Arbeitsrecht

Bescheid, Arbeitnehmer, Kurzarbeitergeld, Erstattung, Arbeitgeber, Arbeit, Gerichtsbescheid, Antragstellung, Arbeitsausfall, Ausschlussfrist, Anspruch, Frist, Anzeige, Betrieb

Aktenzeichen  S 5 AL 213/21

Datum:
24.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6369
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Das Gericht konnte gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die zu entscheidende Sache mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zur Absicht des Gerichts, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, gehört.
Die gemäß §§ 87, 90, 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Klage zum sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Augsburg (§§ 8, 51 Abs. 1 Nr. 4, 57 SGG) ist zwar zulässig.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide vom 29.04.2021, 03.06.2021 und 04.06.2021 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.07.2021 und 05.08.2021 sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Kurzarbeitergeld und die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen in den Monaten Dezember 2020 und Januar 2021. Demzufolge steht auch kein Zinsanspruch zu.
Nach § 95 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind, die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist. Dem Arbeitgeber werden die von ihm während des Bezugs von Kurzarbeitergeld nach § 95 oder § 101 SGB III allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung auf Antrag von der Bundesagentur für Arbeit für Arbeitsausfälle in voller Höhe in pauschalierter Form erstattet, wenn der Betrieb bis zum 30. Juni 2021 Kurzarbeit eingeführt hat, §§ 109 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 SGB III, 2 Abs. 1 Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit – Kurzarbeitergeldverordnung (KugV).
Kurzarbeitergeld wird für den Arbeitsausfall für eine Dauer von längstens zwölf Monaten von der Agentur für Arbeit geleistet. Die Bezugsdauer gilt einheitlich für alle in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie beginnt mit dem ersten Kalendermonat, für den in einem Betrieb Kurzarbeitergeld vom Arbeitgeber gezahlt wird. Wird innerhalb der Bezugsdauer für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens einem Monat kein Kurzarbeitergeld gezahlt, verlängert sich die Bezugsdauer um diesen Zeitraum. Sind seit dem letzten Kalendermonat, für den Kurzarbeitergeld gezahlt worden ist, drei Monate vergangen und liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld erneut vor, beginnt eine neue Bezugsdauer, § 104 Abs. 1 bis 3 SGB III. Der Arbeitsausfall ist bei der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb seinen Sitz hat, schriftlich oder elektronisch anzuzeigen. Die Anzeige kann nur vom Arbeitgeber oder der Betriebsvertretung erstattet werden. Der Anzeige des Arbeitgebers ist eine Stellungnahme der Betriebsvertretung beizufügen. Mit der Anzeige ist glaubhaft zu machen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall besteht und die betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld erfüllt sind, § 99 Abs. 1 SGB III. Kurzarbeitergeld wird frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Beruht der Arbeitsausfall auf einem unabwendbaren Ereignis, gilt die Anzeige für den entsprechenden Kalendermonat als erstattet, wenn sie unverzüglich erstattet worden ist, § 99 Abs. 2 SGB III. Der Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit bestimmt den Beginn der Kurzarbeitergeldleistung. Da der Kalendermonat der entscheidende Zeitabschnitt ist (§§ 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 104 Abs. 1 Satz 3), wird hier auch auf den Kalendermonat des Eingangs abgestellt. Die Anzeige muss während einer Bezugsfrist (§ 104 Abs. 1) nicht erneuert werden, sie gilt bis zu deren Ende. Ist innerhalb einer Bezugsfrist für drei Kalendermonate kein Kurzarbeitergeld gezahlt worden, beginnt – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – eine neue Bezugsfrist (§ 104 Abs. 3 SGB III), die eine neue Anzeige erfordert.
Wird die Anzeige nicht mehr im Monat des Eintritts des Arbeitsausfalls erstattet, so ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht möglich. Es handelt sich bei der ordnungsgemäßen Anzeige nach § 95 Satz 1 Nr. 4 SGB III um eine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld, so dass der Anwendungsbereich des § 27 SGB X bereits aus diesem Grund ausgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 14.02.1989, 7 RAr 18/87). Darüber hinaus knüpft § 27 SGB X daran an, dass eine gesetzliche Frist versäumt wurde. Eine solche Frist setzt § 99 SGB III aber gerade nicht, sondern legt eine Rechtsfolge für den Zeitpunkt der Anzeige fest. § 99 Abs. 2 SGB III wirkt auch aus diesem Grund materiell-rechtlich. Auch das ist nicht vom Anwendungsbereich der dem Verfahrensrecht zuzuordnenden Vorschrift des § 27 SGB X umfasst (Müller-Grune in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 99 SGB III (Stand: 21.10.2020), Rn. 40). Im Übrigen wäre auch § 99 Abs. 2 Satz 2 SGB III nicht verständlich, denn diese Sonderregelung wäre gerade bei einer möglichen Wiedereinsetzung überflüssig (Petzold in: Hauck/Noftz, SGB, 10/20, § 99 SGB III, Rn. 16).
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Erwägungen ist der Antrag der Klägerin auf Kurzarbeitergeld und die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen zu spät bei der Beklagten eingegangen. Aufgrund des Fristablauf bestehen im Dezember 2020 und Januar 2021 keine entsprechenden Ansprüche mehr. Für die Kammer ist nicht nachgewiesen, dass die Anzeigen für die streitbefangenen Betriebsteile bei der Beklagten vor dem 01.01.2021 bzw. 01.02.2021 eingegangen sind. Eine wirksame Anzeige lag nicht mehr vor. Denn auf die Anzeige vom 27.03.2020 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 15.04.2020 lediglich für die Zeit vom 01.03.2020 bis 30.09.2020 für den Gesamtbetrieb fest, dass aufgrund der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld erfüllt sind. Zwar stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 31.07.2020 für die Betriebsabteilungen 503721 GKT ID Vertrieb und 508030 Außendienst das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls und der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld für die Zeit vom 01.08.2020 bis 31.03.2021 fest. Mit den bestandskräftigen Bescheiden vom 02.03.2021 und 21.04.2021 hob die Beklagte ihre Entscheidung über die Gewährung von Kurzarbeitergeld vom 31.07.2020 mit Wirkung ab 01.08.2020 bzw. 01.09.2020 jedoch wieder auf, nachdem innerhalb von drei Monaten keine Anträge auf Kurzarbeitergeld bei der Beklagten eingereicht worden sind.
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge des § 193 SGG als unbegründet abzuweisen.


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