in Anspruch nehmen, muss sie darlegen, warum der Vertragsgegenstand in zeitlicher Hinsicht ausnahmsweise so individualisiert ist, dass eine spätere Leistungserbringung für sie eine Vereitelung des Vertragszweckes darstellt. Diese Darlegung bleibt die Klägerseite trotz wiederholten Aufforderungen durch die Beklagte schuldig.
Nach hiesiger Ansicht ist auf § 313 BGB abzustellen. Das Gericht schließt sich den Ausführungen des LG Würzburg Urt. v. 23.10.2020 – 1 HK O 1250/20 in GRUR-RR 2020, 540, beck-online vollumfänglich an:
Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handelt es sich um einen so genannten typengemischten Vertrag mit einem Schwerpunkt im Mietrecht, da die Dienst- und Werkleistungen nur von einer untergeordneten Bedeutung sind. Vorliegend gingen beide Parteien bei Vertragsabschluss davon aus, dass das Fitnessstudio ganzjährig benutzbar ist.
Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann nach § 313 I BGB Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Das Fehlen oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage führen grundsätzlich nicht zur Auflösung des Vertrags, sondern zur Anpassung seines Inhaltes an die veränderten Verhältnisse. Das maßgebliche Kriterium für die Anpassung ist die Zumutbarkeit. Erforderlich ist eine umfassende Interessenabwägung und anzustreben ist ein optimaler Interessenausgleich bei einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngliche Regelung.
Die Corona-Krise hat massive Auswirkungen auf die Durchführung vieler Verträge (tatsächliches Element) und konnte in ihrer Tragweite zumindest bis zum Jahresbeginn 2020 nicht vorhergesehen werden (hypothetisches Element). Darüber hinaus kommt es auf die Eigenheiten der individuellen Vertragsbeziehung an, mit denen sich hier anders als im Normalfall keine konkrete Risikozuweisung begründen lässt (normatives Element, § 313 I BGB). Das Festhalten am unveränderten Vertrag ist nach der Rechtsprechung zwar zumutbar, soweit es nicht zu einem mit Recht und Gesetz schlechthin unvereinbaren Ergebnis führt. Gleichwohl konzediert auch die Rechtsprechung, dass es Entwicklungen gibt, die so vertragsfern und derart außergewöhnlich sind, dass keine der Parteien das entsprechende Risiko tragen soll.
So wurde eine Störung der Geschäftsgrundlage bei behördlicher Untersagung der Vertragsdurchführung bejaht, wenn die anlassgebenden Sicherheitsrisiken beide Parteien gleichermaßen betrafen und billigerweise nicht eine Partei allein mit den Folgen zu belasten war. Auch die drohende Existenzvemichtung durch äußere, nicht der eigenen Risikosphäre zuzurechnende Umstände ist eine anerkannte Fallgruppe, und im Kontext der „großen Geschäftsgrundlage“ wurde entschieden, dass beispielsweise das Risiko von Kriegsschäden keiner der Parteien zuzurechnen sei und diese als „Gefahrgemeinschaft“ auch den Schaden zu teilen hätten.
Die Covid-19-Pandemie fällt in die Kategorie der so genannten Störung der „großen Geschäftsgrundlage“. Unter dem Wegfall der großen Geschäftsgrundlage versteht man jene Fälle, die über das Vertragsverhältnis der beiden Vertragsparteien hinausweisen. Der Durchführung des Vertrags stehen Ereignisse wie Krieg, Inflation oder Naturkatastrophen entgegen. Diese Risiken, die aus der gemeinsamen Sozialexistenz beider Parteien stammen – das Sars-CoV-2-Virus trifft die Gesellschaft als Ganze und erfordert daher auch ein solidarisches Handeln der Gesellschaft-, können nicht einer Partei einseitig zugewiesen werden. Vielmehr gilt es, eine gerechte Lastenverteilung zu finden. Die Corona-Pandemie wirkt auf die Vertragspraxis wie ein exogener Schock. Die bisherige Maxime „Verträge sind einzuhalten“ bedarf daher einer Auflockerung.
Dass die Beitragszahlungen während der Schließung für die Klägerin unzumutbare oder gar existenzvernichtende Folgen hätten, Ist nicht ersichtlich. Sie hatte lediglich in diesem Zeitraum keine Möglichkeit zu trainieren. Mehrausgaben sind ihr nicht entstanden. Auf Seiten der Beklagen ist zu berücksichtigen, dass diese auch während der Betriebsuntersagung die Kosten für den Erhalt des Fitnessstudios, etwa in Form von Lohnzahlungen sowie Wartungs- und Pflegekosten, zu tragen hatte. Sie hat sich dadurch, dass das Studio nicht genutzt wurde, finanziell zwar einiges erspart, aber gemessen an den Fixkosten ist dies eher untergeordnet. Dass sich die Beklagte vollumfänglich durch staatliche Hilfen die Verluste absichern kann, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Die Anpassung des Vertrags ist vorliegend für die Klägerin zumutbar, weil die Anpassung zu einem Vertragsinhalt führt, der einer Überprüfung am Maßstab eines hypothetischen Parteiwillens standhält und den die Vertragspartei in Kenntnis der geänderten Umstände vereinbart hätten.
Die Beklagte hat der Klägerin wie aus der Analge K 5 ersichtlich mehrere Möglichkeiten einer Vertragsabänderung vorgeschlagen, also kein Geld verlangt, ohne nicht auch eine entsprechende Leistung zu einem späteren Zeitpunkt zu gewähren. Warum der Klägerin ein derartiges Modell, das beiden Interessen gerecht wird, nicht zumutbar sein soll, erläutert die Klägerin trotz Monierens durch die Beklagtenseite nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Zulassung der Berufung erfolgte gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO.


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